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Nadeschda Krupskaja 18990416 Brief an M. A. Uljanowa

Nadeschda Krupskaja: Brief an M. A. Uljanowa

[Geschrieben am 4. April 1899. Geschickt von Schuschenskoje nach Podolsk. Zum ersten Mal veröffentlicht 1957 in der 4. russischen Ausgabe der Werke W. I. Lenins, Band 37. Nach der Handschrift. Nach Lenin: Briefe, Band 10, Berlin 1976, S. 402 f.]

4. April

Liebe Marja Alexandrowna, vor etwa zwei Wochen habe ich Ihnen geschrieben und wie gewöhnlich über alles mögliche geschwatzt. Bei uns ist alles beim Alten, alle sind gesund, draußen ist es angenehm warm – bis 17°, im Freien ist es stellenweise ganz trocken, und wir gehen lange spazieren, wir haben zwei Wildgänse und einen Enterich gesehen. Wolodja hat sich für die Jagd neue Stiefel gekauft, die fast bis zum Gürtel reichen, er liest im Gärtchen, geht im Sommermantel, und auch ich hatte kürzlich beim Graben im Garten nur ein Kleid an; ich beschäftige mich jetzt intensiv mit Gartenbau und Gemüsezucht und vertiefe mich in ein Buch darüber, das Gleb geschickt hat. Was meine Gesundheit betrifft, so ist alles völlig in Ordnung, aber mit dem Vögelchen, das geflogen kommen soll, steht die Sache leidet schlecht: es will keines geflogen kommen. Sie fragen, ob unsere Wohnung groß ist. Die Wohnung ist groß, und wenn Sie herkommen – was wir sehr, seht wünschen –, werden wir alle ausgezeichnet Platz haben. Mir fällt ein, dass ich Ihnen einmal eine Skizze unserer Wohnung geschickt habe, übrigens weiß ich es nicht, vielleicht hatte ich auch nur die Absicht. Die Wohnung besteht aus drei Zimmern, eins mit vier Fenstern, eins mit drei und eins mit einem. Allerdings hat die Wohnung einen großen Nachteil: alle Zimmer sind Durchgangszimmer, aber wenn alle zur Familie gehören, dann stört das ja nicht so sehr. Wolodja und ich denken, dass wir Ihnen das Zimmer geben, in dem wir jetzt wohnen (mit drei Fenstern), und selber in das mittlere ziehen werden: unser jetziges Zimmer hat den Vorteil, dass es kein Durchgangszimmer ist. Übrigens wird sich dann schon alles finden. Es geht nur darum, ob Ihre Gesundheit Ihnen erlaubt zu reisen, meine Liebe, Platz haben wir auf jeden Fall. Falls Sie im Mai fahren, werden Sie eine schöne Dampferfahrt haben. Wir fuhren mit dem ersten Dampfer, als ringsum alles noch kahl war, und auch da war es schön, aber im Sommer, denke ich, wird die Fahrt sehr schön sein. Dagegen ist die Fahrt mit der Eisenbahn recht ermüdend. Wolodja hat sicher geschrieben, dass die Minussinsker den Plan, nach Schuscha überzusiedeln, aufgegeben und sich ein Landhaus in der Nähe der Stadt gemietet haben, das einzige Landhaus von Minussa. Baden Sie gern? Zum Baden haben wir es ziemlich weit – etwa 20 Minuten zu Fuß. Anja badet, wie ich weiß, gern. Ich erinnere mich, als ich einmal bei Ihnen in Beloostrow war, da gingen Anja und ich im Regen baden.

Wir haben aus der Stadt das „Natschalo" bekommen, Wolodja ist schrecklich empört über den Artikel von Bulgakow und arbeitet in Gedanken schon an einem Artikel gegen ihn. Dieses „Natschalo" hat recht lange auf sich warten lassen. Anfangs dachte ich immer, der Postbote hätte die Post verbummelt. Unser Postbote ist eine ziemliche Schlafmütze: bald verliert er eine Zeitung, bald vergisst er, die Quittung abzugeben, bald fährt er mit den Briefen vorbei. Ich beschimpfe ihn jedes Mal in Gedanken mit allen möglichen sibirischen Schimpfworten. Aber genug. Dieser Brief wird wohl gerade zu Ostern eintreffen. Obwohl Wolodja protestiert, habe ich doch vor, Eier zu färben und den Osterkuchen zu bereiten. Wissen Sie, hier ist es Brauch, die Zimmer zu Ostern mit Tannenzweigen zu schmücken. Das ist sehr hübsch, und deshalb wollen wir uns an diesen Brauch auch „halten" (ich wollte erst schreiben „immer halten", aber dann ist mir eingefallen, dass wir nächstes Jahr zu Ostern schon in Russland sein werden). Vielleicht werden Mich. AI. und Kurnatowski zu uns kommen. Nun auf Wiedersehen. Ich küsse Sie und Anja herzlich und lasse alle grüßen, auch in Mamas Namen.

Ihre Nadja

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