Permanente Revolution: Aus den Organisationen [Nach Permanente Revolution, Zeitschrift der Linken Opposition der KPD (Bolschewiki-Leninisten) (Sektion der Internationalen Linken Opposition) 2. Jahrgang Nr. 1 (Januar 1932), S. 12] Hamburg Der Streik im Hafen Die Partei-Presse brachte in den ersten Oktobertagen die Behauptung, dass die Hamburger Hafenarbeiter im Streik gegen Lohnabbau stünden. Nach den Meldungen und Aufmachungen der Artikel zu urteilen war der gesamte Hafen in Bewegung geraten. Leider waren die Bedingungen des Kampfes im Hafen weit schwieriger und die Auslösung des Kampfes zerschlug sich an der Unfähigkeit der Partei und der RGO. Die reform. Gewerkschaftsbürokratie hatte, um einen geschlossenen Kampf des Hafen und Seefahrtsproletariats zu verhindern, gemeinsam mit den Unternehmern den Tarif der Hafenarbeiter auf unbestimmte Zeit verlängert bei tägl. Kündigung; während der Lohnraub bei den Seeleuten sofort durchgeführt wurde. Nachdem es dem Einheitsverband gelungen war, einige Schiffe kleinerer Reedereien stillzulegen, glaubte er die Hafenarbeiter automatisch in den Solidaritätskampf hineinzuziehen. War die Auslosung des Streiks ein Fiasko, so war die Durchführung der Streikkampagne eine Kompromittierung der kommunistischen Bewegung. Der Brennpunkt der Auseinandersetzung unter den Hafenarbeitern ist seit Jahren die Arbeit der Stauerei «Einheit». Die Parteileitung hatte in diesen Fragen eine so starre Einstellung, dass an ihr der Kampfwille tausender revolutionärer Hafenarbeiter gebrochen wurde. Indem die Partei auf die Durchführung des 5-Jahresplanes in Russland hinweist und jeden Streiktag der «Einheit» als Schädigung des 5-Jahresplanes hinstellt, glaubt sie, dass diese ideologische Aufklärung genügt, damit die Hafenarbeiter begeistert jedes Opfer bringen. Die Stellung der Hafenarbeiter zur Stauerei «Einheit» ist denkbar ungünstig. Die in diesem kommunistischen Betrieb herrschenden Methoden haben zur Kompromittierung des Kommunismus im Hafen viel beigetragen. Die Leitung des Betriebes glaubt sich über elementare Forderungen der Gesamt- Hafenarbeiterschaft hinwegsetzen zu können. Um den kommunistischen Betrieb «Einheit» zu einer Kampfesbasis im Hafen zu gestalten, ist es notwendig, die Bedingungen seiner Popularität zu schaffen. Diese Bedingungen sind: Vorbildliche Arbeitsmethoden, bei der Vermittlung Bevorzugung lediglich der Opfer politischer und gewerkschaftlicher Kämpfe. Höchster Grundsatz: Solidarität. Bei Streikkämpfen muss die «Einheit» die Forderungen der Arbeiter sofort bewilligen und durchführen, die Vermittlung muss dem Streikkomitee übertragen werden, welches nach sozialen Gesichtspunkten die Arbeit verteilt und einen Lohnanteil dem Streikfonds zuführt. Nur unter diesen Bedingungen kann die Arbeit während des Streiks auf russischen Schiffen fortgesetzt werden. In der großen Schillertheaterversammlung wurde jede kritische Diskussion auf gemeinste Art abgewürgt, andersdenkende Genossen wurden hinausgeworfen. Die Versammlung des Gelben Stalles Stubbenhuk im Seemannsklub war von etwa 300 Mann besucht; diese lehnten den Streik ab. Begründung: Kein Vertrauen zur Streikleitung, da sie vor allem aus KPD oder RGO.-Angestellten und Bürgerschaftsmitgliedern besteht und Hafenarbeiter nur als Dekoration teilnahmen. Die Versammlung der Kehrwiederspitze war von 40 und die vom Hufentor von 86 Mann besucht. Der Streikbeschluss kommt nur durch die Zusage der Arbeitsniederlegung bei der «Einheit» zustande. Bei den Ewerführern waren von 700 beim Hafenbetriebsverein eingetragenen Ewerführern 20 Mann anwesend, davon waren 3 bedingungslos für den Streik. Die allgemeine Einschätzung war folgende: Wir als Erwerbslose sind nicht entscheidend für die Auslösung von Streiks: wenn die Betriebsarbeiter in den Kampf gehen, gehen wir mit. Eine während der Bewegung von der RGO einberufene Versammlung der im Gesamtverband organisierten Hafenarbeiter und Seeleute war von nur 23 Mann besucht, davon 7-8 freigewerkschaftlich organisiert. Dieses Bild war für die Streikleitung, keine Warnung. Sie beschloss, den Streik weiterzuführen, wenn es sein muss durch verstärkte Massenstreikposten. Über alle Versprechen hinweg wurde beschlossen, dass die Arbeit bei der «Einheit» weitergehe. Dieser Beschluss führte zu scharfen Auseinandersetzungen zwischen kommunistischen Arbeitern der «Einheit» und Massenstreikposten, welche so weit gingen, dass die Streikposten die Abfahrt der «Einheit» zur Arbeit verhinderten. Erst nach diesen erschreckenden Tatsachen sah sich die Streikleitung veranlasst, den Streik zu vertagen. So ist die erste außerparlamentarische Aktion der Partei nach dem großen Septembersieg an der Unfähigkeit der Bürokratie zusammengebrochen. Die Parteiarbeiter sehen, wie durch einige unfähige Bürokraten die Kleinarbeit von Jahren in ein paar Tagen zerschlagen wird. Das hat eine breite Diskussion in den Zellen ausgelöst, wo die Parteiarbeiter in Diskussionen und Resolutionen ihre Empörung über das Versagen der Parteileitung zum Ausdruck brachten. Noch sehen die Genossen nicht das System der Fehler in den politischen Grundfragen. Sie sehen das Versagen im Einzelfall des Hafenarbeiterstreiks. Die Genossen der Linken Opposition haben während des Streiks eindeutige positive Kritik an der Führung des Streiks geübt. Die Vorbedingungen des Streiks waren außer der bereits aufgezeigten Stellung zur «Einheit» eine breite Mobilisierung nicht nur der Erwerbslosen, sondern vor allem der noch im Betrieb stehenden Heizer, Maschinisten, sowie Ewerführer. Die Mobilisierung konnte nur durch eine gute Fraktionsarbeit in den reformistischen Gewerkschaften geleistet werden. Die Massenstreikposten dürfen nicht Ersatz der fehlenden sein, sondern müssen nur die Streikwachen der Hafenarbeiter verstärken. Allein unter diesen Bedingungen kann die Partei das Vertrauen des Hafenproletariats gewinnen und damit die Auswertung des Stimmengewinns vom September in eine breite Massenbewegung im Kampf gegen jeden Pfennig Lohnraub durchführen. Die Erfahrungen des Hafenarbeiterstreiks sind in allen Zellen eingehend zu diskutieren. Die Selbstkritik darf nicht ein Instrument der Bürokraten sein, um das Versagen auf die Schultern der unteren Funktionäre abzuwälzen: sondern eine Waffe der Parteimitgliedschaft gegen die unfähige selbstherrliche Bürokratie der Partei. Baden Bretten Zum 21. November hatte die Ortsgruppe Bretten (Baden) eine öffentliche Versammlung mit dem Thema: «Aufstieg oder Untergang» einberufen, in der unser Genosse Seipold referieren sollte. Bretten ist ein faschistisches Nest. Die Nazis drohten den Saalwirten mit Boykott ihrer Gaststätten, wenn diese für die Trotzkisten den Saal geben sollten. Außerdem drohten sie unsere Versammlung auseinander zu schlagen. Unsere Genossen mussten, da ihnen drei bereits festgelegte Säle verweigert wurden, die Versammlung im letzten Moment in einem benachbarten Ort abhalten. Genosse Seipold ging eingehend auf den Faschismus ein: seine Schlussfolgerungen waren: «Wir haben aufgezeigt, dass die Nazis die Kettenhunde des Kapitals sind. In Harzburg haben sie gezeigt, mit wem, und in Braunschweig gegen wen sie kämpfen. Der Faschismus ist der Todfeind der Arbeiterklasse. Gegen ihn muss jeder ehrliche Arbeiter erbitterten Kampf führen. Aber ohne sich in einer revolutionären Einheitsfront zusammenzuschließen, werden wir den Faschismus sowie dessen Auftraggeber, den Kapitalismus, niemals niederringen. Die Arbeiterklasse ist an der reformistischen Führung und an dem Zick-Zack-Kurs der zentristischen Stalin-Thälmann-Führung irre geworden. Das Vertrauen zu den kommunistischen Parteien wieder herzustellen, wird für die Linke Opposition keine leichte Aufgabe sein, aber wir werden keine Mühe scheuen. Wenn die Thälmann, Remmele die Einheitsfront mit der SP ablehnen, weil es die Breitscheid und Genossen nicht ehrlich meinen, so sagen wir: Es geht nicht um Personen, sondern um die Klasse! Es gibt in der SPD außer den «Führern» auch ehrliche Arbeiter, die mit uns Schulter an Schulter kämpfen werden, und es kommt bei der Einheitsfront nicht darauf an, wer von vornherein die Mehrheit oder Führung hat, sondern wer sie im Laufe des Kampfes erobern wird; hierin Angst haben können nur unfähige Trottel, aber keine revolutionäre Marxisten.» In der Diskussion sprachen sich einige SPD-Arbeiter für die proletarische Einheitsfront aus; die Nazis, obwohl sie direkt aufgefordert wurden, fanden nicht den Mut, sich mit den «Roten Untermenschen» geistig zu messen. Ein Brettener Heidelsheim Am 22. November fand eine öffentliche Versammlung in Heidelsheim (Baden) mit dem gleichen Thema statt. Hier war eine beträchtliche Anzahl Bauern und Mittelständler anwesend. Gen. Seipold zeigte ihnen an einer Reihe von Beispielen (Steuern, Subventionen an Junker und Industriebarone. Zollpolitik u. a. m.). wie die Bauern, kleinen Gewerbetreibenden usw. im Interesse der Großkapitalisten ausgebeutet werden, dass sie somit in die Front des Proletariats gehören. Gen. Seipold zeigte dann die Ursachen der Not, der Krisen und der Kriege: Ein Land kann den Krieg zehnmal gewinnen, die Werktätigen verlieren ihn immer; das sehen wir in Frankreich und allen Siegerstaaten. Sogar Amerika, obwohl es am vorigen Krieg mir verdiente und keinen Umsturz hatte, zählt über zwölf Millionen Erwerbslose. Nach eingehender Analysierung des Faschismus und der Aufforderung, gegen diese Söldnerheere des Kapitals die Einheitsfront zu schließen, begann eine leidenschaftliche Diskussion gegen Faschismus, für Einheitsfront des Proletariats. |
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