Permanente Revolution: Windung statt Wendung Der Appell des ZK der KPD [Nach Permanente Revolution, Zeitschrift der Linken Opposition der KPD (Bolschewiki-Leninisten) (Sektion der Internationalen Linken Opposition) 2. Jahrgang Nr. 1 (Januar 1932), S. 4 f.] In der «Roten Fahne» vom 29. 11. befindet sich ein Aufruf des ZK d. KPD zur Schaffung der roten Einheitsfront. Zugleich damit erscheint ein Artikel Thälmanns, der diesem Appell, da er eine Wendung der Partei darstellen soll, Begründung gibt. Unser Kampf dient der proletarischen Klasse; er wird geführt aus tiefster Ergebenheit für die proletarische Revolution. So scharf und unversöhnlich deshalb unser Kampf ist, ebenso sind wir bereit, jeden auch den kleinsten Schritt der Partei zur Berichtigung der politischen Linie zu sehen, anzuerkennen und zu begrüßen. Darum soll festgestellt werden, dass der Appell des ZK, wenn auch ein kleiner, vor allem halber und ungenügender, so doch ein Schritt vorwärts ist. Der Aufruf enthält keine Siegesmeldungen mehr über die Zersetzung der nationalistischen Bewegung durch die Partei. Er enthält nichts mehr von der dummen Behauptung, dass die faschistische Diktatur nicht schlimmer sein könne als das Brüning-Braun-Regime. Weggefallen ist die Phrase, die SPD sei der Hauptfeind. Alle Anklänge an das nationale und soziale Befreiungsprogramm sind verschwunden. Die verderbliche Kapitulanten-Hoffnung auf eine baldige Abnützung und Demaskierung des Faschismus nach seiner Machtergreifung ist anscheinend begraben. Alles das sind begrüßenswerte Fortschritte. Freilich, sie kommen reichlich spät. Es ist Tatsache, dass sie nicht das Produkt der richtigen Politik der Partei sind, sondern geboren wurden aus dem in der Masse trotz aller Widerstände wachsenden Einheits- und Abwehrwillen und unter der konsequenten Kritik der Linken Opposition. Der Aufruf des ZK eröffnet keinen Kampf gegen die gefährlichen Illusionen in der Arbeiterschaft und leider auch in der Partei, dass sich der Faschismus keine 24 Stunden an der Macht halten könne, dass die Übernahme der Macht durch den Faschismus ein Signal für die Arbeiterschaft zur revolutionären Erhebung bedeuten würde. Die Duldung solcher Auffassungen in der Partei ist aber unvereinbar mit den Klasseninteressen des Proletariats. Wenn die Partei deshalb, weil bisher auch in ihrer Spitze solche Meinungen Raum hatten, ja zum Teil bestimmend für die Linie der Partei waren, ihre Tolerierung gegenüber diesen verräterischen Ansichten fortsetzt. ist eine entschiedene Orientierung auf die Herbeiführung des Entscheidungskampfes zwischen Faschismus und Proletariat vor der faschistischen Machtübernahme unmöglich. Nicht anders steht die Frage mit dem national-bolschewistischen Durcheinander, das sich auf Grund der bei Hitler entliehenen nationalen Phrasen zur Partei gesellte. Wenn sich die Partei dieses Ballastes nicht unverzüglich entledigt, birgt sie im Entscheidungskampf gegen Hitler einen gefährlichen Feind in den eigenen Reihen. Um aber diesen National-Bolschewismus über Bord werfen zu können, ist es notwendig, offen vor der Mitgliedschaft und vor der gesamten Arbeiterklasse die verhängnisvolle Politik des «nationalen Befreiungsprogramms», insbesondere auch die Beteiligung am faschistischen Volksbegehren zu verurteilen. Infolgedessen ist die Wendung, wenn sie hier stecken bleibt, ebenso gefährlich wie die bisherige falsche Politik. Am offensichtlichsten wird der Widerspruch zwischen der bisherigen Politik der Partei und dem neuen Aufruf in der Behandlung der SPD-Arbeiter. Von der Linie «verjagt die kleinen Zörgiebels von den Spielplätzen» musste man Schritt für Schritt zurückweichen. Nach wie vor aber wurde und wird die Partei vom Schlagwort «Sozialfaschismus» beherrscht. Die Rede Breitscheids wurde beantwortet mit der Feststellung, dass ungeachtet des faschistischen Ansturms die SPD der Hauptfeind sei. Nun will die Partei die Wendung zur Einheitspolitik machen. Es ist auch für das ZK der KPD nicht zu übersehen, dass man mit der bisherigen Politik nur da und dort einige sozialdemokratische Funktionäre und Arbeiter für sich gewinnen konnte, die bereits innerlich mit dem Reformismus und der SPD gebrochen hatten. Die Kampfeseinheit gegen den Faschismus erfordert aber auch die breite Front mit jenen entscheidenden Millionen-Massen der sozialdemokratischen Arbeiter, die dem Kommunismus nach wie vor ablehnend gegenüberstehen. Sie unter der Losung «Die SPD ist der Hauptfeind!» für den gemeinsamen Kampf mit den Kommunisten zu gewinnen, erscheint sogar dem ZK widersinnig. Darum lässt man jetzt auch diese Formulierung stillschweigend unter den Tisch fallen, hat aber nicht den Mut, die falsche Vergangenheit der letzten Wochen und Monate wirklich zu liquidieren. Daher winden sich der Aufruf und die Presse der KPD in einem fürchterlichen Kauderwelsch. Während der Aufruf des ZK vom 29. November kein einziges Wort vom Sozialfaschismus enthält, bringt «Die Rote Fahne» vom 2. Dezember eine Übersetzung aus der «Prawda», in der die Theorie vom Sozialfaschismus wahre Triumphe feiert. So geht das alles durcheinander. Die Politik der Vergangenheit lässt keine wirkliche Wendung zu, das ist eine Windung und keine Wendung. Eben weil wir auch den kleinsten Fortschritt, auch den kleinsten Ansatz zu einer Wendung begrüßen, müssen wir mit verdoppelter Schärfe und mit größter Energie betonen, dass man die proletarische Klasse nicht mit Manövern in einen Entscheidungskampf führen kann. Die Wendung der Partei wird zum leeren Manöver, weil das ZK nicht den Mut hat. eine neue Politik einzuleiten, und mit der bisherigen falschen Politik wirklich zu brechen. Nicht nur einige Funktionäre, nicht nur einige Leser der «Internationale», auch nicht nur die Mitgliedschaft der KPD, sondern die gesamte proletarische Klasse muss es wissen und erfahren, dass die Führung der KPD Schluss macht mit einer Politik, die sie verhinderte, die dringend notwendige breite Abwehrfront gegen den Faschismus zu organisieren und einen erfolgreichen Kampf gegen die Diktaturpläne des Monopol- Kapitals zu führen. Diese geforderte offene Kritik vor der gesamten Klasse ist keine theoretische Angelegenheit. Dass diese Unterlassung die Partei hindert und vollkommen unfähig macht, revolutionär zu handeln, ergibt sich am schlagendsten aus den konkreten Vorschlägen der KPD im Appell des ZK: Die Partei ruft auf zur Niederringung des Faschismus. Die Partei erklärt den Arbeitern, dass die Vernichtung des Faschismus in Deutschland den Sturz auch der Bourgeoisie auf die Tagesordnung setzt. Wer soll das machen? Wie soll das geschehen? Die KPD schlägt vor: «Streiks» gegen Lohnabbau; «Massenaktion» für Arbeit und Brot, «Gemeinsame Schutzstaffeln aus Arbeitern aller Richtungen»! Also: Wir nehmen an, dass die Streiks die RGO führen soll. Wir wissen nicht, wer die «Massenaktionen» für Arbeit und Brot führen soll (vielleicht die Erwerbslosen-Ausschüsse?). Es bleiben demnach für diese entscheidenden Auseinandersetzungen mit dem Faschismus und damit mit der deutschen Bourgeoisie, es bleiben als Kampforgane für den Machtkampf: Partei, RGO., Erwerbslosenausschüsse, Schutzstaffeln. Hier gibt es nur ein Entweder-Oder. Entweder die Führung der Partei begreift, dass der Sieg über den Faschismus in Deutschland den Kampf um den Sturz der deutschen Bourgeoisie eröffnet und dass es keine Phrase ist, der «Diktatur der Bourgeoisie die Diktatur des Proletariats» gegenüberzustellen, dann muss sie auch die Konsequenzen ziehen und die Kampforgane des Proletariats vorbereiten. Oder aber der Kampf gegen den Faschismus ist für die Führung der KPD nur eine Phrase, und die Losung der Diktatur des Proletariats nur ihre revolutionäre Etikette. Will man dagegen ernsthaft den Entscheidungskampf mit dem Faschismus vor seiner Machtergreifung herbeiführen und weiß man, dass das Schicksal der herrschenden Klasse in dieser Krise aufs Engste an den Sieg des Faschismus gebunden ist, dann müssen alle Energien der Klasse geweckt und in den Klassenorganen des Proletariats gesammelt werden. Man sollte annehmen, dass dies zum ABC jedes Kommunisten gehört. Es sollte ferner zum ABC. jedes Kommunisten gehören, dass diese Klassenorgane des Proletariats Räte heißen. Man darf vielleicht auch noch voraussetzen die Erkenntnis, dass diese Räte nicht vom Himmel fallen und dass sie nicht erst nach der Machtergreifung aus der Taufe gehoben werden, sondern dass es jene Organe sind, in denen das Proletariat seine Kampfeseinheit herstellt und seinen Befreiungskampf führt. Man sollte letzten Endes auch noch voraussetzen dürfen das Wissen darum, dass solche Klassenorgane des Proletariats nicht Organe der KPD sein können, weil im deutschen Proletariat in seiner Gesamtheit heute noch die verschiedensten reformistischen, zentristischen, syndikalistischen Strömungen vorhanden sind, noch mehr, es stehen für den Entscheidungskampf wichtigste Teile des deutschen Proletariats insbesondere hinter dem Reformismus. Die Einflusslosigkeit der Partei in den Großbetrieben, in den freien Gewerkschaften und bei den Lohnkämpfen des letzten Jahres erübrigt jedes weitere Wort darüber. Diese Klassenorgane des Proletariats widerspiegeln also zunächst alle Unklarheiten, Unentschiedenheiten, Verwirrungen, Illusionen der Arbeiterschaft. Erst in diesen Klassenorganen vollzieht sich der wirkliche Prozess der Klärung und in diesen Organen entwickelt sich die revolutionäre Führung. Es wäre natürlich verfrüht, jetzt schon die Losung der Räte auszugeben. Aber die Partei muss eine solche Einheitsfront-Politik durchführen, dass die gesteigerte Aktion des Proletariats alle Voraussetzungen für die rätemäßige Organisierung des Proletariats schafft und dann zwangsläufig in der Bildung von Räten ihren revolutionären Niederschlag findet. Die erste Aufgabe der Partei besteht demnach in folgendem: Die KPD, wenn sie ihre revolutionäre Pflicht ernst nimmt, hat unverzüglich an alle politischen Gruppen und Arbeiterorganisationen heranzutreten, soweit sie sich zum Kampf gegen den Faschismus bereit erklären, um eine Kampfgemeinschaft auf breitester Basis zu erzielen. Ist diese Kampfgemeinschaft möglich durch Angliederung der Parteien und Organisationen an die Gewerkschaftskartelle? Nein. Ist diese Kampfgemeinschaft möglich durch Angliederung an die RGO? Noch viel weniger. Ist diese Kampfgemeinschaft etwa möglich durch Angliederung einzelner Vertreter anderer Organisationen an Kampfausschüsse der KPD, wie sie gegenwärtig «organisiert» werden? Das sind vielleicht und bestenfalls gute und nützliche Ausschüsse zum Zwecke der Agitation und der Loslösung sympathisierender Arbeiter von ihren reformistischen Organisationen. Mit den jetzt erforderlichen Klassen-Organen des gesamten Proletariats haben sie nichts zu tun. Die KPD kann solche Klassenorgane (Aktionsausschüsse) nur erreichen, indem sie den zu Kampfgemeinschaft oder Kartellen zusammen geschlossenen Organisationen und ihren Mitgliedern beharrlich und mit revolutionärer Energie vorschlägt, diese überparteilichen Kartelle von vornherein als rätemäßige Zusammenfassung aller proletarischen Kräfte zu organisieren und aufzubauen. Die KPD muss die Bildung von Aktionsausschüssen aus den offiziellen Vertretern aller politischen, gewerkschaftlichen und kulturellen Arbeiter-Organisationen erstreben, in denen die Delegierten der Betriebe gleichfalls Sitz und Stimme haben. Die Delegierten der Betriebe müssen von mindestens 50% der Belegschaften gewählt werden. Bei diesen Wahlen muss vor den Belegschaften konkret die Frage des Kampfes gegen den Faschismus bis zur letzten Konsequenz, d. h. auch bis zum Generalstreik und offenen Zusammenstoß mit dem Klassenfeind aufgerollt werden. Die Bereitschaft der Betriebe zur Führung des Kampfes mit allen daraus sich ergebenden Konsequenzen muss in geheimen Abstimmungen festgestellt werden. Solange die Wahl von Betriebsdelegierten in den Aktionsausschüssen nicht mit mindestens 50%iger Wahlbeteiligung der Belegschaften zu erreichen ist, sollen die Vertreter solcher Betriebe mit beratender Stimme den Aktionsausschüssen angehören. Nur die auf diese Weise wirklich gewählten Betriebsdelegierten zusammen mit den Vertretern aller Arbeiter-Organisationen können tatsächliche Klassenorgane des Proletariats sein. Diese Aktionsausschüsse sind bezirksweise zusammenzufassen mit dem Ziel, einen Reichskongress der Aktionsausschüsse Deutschlands einzuberufen. Die Aufgabe dieses Reichskongresses besteht in der Bildung einer aktionsfähigen revolutionären Exekutive des deutschen Proletariats, die der Exekutive der Bourgeoisie gegenübergestellt werden kann. Diese Aktion rollt im Verlaufe des weiteren Kampfes alle Fragen der revolutionären Lösung der Krise auf. Mit der steigenden Aktivität und Macht der proletarischen Organe entsteht die Doppel-Herrschaft, es ergibt sich zwangsläufig die Notwendigkeit revolutionärer Eingriffe in die Produktion und der Kampf um die Kontrolle der Produktion eröffnet den Kampf um den Besitz der Produktionsmittel. Solange die Partei diesen wichtigsten politischen Plan zum Kampf gegen den Faschismus nicht entwickelt und durchführt, bleiben alle anderen Vorschläge nur von geringem Wert. Es ist begrüßenswert, wenn die Partei jetzt endlich zur Bildung gemeinsamer Schutzstaffeln aus Arbeitern aller Richtungen aufruft. Aber die abwehrbereite und wehrfähige Arbeiterschaft kann man nur in diesen Staffeln sammeln, wenn die politische Sammlung vollzogen wird. Wer sich einbildet, dem Faschismus nur mit Abwehrorganisationen, d. h. technisch Paroli bieten zu können, hat vielleicht Eignung zum Feldwebel, doch nicht zum revolutionären Klassenkämpfer. Es ist wirklich nur eine Windung statt einer Wendung. Wir beantworten den Appell des ZK mit einem Appell an die Parteigenossen, sich bewusst zu werden, was für das deutsche Proletariat auf dem Spiele steht, und sich daran zu erinnern, dass die KPD die Partei der proletarischen Revolution sein muss! |
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