Oskar Seipold 19320116 Was man so unter Demokratie versteht

Oskar Seipold: Was man so unter Demokratie versteht

[Nach Permanente Revolution, Zeitschrift der Linken Opposition der KPD (Bolschewiki-Leninisten) (Sektion der Internationalen Linken Opposition) 2. Jahrgang Nr. 2 (Mitte Januar 1932), S. 10]

Am Freitag, den 8. Januar, fand in Kliems Festsälen eine öffentliche Versammlung statt, die mit dem Thema: «Der Faschismus muss vor der Machtergreifung geschlagen werden» von der SAP, der Brandlergruppe und der Urbahnsgruppe einberufen war. Als erster Punkt standen die Referate von Kurt Rosenfeld, Brandler und Urbahns auf der Tagesordnung als zweiter Punkt öffentliche Aussprache. «Jeder Kommunist soll hier zum Wort kommen» wurde vom Vorstandstisch mit «demokratischer» Geste verkündet.

Unser Genosse Seipold hat sofort, als er nur den Saal betreten hatte, die Wortmeldung schriftlich eingereicht (das war noch vor Beginn der Versammlung!), und trotzdem gab man ihm nicht das Wort. Der Genosse Seipold ging an den Vorstandstisch und protestierte gegen diese Machination, man versprach ihm das Wort zu einer Erklärung für fünf Minuten zu geben: doch dann rief der Versammlungsleiter: «Die Versammlung ist hiermit geschlossen!»

Der Genosse Seipold stieg auf einen Stuhl und wollte der Versammlung erklären, mit welchen Ganoventricks man die Linke Opposition der KPD, die «Trotzkisten», auszuschalten versucht, weil man vor ihren klaren Formulierungen Angst hat.

Sofort wurde er vom Saalschutz angefallen und heruntergerissen: der Gen. Seipold stieg sofort wieder auf den Stuhl: jetzt wurde man handgreiflich. Das kennzeichnet die «innere Demokratie» dieser Leute.

Rosenfeld sagte in seinem Schlusswort u. a.: «Ja, wenn wir solch eine Leitung in der KPD hätten, wie sie unter Lenin war!» Nun, wir hatten ja einmal solch eine Leitung unter Lenin und Trotzki, und Rosenfeld war doch auch nicht bei ihr? Ja, ja, es sind die bekannten Tricks! Die Brandlerianer haben den wütendsten Kampf gegen die «Trotzkisten» in der Partei geführt; aber nachdem die Linke hinausgedrängt war und Stalin den Bucharin, Thalheimer u. Brandler den Stiefelabsatz auf den Magen drückte, da schreien sie: Hilfe, der demokratische Zentralismus wird mit Füßen getreten! Die L. O. werdet ihr nicht durch bürokratische Machinationen zum Schweigen bringen; sie wird sich durchsetzen trotz alledem.

O. S.

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