Otto Schüssler: Die Streiks der KPD u. RGO [Nach Permanente Revolution, Zeitschrift der Linken Opposition der KPD (Bolschewiki-Leninisten) (Sektion der Internationalen Linken Opposition) 2. Jahrgang Nr. 2 (Mitte Januar 1932), S. 4 f.] «Die brennendste Aufgabe der Partei in der gegenwärtigen Situation ist die Organisierung der Streikkämpfe der Arbeiter» – schreibt das ZK der KPD im «Rundbrief an alle Parteimitglieder über die brennendste Aufgabe der Partei» (Anfang Oktober). Es ist augenscheinlich, dass sich die Partei Mühe gibt, Streikkämpfe zustandezubringen, und teilweise gelingt ihr das auch. Jeder Streik, und sei es auch der kleinste – mit wenig Streikenden und mit kurzer, manchmal nur 2- stündiger Dauer – wird in der KPD-Presse groß aufgezogen und zur gewaltigen Aktion gestempelt. Über mehr als eben nur über den Ausbruch des Streiks informiert aber dann die Parteipresse nur in den allerseltensten Fällen. Es scheint, als sei der Verlauf des Streiks von nebensächlicher Bedeutung. Das Schweigen der Parteipresse über den Verlauf der Streiks hat seine Gründe. Sie liegen in der Unfähigkeit der Partei und der RGO, die ausgebrochenen Streiks zu verbreitern und wirklich erfolgreich zu führen. Es ist an sich nicht schwer, durch Verelendung, durch permanenten Lohnabbau etc. radikalisierte Arbeiter zum Streiken zu veranlassen, zumal noch wenn die Partei- und RGO-Bürokraten allerlei Versprechungen machen über die in Aussicht stehenden Erfolge und über Unterstützung während der Streikdauer, welche Versprechungen sie aber zu erfüllen nicht imstande sind. Bedeutend schwerer als die Einleitung der Streiks ist die Durchführung. Und dazu sind die Kräfte und Fähigkeiten der Bürokraten zu minimal. In den meisten Fällen versagt die Partei- und RGO-Führung bei der Durchführung der Streiks nahezu vollkommen und teilweise wurden Streiks sogar unter geradezu skandalösen Umständen abgebrochen (Leipziger Textilarbeiterstreik). Die Frage des Streiks ist heute eng verbunden mit der Frage der proletarischen Einheitsfront. Die Einheitsfront der Arbeiterklasse findet ihren Ausdruck u. a. in einheitlichen geschlossenen Streikaktionen. Der heutige Zustand des Proletariats – Zersplitterung statt Einheitsfront – wirkt sich wie in allem auch auf die Streiks aus: statt Einheit und Geschlossenheit im Streik – Zersplitterung. Die KPD hat sich bis heute unfähig gezeigt, eine proletarische Einheitsfrontpolitik zu betreiben. Die Bürokraten waren und sind unfähig die leninistische Einheitsfronttaktik anzuwenden. Dieser Zustand wird auch dann nicht besser, wenn sich mit den KPD- auch noch die RGO-Bürokraten zusammensetzen, um eine Aktion durchzuführen. Der Unfähigkeit der KPD in der Organisierung der Einheitsfront des Proletariats entspricht vollkommen ihre Unfähigkeit in der Organisierung von Abwehrstreiks. Eines bedingt das andere. Isolierungspolitik anstatt Einheitsfrontpolitik muss sich auswirken in Zusammenbrüchen und Niederlagen. Gerade die vergangenen von KPD und RGO eingeleiteten Streiks zeigen Politik und Taktik der Partei in ihrer ganzen Verderblichkeit. Die Politik der «eigenen roten Betriebsrätelisten um jeden Preis» einerseits und andererseits die Isolierung der Kommunisten von den Massen der freigewerkschaftlichen Arbeiter durch die RGO-Politik rächt sich in der Isolierung der Kommunisten bei Streikaktionen. Während KPD- und RGO-Arbeiter und vielleicht noch etliche Sympathisierende streiken, kümmern sich die übrigen Arbeiter nicht um die Parolen der KPD und RGO, sondern befolgen die Parolen ihrer Organisationen. Dadurch, dass sie dann in den meisten Fällen von den Kommunisten noch als «Streikbrecher» beschimpft werden, wenden sich diese Arbeiter noch mehr von den Kommunisten ab. Es ist nutzlos einige Beispiele herauszugreifen, denn fast alle von der KPD und RGO «geführten» Streiks endeten in unfruchtbarer Auflösung. Die Misserfolge der RGO-Streiks versuchen die Bürokraten zu erklären durch allerlei «Mängel bei der Vorbereitung zum Streik». Nicht Fehler in der Politik der Partei, sondern bürokratische Unterlassungssünden tragen nach der Meinung der heutigen «Parteiführung» die Schuld am Misserfolg der absoluten Mehrzahl der bisherigen RGO-Streiks. Wenn man von «Mängeln» bei der Streikvorbereitung sprechen will, so muss man schon sagen, dass der «Mangel» der Partei eben der Mangel an einer bolschewistischen Politik, der Mangel an marxistisch-leninistischen Grundsätzen ist. Die Streikvorbereitungen durch Partei und RGO stehen im Zeichen der Isolierungspolitik. Die Massen haben kein Vertrauen zur RGO und verlieren etwa Vorhandenes immer mehr. So kommt es, dass der Charakter der RGO-Streiks sich nicht etwa durch seine Kraft und Entschiedenheit hervorhebt, sondern die RGO-Streiks charakterisieren sich durch ein immer mehr hervortretendes Versanden der Aktionen. Selbst die Partei ist gezwungen, das Versanden und Zurückgehen der Streiks hervorzuheben. «Warum keine Streiks?» fragt Dahlem im «Parteiarbeiter» Nr. 11 vom November 1931 in seinem Artikel «Die brennendsten Aufgaben». Dahlem beruft sich hierbei auf eine Äußerung Brünings, der sich im Reichstag rühmte, «dass er durch seine Politik (der Arbeitsgemeinschaft mit SPD- und Gewerkschaftsführern) bisher die Einheitsfront der Arbeiter und größere Streiks verhindert habe.» Und Dahlem schreibt ferner, dass «die Partei in allererster Linie – und die RGO als die wirtschaftliche Kampforganisation – die volle Verantwortung tragen, dass der Widerstand nicht besser organisiert wurde.» Wir als Linke Opposition der KPD sind derselben Ansicht wie Dahlem – allerdings mit dem einen – und das ist ein grundsätzlicher – Unterschied, dass wir die politische Linie die heutige Strategie und Taktik der KPD und der Komintern und als unmittelbarsten Repräsentanten dieser falschen Politik die sogenannte «Parteiführung», d. h. die heutige Partei- und Kominternbürokratie für das Versagen der KPD verantwortlich machen, während Dahlem, der ja nichts anderes als einer der Verantwortlichen der heutigen verderblichen Politik ist, die Folgen dieser, seiner Politik, d. h. die Fehler und das Versagen, auf die «unteren» Genossen, auf die Funktionäre und die unteren Parteileitungen abwälzen will. Aus der RGO-Politik entspringt die Isolierung der Partei innerhalb der freien Gewerkschaften und innerhalb der Betriebe. Die unsinnige ultralinke Taktik hat zur Folge, dass Gewerkschaften und Betriebe von Kommunisten gesäubert wurden. Selbst ein so wüster Bürokrat wie Remmele muss das zugeben und muss darüber im Politbüro des ZK der KPD am 24. September 1931 sagen: «Dass es der Bourgeoisie und ihren Helfern, den Faschisten und Sozialfaschisten gelungen ist, unseren Einfluss in den Betrieben durch Vernichtung unserer Betriebszellen und Entlassung aller, die als Kommunisten bekannt werden, zurückzudrängen, liegt aber nicht allein an den überlegenen Machtmitteln unserer Feinde, sondern auch an unserem Unvermögen, den Machtmitteln des Feindes mit Maßnahmen und Arbeitsmethoden zu begegnen, die seine Machtmittel unwirksam und unbrauchbar machen, In solchen Betrieben, in denen es zur Regel gehört, dass alle Kommunisten entlassen werden – und das sind heute nahezu alle Großbetriebe –, muss die Partei zu illegalen Arbeitsmethoden übergehen, die es den besoldeten und freiwilligen Werkspitzeln unmöglich machen, festzustellen, wer Kommunist ist.» Welche «illegalen Arbeitsmethoden» in Frage kommen sollen, das weiß der endlose Schwätzer Remmele natürlich selbst nicht. Man darf ihm zutrauen, dass er dabei an «eigene rote Betriebsrätelisten um jeden Preis» und an die unsinnigen RGO-Streiks denkt. Gegen die Verwirrung der Bürokraten helfen auch die besten «illegalen Arbeitsmethoden» nichts. Ebenso verhält es sich mit der Arbeit innerhalb der freien Gewerkschaften. Aber da geht Remmele in seiner schon angeführten Rede gleich einen Schritt weiter: «Kardinalfehler unserer Arbeit … nämlich die vollkommene Preisgabe und Einstellung der Fraktionsarbeit in den reaktionären Gewerkschaften. Aber es handelt sich nicht nur um die Aufgabe der Fraktionsarbeit in den reaktionären Gewerkschaften, sondern um die nahezu vollkommene Einstellung jeglicher Fraktionsarbeit auch in den selbstständigen reaktionären Verbänden und in der gesamten RGO. Das bedeutet einen vollkommenen Verzicht auf die führende Rolle der Partei im Klassenkampf überhaupt.» Wenn schon in der RGO kaum kommunistische Fraktionsarbeit geleistet wird (vielleicht, weil da die Kommunisten unter sich sind), kann man sich ein Bild machen, wie erst die kommunistische Fraktionsarbeit innerhalb der freien Gewerkschaften aussieht! Neben ihrer Einflusslosigkeit zeichnet sich die KPD noch durch eines aus: durch den Führungskretinismus. Die sich im Fieber der Isolierung windende Partei sieht sich überall an der «Führung». Und welch einer Führung! Nachdem durch bürokratisch eingesetzte «Kommissionen», durch schlecht besuchte Betriebsversammlungen, die durch Theaterspielerei einer Agitproptruppe «belebt» wurden, ein Betrieb «streikreif» gemacht wurde und die Arbeiter, die Mitglieder der KPD und der RGO sind (und meist nicht einmal alle diese), in den Streik getreten sind, gehen die Redakteure an die Arbeit und schreiben in Fettdruck vom «geschlossenen Kampf unter Führung der KPD». Nötigenfalls wird noch versucht, durch «Massenstreikpösten» auf die übrigen Arbeiter «einzuwirken», – und dann hört niemand mehr etwas von diesem Streik. Aber ein Betrieb mehr ist kommunistenrein. Ein ähnliches Beispiel ist der Streik in der Leipziger Baumwollspinnerei. Dort trat die Belegschaft geschlossen in den Kampf, natürlich – wie könnte es auch anders sein? – «unter Führung der KPD und RGO». Tagelang streikte die gesamte Belegschaft unter der bewährten Führung der KPD, bis die Bürokraten des reformistischen Deutschen Textilarbeiterverbandes ihre Mitglieder wieder in den Betrieb hineinschickten; was konnte die RGO-«Führung» anderes tun als ebenfalls abzubrechen? Wieder lagen die aktivsten Kommunisten auf der Straße. Der Streik stand unter «Führung» der Kommunisten – aber nur bis zum ersten Befehl der Reformisten! Eine Kette des Versagens zieht sich vom Ruhrstreik 1931 bis zu den heutigen Streiks der RGO und KPD. Der beste Wille ist nutzlos bei einer verderblichen Politik. Die Partei brachte es nicht zustande, die Organisierung der proletarischen Einheitsfront vorwärtszutreiben, sondern sie hemmte sogar die Einheitsfront durch eine Politik der Zersplitterung. Ohne Anwendung einer wirklichen bolschewistisch-leninistischen Politik werden auch alle weiteren Aktionen der Partei zum Scheitern und zum Misserfolg verdammt sein. O-r |
Permanente Revolution > 2. Jahrgang Nr. 2 >