W—g 19310116 Zentristische Schulpolitik

W—g: Zentristische Schulpolitik

Die Konferenz des Sozialistischen Schülerbundes

[Nach Permanente Revolution, Zeitschrift der Linken Opposition der KPD (Bolschewiki-Leninisten) (Sektion der Internationalen Linken Opposition) 2. Jahrgang Nr. 2 (Mitte Januar 1932), S. 12. = Der Jungkommunist. Jugendbeilage der „Permanenten Revolution", II. Jahrgang, Nr. 1, S. 2]

Am 26. und 27. Dezember 1931 fand in Berlin die Jahreskonferenz des SSB statt. Sie wurde am Sonnabend Nachmittag eröffnet. Aus den Tätigkeitsberichten der einzelnen Ortsgruppen, die als erster Punkt auf der Tagesordnung standen, war zu ersehen, dass an vielen Orten überhaupt nicht oder nur sehr wenig gearbeitet worden ist; nur einige Gruppen (in Berlin, Breslau und Kassel) haben etwas besser gearbeitet. Von einer planmäßigen revolutionären Arbeit des SSB kann jedenfalls noch keine Rede sein.

Als zweiter Punkt stand das Referat des ZK-Vertreters auf der Tagesordnung. Getreu den Leitartikeln der Roten Fahne, rief man nach der «roten Einheitsfront unter Führung der KPD». Darauf folgte ein kurzer Bericht des Bundesleiters.

Am Montag wurde die Diskussion fortgesetzt, zunächst über die Frage der Schülerselbstverwaltung. Es folgte die Aussprache über die Resolution zur politischen Lage. Ein Genosse aus Magdeburg legte hierzu folgenden

Resolutions-Entwurf

vor:

«Die Zuspitzung der Klassengegensätze in Deutschland hat einen ungeheuren Grad erreicht. Die Stunde des Entscheidungskampfes zwischen Faschismus und Proletariat ist nahe herangerückt. Ein Zurückweichen der revolutionären Partei in dieser Situation würde das größte Verbrechen seit 1914 bedeuten. Illusionen darüber, dass der Faschismus nach der Machtergreifung schnell abwirtschaften werde, wie man so oft in unserer Presse gefunden hat, die Ausführung Remmeles in einer Reichstagssitzung, dass sich der Faschismus nach der Machtergreifung in Deutschland nur 24 Stunden halten werde, haben mit Marxismus-Leninismus nichts gemein. Solche Theorien dürfen in einer revolutionären Partei keinen Platz haben.

Deutschland ist der Schlüssel zur internationalen Lage. Genau so wie eine proletarische Revolution in Deutschland eine neue Epoche für das Weltproletariat eröffnen wird, wird der Faschismus in Deutschland eine neue Epoche der Reaktion in Europa eröffnen. Ein Sieg des Faschismus würde zum letzten Versuch des Kapitalismus führen, durch Vernichtung der proletarischen Bewegung seinen bevorstehenden Untergang um Jahrzehnte hinauszuschieben. Der Sieg des deutschen Faschismus würde zum Vernichtungsfeldzug gegen die Sowjet-Union führen. Damit würde das Schicksal der Weltrevolution aufs Spiel gesetzt werden.

Heißt das: es gibt keinen Ausweg mehr aus dieser Situation? Das zu behaupten wäre Pessimismus und bedeutete die völlige Einbuße des Glaubens an die inneren Kräfte des Proletariats. Der Sieg über den Faschismus ist möglich, ist wahrscheinlich. Man muss alles tun, um ihn zu sichern. Gegen den Faschismus muss die revolutionäre Einheitsfront des Proletariats geschaffen werden. Der SSB fordert die Kommunistische Partei auf, unverzüglich an alle politischen Organisationen, Gewerkschaften usw. heranzutreten mit der Aufforderung, gemeinsame Aktionsausschüsse gegen den Faschismus zu organisieren, gemeinsame proletarische Wehren zu bilden) die den Kampf gegen Faschismus, Reaktion und Notverordnungen aufnehmen. Die Auffassung, dass die rote Einheitsfront nur unter der Bedingung entstehen kann, dass alle Arbeiter im Voraus die Führung der Partei als berufene Führerin des Proletariats anerkennen, ist falsch und widerspricht den Grundsätzen des Leninismus. Es geht nicht darum, Breitscheid und Wels zu Vorkämpfern des Proletariats zu machen – denn hierüber kann sich kein ernster Revolutionär Illusionen hingeben –, sondern es geht darum, die Arbeitermassen zu überzeugen, dass die Breitscheid und Wels auch jetzt noch bereit sind, trotz ihrer Phrasen vor dem Faschismus zu kapitulieren, den weiteren Verrat an den Interessen der Arbeiterklasse zu vollziehen. Das kann jedoch nur geschehen, wenn die Partei in der geeinten proletarischen Klasse durch eine richtige Politik auch die sozialdemokratischen und freigewerkschaftlichen Arbeiter davon überzeugt, dass allein die Kommunistische Partei die Führerin des Proletariats ist.

Die Aufgabe der Schüler ist es, neben ihrem täglichen Kampf gegen Faschismus und Reaktion in der Schule sich in die allgemeine Kampffront des Proletariats einzureihen. Die Entwicklung der politischen Ereignisse in Deutschland und in der ganzen Welt zeigt die Falschheit der Auffassungen der Brandlerianer und der Parteiführung und die Richtigkeit der Auffassung der Linken Opposition unter Führung des Gen. Trotzki, der zusammen mit Lenin die russische Revolution zum Sieg geführt hat».

In der Aussprache, die sich an die Verlesung dieses Resolutions-Entwurfes anschloss, begründete der Magdeburger Genosse noch einmal ausführlich die politische Haltung, die hier eingenommen wird. Ein Berliner Genosse versuchte eine Erwiderung zu geben. Als die Versammlungsleitung merkte, dass sich eine längere Aussprache entspinnen wollte, brach man die Diskussion ab.

Im weiteren Verlauf der Tagung stellte die Frankfurter Gruppe den Antrag, eine Einheitsfront mit der SAP herbeizuführen. Der Antrag wurde jedoch von den Antragstellern wieder zurückgezogen; statt dessen stellten die Frankfurter und die Magdeburger Gruppe gemeinsam den Antrag, dass der SSB unverzüglich an alle sozialistischen Schülergruppen mit der Aufforderung herantrete, gemeinsame Schutzstaffeln gegen den Faschismus zu bilden und unter gemeinsamen Parolen gegen den Faschismus zu marschieren.

Die unmarxistische Politik des völlig unter zentristischer Ideologie stehenden SSB erwies sich in der Erörterung des Statuten-Entwurfs, die darauf einsetzte. Wir, die wir täglich in der Schule mit den minderbemittelten Schülern diskutieren, wissen sehr genau, dass diese Schüler nicht gewillt sind, im Vorhinein die Führung der KPD anzuerkennen; deren Führung werden sie erst dann anerkennen, wenn sie sich im Kampf von der Richtigkeit der kommunistischen Politik überzeugt haben. Die Bolschewisten haben im Jahre 1917 vor der Oktober-Revolution gemeinsam mit den Menschewiki und Sozialrevolutionären gegen den konterrevolutionären General Kornilow gekämpft, sie haben in dieser Einheitsfront keineswegs den Anspruch auf «Führung» erhoben, wohl aber haben sie im Lauf der Kämpfe bewiesen, dass sie zur Führung tatsächlich berufen sind.

Zu dieser Frage stellte der Magdeburger Genosse einen Abänderungsantrag, der gegen eine Stimme bei mehreren Stimmenthaltungen abgelehnt wurde. Der «Leninismus», wie ihn die deutschen Stalinisten unter Thälmanns Führung verstehen, hat also wieder einmal gesiegt…

Dem gleichen zentristischen Geist entspringt das Verhalten, das man einem Rundschreiben des ASS (eines linkssozialdemokratischen Schüler-Organs) gegenüber einnahm. In diesem Rundschreiben wurden alle sozialistischen Schüler zur Bildung einer gemeinsamen Kampffront gegen den Faschismus aufgefordert. Was antwortete der SSB darauf? Ungefähr folgendes: Der Faschismus steht nicht mehr vor der Tür, sondern er ist schon da; erst Kampf gegen die SPD, wenn wir den Faschismus besiegen wollen! – Und wörtlich heißt es dann in einem Offenen Brief des SSB an die Schüler des ASS zur Einheitsfront-Frage: «Was heißt Einheitsfront der sozialistischen Schüler, was heißt Kampf gegen den Faschismus an den höheren Schulen? Das kann nur eins heißen. Genossen: Kampf gegen die Sparmaßnahmen!»

Schließlich wurde auch der Antrag des Magdeburger Genossen, den abgelehnten politischen Resolutionsentwurf den einzelnen Ortsgruppen als Diskussionsmaterial zuzusenden, abgelehnt.

Die Konferenz bedeutet keinen Fortschritt. Jedoch dürfen wir von der Linken Opposition uns freuen, dass es uns trotz der Gegenarbeit der Bundesleitung gelungen ist. unsern Standpunkt auszusprechen. Selbstverständlich dürfen wir es hierbei nicht bewenden lassen, sondern müssen unermüdlich weiterarbeiten unter der Schülerschaft. Darum, Genossen vom SSB, vom ASS, vom FSS, vom SSG. Schülergenossen vom SJV, stellt auf eurem nächsten Gruppenabend die Frage der Einheitsfront gegen den Faschismus, bildet überparteiliche Kampfkomitees und marschiert unter den Losungen der Opposition in der KPD!

W—g

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