Christian Rakowski 19310000 Industrie: Quantität und Qualität

Christian Rakowski: Industrie: Quantität und Qualität

[Nach Permanente Revolution, Zeitschrift der Linken Opposition der KPD (Bolschewiki-Leninisten) (Sektion der Internationalen Linken Opposition) 2. Jahrgang Nr. 3 (Anfang Februar 1932), S. 10, Nr. 4 (Mitte Februar 1932), S. 11 f., Nr. 5 (Anfang März 1932), S. 10]

Nachstehend bringen wir ein Kapitel aus einer großen Arbeit des Gen. Rakowski. Obwohl die angeführten Zahlen teilweise veraltet, teilweise überholt sind, ist diese Arbeit von sehr großer Bedeutung. Zum ersten Mal werden durch sie Probleme aufgerollt und mit Gründlichkeit behandelt, die die marxistische Untersuchung der Ergebnisse des Fünfjahresplanes und des Entwicklungsprozesses in der Sowjetunion erleichtern. Aus technischen und materiellen Schwierigkeiten können wir vorläufig nur ein Kapitel dieser Arbeit bringen; wir werden unseren Lesern im Weiteren mindestens durch Auszüge den wichtigsten Inhalt dieser Arbeit übermitteln.

Ch. Rakowski ist eine der größten Persönlichkeiten in der internationalen revolutionären Arbeiterbewegung. Seine Vergangenheit in der Mannigfaltigkeit seiner Tätigkeit wie durch die Beteiligung an der revolutionären Arbeiterbewegung in verschiedenen Ländern beweist es. Er ist heute 59 Jahre alt. Seit dem Jahr 1889 steht er in der revolutionären Arbeiterbewegung – 42 Jahre. Aus der Dobrudscha – früher Bulgarien, nachher Rumänien – stammend genießt er heute noch das größte Vertrauen des Proletariats des Balkans. In den Jahren 1905–1907 gründete er die rumänische sozialistische Partei und die Gewerkschaften. Während des Krieges war er auf der Zimmerwalder Konferenz anwesend. Die russische Revolution befreite ihn im Jahre 1917 aus dem Gefängnis in Rumänien. Seit dieser Zeit stand er auf den verantwortlichsten Stellen im Bürgerkrieg. Er wird zum Vorsitzenden der Regierung der Ukrainischen Sowjet-Republik gewählt und verbleibt auf diesem Posten 4 Jahre, bis die Sowjetregierung ihn als Botschafter in das feindliche England schickt. Von dort wird er nach Paris als Botschafter geschickt. Er bleibt seinem revolutionären Internationalismus immer treu. Er war bereit seinen Botschafterposten gegen das Leben eines Verbannten einzutauschen, als er das Abgleiten der Führer der KP der Sowjetunion von der marxistischen Linie sah. Seit 1928 ist er verbannt. Zuerst in Astrachan. Die Ärzte wiesen auf die Tatsache hin, dass Rakowski in diesem Alter eine schwere Verbannung nicht mehr ertragen könne, dass dies seine physische Vernichtung bedeute. Darauf verbannte ihn Stalin nach Barnaul in Sibirien. Stalin weiß, dass die 40 Grad Kälte und überhaupt das dortige Klima diesen Kämpfer physisch vernichten werden. Gegen diese Schandtaten muss sich jeder ehrliche Arbeiter auflehnen. Rakowski muss zum Vorbild werden für die revolutionäre Jugend, die zum revolutionären Internationalismus drängt. Der physische Vernichtungsfeldzug Stalins gegen die Bolschewiki-Leninisten kann die Ideen der Linken Opposition nicht vernichten. Sie setzen sich durch trotz allem und gelangen an die Massen!

D. Red.

Die überaus starke mengenmäßige Zunahme der Produktion im Vergleich mit dem vergangenen Jahr ist absolut unbestreitbar. Der Bruttowert der Schwerindustrie betrug für die drei Vierteljahre dieses Jahres (1930) 11.705,7 Millionen Rubel (bei unveränderten Preisen) gegen 9.137,4 Millionen Rubel im vergangenen Jahr; das ist eine Zunahme um 27.4%. Obwohl diese Zunahme um 3,7% gegen den Plan zurückbleibt, ist sie doch als eine ausnahmsweis hohe anzusehen. Es wäre ein Grund, in Optimismus zu verfallen, wenn man bei der Feststellung der Tatsache stehen bleiben würde, ohne auf eine Analyse der begleitenden Umstände und Erscheinungen einzugehen, die mit diese Erhöhung der Quantitätskoeffizienten verbunden sind. Ich habe schon darauf hinweisen müssen, dass ein Anwachsen der Quantitätsziffern, an und für sich genommen, kein ausreichendes Kriterium darstellt, nicht nur zur Beurteilung des wirklichen Anwachsens der Produktionskräfte, sondern auch zur Beurteilung, ob ein solches Anwachsen überhaupt vorhanden ist. Einen wirklichen Maßstab für die Zunahme der Produktionskräfte, folglich die Garantie einer weiteren Erhöhung der Quantitätsziffern geben die folgende drei Momente: 1) Die Basis, auf der diese Quantitätsziffern erzielt sind; 2) das Verhältnis zwischen den Quantitäts- und Qualitätskoeffizienten; 3) das Maß der Akkumulation und Erweiterung des industriellen Kapitals.

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Es sind zwei Haupttypen der Zunahme der Quantitätszahlen möglich: 1) Eine Zunahme auf Grund der Vermehrung des Anlagekapitals, womit gewöhnlich eine Erhöhung der Produktivität der Arbeit verbunden ist (im Marxschen Sinne des Wortes: d.h. eine Vermehrung des Arbeitsproduktes, gerechnet auf eine Person, auf Grund des Überganges der Industrie auf eine höhere Stufe); 2) eine Zunahme auf Grund des alten Anlagekapitals (und folglich auf der alten technischen Basis) auf Kosten seiner intensiveren Ausnutzung. In diesem Falle pflegt die Zunahme der Quantitätszahlen eng verbunden zu sein mit der Erhöhung der Intensität der Arbeit und einem relativ großen Anwachsen der Arbeitskräfte. In der Praxis gehen diese beiden Methoden der Erhöhung der Quantitätszahlen gewöhnlich nebeneinander her; und die Aufgabe besteht darin, den Anteil der einen oder anderen festzustellen. Kaum ist hier eine genaue Berechnung möglich (auf jeden Fall ist sie unmöglich auf Grund der mir verfügbare Materialien), so dass es notwendig wird, eine Reihe indirekter Anzeichen zu benützen, die meiner Ansicht nach jedoch genügen, um eine allgemeine Vorstellung von der Sachlage zu geben. Es ist unbestreitbar, dass im Verlaufe des letzten Jahres eine gewisse Erweiterung des Anlagekapitals der Industrie stattgefunden hat ungeachtet der Nichterfüllung des Planes für die Hauptproduktionsgebiete und der ungenügenden Amortisation. Unbestreitbar ist, dass dies auch im Verlauf des jetzigen Jahres der Fall ist, so dass eine Zunahme der Quantität in irgend einem Umfang auch auf dieser Grundlage stattfand. Aber wenn wir an die Frage vom andern Ende aus herantreten, so überzeugen wir uns leicht, dass im Grunde die Steigerung der Quantität auf der Grundlage der Methode der zweiten Ordnung vor sich ging. Wir haben vor allem eine gewaltige Vermehrung der Belastung des alten Anlagekapitals vor uns mittels der Einführung der ununterbrochenen Arbeitswoche und der Vermehrung der Schichten…

Nach den Kontrollziffern sollte die Vermehrung des Arbeitsproduktes auf einen Arbeiter gerechnet «nur in sehr geringem Maße auf der Erhöhung der Intensität der Arbeit basieren.» In der Praxis kam es anders. Schon im ersten Halbjahr vermehrte sich die Zahl der Arbeiter um 14.3% im Vergleich mit der entsprechenden Periode des vergangenen Jahres: die Zunahme der Zahl der Arbeiter überstieg die Zunahmen des Plans um mehr als das Vierfache. Was die Vermehrung des Arbeitsproduktes auf einen Arbeiter betrifft, so betrug sie im ersten Halbjahr annähernd 19-19% anstatt 25,3% nach dem Plan. Wenn wir genau feststellen könnten, in welchem Umfange diese Vermehrung des Arbeitsproduktes auf Kosten der Verbesserung der technischen Basis stattfand; und in welchem Umfang auf Kosten der Erhöhung der Intensität der Arbeit, so könnte das die Frage noch mehr erhellen. Hier ist jedoch eine nur annähernde Berechnung auf Grund der oben angeführten Ziffern möglich. Die Einführung der Fünftagewoche in Verbindung mit der ununterbrochenen Betriebsführung bedeutet an sich eine Erhöhung der Arbeitszeit der Betriebsausrüstung um 1/6 oder um 16,6%. Wenn in dienen drei Vierteljahren ungefähr 50% der Arbeiter, d.h. ungefähr die Hälfte der Industrie zur Fünftagewoche überging, so musste allein diese erhöhte Ausnutzung den Anlagekapitals eine Zunahme der Produktion um 8-9% nach sich ziehen. Die Vermehrung der Schichten musste 1-2% Zunahme bringen. In der gleichen Richtung wirkte die Vermehrung der Arbeiterzahl: da sie in erheblichem Maß auf Kosten de Vermehrung der Hilfsarbeiter erfolgte, so bedeutete dies für die qualifizierten Arbeiter die Möglichkeit einer besseren Ausnutzung der Ausrüstung. Wenn man endlich in Betracht zieht, dass der Übergang zur ununterbrochenen Betriebsführung die automatische Liquidierung einer Reihe von Wartezeiten der Ausrüstung rein technischen Charakters bedeutet, so ist es wahrscheinlich nicht sehr weit von der Wirklichkeit wenn wir annehmen, dass etwa 15% der Zunahme der Produktion der Einführung der Fünftagewoche, der Vermehrung der Schichten und der Vermehrung der Arbeiterzahl zuzuschreiben sind, d. h. mit andern Worten, der Erhöhung der Intensität in der Ausnützung der Ausrüstung*).

(Fortsetzung in der nächsten Nummer).

(Fortsetzung von letzter Nummer.)

Die verbleibenden 12% entfallen auf die Erhöhung der Produktivität der Arbeit, auf die Erhöhung der Intensität der Arbeit und auf die Erweiterung der Anlagekapitals. Wie wir weiter sehen werden, entfällt der Löwenanteil auf die Erhöhung der Intensität der Arbeit, was das spezifische Gewicht des Einflusses der beiden anderen Faktoren auf die Steigerung der Quantität entsprechend vermindert. Ich wiederhole, diese Berechnung (eine ganze Reihe von Details musste ich außer Acht lassen), ist nur annähernd, aber sie ist doch genügend genau, um eine erste Schlussfolgerung in Bezug auf die Steigerung der Quantität zuzulassen: die Steigerung der Quantität erfolgte in entscheidendem Ausmaß nicht auf Kosten einer Erhöhung des Anlagekapitals und nicht auf Kosten einer Verbesserung der technischen Basis, sondern auf Kosten der intensiveren Ausnützung des vorhandenen Anlagekapitals infolge der Vermehrung der Arbeiterzahl auf der einen Seite, und der Erhöhung der Intensität der Arbeit auf der anderen: Aber eine solche Methode der Erhöhung der Quantität trägt in sich selbst die Voraussetzung des Bruches, gar nicht zu reden davon, dass sie in keiner Weise eine fernere quantitative Steigerung der Industrie gewährleistet. Diese Methode der Steigerung der Quantität stößt rasch auf ihre eigenen natürlichen Grenzen. Weder die intensivere Ausnützung der Maschine, noch die Intensivierung der Arbeit lassen sich unendlich steigern. Eine derartige Methode hat noch einen Sinn – und auch das nur vom wirtschaftlichen Standpunkt aus – wenn sie angewendet wird nur auf kurze Zeit, und wenn parallel damit die Möglichkeit gegeben ist, in ebenso kurzer Frist die materielle Basis, ein neues Anlagekapital zu schaffen.** Aber diese selbe Tatsache, dass man zu dieser Methode greifen musste, und dass sie zum System erhoben wurde, spricht gerade dafür, wie sehr wir mit der Schaffung der materiellen Basis im Rückstand sind. Das Maß der Bedrückung der Arbeiterklasse, mit Hilfe deren der Zentrismus diese Verspätung einzuholen hofft, charakterisiert ferner, wie groß diese Verspätung ist. Das Wesentliche, das der heutigen Lage den Stempel aufdrückt, besteht gerade darin, dass es sich schon unzweifelhaft herausgestellt hat, dass diese Verspätung in kurzer Frist, mit Hilfe nur der inneren Reserven des Landes nicht liquidiert werden kann. Bevor ich zur Betrachtung dieser Frage übergehe, bleibe ich noch bei drei Momenten stehen, welche von verschiedenen Seiten und in verschiedener Weise davon zeugen, dass wir in Bezug auf die Steigerung der Quantität dicht an die Grenze geraten sind, hinter welcher ein weiteres Anwachsen auf der gegebenen Basis unmöglich ist.

Das erste und wichtigste dieser Momente ist die Qualität der Produktion. Es genügt, irgend eine Nummer einer beliebigen Zeitung aufzuschlagen, um sich zu überzeugen, dass es um diese Sache katastrophal steht. Weder Agitation, noch Maßnahmen administrativen und gerichtlichen Charakters waren imstande, den Prozess der Verschlechterung der Qualität aufzuhalten. Die Tatsachen sind genügend bekannt, so dass ich mich auf die Anführung einiger der krassesten Beispiele beschränken kann.

Für die folgenden Metallfabriken und Produktionsgattungen betrug der Ausschuss:***

Die Fabrik Dscherschinski - (Kesselbleche)

52,00%

Die Fabriken Dscherschinski und Petrowski

40,00%

Die Fabrik Werchnje-Turinsk

100,00%

Die Fabrik Lepajewski (Dachbleche)

40,00%

Die Fabrik Nadjeschdinski (hochwertiger Stahl)

30,00%

Die Fabrik Marti (Stahl)

32,00%

Diese Liste ließe sich natürlich um ein Vielfaches verlängern. Es handelt sich also nicht um einzelne Defekte, sondern um ein System der Herstellung von Ausschussware. Der Schlackengehalt der Kohle erhöhte sich stark, in einzelnen Fällen bis zu 18%. Nur 20% der Mauerziegel entsprachen den vorgeschriebenen Normen der Belastung. Noch schlechter steht es um die verarbeitende Industrie, wo der Rekord von der Textilindustrie erzielt wurde. Nach wiederholt gebrachten Angaben beträgt der mittlere Prozentsatz des Ausschusses von der «reinen» Ware (d. h. der schon sortierten) 50%. In der Presse wurden auch die in die Millionen gehenden Verlustziffern gebracht, die mit dieser Verschlechterung der Qualität verbunden sind. Charakteristisch ist, dass hinsichtlich des Ausschusses auch die neuen Fabriken nicht zurückstehen. Die Weberei der jetzt im Bau befindlichen Melanschewer Vereinigung lieferte im April (1930) 93,8% (!), und im Mai 92,37% Ausschuss. Nach den Angaben des Volkskommissariats der Arbeiter und Bauerninspektion beträgt der Prozentsatz des Ausschusses in den Schneidereiwerkstätten in diesem Jahre 30% gegenüber 10% im vergangenen Jahre. Der Ausschuss in der Herstellung von Galoschen beträgt bis 14%, bei Schuhen 13%. Es gibt buchstäblich kein Gebiet, wo es um die Beschaffenheit der Produkte nicht äußerst schlecht stünde, und es gibt fast keine Gebiet, wo das laufende Jahr nicht eine Verschlechterung der Qualität mit sich gebracht hätte. Dabei ist es klar, dass dort, wo das Arbeitsprodukt mehrere Stufen der Bearbeitung oder verschiedene Zweige der Industrie durchläuft, die schlechte Qualität in dem einen Zweig sich mit der schlechten Qualität aller übrigen Zweige multipliziert. Zu welchen Schlussfolgerungen führt die Betrachtung der Frage der Qualität? Zu den beiden folgenden:

1) Die Verschlechterung der Qualität der Produktion macht in größerem oder geringerem Grade die Quantitätszahlen zu bloß fiktiven Angaben. Das war auch Kuibyschew auf der Sitzung des Präsidiums des Obersten Volkswirtschaftsrates gezwungen anzuerkennen, wo er erklärte: Die Ziffern der gewaltigen Steigerung der Industrie werden relativ, wenn man die qualitativen Veränderungen in Betracht zieht («Ekonomitscheskaja Schisn» 22. Mai). Energischer drückt sich «Für die Industrialisierung» vom 18. Juli aus, die erklärt, dass unter solchen Bedingungen «unsere quantitativen Errungenschaften einen Groschen wert sind», ich bringe ein konkretes Beispiel aus der Wirklichkeit (eines von tausend) das Rafalowski in «F. d. I.» vom 16. Juli anführt. Wenn 8000 einspindelige Bohrmaschinen mit rasch schneidenden Bohrern arbeiten mit einer Schnittgeschwindigkeit von 30 mm in der Minute und bei einer Leistung von 0,4 mm auf eine Umdrehung, so bedarf es bei Bohrern schneidenden Bohrern arbeiten mit einer Schnittgeschwindig- 20 mm pro Minute und einer Leistung von 0,28 mm pro Umdrehung schon 17.000 Bohrmaschinen mit der entsprechenden Bedienung. Was ist deshalb für die Volkswirtschaft vorteilhafter? Eine bestimmte Anzahl der Bohrer ersterer Art oder die doppelte Anzahl der zweiten? Klar, der ersteren, aber unter anderem würde eine Erhöhung der Quantität der produzierten Bohrer ums doppelte eine Erhöhung der Produktion um 100% bedeuten. Diese Beurteilung ist richtig, auch in Bezug auf jedes andere Produkt, angefangen vom Traktor bis zu den Galoschen, In einer Reihe von Fällen annulliert die Verschlechterung der Qualität nicht nur die mengenmäßigen Erfolge, sondern verkehrt sie ins Gegenteil. So lesen wir z. B. in einem Überblick über die Arbeit, der Textilindustrie fürs erste Halbjahr («Für die Ind.», 20. IV.): «In vielen Unternehmen wird der Produktionsplan erfüllt auf Kosten eines Anwachsens der Betriebsverluste und des Ausschusses bei den Fertig- und Halbfabrikaten. Im Endresultat machte dies die quantitativen Ergebnisse hinfällig und verursachte Verluste für die Textilindustrie und die ganze Volkswirtschaft. Bei einzelnen Warengruppen werden zuletzt nicht die Herstellungskosten gedeckt, gar nicht zu reden von einer Akkumulation.» So sieht die Kehrseite da hohen Tempos der Steigerung der Produktion aus.

Nur die Gegenüberstellung mit den qualitativen Resultaten gibt die Möglichkeit, die quantitativen Resultate zu beurteilen. Ohne Berücksichtigung der Qualität der Erzeugnisse stellen die Quantitätszahlen eine bloße statistische Fiktion dar, die der tatsächlichen Sachlage nicht entspricht. Es ist völlig klar, dass nur die Division der Quantitäts-Exponenten durch die Qualitäts-Exponenten ein der Wirklichkeit entsprechendes Bild ergeben würde, und dass dieses Bild sich wesentlich von jenem unterscheiden würde, das die offizielle Presse in frivolen Artikeln zeichnet. Leider gibt es bis jetzt keine solchen Zahlenwerte, mit deren Hilfe man das Niveau der Qualität der Produktion und folglich auch das tatsächliche Niveau ihrer quantitativen Steigerung ausdrücken könnte. Dies ist unsere erste Schlussfolgerung.

2) Die erzielten qualitativen Resultate, bringen nickt nur die große Relativität der quantitativen Resultate in der Gegenwart deutlich an den Tag, sondern auch die Möglichkeit ihrer Entwicklung in der Zukunft. Gleichzeitig zeugen die qualitativen Resultate indirekt auch von dem Niveau, bis zu welchem die mit ihnen eng verbundene Intensität der Arbeit getrieben ist. Die Intensität der Arbeit ist bis an die Grenze getrieben, bei der der Arbeiter, welcher die von ihm geforderte Menge herstellt, nicht mehr im Stande ist, seine Aufmerksamkeit auf die Qualität zu richten. Alle Angaben sprechen dafür, dass (ich komme im weiteren noch darauf zurück) wir auf der gegebenen technischen Basis dicht an die Grenze gelangt sind, hinter welcher eine weitere Steigerung der Quantität durch Steigerung der Intensität der Arbeit nur durch Verschlechterung der Qualität erkauft werden kann. Die Qualität der Produktion gibt das Signal, dass eine weitere Steigerung ihrer Quantität auf Kosten der Erhöhung der Intensität ferner nicht mehr möglich ist.

(Schluss in der nächsten Nummer)

(Schluss)

Wenn die Qualität der Produktion die Schranken signalisiert, die der Steigerung der Intensität der Arbeit gesetzt sind, so liegen die Schranken für die Erhöhung der Intensität der Ausnutzung der maschinellen Ausrüstung auf der Linie neuer Kader von Arbeitern. Auf dem Gebiet einer höheren Ausnutzung des alten Anlagekapitals sind an sich noch große Reserven in der Richtung eines vermehrten Schichtwechsels, des Übergangs zur vierundzwanzigstündigen Arbeit vorhanden. Eine Betrachtung der Frage der Arbeiterkader gehört nicht zu meiner jetzigen Aufgabe, aber jeder, der diese Frage verfolgt, weiß, dass in der nächsten Zeit diese Frage nicht gelöst werden kann, und dass folglich die in der Richtung eines vermehrten Schichtwechsels sich bietenden Reserven nur in sehr unbedeutendem Maße ausgenutzt werden können. Die gleiche Frage der Arbeiterkader erhebt sich natürlich auch in Verbindung mit der Frage der Bedienung neuer Betriebe, aber in diesem Zusammenhang interessiert sie uns hier nicht. Für uns ist es hier wichtig darauf hinzuweisen, dass der Mangel eines neuen Stammes von Arbeitern bei der Unmöglichkeit einer weiteren Belastung der vorhandenen Arbeiter-Kaders der weiteren Erhöhung der Quantitätsexponenten in dieser Richtung eine Schranke gesetzt hat.

Das dritte Moment liegt außerhalb der Grenzen der Industrie selbst, obgleich es eng mit ihr verbunden ist. Es handelt sich um den Mangel an landwirtschaftlichen Rohstoffen für die verarbeitende Industrie. Infolge des Mangels an Rohstoffen fiel die Produktion der leichten Industrie für zwei Monate (Mai und Juni) um fast 50%. In diesen beiden Monaten würde der Plan um wenig mehr als 50% erfüllt. Die Fett herstellende Industrie schränkte den Umfang ihrer Produktion ein im April um 15,5%, im Mai um 15,7%, im Juni bis zu 38,6% des Standes vom Mai, d. h. sie stellte den Betrieb fast völlig ein. Die Nahrungsmittelindustrie schränkte ihre Produktion ein im April um 15,5% im Mai um 12,9% im Juni um 23,7%. Völlig katastrophal steht die Sache in der Zuckerindustrie, die im Juni faktisch stillgelegt wurde. Im letzten Jahre wurden die Produktionsmöglichkeiten der Zuckerindustrie nur zu 42,8% ausgenutzt. Schon aus diesen Ziffern ist ersichtlich, dass es sich nicht um einzelne Unregelmäßigkeiten in einzelnen Branchen handelt, sondern um einen schroffen Niedergang der Produktion in fast der gesamten Leichtindustrie mit völliger Betriebseinstellung in einzelnen Branchen. Wenn auch die Industrie selbst in keiner Weise daran schuld wäre, so bliebe das Faktum ein Faktum, mit dem man notwendig rechnen muss. Aber die Industrie hat durchaus damit zu tun. Es zeigt sich hier nur das, wovor wir immer wieder warnten: Die Verzögerung der Entwicklung der Industrie wurde ihrerseits zur Ursache der Verzögerung der Entwicklung der Landwirtschaft.

In dem angeführten Artikel werden die Ursachen des Mangels an landwirtschaftlichen Naturstoffen richtig in Folgendem gesehen: 1) eine falsche Preispolitik; 2) die falsche Regulierung der Versorgung der landwirtschaftlichen Roh-toffproduzenten mit Industriewaren; 3) die Rückständigkeit der Düngemittel erzeugenden Industrie. Im laufenden Jahr wurde der Bedarf an Düngemitteln nur zu 25% gedeckt; 4) ein akuter Mangel an Maschinen zur Bearbeitung der «technischen Kulturen» und fast völliges Fehlen von Erntemaschinen. dank dessen die Saatarbeiten und die erstmalige Bearbeitung der Mehrzahl der technischen Kulturen mittels primitiver Handarbeit erfolgten.

Alles das sind unmittelbare Resultate, der Rückständigkeit der Industrie.

Die Betrachtung der Frage der Quantitätsziffern in Verbindung mit den oben angeführten Momenten erlaubt uns folgende grundsätzlichen Schlussfolgerungen zu ziehen: 1) Die offiziellen Ziffern über die Zunahme der Quantität bilden eine statistische Fiktion, gegründet auf die Ignorierung der Qualität der Produktion; 2) in dem Maß, in dem die quantitative Steigerung tatsächlich vorhanden ist, basierte sie in entscheidenden Ausmaße auf der intensiveren Ausnutzung der Arbeiterzahl und auf der Erhöhung der Intensität der Arbeit; 3) in der Ausnutzung dieser Methode der Steigerung der Quantität, die die Voraussetzung des Bruches in sich birgt und keinesfalls die weitere Steigerung der Quantitätszahlen garantiert, stießen wir offensichtlich an die Schranke, hinter der die weitere Anwendung dieser Methode nur negative Resultate für die Volkswirtschaft geben kann. Diese Methode hat sich im Wesentlichen erschöpft; 4) die Frage der weiteren Steigerung der Quantitätsziffern sowie auch der Behauptung der schon erzielten konzentriert sich unmittelbar auf die Frage der Schaffung einer neuen materiellen technischen Basis der Industrie.

Diese letztere Frage wird durch die Ausmaße der Akkumulation und des kapitalen Neuaufbaus entschieden, zu deren Betrachtung wir jetzt übergehen.

*) Einige wenige, einzelne Unternehmungen und Branchen betreffende Angaben sprechen dafür, dass diese Ziffern in der Tat bedeutend höher sind.

** Eine solche Methode kann noch diktiert sein, beispielsweise, durch den Kriegszustand, wenn die Fragen der Reproduktion im Allgemeinen in den Hintergrund treten.

*** Diese Angaben sind einigen Nummern der Zeitungen «Für die Industrialisierung» und «Ekonomitscheskaja Schisn» am Ende des Halbjahrs entnommen. Aber wenn seit dieser Zeit eine Veränderung erfolgte, so nur zum Schlechteren.

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