Roman Well 19320215 Brandler-Thalheimer aus dem Häuschen geraten

Roman Well: Brandler-Thalheimer aus dem Häuschen geraten

[Nach Permanente Revolution, Zeitschrift der Linken Opposition der KPD (Bolschewiki-Leninisten) (Sektion der Internationalen Linken Opposition) 2. Jahrgang Nr. 4 (Mitte Februar 1932), S. 8 f.]

Eigentlich ist vom Häuschen verdammt wenig geblieben. Die Organisation der einst verhältnismäßig starken rechten Gruppierung in Deutschland ist in die Brüche gegangen. Eine tiefgehende Spaltung hat diese Organisation ergriffen. Die Kader und die stärksten Ortsgruppen verlassen Brandler und Thalheimer. Die Tageszeitung, die «Arbeiter-Politik», wurde zu einem Wochenorgan. Nicht aus Schadenfreude werden diese Tatsachen angeführt. An dem Zerfall der Rechten zeigt sich wieder die Richtigkeit der Auffassungen der Linken Opposition. Eine Fraktion, die keine internationale Perspektive hat, die internationale Fragen prinzipiell meidet, die auf der Grundlage des Opportunismus aufgebaut ist, muss in entscheidenden Situationen zusammenbrechen. Das ist heute der Fall in Deutschland. Verärgert über ihr Schicksal eröffnen die letzten Mohikaner des rechten Stammes, Brandler und Thalheimer, eine kleinliche Hetze gegen den Gen. Trotzki und die Linke Opposition. Warum? Erstens, weil sie der rasch zunehmende Einfluss der Linken Opposition beunruhigt; zweitens, weil sie glauben, durch diese Hetze die Gnade Stalins zu erlangen.

Brandler und Thalheimer maßten sich an, die Theoretiker der kommunistischen Bewegung in Westeuropa zu sein*. Von ihren Theorien hat man sehr wenig gesehen. Entweder haben sie die längst durch die Erfahrungen erprobten Prinzipien wiederholt, oder sie haben Theorien, die nicht sie geschaffen haben, als eigene, «selbständige» ausgeben wollen.

Es ist notwendig, einige Blüten aus den «Theorien» der Brandlerianer anzuführen. In der «Arbeiter-Politik» vom 6. XII. 1931 wird in dem Leitartikel «Stalin als Historiker» versucht, auf Trotzkis Theorie der permanenten Revolution einzugehen. Dort heißt es, dass Trotzki gegenüber Lenins

«Losung der demokratischen Diktatur der Arbeiter und Bauern die abstrakte Formel der permanenten Revolution, die abstrakte Losung der proletarischen Diktatur aufstellte, die die Gruppierung der Klassenkräfte in Russland nicht berücksichtigte und deshalb falsch war».

Es ist eine historische Tatsache, dass Lenin von der Formel der «demokratischen Diktatur der Arbeiter und Bauern» selbst abrückte und dass er mit Stalin im April 1917 und mit Sinowjew, Kamenew, Rykow usw. Differenzen hatte, weil diese die Formel mechanisch auffassten und den wirklichen historischen Weg der russischen Revolution nicht begriffen hatten. In der Tat hatte sich die Richtigkeit der Theorie der permanenten Revolution auf Grund der russischen Erfahrungen vollinhaltlich bestätigt. Die bürgerliche Revolution ist in die proletarische umgeschlagen.

Diese historischen Tatsachen sind für die «Theoretiker» der «Arpo» von keiner Bedeutung. Sie versuchen krampfhaft, die Richtigkeit der Formel von der «demokratischen Diktatur der Arbeiter und Bauern», welche die Grundlage für die Niederlagen der Kominternführung von 1923 in Deutschland (Arbeiter- und Bauernregierung), 1925-27 in China (Block der 4 Klassen) war, zu beweisen. In demselben Artikel heißt es weiter:

«Im Jahre 1917 erfolgte dieses Umschlagen allerdings in einer etwas anderen Weise, und zwar so, dass sich die demokratische Diktatur in der Form der Doppelherrschaft verwirklichte».

Es ist unbegreiflich, wieso eine Doppelherrschaft gleichzeitig eine Diktatur sein kann. Einen größeren Unsinn hat noch nicht einmal ein «roter» Professor hervorgebracht. Jeder, sogar der ungeschulteste Marxist, ein Anfänger, wird doch verstehen, dass Diktatur etwas ganz anderes ist als Doppelherrschaft. Kann man sich ernst mit solchen «Theoretikern» auseinandersetzen? Ach, du arme Theorie, wenn Brandlerianer an dich herangehen!

In der «Arbeiter-Politik» von 17. Januar, in dem Artikel «Aktuelle Streitfragen», setzten die Brandlerianer ihre «theoretische» Auseinandersetzung mit der Linken Opposition fort:

«Nachdem die Trotzkisten uns jahrelang im Jargon der ultralinken Parteibürokratie wegen der Losung der Produktionskontrolle angegriffen hatten, haben sie diese Parole jetzt von uns übernommen, sie aber gleichzeitig opportunistisch entstellt». Opportunistisch ist sie deswegen, weil Trotzki davon spricht, dass durch die Verwirklichung dieser Parole «die wirtschaftliche Doppelherrschaft im Betrieb» entstehen wird. Darauf antworten die Theoretiker:

«Der Sinn der Forderung … besteht aber gerade darin, dass die Arbeiter die volle Leitung der Erzeugung übernehmen, ohne noch die Kapitalisten formell enteignet zu haben. Soweit davon die Rede ist, ist die Produktionskontrolle keine Doppelherrschaft».

Als die Kerenski-Regierung noch Bestand und das Proletariat schon eine gewisse Macht durch die Räte von 1917 in Russland ausübte, hatten wir die Periode der Doppelherrschaft, eine Periode vor der Machtergreifung durch das Proletariat, in der das Proletariat noch nicht stark genug war, um die Staatsmacht an sich zu reißen, die Bourgeoisie zu schwach war, um mit ihrem Staatsapparat die aufsteigende proletarische Bewegung zu zerschlagen.

Wenn die Arbeiter im Betrieb leiten, der Kapitalist aber noch Eigentümer ist, so heißt es, dass die Arbeiter noch nicht stark genug sind, um das Privateigentum am Betrieb aufzuheben, der Eigentümer jedoch zu schwach ist, um die Arbeiter von der Leitung des Betriebes zu vertreiben. Die Doppelherrschaftsform ist eben nicht «Gleichberechtigung mit dem Unternehmer», wie unsere Theoretiker schreiben. Es scheint, dass der Zusammenbruch der Rechten ihren Führern den Verstand genommen hat.

Warum war die Linke seinerzeit gegen die Aufstellung der Produktionskontrolle? Etwa weil sie überhaupt gegen diese Parole war? Oh, nein – das wissen auch die Brandlerianer! Diese Parole hat nur dann einen Sinn und ist dann von revolutionärer Wirkung, wenn sie in einer entsprechenden Situation aufgestellt wird, d. h. in einer revolutionären. Die Brandlerianer waren ja für die Aufstellung dieser Parole in der Periode der Stabilisierung. Damals war sie der reinste Opportunismus und musste zur Theorie der Sozialdemokratie von der «Wirtschaftsdemokratie» führen; damals gab es ja keine objektiven Voraussetzungen für die Entstehung der wirtschaftlichen Doppelherrschaft. Das haben die Brandlerianer bis heute noch nicht begriffen.

Außerordentlich lächerlich wirkt die Behauptung der Brandlerianer, dass diese Parole jetzt von ihnen übernommen wurde. Wir erfahren jetzt, dass nicht die russische Revolution diese Parole aufgestellt hat und dass diese damals verwirklicht wurde, sondern, dass… die Brandlerianer sie zum ersten Male entdeckt hatten und das Monopol darauf besitzen. Vielleicht haben sie auch die Parole: «Alle Macht den Räten!» erfunden?! Und was noch?!

Die sehr wenig bescheidenen «Theoretiker» Brandler-Thalheimer leben doch eigentlich nur von den politischen Grundsätzen der ersten vier Kominternkongresse. Neues haben sie nicht geschaffen. Sie maßen sich auch an, die Erfinder der Einheitsfronttaktik zu sein. Nun, wie steht es geschichtlich mit der Einheitsfront? Lenin und Trotzki waren auf dem III. Weltkongress der Komintern diejenigen, die eine Fraktion bildeten, um ihre politischen Vorschläge, die auch die gesamte Frage der Einheitsfronttaktik enthielten, zu Beschlüssen zu erheben. Es bestand die Gefahr, dass Lenin und Trotzki in der Minderheit blieben. Nur durch zähe und unermüdliche Diskussion gelang es ihnen, eine Mehrheit zu erzielen.

Wo stand damals Thalheimer? Er gehörte auf dem Kongress zu denjenigen, die die Einheitsfront bekämpften. Wo war Brandler damals? Er machte zu jener Zeit dem bürgerlichen Gericht plausibel, dass eine kommunistische Partei auch auf dem Wege der Demokratie zur Macht kommen könne. Wollen die «Theoretiker» diese Tatsachen bestreiten?

Wir begreifen den Schmerz. Deswegen ist uns auch die breitangelegte Hetze gegen den «Trotzkismus» verständlich. Die Hoffnungen der Brandlerianer, dass sie die linken SPD-Arbeiter gewinnen und somit zu einer großen Partei werden, haben sich nicht erfüllt. Der arme Paul Böttcher träumte noch von einer Vereinigung mit Seydewitz und Eckstein, natürlich unter Führung Brandlers und Thalheimers. Es blieb ein Traum. Eine SAP ist entstanden, die die Funktion der Brandlerianer als Mittelgebilde zwischen KPD und SPD noch besser erfüllt. Dass sie dabei kaputt gehen und dass sich aber gleichzeitig SAP-Arbeiter vom Zentrismus loslösen und sich dem «Trotzkismus» zuwenden, ärgert die Brandlerianer fürchterlich. – sie geraten aus dem Häuschen. Man überlege, sie – die Brandlerianer – «die einzig lebensfähige Gruppe in der deutschen Arbeiterbewegung. die sich nie spaltet» bricht zusammen und die «kleine trotzkistische Sekte» gewinnt tagtäglich an Boden, geht vorwärts. All der Tatsache, dass die Brandlerianer von einer Tageszeitung zu einer Wochenzeitung übergehen, wir – die Linke Opposition der KPD – von einem Monatsorgan zu einem Wochenorgan aus eigenen Kräften, widerspiegelt sich der Sieg des revolutionären Internationalismus über den nationalen Opportunismus.

R. W.

* Eine führende Person der Rechten verstieg sich vor kurzem zu der Behauptung, dass nach Marx und Lenin… Thalheimer der größte Theoretiker sei.

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