Kommunisten, revolutionäre Arbeiter Deutschlands! [Nach Permanente Revolution, Zeitschrift der Linken Opposition der KPD (Bolschewiki-Leninisten) (Sektion der Internationalen Linken Opposition) 2. Jahrgang Nr. 9 (Anfang Mai 1932), S. 1 f.] Die Präsidentenwahlen und die Parlamentswahlen in Preußen, Bayern, Württemberg u. a. sind vorbei. Der Faschismus hat weitere Erfolge auf dem parlamentarischen Gebiet zu verzeichnen, das Proletariat weitere Misserfolge. Die faschistische Gefahr ist größer geworden. Die Entscheidung zwischen Proletariat und Faschismus ist näher gerückt. Die deutsche Bourgeoisie wird jetzt mit noch stärkerer Kraft gegen die politischen und wirtschaftlichen Rechte des deutschen Proletariats den Feldzug führen. Ein neuer Lohnabbau steht bevor. Ein großer Teil des deutschen Proletariats, sechs bis sieben Millionen, steht vor Tarifkündigungen. Ein neuer Abbau der Unterstützung für Millionen Erwerbslose ist auf der Tagesordnung. Die Phase, in der der offene Vernichtungsfeldzug gegen die revolutionären Organisationen des Proletariats und auch gegen alle seine Organisationen (siehe Reichsbanner) durchgeführt werden soll, ist herangerückt. Der Kampf der Faschisten um die «Eroberung Preußens» bedeutet nichts anderes als mittels Durchdringung des Staatsapparates in dem größten Teil Deutschlands sich die Machtposition zu schaffen, die ihnen die Voraussetzungen schafft für einen siegreichen außerparlamentarischen Kampf gegen die Arbeiterklasse, für die Errichtung der faschistischen Diktatur. Derjenige Teil der Bourgeoisie, der die Faschisten schon an der Macht sehen möchte und die Faschisten selbst wissen, dass das deutsche Proletariat noch nicht geschlagen ist, noch abwehrfähig ist. Eine Heranziehung der Nationalsozialisten an die Regierung in Preußen und anderen Ländern bedeutet den Beginn der Phase des Kampfes zwischen Faschismus und Proletariat, in der der Faschismus das Proletariat mürbe, kampfesunfähig machen soll, seine Organisationen zerschlägt, um dadurch die Sicherheit für einen erfolgreichen konterrevolutionären Aufstand zu schaffen. Die wichtigste Lehre aus allen stattgefundenen Wahlen ist, dass der Faschismus nicht auf dem parlamentarischen Gebiet zu schlagen ist. Gerade dank der außerparlamentarischen Schwäche des Proletariats. weil Millionen Erwerbslose und verarmte kleinbürgerliche und bäuerliche Schichten, die den Bankrott der reformistischen Politik an ihrem eigenen Leibe erlebt haben ist es den Nazis gelungen, die verzweifelten Massen, die nach einem Ausweg suchen, für sich zu gewinnen. Die Wahlergebnisse beweisen, dass der politische Weg der sozialdemokratischen und Gewerkschaftsführer nur den Faschismus genützt hat und das Proletariat in den Abgrund führt. Das Proletariat ist nicht geschlagen. Trotz seiner parlamentarischen Niederlagen ist seine Kampfstimmung wie die Demonstrationen der letzten Zeit gezeigt haben im Vergleich mit Ende des vorigen Jahres zweifellos gewaltig gestiegen. Dazu hat auch nicht zuletzt die Stimme des Gen. Trotzki und der Linken Opposition beigetragen die durch ihre Propagandaschriften weite Kreise dei Proletariats zum Abwehrkampf aufgerüttelt haben. Breite proletarische Massen, die noch demokratische Illusionen hegen, werden jetzt diese noch mehr aufgeben und erkennen, dass nicht mit Hindenburg und Brüning dei Kampf gegen den Faschismus geführt werden kann, sondern einzig und allein durch die Einheitsfront des Proletariats auf dem Wege des außerparlamentarischer Kampfes um Arbeit, Brot und Sozialismus. Parteigenossen, Kommunisten! Ihr habt geglaubt, dass unsere Kritik an der Politik der heutigen Führung dei Partei und der Komintern nur von einem rein fraktionellen Standpunkt getragen war. Ihr habt uns nicht geglaubt, als wir sagten, dass diese Politik die Partei unweigerlich zu Niederlagen führen muss. Unsere Voraussagungen sind leider eingetreten. Die Partei hat gewaltige Rückschläge bekommen. Wenn die Partei außerparlamentarisch stark wäre, d. h. wenn sie in den Betrieben und Massenorganisationen des Proletariats einen entscheidenden Einfluss gehabt hätte, so dass sie imstande wäre, Streiks und Kämpfe auszulösen und zu führen, so wären vorübergehende parlamentarische Rückschläge von belangloser Bedeutung. Das ist aber nicht der Fall. Die außerparlamentarische Aktionsfähigkeit der Partei ist schwächer als je. Wir haben gesagt: es genügt nicht, dass in der Sowjetunion der Fünfjahresplan verwirklicht wird, um die Massen für den Kommunismus zu gewinnen. Wir haben die Tatsache festzustellen, dass die Sozialdemokratie in einigen entscheidenden Bezirken (Berlin, Hamburg u. a.) ungeachtet ihrer verräterischen Politik sogar noch stärker werden konnte auf Kosten unserer Partei. Wir haben verlangt, dass die Partei den Weg des Programms zur «nationalen und sozialen. Befreiung» die Politik der Volksentscheide mit den Faschisten aufgibt, weil sie nur den Faschisten zugute kommen kann. Allen ist heute klar, dass nicht nur die Partei von den Faschisten nichts gewonnen hat, sondern wir müssen die beschämende Feststellung machen, dass es den Nationalsozialisten im Vergleich mit den Reichstagswahlen 1930 fast überall gelungen ist, frühere kommunistische Wähler für sich zu gewinnen. Wer noch die Behauptung aufzustellen wagt, dass die Partei deswegen verloren hat. weil sie nicht genügend die Propaganda für die nationale und soziale Befreiung geführt hat, der hat nichts aus den Erfahrungen der letzten 2 Jahre gelernt, der schadet bewusst den Interessen der Partei und somit dem Proletariat. Der Faschismus kann nicht geschlagen werden durch eine Theorie, die ihm verwandt ist, sondern nur durch die Gegenüberstellung der revolutionären Prinzipien des Marxismus-Leninismus. Wir haben gesagt, dass die Theorie, dass die Sozialdemokratie Sozialfaschismus ist. dass sie im heutigen Kräfteverhältnis der Klassen in Deutschland der Hauptfeind sei, falsch ist, dass diese Theorien nur die SPD stärken können. Haben die Erfahrungen etwas anderes gezeigt? Diese Theorie hat sich zuungunsten unserer Partei ausgewirkt. Diese Theorien, die ein Hindernis für die Herstellung einer richtigen Einheitsfront sind, müssen vollständig aufgegeben werden. Wir haben unermüdlich darauf hingewiesen, dass es die Aufgabe der Partei sei, eine leninistische Einheitsfront zu führen, an alle proletarischen Organisationen zwecks Herstellung der Einheit der Klasse im Kampf gegen Lohnabbau. Reaktion und Faschismus heranzutreten. Wir warnten vor den Folgen der «Roten Einheitsfront unter Führung der KPD», der Taktik, die faktisch jedes Zusammengehen sogar mit den unteren Organisationen der SPD und Gewerkschaften ablehnte. Ist es heute zu bestreiten. dass diese Taktik den SPD-Führern geholfen hat, die Massen in der «Eisernen Front» zu sammeln und für ihre Verratspolitik auszunutzen? Die Erfahrungen haben bewiesen, dass diese Front keine bedeutungslose Organisation ist, sondern ein gewaltiger Faktor, der die SPD sogar noch starken konnte. Wir haben die Gewerkschaftspolitik der Parteiführung bekämpft, weil sie unserer Auffassung nach die Partei in den Gewerkschaften isolieren musste. Müssen wir heute nicht die erschütternde Feststellung machen, dass die Partei vollständig in den Gewerkschaften isoliert ist? Wer kann noch heute bestreiten, dass die RGO-Taktik zur Säuberung der Gewerkschaften von Kommunisten geführt hat diese Massenorganisationen den verräterischen ADGB-Führern ausgeliefert hat? Ist es denn ein Zufall, wenn die Partei nicht mehr imstande ist. Kämpfe gegen die Politik der Notverordnungen auszulösen? Wenn die Partei auf dieser politischen Linie beharrt, muss sie unweigerlich neue Niederlagen erleben, die zur Verwirrung in den Reihen des Proletariats führen werden und somit eine wichtige Voraussetzung für den siegreichen Vorstoß der Nazis sein kann. Man muss erkennen, dass der Hauptfeind heute nur der Faschismus ist. Es ist nicht die Aufgabe der Partei, den Faschisten den Weg zur Macht zu verkürzen. Was muss geschehen? Was soll die Partei tun, um aus dieser Sackgasse, in die sie durch die falsche Politik ihrer Führer hineingeraten ist. herauszukommen und die wirkliche Führerin im Kampf gegen den Faschismus zu werden? Eine völlige Änderung der Politik der Partei ist notwendig. Die weitere Offensive der Bourgeoisie, der weitere Aufstieg des Faschismus, die Niederlagen der Sozialdemokratie und der KPD. der bevorstehende Vernichtungsfeldzug gegen die proletarischen Organisationen schaffen die günstigsten Voraussetzungen für die Enstehung der Klassenfront des Proletariats. Der Aufruf der Partei und der RGO in der «Rote Fahne» vom 26. April deutet darauf, dass die Führung der Partei den Ernst der heutigen Situation erfasst und bereit ist, die bisherige politische Linie in der Frage der Einheitsfront zu ändern. Dort heißt es im Gegensatz zu der früheren Einstellung («Keine Einheitsfront mit SPD und Gewerkschaftsorganisationen, Einheitsfront nur unter Führung der KPD»): «Wir sind bereit, mit jeder Organisation, in der Arbeiter vereinigt sind, und die wirklich den Kampf gegen Lohn- und Unterstützungsabbau führen will, gemeinsam zu kämpfen!» Das ist gegenüber der früheren Politik ein Fortschritt. Wir werden jeden Fortschritt der Partei auf dem Wege der Änderung der falschen Politik begrüßen und jeden Schritt in dieser Richtung unterstützen. Das genügt aber nicht. Jetzt zum 1. Mai ist es die Aufgabe der Partei, sich an die SPD und Gewerkschaften mit einem Brief zu wenden und sie zu gemeinsamen Demonstrationen gegen Lohnraub, Reaktion und Faschismus aufzufordern. Kaum hätten die SPD- und ADGB-Führer gewagt, diesen Vorschlag der Partei glatt abzulehnen. Wer ganz abgesehen von dem Verhalten der SPD- und ADGB-Führer würde ein solcher Schritt unserer Partei den ersten Schritt zur Herstellung der Einheitsfront der Klasse bedeuten. Und wären diese gemeinsamen Demonstrationen zustande gekommen, die Millionen auf der Straße aufmarschierenden Arbeiter würden eine solche ungeheuere Kraft der zum Kampf bereiten Arbeiterklasse beweisen, dass die parlamentarischen Siege des Faschismus verblassen werden. Damit hätte aber gleichzeitig die Verschiebung des Kampfes vom parlamentarischen Gebiet auf das außerparlamentarische begonnen. Es ist deshalb verderblich, wenn die Partei jetzt ablehnt. gemeinsame Demonstrationen mit der SPD und den Gewerkschaften in Oranienburg durchzuführen. Das dortige Mai-Komitee, das durch Initiative unserer Gruppe entstanden ist. hat die gesamte Oranienburger Arbeiterschaft aufgerufen für folgende Losungen zu demonstrieren: Gegen den Abbau der Wohlfahrtsunterstützung! Gegen den Sozial-Unterstützungsabbau! Gegen neuen Lohnabbau in den Betrieben? Gegen den neuen Lohnraub bei den Bauarbeitern! Gegen die Notverordnungen! Für 40-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich! Für gemeinsamen Kampf gegen den Faschismus! Für Bildung gemeinsamer Schutzstaffeln aller Arbeitenden! Die KPD-Ortsgruppe. die zuerst an den gemeinsamen Sitzungen teilgenommen hat, erklärte zuletzt, nicht an der Maidemonstration teilnehmen zu können, wenn die SPD und Gewerkschaften nicht bereit sind, auch gegen den Sozialfaschismus zu demonstrieren. Auf diese Weise zerschlägt man jede Aktion zur Herstellung der Einheitsfront. Dem Faschismus ist es gelungen, eine große Bresche in die Reihen der Erwerbslosen zu schlagen, die, an ihrer Lage verzweifelnd, glauben, durch die Faschisten Arbeit zu bekommen. Die verräterische Politik der SPD- und ADGB-Führer hat jeden Abbau der Erwerbslosenunterstützung unterstützt. Auch die Partei, sprechen wir es offen aus. hat sich in den letzten Jahren um die Erwerbslosen kaum gekümmert. Es genügt gar nicht, wie die Erfahrungen beweisen, dass man immer auf die Lage in der Sowjetunion hinweist, sondern man muss den Erwerbslosen ein konkretes Programm des Kampfes zeigen. Kommunisten, revolutionäre Arbeiter. Ihr wollt den siegreichen Kampf gegen den Faschismus. Eure Aufgabe ist es, mit aller Kraft die Einheitsfront der Klasse zu erzwingen. Heute mehr als je muss diese Einheitsfront geschlossen werden auf der Basis des Kampfes: Gegen Lohnabbau, gegen Abbau der Erwerbslosenunterstützung. gegen Betriebsstilllegungen! Für die 40-Stunden-Woche! Für Kredite an die Sowjetunion! Gegen das geplante Reichsbannerverbot, für die Aufhebung des Verbots des Roten Frontkämpferbundes! Für die wirkliche Auflösung der faschistischen Organisationen! Gegen den Krieg! Für den Schutz der Sowjetunion! In allen Betrieben, in allen proletarischen Organisationen ist der Kampf um diese Forderungen zu organisieren. Der organisierte Kampf der Klasse für diese Forderungen wird den verzweifelten Massen, die heute zum Faschismus übergelaufen sind, das Vertrauen zu ihrer eigenen Kraft zurückgeben. Das bedeutet den Anfang des Zusammenbruches des Faschismus. Vorwärts auf dem Wege der Einheitsfront! |
Permanente Revolution > 2. Jahrgang Nr. 9 >