Steinbauer 19320500 Brandlers Bemühungen

Steinbauer: Brandlers Bemühungen

[Nach Permanente Revolution, Zeitschrift der Linken Opposition der KPD (Bolschewiki-Leninisten) (Sektion der Internationalen Linken Opposition) 2. Jahrgang Nr. 9 (Anfang Mai 1932), S. 6]

In Brandlers Blatt «Gegen den Strom» vom 12. 3. beschwert sich ein Wirtschaftskenner über Trotzki. Der tiefsinnige Artikel heißt: «Trotzki und die Sowjetunion». Der Zweck dieser eigenartigen Kritik, die offenbar aus lauter absichtlichen Missverständnissen besteht, ist scheinbar der, die SAP vor Trotzki und seinem Ekel vor der stalinschen Schreibstubenluft zu warnen. In Wirklichkeit aber ist es doch nur die Sehnsucht der tapferen Schwimmer gegen den Strom, die diese Luft allzu gern einatmen möchten.

Mit dem Brustton der Überzeugung wettert der Verfasser gegen die Feststellung Trotzkis, dass die Kommunistische Partei der Sowjetunion von Stalins Büro am Gängelband geführt wird. «In der Sowjetunion regiert nach Trotzki nicht mehr die KP, sondern ein bürokratischer Apparat, der mit Konterrevolutionären durchsetzt ist.»

Der pathetische Protest Brandlers gegen diese Feststellung wird nicht im Geringsten beeinträchtigt durch seine eigene unentwegte Verdammung der Politik der KPD, die doch nach dem Moskauer Rezept oder zumindest im Einvernehmen mit der Komintern zurechtgemacht wird. Man lese den Aufsatz «Was ist die Kommunistische Partei?» in derselben Nummer von «Gegen den Strom» und wundere sich über die Bannflüche Brandlers gegen die «in die Augen fallende ultralinke Entstellung (dieser Frage) durch die KPD, die darin von der Kommunistischen Internationale unterstützt wird.… Sie hemmt, sie hindert so positiv die Vorwärtsbewegung der Arbeiterklasse… die Verbrechen der Partei an der Arbeiterklasse…»

Wenn also die Partei schon lange eine verbrecherische Politik treibt und wenn sie das im Sinne und mit Willen der Komintern tut, wie stellen sich die Spitzen der Komintern zu dieser verbrecherischen Politik? Wo wurzelt da Brandlers Entrüstung gegen Trotzkis Kritik?

Wir sind zwar überzeugt, dass das Niveau der Kominternleitung heute nicht mehr weit entfernt ist von dem der Brandler und Thalheimer, aber ist es nicht doch eine Unterschätzung des stalinschen Horizontes, wenn man Stalins Politik in dem einen Aufsatz verbrecherisch nennt, um sich gleich im darauffolgenden – offenkundig um sich anzubiedern – ehrlich zu entrüsten, wenn das «Stalin-Regime die Hauptgefahr für die Diktatur des Proletariats» genannt wird? Ein höchst primitives Liebeswerben voll Bitten und Drohungen in bunter Abwechslung!

Brandler wundert sich sehr darüber, wenn Trotzki schreibt: «Die Sowjetunion ist nicht in den Sozialismus eingetreten, wie die herrschende Stalinfraktion lehrt, sondern nur in das erste Stadium der Entwicklung in der Richtung zum Sozialismus.»

Jedes Kind weiß, dass die Arbeiterschaft in der Sowjetunion einen entbehrungsreichen aufopferungsvollen Kampf – zunächst um den Aufbau der Schwerindustrie – führt, durch den ein Lebensstandart bedingt ist, der von dem des Goldenen Zeitalters noch einigermaßen entfernt ist. Oder glaubt Brandler den naiven Erklärungen der «Roten Fahne», wonach die Teuerung der Lebensmittel in der Sowjetunion auf Wunsch der Arbeiterschaft durchgeführt wird, weil die Arbeiter ein Interesse daran haben, dass die ihnen sowieso gehörenden Güter nicht verschleudert werden? Glaubt Brandler, dass es im Zeitalter des Sozialismus Akkordarbeit, Überstunden und Bastschuhe geben wird? Es besteht kein Zweifel darüber, dass Brandler ganz gut weiß: der Weg zur deutschen Revolution führt nicht über die Täuschung der deutschen Arbeiter.

Ist es notwendig und ratsam, jemandem vorzulügen, ein Haus sei schon beziehbar, während jedes Kind weiß, dass erst die Fundamente errichtet werden? Reelle, achtungswerte Fundamente zwar, die an sich Bewunderung erregen, nach der Geschichte über das fertige Haus aber enttäuschen.

Brandler stellt sich dumm. Man wird fragen, hat er es nötig, sich so zu stellen? Zu seiner Ehre muss man gestehen, ja, er muss dem Zweck entsprechend übertreiben. Er weiß zwar, was Trotzki mit dem «ersten Stadium der Entwicklung in der Richtung zum Sozialismus» meint, und doch ist ihm das «eine Formel, die sehr vieldeutig ist. Auch die kapitalistische Wirtschaft ist ein Stadium der Entwicklung zum Sozialismus.» Warum fängt er nicht gleich bei der Steinzeit an? Wir wundern uns über gar nichts mehr!

Dasselbe gilt auch für folgendes: Brandler schreibt: «die Entwicklung kapitalistischer Verhältnisse auf dem Lande wird also nach Trotzki trotz der Kollektivierung lustig weitergehen.» Das ist ihm völlig unbegreiflich, wiewohl er einen Absatz zuvor lustig selber Trotzki zitiert: «Die Form der Produktionsgenossenschaft ist beim Mangel an einer technischen und kulturellen Grundlage unfähig, die Differenzierung … zu hindern.» Bitte nicht zu übersehen: Mangel an einer technischen und kulturellen Grundlage. Aber gegen eine solche Art von Polemik ist wohl kein Kräutlein gewachsen.

Die Sowjetunion leidet unter der Krise der kapitalistischen Länder, aber nicht, wie Brandler uns gern unterschieben möchte, weil sie «ein Teil der kapitalistischen Weltwirtschaft» ist. sondern weil sie ein Teil der Weltwirtschaft ist und weil der Zeitpunkt verabsäumt wurde, wie sich Brandler sicher erinnert, in den technisch höher entwickelten Ländern die proletarische Diktatur zu erzwingen. Ferner weil die Revolution in diesen Ländern auf dem Programm der Komintern weit hinter die Fünfjahrespläne zurückgesetzt wurde. Nichts wird dadurch gewonnen, wenn man hartnäckig leugnet, dass es durch Stalins Politik soweit gekommen ist, dass der unerwartet rasche Niedergang der kapitalistischen Wirtschaft nunmehr die Revolution hemmt statt sie zu fördern.

Wir wissen, dass die Sowjetunion «immer mehr dazu übergeht, selbst Maschinen zu bauen». Das war ja auch der Zweck der Übung (5-Jahrespläne). Aber es genügt nicht, dass zur Zeit – mitten im Zustand des Sozialismus also – nur «einige» dort hergestellt werden können, denn wir leben nun einmal in der Gegenwart, und nicht in der Zukunft.

Man möchte meinen, dass nur ein Nazihirn die Idee ausbrüten könnte, für irgendein Gebiet der Welt bestünde bei dem heutigen Stand der Entwicklung der Technik kein Zwang zum Export, das heißt auch, kein Bedarf an Waren, die anderswo mit weniger Arbeitsaufwand hergestellt werden können. Wie man sich bei der Lektüre von «Gegen den Strom» überzeugt, können unsere «Internationalisten» mit diesen Hirnen erfolgreich in Wettbewerb treten. Trotzdem haben wir uns die Mühe nicht verdrießen lassen, den Theoretikern der KPO. einiges aus dem ABC der Wirtschaftslehre ins Gedächtnis zurückzurufen, wenngleich wir wissen, worauf ihre ganze Kritik hinaus will: Auf die Eroberung eines warmen Plätzchens bei Teddy, wobei für die Beamtenlaufbahn – Parole mit dem Strom – eine Art Abitur erforderlich ist, ein Beitrag zum allein aktuellen Thema der Weltrevolution, zum Kampf gegen den Trotzkismus.

Steinbauer.

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