R. W. 19310700 Zur Wirtschaftskrise

R. W.: Zur Wirtschaftskrise

[Nach Permanente Revolution, Zeitschrift der Linken Opposition der KPD (Bolschewiki-Leninisten) (Sektion der Internationalen Linken Opposition) 1. Jahrgang Nr. 1 (Juli 1931), S. 4-6]

«Das Kapitalmonopol wird zur Fessel der Produktionsmethode, die mit und unter ihm aufgeblüht ist. Die Zentralisation der Produktionsmittel und die Vergesellschaftung der Arbeit erreichen einen Punkt, wo sie unerträglich werden mit ihrer kapitalistischen Hülle. Sie wird gesprengt. Die Stunde des privatkapitalistischen Eigentums schlägt. Die Expropriateure werden expropriiert.» (Kap. Band 1, S: 728).

«Absolut ausweglose Lagen gibt es nicht. Die Bourgeoisie… verschärft die Lage und beschleunigt ihren Untergang. Allem dem ist so, aber man kann nicht beweisen, dass es absolut keine Möglichkeit für sie gibt, irgendwelche Minderheit der Ausgebeuteten durch irgendwelche Zugeständnisse einzuschläfern, irgendeine Bewegung oder irgendeinen Aufstand irgendeines Teiles der Unterdrückten und Ausgebeuteten niederzuschlagen. Es wäre leere Pedanterie oder ein Spiel mit Begriffen und Wörtern, den Versuch zu machen, die im Vorhinein «absolute» Ausweglosigkeit zu beweisen.» (Lenin, deutsche Ausgabe Bd. XXV., S. 420 [Bericht über die internationale Lage und die Aufgaben der Kommunistischen Internationale, auf dem zweiten Kominternkongress, 19. Juli 1920])

Nach der Periode der tiefgehenden Krise der Nachkriegszeit 1918-1923. als die revolutionäre Avantgarde des Proletariats in den kapitalistischen Ländern nicht die Fähigkeit aufbrachte. die für eine Beseitigung des kapitalistischen Wirtschaftssystems günstige Situation auszunützen, begann eine Periode des Aufschwunges der kapitalistischen Wirtschaft. Besonders die große Niederlage des deutschen Proletariats von 1923, deren Auswirkungen weit über die Grenzen Deutschlands gingen leitete die Wiederbefestigung der kapitalistischen Wirtschaftsordnung in Europa ein. Die 1924 begonnene Rationalisierung führte zu einer fast vollständigen Erneuerung der Produktionsmittel, des Produktionsapparates. Die Produktion wurde erweitert der Produktionsindex stieg enorm. Die kapitalistische Wirtschaft erreichte in den Jahren 1927-28-29 nicht nur die Vorkriegsproduktion. sondern überflügelte sie: auf einigen Gebieten der Industrie vervielfachte sich sogar die Produktion (Autoindustrie. Elektrizität. Kunstseide usw.).

Der gewaltige Aufschwung der Produktion in Amerika, die «Prosperität», führte zu der Theorie der Sozialdemokratie vom «organisierten Kapitalismus», die im gewissen Maße einen Anklang bei einigen Führern der Komintern gefunden hat (Bucharin). Besonders die deutsche Sozialdemokratie hat diese Theorie entwickelt (Hilferding), indem sie für die Zukunft die Perspektive der Verhinderung von Krisen dank der straffen Konzentrierung der Wirtschaft (Monopole, Trusts, Kartelle) aufstellte. Die deutschen Führer der Sozialdemokratie glaubten auf Grund der Wirtschaftsentwicklung Amerikas, dass die Menschheit sich dem Zeitalter der «ewigen Prosperität» nähere. Sie wurden zu Propagandisten des «Amerikanismus» in Deutschland. Orientierung nach USA war ihre Losung. Es ist deshalb gar nicht verwunderlich, wenn die SPD-Führer heute optimistischer die weitere Entwicklung der Krise betrachten als die Vertreter der bürgerlichen Wissenschaft und Wirtschaft.

Die bürgerlichen Professoren und Wirtschaftler sind von einem an Stumpfheit grenzenden Pessimismus ergriffen. Sie haben aufgehört, von günstigen Perspektiven für den Kapitalismus zu sprechen. Sie sind heute schon dabei, das kapitalistische Wirtschaftssystem der Unfähigkeit anzuklagen (Sombart). Andere glauben, dass an der Krise die Strukturwandlung des Kapitalismus schuld sei.

Im Herbst 1929 wurde durch den Krach auf der Börse von New York der ganzen Welt kund gegeben, dass der Periode der Stabilisierung – der Prosperität – ein Ende gesetzt sei. Viele, für die Amerika zu einem Wunderland, einem Glauben geworden war, meinten, dass es sich nur um Börsenmachinationen handele, dass der Kern des kapitalistischen Wirtschaftssystems gesund sei und keine Krise ihm drohe. Die künstlichen Maßnahmen der amerikanischen Kapitalisten (mit Hilfe von Milliarden), die Krise aufzuhalten, täuschten noch mehr. Man glaubte an eine baldige Überwindung dieser «kleinen Schwankung». Seither sind mehr als anderthalb Jahre verstrichen.

Wie weit die Krise fortgeschritten ist, zu welchen verheerenden Auswirkungen sie auf wirtschaftlichem, politischem und sozialem Gebiet geführt hat, fühlen heute alle Völker an ihrem eigenen Leibe. Der Kapitalismus kannte auf seinem geschichtlichen Wege nicht eine Krise von solch gewaltigem Ausmaße und solcher Tiefe wie die heutige. Es gibt kein Land auf der Erdkugel, das nicht unter der Peitsche der Krise leidet.

Die industrielle Krise

Die schon über einundeinhalb Jahr andauernde Industriekrise in Amerika und in den anderen Ländern zeigt noch keine Veränderung. Die Hoffnungen auf eine Verbesserung der Lage im Jahre 1930 haben sich nicht erfüllt. In einigen kapitalistischen Ländern hat die Krise erst Mitte und Ende 1930 eingesetzt (Frankreich). Wie weit die Produktion in einer Reihe wichtiger Industrieländer gesunken ist, darüber geben uns folgende Zahlen Aufschluss.

In den Vereinigten Staaten ist der Produktionsindex im Dez. 1930 auf 80 und Ende Februar 1931 auf 76,9 gesunken (gegenüber dem Durchschnitt des Produktionsindex von 1923-25 gleich 100), d.h. dass im Februar um fast ein Viertel weniger produziert wurde als in den Jahren 1923-25. Die chronische Krise der englischen Wirtschaft hat durch die Weltwirtschaftskrise eine weitere Verschärfung erfahren. Wenn der Produktionsindex von 1924 in England gleich 100 ist, so stieg er Ende 1929 auf 114,8 und sank 1930 auf 93,5. In der Tschechoslowakei ist ein durchschnittlicher Rückgang der Produktion um 20% zu verzeichnen. In Frankreich, das zuletzt von der Krise erfasst wurde, ist im Januar 1931 schon eine 10%-ige Produktionsverminderung gegenüber Januar 1930 festzustellen.

In Deutschland, in einem der entwickeltsten Industrieländer, hat die Wirtschaftskrise außerordentlich scharfe Formen angenommen. Die Hoffnungen auf eine Konjunkturverbesserung Anfang dieses Jahres haben sich nicht erfüllt. Die zeitweilige Abnahme der Erwerbslosenzahl im Frühling dieses Jahres war nichts anderes als eine Saisonerscheinung; die Zahlen über die Entwicklung des Produktionsindex zeigen es am deutlichsten. Wenn der Produktionsindex des Jahres 1928 gleich 100 gesetzt wird, so haben wir 1929 101,8 und Ende 1930 84,4. Im ersten Vierteljahr dieses Jahres sinkt aber der Produktionsindex noch tiefer und zwar auf 69. Wie der viel erhoffte Aufstieg der Wirtschaft in den ersten 4 Monaten dieses Jahres aussieht, zeigt uns die folgende Entwicklung des Produktionsindex: Jan. 67,4, Febr. 68,6. März 71.2, April 71,6, – also eine sehr unbedeutende Zunahme der Produktion, eine schwache Saisonbelebung.

Der auswärtige Handel

Die durchschnittliche Monatsausfuhr der Vereinigten Staaten ist von 1,8 Milliarden Mark auf 1,3 im Jahre 1930 gesunken. Im Jan. 1931 betrug die Ausfuhr ca. 1 Milliarde gegenüber 1,6 im Jan 1930. Die englische Ausfuhr von 1,2 Milliarden 1929 […]1 Jahres sank im Jahre 1930 auf 0,95 Milliarden; im Januar 1931 sank die Anfuhr ca. 0,6 Milliarden gegenüber 0,9 im Januar 1930.

In Deutschland hat die Ausfuhr 1930 noch keine große Senkung erfahren. Dank der Möglichkeit, mit Hilfe der in den früheren Jahren im höchsten Maße durchgeführten Rationalisierung der Wirtschaft und mit Hilfe der billigen Löhne den Freissturz der Rohstoffe am besten auszunützen, konnte die deutsche Industrie sich auf den Weltmarkt gegenüber den andern Ländern noch gut halten. Der Jan. 1931 zeigt aber schon einen großen Umschwung. Die Ausfuhr dieses Monats beträgt nur 775 Millionen Mark gegenüber 1092 Millionen des Jahres 1930.

Arbeitslosigkeit und Lohnsenkung

Die Wirtschaftskrise führt zu einer ungeheuren Verelendung der Arbeiterklasse. Millionen sind aus der Produktion hinaus gestoßen. Die größte Erwerbslosigkeit zeigt das Land der «ewigen Prosperität» – die Vereinigten Staaten von Amerika. Die demokratische Republik kennt keine genaue Statistik über die Zahl ihrer Bürger, die arbeitslos sind. Man schätzte sie Ende des v. J. auf 9-10 Millionen. Auf Grund der Verschärfung der Krise scheint es, dass diese Zahl in diesem Jahr eine weitere Erhöhung erfahren hat. In England stieg die Zahl der Arbeitslosen von ca. 1,3 Millionen 1929 auf 2,7 Millionen im März dieses Jahres. In Italien – 1 Million. In Deutschland von 1,8 im Jahre 1929 auf rund 5 Millionen Anfang dieses Jahres. Auch heute, trotz der Saisonbelebung, beträgt die Zahl der Erwerbslosen noch über 4 Millionen.

Diese Erwerbslosenarmeen sind nicht mehr die «normalen» Reservearmeen der kapitalistischen Wirtschaft. Mag ein Teil von ihnen bei eintretender Belebung der Wirtschaft wieder in die Betriebe kommen, ein großer Teil davon ist aber dauernd aus dem Produktionsprozess ausgeschaltet, d. h. solange das kapitalistische System bestehen wird. Ungeheuer schwer ist die Lage der Erwerbslosen in der demokratischen Republik «USA», wo es keine staatliche Unterstützung der überflüssigen Sklaven gibt. Ebenso ist es in den Ländern, wo Faschismus und Diktaturregime herrschen : Italien, Balkan, Polen usw.)2.

Auch in Deutschland, wo nach Meinung der Sozialdemokraten Demokratie herrscht, wird die Erwerbslosenunterstützung, die die Arbeiterklasse durch Kampf errungen hat, fortwährend abgebaut. Jede neue Notverordnung ist in erster Reihe darauf gerichtet. Die letzte Notverordnung hat eine weitere tiefgehende Verschlechterung der Erwerbslosenunterstützung gebracht. Der Plan der deutschen Bourgeoisie geht dahin, stückweise durch Notverordnungen die Errungenschaften der Arbeiterklasse zu vernichten. Die Auswirkungen der Wirtschaftskrise sollen ausschließlich auf die Arbeiterklasse abgewälzt werden.

Die Lösung der Krise sieht die Bourgeoisie einzig und allein im Lohnabbau. Der Kampf gegen den Lohn wird international geführt. Das ist das Entscheidende in der heutigen Situation. In Amerika sind nur noch 75,1% Arbeitsfähige im Vergleich mit 1926 beschäftigt. Die Höhe des Lohnes mit demselben Jahr verglichen beträgt nur noch 67,4%. Ein Drittel Lohnabbau scheint noch nicht das Höchste zu sein; der Lohnabbau wird in Amerika noch weiter fortgesetzt. In England wird der Lohnabbau auf allen Gebieten der Wirtschaft mit Hilfe der Macdonald-Regierung durchgeführt. Der Rückgang des Nominallohnes in Deutschland im Vergleich zu Mitte 1929 wird auf 20% geschätzt. Dennoch wird der Lohnabbau noch weiter betrieben. Dieselbe Erscheinung ist in allen anderen Ländern zu beobachten

Die Agrarwirtschaftskrise

Die Agrarkrise, die in der Nachkriegszeit immer schärfer wurde, führt jetzt zu noch tieferen Auswirkungen, trotz der fast vollständigen Einstellung der Getreideausfuhr aus der Sowjetunion ist keine Verbesserung der Lage auf dem Getreidemarkt zu verzeichnen. Die Versuche der kapitalistischen Regierungen, in den Überseeländern […]3 krise durch Regierung der landwirtschaftlichen Produktion zu mildern, sind fehlgeschlagen. Die Propaganda für die Einschränkung der landwirtschaftlichen Produktionsfläche um mindestens 10% fand in keinem Lande bei den landwirtschaftlichen Erzeugern Widerhall. 1930 betrug die Produktion von Weizen und Roggen 126,1 Millionen Tonnen gegenüber 118,4 im Jahre 1929 und näherte sich somit wieder dem Höchststand von 1928 – 130,3 Millionen Tonnen. Der Vorrat der folgenden Agrarprodukte hat sich nicht nur [nicht] verkleinert, sondern ist im steten Steigen; Weizen Dez. 1929 – 13,8 Millionen Tonnen, Dez. 1930 – 15,9; Baumwolle 1,8 – 2,2; Zucker 6,6 – 7,7; Kaffee 1,4 – 1,6.

Dieser sich immer steigernde Vorrat bei gleichzeitiger Einschränkung des Absatzes führt zu einer weiteren Preissenkung. Die Preise der Getreideprodukte haben einen Tiefstand erreicht, wie er noch nicht einmal während der Weltagrarkrise 1893-1896 zu verzeichnen war. Der Preis des Weizens auf dem Weltmarkt ist auf die Hälfte des Preises von 1929, des Roggenpreis fast um zwei Drittel gesunken. (100 kg. Weizen: 1929 – 20,67 RM., 1930 – 8,13-11,94, Roggen: 18,34 – 7,27).

In Argentinien, Australien, Brasilien usw., die besonders unter den Folgen der Agrarkrise leiden, sehen wir heute den Zusammenbruch von Millionen landwirtschaftlichen Existenzen, im Zusammenhang mit der gewaltigen Industriekrise steuern diese Länder dem Bankrott der Staatsfinanzen entgegen; es gelingt nicht, den Währungsverfall aufzuhalten. Die gewaltige Verarmung der Bauernmassen in den südamerikanischen Ländern widerspiegelt sich auch in den nichtaufhörenden Aufständen, «Revolutionen» usw. Der Versuch der Regierung der Vereinigten Staaten, den Zusammenbruch der Farmerwirtschaften mit Hilfe von verschiedenen finanziellen und protektionistischen Maßnahmen aufzuhalten, ist missglückt. Die Konkurse haben sich vervielfacht, Hunderttausende verlassen das Land.

In Deutschland wird die Agrarkrise durch aufeinanderfolgende Zollerhöhungen und andere Maßnahmen aufgehalten. Die Preise der Getreidearten in Deutschland übertreffen alle Weltmarktpreise um das Vielfache. Weizen 1 Tonne Mitte Dez. 1930: Weltmarktpreis 115 RM., in Deutschland 250 RM, Roggen 70 – 165 RM. Der Zucker kostete in Deutschland allein 3 mal soviel an Zoll wie die Ware selbst auf dem Weltmarkt. Stützungsaktionen aller Art, Subventionen (Osthilfe) usw., wofür die Mittel aus den Steuergeldern der Ausgebeuteten entnommen werden, sollen die unrentablen Großgüter vor ihrem Zusammenbruch bewahren. Die Folgen der Agrarkrise werden in Deutschland systematisch auf die werktätigen Massen abgewälzt.

Die Agrarkrise ist in erster Linie auf die während des Krieges und der Nachkriegszeit gemachten umwälzenden technischen und biochemischen Entdeckungen zurückzuführen. Die Einführung des Motorpfluges, des Mähdreschers und anderer Maschinen führte zur Verminderung der Gestehungskosten des Getreides und zur Steigerung der Ernteergebnisse. Früher unbebaute Flächen wurden der Getreideproduktion nutzbar gemacht; dadurch trat eine Vergrößerung der Anbaufläche ein. Durch Anwendung von chemischen Düngemitteln, durch wissenschaftliche Experimente wurden ertragbringende Zuchtsorten hervorgebracht, wie überhaupt durch den gesamten Fortschritt auf dem Gebiete der bestmöglichen Ausnutzung des Bodens die Getreideproduktion vergrößert wurde. Auf der einen Seite Überproduktion, auf der anderen Seite durch Massenarbeitslosigkeit und allgemeine Verelendung – Verkleinerung des Absatzes.

Die kapitalistischen Regierungen können nicht die fortdauernde Agrarkrise mildern, geschweige sie ganz aufheben. Auf der Basis der kapitalistischen Produktionsweise gibt es keinen Ausweg, diese Frage zu losen. Dieses Problem kann und wird nur der Sozialismus lösen.

Charakter der Krise

Trotz allen Theorien des organisierten Kapitalismus […]4 für die Zukunft ausscheidet, hat die marxistische Krisentheorie Recht behalten. Sie ist und bleibt die Einzige wissenschaftliche Theorie über das Wesen der kapitalistischen Wirtschaft. Die Ursache der Krisen liegt in der besonderen Art und Weise der kapitalistischen Akkumulation. Die individuelle Mehrwertschöpfung je nach dem variablen Kapital, der individuellen Mehrwertsaneignung je nach dem angewandten Gesamtkapital, durch den Ausgleich der Durchschnittsprofitrate zum Zwecke der Vergrößerung des Kapitals, das heißt zur Vergrößerung des Produktionsmittelapparats, muss nach einiger Zeit eine Stockung des Austausches mit sich bringen. Die Stockung tritt auf als Überproduktion, Arbeitsentlassungen usw. Die Krise ist notwendig und ergibt sich, einmal aufgetreten, in einem Rhythmus, der anfangs etwa 10 Jahre betrug und dann kürzer wurde, je nach dem Verschleiß des Produktionsmittelapparats. Die Krisen sind nur momentane Ausgleichungen des Widerspruches der kapitalistischen Produktionsweise: der Vergesellschaftung der Produktion und des Privateigentums an den Produktionsmitteln. Diese Krise ist eine zyklische, sie ist ein Produkt des Missverhältnisses zwischen Produktion und Konsumtion. Sie trat auf nach einer Periode des Aufschwunges der kapitalistischen Wirtschaft (bis Ende 1929). Diese Krise geht aber vor sich im Unterschied zu den zyklischen Krisen der Vorkriegszeit in der Epoche des absteigenden Kapitalismus; daraus hauptsächlich erklären sich ihre Tiefe und Breite. Die ungeheure Entwicklung der Trusts, Kartelle, usw., die nie dagewesene Konzentrierung der Wirtschaft hemmt die Überwindung der Krise. Der Zusammenbruch von wirtschaftlich schwächeren Unternehmungen, der bei der noch in der Vorkriegszeit herrschenden freien Konkurrenz als normaler Ausweg für die Überwindung der Krisen galt, ist heute durch die kartellmäßige Zusammenfassung auf ein Minimum reduziert. Daher auch sinken die Industriepreise nicht, oder nur in kleinem Maße. Der Produktionsapparat wird heute durchschnittlich zu 50-60% ausgenutzt, in der sogenannten Konstruktionsindustrie nur zu 37%. Die Überwindung der Krise durch eine neue Welle der Rationalisierung, wie sie in der Vorkriegszeit üblich war, ist vorläufig noch nicht abzusehen. Das Zusammenfallen der Industriekrise mit der chronisch zunehmenden Agrarkrise, die bestehende «Schere» zwischen den Agrar- und Industrieprodukten (d. h. niedrige Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse – hohe für industrielle Waren*) wirken weiterhin verschärfend. Die dauernde Erwerbslosigkeit und die Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage, lassen den Markt noch mehr zusammenschrumpfen; Schulden und Reparationsfrage, das Bestehen der Sowjetunion und nicht zuletzt die politischen Krisen in einer Reihe von Ländern, – alle diese Momente wirken der Überwindung der Krise entgegen.

Der Ausweg aus der Krise

Der Kapitalismus hat das Recht verloren, sich als Wegbereiter des Fortschrittes zu betrachten. Das kapitalistische System ist nur noch reaktionär und konservativ. Weder kann es den Fortschritt der Wissenschaft ausnützen noch die Produktivkräfte entsprechend entwickeln, noch den Millionen Brot verschaffen. Unterdrückung des technischen Fortschritts, Nichtausnützung der vorhandenen Produktionskapazität, die Vernichtung gewaltiger Gütermengen (Weizen, Kaffee etc.) einerseits – Arbeitslosigkeit von Millionen und Massenhunger in den Städten anderseits. Die Agrarkrise, die nicht mehr im Rahmen des kapitalistischen Systems gelöst werden kann, wird sich weiter verschärfen. Die Industriekrise scheint ihren Höhepunkt noch nicht erreicht zu haben. Das deutsche Konjunkturforschungsinstitut betrachtet in seinem neuen Vierteljahresbericht vom 5. Juni die Lage sehr pessimistisch. Es erhofft keinen Aufschwung mehr in diesem Jahre; umgekehrt am Ende 1931 sollen wir einer weiteren Verschärfung der Krise zusteuern. Ein Aufschwung in der USA. könnte die Lage verbessern, aber auch das ist kaum noch in diesem Jahre zu erwarten. Der imperialistische Kampf auf dem Weltmarkt wird sich verschärfen. Die kriegerischen Tendenzen nehmen trotz des pazifistischen Geschwätzes im beschleunigten Tempo zu. Die Entwicklung der Gesellschaft hat einen Punkt erreicht, wo sie nicht mehr in der kapitalistischen Hülle fortbestehen kann. Der Zeitpunkt, an dem sie (nach Marx) gesprengt werden muss, ist erreicht. Marx hat aber nie von einem automatischen Zerspringen der «Hülle» gesprochen. Nur im revolutionären Klassenkampf kann das reaktionäre kapitalistische System zerschlagen werden.

Nur durch eine siegreiche soziale Revolution, durch Errichtung der Diktatur des Proletariats, durch Expropriierung der Expropriateure kann das neue Wirtschaftssystem, der Sozialismus, aufgebaut werden.

Der revolutionäre Kampf ist aber von dem Zustand des subjektiven Faktors der Geschichte – von der Partei des Proletariats, der Komintern – abhängig. Die Situation für die soziale Revolution ist reif, sogar überreif, aber nicht die Kommunistische Partei. Eine revolutionäre Partei kann nur dann siegen, wenn sie die objektiven Tatsachen als solche nimmt und sie nicht durch Phrasen ersetzt. Die verderbliche und verbrecherische Politik der Rechten und Zentristen seit 1923 hat der Kommunistischen Partei in Deutschland die Möglichkeit genommen, zur wirklich einzigen proletarischen Partei zu werden, das Proletariat heute zum Sturm gegen das herrschende System zu führen. Das Heil davon zu erwarten, dass die «Todeskrise des Kapitalismus» ihn selbst zum Zusammenbruch führen wird, widerspricht den marxistischen und leninistischen Grundsätzen des Kampfes.

Die Zentristen, die Lenin Tag ein Tag aus beschwören, vergessen den Leninschen Standpunkt von den Nichtvorhandensein einer ausweglosen Situation für den Kapitalismus. Ja, das kapitalistische System hält sich nur noch dank der Schwäche der Avantgarde des Proletariats. Die Bourgeoisie kann sich unter diesen Umständen mit Hilfe von Diktatur und Faschismus durch systematischen Lohnabbau, durch verschärfte Ausbeutung der werktätigen Massen noch weiter halten. Auch das «schwächste Glied in der Kette» des kapitalistischen Systems – das kapitalistische Deutschland – zerbricht nicht von selber. Die Führung unserer Partei hat bis jetzt alles getan, was die Sammlung der Massen um die Kommunistische Partei verhindern konnte.

Die Tragödie des Proletariats besteht darin, dass es in der «Epoche der Bürgerkriege und Revolutionen» zu keiner siegreichen Revolution geführt wird. Die Kominternführer zeigen uns auch jetzt (Spanien), dass sie nicht im Stande sind, revolutionäre Situationen auszunützen. Der einzige Ausweg, die Menschheit vom Joch des Kapitalismus zu befreien, ist die soziale Revolution, sie zu organisieren und durchzuführen ist nur eine bolschewistische Partei berufen. Die Partei Stalins und Thälmanns ist es nicht. Die Wiedergeburt der Partei und der Komintern muss erfolgen, wenn das Proletariat siegen soll. An der Lösung dieser Aufgabe soll die Linke Opposition (Bolschewiki-Leninisten) wirken.

1Vorlage schwer zu entziffern

2Der Beginn der Klammer fehlt in der Vorlage

3Vorlage schwer zu entziffern

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* Die landwirtschaftliche Kaufkraft in USA der Jahre 1909-1914 als 100 gesetzt, beträgt dieselbe Ende 1930 nur 65.

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