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Betriebs-Delegierten-Konferenz

[Nach Permanente Revolution, Zeitschrift der Linken Opposition der KPD (Bolschewiki-Leninisten) (Sektion der Internationalen Linken Opposition) 1. Jahrgang Nr. 2 (August 1931), S. 11 f.]

Am 22. Juli 1931 fand in der Bockbrauerei Fidicinstraße eine vom «Reichsausschuss der Betriebsräte» einberufene Delegiertenkonferenz statt. Diese Konferenz müsste, angesichts der jetzigen kritischen Situation, für das Berliner Proletariat ziel- und richtunggebend sein, und darüber hinaus auch wegweisend für das gesamte deutsche Proletariat. Es waren aber nicht, wie in der «RF» angegeben; 1500 Delegierte, sondern im besten Fall 600-700 Delegierte anwesend. Wie viele davon Betriebsräte und wie viele davon Mitglieder der freien Gewerkschaften waren, darüber schweigt sich die «RF» aus. Ulbricht gab einen Bericht über die Londoner Verhandlungen und die darauf bezugnehmenden Kommentare der bürgerlichen Presse. Machte ironische Bemerkungen, schimpfte auf die Bourgeoisie, weil sie es wagt, die KPD-Presse zu verbieten. Wies auf die ungeheure Arbeitslosenzahl hin, erzählte, das Schacht sich augenblicklich mit der Schweinezucht befasst. Zitierte Lloyd George, der in der Wiener «Neuen Freien Presse» das internationale Kapital aufforderte, unter allen Umständen Deutschland zh helfen, da ein Sowjetdeutschland mit Sowjetrussland vereint imstande ist, das ganze kapitalistische System zum Sturz zu bringen. Das war der erste Teil seines Referates. Dann folgte ein Loblied auf die RGO, die schon ein Machtfaktor ist. Er wehrte sich ganz entschieden dagegen, das der RGI-Brief eine Wendung der RGO-Taktik sei. Er sagte wörtlich: «Der Brief der RGI bedeutet nicht eine Wendung zur Aufgabe der Selbständigkeit der RGO und Roten Gewerkschaften, sondern er bedeutet sogar eine verstärkte Durchführung der Selbständigkeit.» Trotzdem die RGO nach seiner Ansicht bereits ein Machtfaktor geworden ist, muss er zugeben, dass sie bis heute vollkommen versagt hat. Er rief den Delegierten zu: «Ihr sollt und müsst uns Antwort geben, warum am 1. Juli der politische Massenstreik gegen die Notverordnung nicht durchgeführt worden ist.»

Einen lichten Augenblick hatte U. als er die Feststellung machte, dass das Haupthindernis zur Durchführung der Revolution der ADGB ist. Welchen Weg weist er, um dieses Haupthindernis zu beseitigen? Hört es: «Wenn die Gewerkschaftsmitglieder gegen die Regierung kämpfen wollen, dann nur unter Führung der RGO, weil die RGO die Einzige ist, die den Streik vorbereitet.»

Also: Darum Gew.-Mitgl. kommt zu uns, und wenn Ihr alle bei uns seid, dann ist das Haupthindernis beseitigt und wir machen Revolution. Großartig! Aber was machen wir nur wenn die Gew.-Mitgl. nicht so ohne weiteres wollen? Und leider wollen sie noch nicht. Darauf blieb er die Antwort schuldig, bzw. verharrte auf der Verstärkung der Selbständigkeit der RGO und roten Gewerkschaften. Dass gerade diese verhängnisvolle Taktik das Haupthindernis zur Gewinnung der Gewerkschaftsmitglieder und somit zur Durchführung der Revolution ist, will und kann er nicht sehen. Wer der Ansicht ist, dass in der Diskussion nun die Delegierten praktische Vorschläge gemacht haben, der irrt sich. Es war einfach beschämend, wie wenig die Partei ihre Funktionäre erzogen hat. Die meisten überbrachten die revolutionären Grüße Ihres Betriebes. Alle erzählten von den verschärften Schikanen der Unternehmer und brachen mit einer revolutionären Phrase ab. Arbeiter, die wirklich etwas zu sagen hatten, kamen nicht zu Wort, denn zuerst mussten doch die «Vertreter» der Eisenbahn, Straßenbahn, Erwerbslosen, Jugend, sowie, einiger Großbetriebe – nichts sagen, und dann war die Zeit so vorgeschritten, dass die Diskussion abgebrochen werden musste. Mittlerweile waren von den 6-700 Delegierten noch ungefähr 100-150 übrig geblieben. Nach einem kurzen Schlusswort Us und nach Annahme verschiedener Resolutionen ging man nach Hause. Niederschmetternd war der Eindruck. Wenn nicht bald, und zwar recht bald die Parteimitglieder das Steuer herumreißen, dann droht eine noch schlimmere Niederlage wie 1923.

Aller.

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