Henri Lacroix 19310716 Das Ergebnis der spanischen Wahlen

Henri Lacroix: Das Ergebnis der spanischen Wahlen

[Nach Permanente Revolution, Zeitschrift der Linken Opposition der KPD (Bolschewiki-Leninisten) (Sektion der Internationalen Linken Opposition) 1. Jahrgang Nr. 2 (August 1931), S. 9 f. Etwas eigenwillige Schreibweisen von spanischen Wörtern und Eigennamen wurden korrigiert]

Bei den Wahlen zu den Cortes ergab sich als eine sehr wichtige Tatsache, dass fast keine Wahlenthaltungen stattfanden. Besonders in Katalonien haben alle Wähler abgestimmt, sogar in Barcelona, der Stadt der «unpolitischen» Anarchisten der CNT (Confederation National del trabajo – Anarcho-Syndikalistische Gewerkschaft). Die Anhänger von Pestaña haben für die Republikaner gestimmt und haben sogar die republikanische Kandidaten verteidigt. In den ausgesprochenen Arbeitervierteln von Barcelona, wo die Anarcho-Syndikalisten mehr als 80 % der Wähler bilden, und wo die CNT zu 99 % aus Arbeitern besteht, sind die republikanischen Kandidaten gewählt worden; und nicht ein einziger Wähler ist von der Wahl ferngeblieben, ein Ereignis, das bis jetzt in der Geschichte der spanischen Wahlen unbekannt war. So machen also die Anarchisten «Politik» trotz ihrer «apolitischen» Einstellung und trotzdem gerade einige Tage vorher der Nationalkongress der CNT beendet wurde, der eine Resolution annahm, wonach «Funktionäre, die einmal zu den Wahlen kandidiert hatten, keine leitenden Funktionen in den Organisationen der CNT übernehmen dürfen, und wenn jemand zweimal kandidiert hätte, sollte er endgültig aus den syndikalistischen Organisationen ausgeschlossen werden». Man sieht sofort, dass der Kurs gegen die Kommunisten ging, aber das sollte nicht heißen, dass die Anarchisten unpolitischer wie früher geworden wären. Im Gegenteil, die CNT ist heute noch viel reformistischer als vorher geworden, und die Pestaña & Co. sind die eifrigsten Diener der republikanischen Bourgeoisie gegen den Kommunismus. Dennoch ist die CNT dabei, eine entscheidende Wendung zu vollziehen, und dabei ist sie sofort in den reinsten Reformismus à la Jouhaux verfallen. Die Führung der CNT, die die Revolution fürchtet, hat die revolutionäre Bewegung aufgehalten und übernimmt jetzt «die kulturelle Erziehung der Arbeitermassen, denn ohne Kultur ist eine Revolution nicht möglich».

Das ist also eins der wesentlichsten Ergebnisse der Wahlen.

Das, was wir betreffs des Erfolges der Radikal-Sozialisten gesagt haben, wurde durch die Wahlresultate bestätigt. Es stimmt, dass die Spaltung, die im letzten Augenblick durch die «Radikalisten» der Radikal-Sozialisten zustande kam, die Position der Partei der Bildungs- und Arbeitsminister ein wenig geschwächt hat; aber trotzdem ist festzustellen, dass in den ausgesprochenen Arbeitervierteln die Radikal-Sozialisten gewonnen haben, im Gegensatz zu den April-Wahlen, die den Sozialisten die Majorität brachten. Aber gleichzeitig haben in den Vierteln der Kleinbourgeoisie, wo die Radikal-Sozialisten im April gewannen, jetzt die Sozialisten gewonnen. Diese Änderung ist sehr wichtig, obwohl sie oberflächlich betrachtet ohne Bedeutung scheint; gibt sie doch den Beweis für die Entwicklung, die die sozialistische Partei durchgemacht hat, die jeden Tag mehr die Partei der Kleinbourgeoisie wird in dem Maße, wie die Radikal-Sozialisten die Stimmen der Arbeiterschaft gewinnen. Die parlamentarischen Machtverhältnisse zeigen große Unterschiede, die sozialistische Partei hat annähernd 120 Vertreter, während die Radikal-Sozialisten nur 40 haben. Aber man darf nicht vergessen, dass die Radikal-Sozialistische Partei eine neue Partei ist, die erst ein Jahr existiert. Auf der anderen Seite ist selbst die Bourgeoisie für die Sozialisten, bildet doch die Sozialdemokratie das stärkste Hindernis der revolutionären Bewegung der Arbeiterklasse. Die Erfolge der übrigen republikanischen Parteien, hauptsächlich die der Radikalen des Außenministers Leroux, die annähernd 45 Sitze erlangt haben, sind weniger wichtig. Und für die Partei des Herrn AlcaIà Zamora und Maura, Präsident und Innenminister der Regierung der Republik sind die Ergebnisse fast verheerend gewesen. Die Monarchisten haben überall Misserfolge gehabt, ebenso die Kommunistische Partei. Zu unterstreichen ist der große Erfolg der regionalen Parteien wie die von Macia in Katalonien. Aber man darf nicht glauben, dass die Separatisten Macias die Unabhängigkeit von Katalonien fordern. Das steht für Macia außer Frage. Das Katalanische Statut ist ein stark gemäßigtes Dokument und nicht einmal separatistisch. Macia ist nicht mehr für die Unabhängigkeit Kataloniens, sondern für Autonomie. Das Statut wird also im Parlament angenommen werden, selbst wenn man über die Frage diskutieren wird, so geschieht es nur, um etwas zu sagen.

Die Ursache des Misserfolges der Kommunisten liegt in der Spaltung der Kommunistischen Partei, die von der Stalin-Bürokratie durchgeführt wurde. Auf der einen Seite stehen die Anhänger des ZK der offiziellen Partei, auf der anderen die Kommunistische Föderation von Katalonien, gestützt von der «Agrupación Independante» (Unabhängige Gruppe) von Madrid; die Stimmen sind gespalten und viele Arbeiter haben ihre Stimme den Radikal-Sozialisten gegeben, da sie nicht wussten, für welche der beiden kommunistischen Gruppen sie stimmen sollten. Die offizielle Partei hat 60.000 Stimmen erlangt, die Agrupación von Madrid und Katalanische Föderation annähernd 12.000. Die Resultate sind also vernichtend, für die «Opposition» der Madrider Agrupación, ebenso für die Katalanische Föderation. Besonders in Madrid, wo die «Opposition» glaubte, mehr Stimmen als die offizielle Partei zu erhalten, waren die Wahlergebnisse vernichtend, die Mitglieder haben die Organisation verlassen, um zur offiziellen Partei zu gehen und nur die besten und bewusstesten Elemente haben sich uns, den Linken Kommunisten, genähert. Noch hervorzuheben ist unsere Einheitsfronttaktik, die von unseren Mitgliedern gut angewandt wurde.

Die Kommunistische Partei hat so keine Vertretung in den Cortes.

Obwohl die Sozialdemokratie die stärkste Parlamentsfraktion hat. hat sie Furcht, die Macht zu übernehmen, ebenso fürchtet sie in der Regierung zu bleiben. Auf dem sozialistischen Kongress, der soeben in Madrid stattgefunden hat, wurde ein Vertrauensvotum für die Parlamentsgruppe angenommen, um ihre Haltung in Hinblick auf die Regierung zu bestimmen. Man ist dafür, in der Regierung zu bleiben, aber man überlässt der Parlamentsfraktion die Freiheit, Entscheidungen zu treffen und sogar den Bruch mit der Regierung vorzuschlagen. Der sozialistische Finanzminister ist aufgetreten, um zu sagen, dass «Die Mitarbeit der Sozialisten verfrüht ist, (obwohl er dafür ist, in der Regierung zu bleiben) und der Partei Misserfolge bringt, denn die Arbeiter haben ein wenig das Vertrauen auf die Sozialisten verloren». Aber die Sozialdemokraten haben ebenso Furcht, die Macht völlig in ihre Hand zu nehmen, weil sie überzeugt sind, dass das ihre völlige Aufhebung als Arbeiter-Partei bedeuten würde. Sogar die bürgerliche Presse ist für die Sozialisten. Hier liegt die Aufgabe der Kommunisten, die die Sozialisten zwingen müssen, «alle Macht» zu übernehmen; so würde sich die Arbeiterklasse, die noch unter dem Einfluss demokratischer Prediger steht, revolutionieren, wenn die Sozialisten für das Kapital und gegen die Arbeit regieren würden.

Eine sozialistische Regierung wird bald kommen. Allerdings werden sich Regierungswechsel dauernd wiederholen. Die sozialistische Regierung würde die sicherste und längste sein. Ihr Sturz aber würde der entscheidendste Augenblick für die Revolution bedeuten, und vielleicht, wenn eine wirkliche Komm. Partei organisiert ist und revolutionäre Juntas der Arbeiter, Bauern und Soldaten gebildet sind, würde die proletarische Revolution auf der Tagesordnung stehen. Aber zweifellos wird es keine Zwischenrevolutionen geben, selbst wenn der Zeitverlust zwischen der April-«Revolution» und der proletarischen Revolution groß ist.

Die Sozialdemokratie hat das sehr gut erkannt. Deshalb hat die sozialdem. Partei Furcht, die Macht zu übernehmen. Hier liegt die wichtigste Lehre der Wahlergebnisse.

Die Sozialdemokratie ist die letzte Hoffnung der spanischen Bourgeoisie.

Der erste Akt des Parlaments war die Erkennung des Präsidenten und der Sekretäre, und man hat Sozialisten dazu ernannt.

Vor der Komm. Partei Spaniens stehen also ganz klare revolutionäre Perspektiven. Der Augenblick ist gekommen, um die Komm. Partei wirklich zu vereinigen, ihr eine wahrhaft bolschewistische Orientierung zu geben, um unmittelbar mit der Organisation von Sowjets zu beginnen (juntas revolucionarias) und die Sozialdemokratie zu zwingen, die Macht zu übernehmen.

Man kann zu den Stalinisten nicht das geringste Vertrauen haben. Aber die spanische Kommunistische Opposition entwickelt sich unaufhörlich und die Losungen der Linksopposition gewinnen jeden Tag mehr die Zirkel der revolutionären Arbeiter.

Trotz alledem ist die Situation ernst. Die offizielle Partei hat Geld, aber nicht dazu, um praktische und ernsthafte Arbeit durchzuführen, sondern um die Komm. Linke zu bekämpfen. Darin liegt die große Gefahr zu der noch die materielle Schwäche der Kommunistischen Opposition Spaniens hinzukommt. Alles dies kann ein verhängnisvoller Faktor für die Arbeiterklasse werden: das muss der Arbeiterschaft der ganzen Welt gesagt werden.

Madrid, den 16. Juli '31.

Henri Lacroix.

Wie uns mitgeteilt wird, wurden in Santander bei den Cortes-Wahlen 78 Stimmzettel demonstrativ mit dem Namen Trotzkis ausgefüllt, abgegeben. Bemerkenswert ist, dass weder die Partei, noch die Opposition dort Gruppen haben und daher auch keine Wahlpropaganda treiben konnten. Im so höher ist diese spontane Kundgebung zu bewerten.

(D. Red)

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