Oskar Seipold:Die Anhalter Gemeindewahlen und ihre Lehren [Nach Permanente Revolution, Zeitschrift der Linken Opposition der KPD (Bolschewiki-Leninisten) (Sektion der Internationalen Linken Opposition) 1. Jahrgang Nr. 4 (Oktober-November 1931), S. 5] Das zahlenmäßige Gesamtergebnis der Kreistags- und Gemeindewahlen ist folgendes: Kommunisten 29.390 (Reichstagswahl 14. September 1930 23.742); Sozialdemokraten 67.474 (84.979); Nationalsozialisten 76 430 (43.654); Nationaler Block (Volkspartei und Deutschnationale) 27.615 (50.800); Staatspartei 8.654 (5.026). Die Wahlbeteiligung betrug 85 Prozent gegenüber 95 Prozent bei der Reichstagswahl. Die «Rote Fahne» vom 27. Oktober bringt dieses Wahlergebnis mit der selbstbetrügerisch bombastischen Überschrift: «Roter Vormarsch bei den Anhalter Wahlen». Aber gleich im Kommentar dieses Artikels, muss sie folgendes feststellen: «Die bürgerlichen Parteien haben bei den Gemeindewahlen gegenüber den Reichstagswahlen (September 1930) rund 26.000 Stimmen verloren, die die Nazis (Gesamtgewinn 32.770 Stimmen) restlos gewonnen haben. Die Sozialdemokratische Partei hat 17.500 Stimmen verloren, jedoch konnte im Gegensatz zu den Wahlen in Oldenburg und Hamburg die Kommunistische Partei die Verluste der Sozialdemokratie nicht restlos auffangen. Der Stimmengewinn der KPD beträgt nur 5.650, so dass die fast 12.000 restlichen früheren SPD-Stimmen mindestens zur Hälfte von den Nazis aufgefangen wurden. Also, die SPD verlor 17.500 Stimmen, die Kommunistische Partei gewann 5.650 Stimmen, bleiben noch 12.000 .Stimmen, die von der «Roten Fahne» als Rest bezeichnet werden. Die zentristische Stalinführung ist oberflächlich genug, dieses betrübende Ergebnis als «Roten Vormarsch» zu bezeichnen. Aber halt! Die Parteiführung übt auch, wie man so sagt, «bolschewistische Selbstkritik», die von der Stalin-Bürokratie so verstanden wird, dass sich die Genossen selbst kritisieren dürfen, die Führung Genossen und Gruppen verantwortlich machen kann, aber selber unfehlbar und unantastbar ist. Die «Rote Fahne» schreibt, «dass der unbefriedigende Vormarsch der Kommunistischen Partei seine Ursache darin habe, dass erstens die Partei in Anhalt (also nicht die Stalinsche Führung!) einen nicht genügend entscheidenden Kampf gegen die Abart des «Sozialismus», der SPD in Anhalt (nur in Anhalt?) geführt hat, dass große Schwächen zur Gewinnung der sozialdemokratischen Arbeiter für die revolutionäre Einheitsfront bestehen. Zweitens das Fehlen der Kämpfe der Arbeiter in Anhalt (alles nur in Anhalt!) gegen die Lohnrauboffensive der Bourgeoisie und die Nichtorganisierung solcher Kämpfe durch die Kommunistische Partei (in Anhalt O. S.) und die RGO, wobei in Anhalt noch besonders die Landarbeiter, die den fünften Teil der Arbeiterschaft ausmachen, eine besondere Rolle spielen» usw. So macht es sich die zentristische Parteiführung leicht, denn wenn man schon nationalbolschewistische Politik treibt, warum nicht auch lokalbolschewistische? Die Anhalter Genossen kann man für das Wahlergebnis ebenso wenig verantwortlich machen, wie die Hamburger Parteigenossen für das Hamburger Ergebnis. Schuld ist die jahrelange falsche Politik der Stalinschen Komintern und mit ihr das deutsche ZK. Schuld ist die falsche RGO-Politik, die «Theorie» vom «Sozialfaschismus», bis zum «roten» Volksentscheid. Ferner der Nationalbolschewismus, die «bolschewistischen» Programme mit den von Hitler gestohlenen Phrasen (Nationale und soziale Befreiung des deutschen Volkes. Von Scheringer ergänzt: Durch Krieg gegen die Westmächte usw.). Schuld ist die abenteuerliche Politik der «dritten» Periode, die Einstellung, als ob rote Einheitsfront erst das [sic!] ist, wenn die Mehrheit der Arbeiterklasse Mitglieder der Partei geworden sind. Schuld ist, dass über die Fehler der «unfehlbaren» Stalin-Führung nicht diskutiert werden darf, wodurch die Parteifunktionäre zu gehorsamen Beamten erzogen werden. Wir haben nach 1921 offen in der Parteipresse über die Fehler des ZK diskutiert und die Partei ist dadurch, gerade dadurch groß geworden! Das, Freunde, ist schuld an den Wahlergebnissen, das mangelnde Vertrauen der Arbeiterklasse zur Partei. Die Schuldigen sitzen nicht in Anhalt, nein, sie sitzen «höher». Und wenn diese abenteuerliche «Politik» nicht durch eine wirkliche leninistische Politik ersetzt wird, dann wird das eine Katastrophe werden. O. S. |
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