Permanente Revolution 19311100 Aus den Organisationen

Permanente Revolution: Aus den Organisationen

[Nach Permanente Revolution, Zeitschrift der Linken Opposition der KPD (Bolschewiki-Leninisten) (Sektion der Internationalen Linken Opposition) 1. Jahrgang Nr. 4 (Oktober-November 1931), S. 15 f.]

Berlin: Wir fordern die Wiederaufnahme der Linken

Am 12. Oktober fand eine öffentliche Versammlung der KPD in den Spichernsälen statt. Als Referent war der ehemalige Pfarrer Eckhard erschienen. Unser Gen. Seipold meldete sich zur Diskussion und konnte zehn Minuten sprechen. Genosse Seipold skizzierte kurz, die wirtschaftliche und politische Situation, ging eindringend auf die Frage der Einheitsfront ein. Um aber das Proletariat nicht nur in den Kampf, sondern auch zum Sieg führen zu können, müssen die Tore der Partei für die gesamte Linke Opposition geöffnet werden; dann werden wir eine Partei bekommen, die mächtig und elastisch genug sein wird, ihre Aufgaben zu lösen. Obwohl einige «Echte» bissige Zwischenrufe machten, hörte der überfüllte Saal mit würdigem Ernst den Ausführungen zu. und als der Genosse Seipold die Tribüne verließ, zollte man ihm Beifall.

Am 22. Oktober fand in den Germania-Sälen eine öffentliche Versammlung der Afü-Arbeiter statt. Ein KP-Genosse referierte über die Lage und die Aufgaben des Proletariats. Unser Genosse O. S. meldete sich in der .Diskussion und erhielt für 10 Minuten das Wort. Genosse S. zeigte auf, dass das Proletariat ohne wirkliche Einheitsfront nie siegen kann. Einheitsfront ist nicht, dass alle Arbeiter Mitglieder der KP werden müssen, die Partei wird nie die Klasse, sondern das Hirn der Klasse sein: sie ist die Avantgarde, die revolutionäre Führung des Proletariats. Mit dem unsinnigen Geschrei vom «Sozialfaschismus» das uns nur schadet und Verwirrung stiftet, muss man Schluss machen. S. appellierte an die Parteigenossen, ihre Stimme in der Partei für die Wiederaufnahme aller linken Genossen zu erheben. Sollte uns die Parteiführung beiseite schieben wollen, dann antworten wir mit den Worten unseres Genossen Leo Trotzki: «Es wird niemandem gelingen, uns von der Komintern zu trennen, unsere Ideen werden ihre Ideen, und sie werden ihren Ausdruck finden im Programm der Komintern!» Gen. S. fand großen Beifall, und obwohl der Vorsitzende schnell über Schluss der Debatte abstimmen ließ, verlangte die Versammlung unseren Gen. Hippe auch zu hören. Auch der Gen. Hippe sprach über die Frage der Einheitsfront, über die Möglichkeiten der Eroberung der Massen durch die KP, die die einzige Führerin des revolutionären Proletariats ist. Aber die Partei, die in letzter Zeit erfreulicherweise einige Fehler einzusehen beginnt, muss daraus die Konsequenzen ziehen und auch die RGO-Frage, sowie die Frage des Nationalkommunismus grundsätzlich korrigieren. Wir Linken wollen ehrlich mit der Partei arbeiten und kämpfen.

Volksdelegierten-Konferenz

Am Freitag, den 23. 10, 31 fand im Saalbau Friedrichshain die von der Partei einberufene «Volksdelegiertenkonferenz» statt. Leider aber war der Besuch dieser kombinierten Mitgliederversammlung, es muss hierbei ganz offen gesagt werden, dass es keine Delegierten-Konferenz war, denn keiner fragte nach Bestätigungen der Wahl dieser Delegierten, wo sie gewählt wurden und wen sie vertraten, ein Mitgliedsbuch der RGO diente schon als Ausweis, nur ein mittelmäßiger. Ulbricht ging in seinen Ausführungen ein auf die Vorgänge in Braunschweig. Hier ist ein Beweis, was die rote Einheitsfront leisten kann. Hier wurde gezeigt wie man gegen den Faschismus kämpfen muss. Hindenburg hat einen Wirtschaftsbeirat geschaffen, der aber nichts anderes bedeutet, als eine Nachahmung der faschistischen Ständekammer Mussolinis. In diesem Rat sitzen mit den Herren der Harzburger Tagung auch die Vertreter der Gewerkschaften. Denn Brüning brauche die Gewerkschaften, um über den Winter hindurch zu kommen. Wir aber brauchen die Gewerkschaften für die prol. Revolution. Nicht die Führer, denn die gehen mit Brüning, sondern die Massen wollen wir. Die rote Einheitsfront ist die größte Gefahr nicht nur für Brüning, sondern auch für Hitler. Als die Faschisten in Braunschweig zurückgeschlagen wurden, da sagte Herr Gröner: Alle Kräfte vereint gegen den Bolschewismus. Wenn aber KP- und SP-Arbeiter gemeinsam kämpfen, dann werden sich die Faschisten nur blutige Köpfe holen. Er erwähnte dann noch den bevorstehenden Lohnraub und sagte, für die Berliner ist die wichtigste Aufgabe aber Organisierung des Metallarbeiterstreiks. Aber nicht wie beim vergangenen Streik, sondern er muss ganz anders geführt werden. Wir haben gelernt zu kämpfen und wir werden kämpfen. Und hierbei fragen wir nicht nach dem Mitgliedsbuch, sondern nur nach dem Kampfwillen, in der Diskussion sprachen Vertreter von Erwerbslosen, Betriebsräte usw. Aber nicht über den von U. aufgezeigten Weg, sondern ein jeder erzählte die Erfolge ihres Wettbewerbes. Gen. H., der sich von uns zum Wort gemeldet hatte, und zwar als einer der ersten, wurde das Wort wegen Schluss der Debatte nicht gegeben. Er protestierte dagegen. Auf einen Zwischenruf — «Nicht mit dem Leninbund», erklärte H. dass er dem nicht angehöre, sondern der Trotzkigruppe. Ulbricht sagte darauf, um so besser. Alles in allem aber war die Versammlung ein Beweis dafür, wie weit die Partei von der Erfüllung ihrer Aufgabe entfernt ist. Denn mit derartigen geschobenen Konferenzen wird das Vertrauen zur Partei nur noch mehr untergraben. Einheitsfront aber entsteht nicht auf Versammlungen, die schon von vornherein den Stempel der Parteilichkeit auf der Stirn tragen. Die wichtigste Voraussetzung hierfür ist aber noch nicht vorhanden. Nämlich die Einheit der Kommunistischen Partei. Diese zu schaffen, müsste Aufgabe der Partei sein, anstatt auf solchen Konferenzen die Einigkeit, von der wir noch weit entfernt sind, im Munde zu führen.

F. W.

Baden: Proletarische Einheitsfront in Bruchsal

Die Bruchsaler Ortsgruppe ist vor Jahren wegen ihrer oppositionellen Einstellung von der Stalinbürokratie aus der Partei ausgeschlossen worden; seitdem gibt es dort nur eine Ortsgruppe der Linken Opposition. Vor etwa drei Wochen fand dort eine öffentliche Erwerbslosenversammlung statt, in der unser Genosse Paul Speck referierte. Er schilderte die politische Lage und die Notwendigkeit der proletarischen Einheitsfront. Hierauf wurde er von den Erwerbslosen beauftragt, alle proletarischen Organisationen zu einer Besprechung, zwecks Schaffung eines paritätischen Aktionsausschusses, einzuladen. Am 8. Oktober fand eine Sitzung der Linken Oppositionsgruppe, der SPD, des Internationalen Bundes der Opfer des Krieges und der Arbeit und des Gewerkschaftskartells statt. Da es keine KPD-Ortsgruppe gibt, gibt es auch keinen RGO-Extraladen, umso mehr Positionen haben unsere Genossen in den Gewerkschaften.

Auf dieser Sitzung begründete unser Genosse Speck noch einmal die Notwendigkeit der proletarischen Einheitsfront und ging besonders auf die der Arbeiterschaft drohenden Gefahren ein. Der Vorsitzende der SPD, Staiper, sprach sich gegen die Schaffung eines Aktionsausschusses aus, da dies «nicht von den Erwerbslosen, sondern von Speck» komme. Der Kampf müsse vom Gewerkschaftskartell geführt werden. Hierauf erhielt Gen. Seipold als Gast das Wort. Gen. Seipold fragte, ob man Grund habe, gegen den Genossen Speck Misstrauen zu haben. Speck — und uns allen — ist es ernst um die proletarische Einheitsfront, und wer sie nicht will, muss es deutlich sagen. Mehrere SPD-Arbeiter begrüßten diesen Schritt und erklärten, dass sie, wenn es ihre Führer nicht wollen, ohne die Führer eine Einheitsfront schließen werden. Dies veranlasste Staiper, sich auch einzureihen. Er schlägt vor, keinen besonderen Aktionsausschuss zu bilden, sondern das Kartell durch Vertreter der proletarischen Partei-, Gewerkschaft und überparteilichen Organisationen, sowie durch Erwerbslose zu erweitern, zu einem Kampfausschuss. Unsere Genosse« beantragten Hinzuziehung der Betriebsräte; diesem wird zugestimmt und beschlossen, in acht Tagen eine entscheidende Sitzung mit Hinzuziehung aller Vorgeschlagenen einzuberufen

Arbeiter! Genossen! Sorgt dafür, dass überall Einheits-Kampfausschüsse gebildet werden, denn die Situation wird immer ernster!

In Forst bei Bruchsal fand am 10. Oktober eine öffentliche Versammlung der Linken Opposition statt, in welcher Gen. Seipold über das Thema: «Die politische Lage und die Aufgaben der Arbeiterklasse», referierte. Als eine der wichtigsten Aufgaben schilderte der Gen. Seipold die Schaffung der proletarischen Einheitsfront, in der sich die Kommunistische Partei das Vertrauen und somit die Führung erobern muss: denn ohne Vertrauen gibt es keine wahre Hegemonie. Die Parteiführung schafft aber in der Frage der Einheitsfront Unklarheit und Verwirrung. Denn in der Parteipresse liest man fast täglich verwirrende Sätze, wie z. B.: «Pfarrer Eckhard und mehrere Sozialdemokraten sind zur KPD übergetreten. Arbeiter der SPD folgt diesem Beispiel: schließt die revolutionäre Einheitsfront.» Das ist zwar eine Stärkung der KPD, die wir alle wünschen, aber Einheitsfront ist, wenn es der Partei gelingt die Arbeiter der SPD, der reformistischen und christlichen Gewerkschaften und die politisch indifferenten Massen unter konkreten Losungen in den Kampf zu führen. — Die offizielle Parteileitung war durch zwei Diskussionsredner vertreten. Stoppenberger sagte: Der Referent will uns hier die Einheitsfront schmackhaft(!) machen: wir hatten ja 1914 eine Einheitsfront, wo hat sie uns hingeführt? Bauer (Karlsruhe) verwickelte sich ständig in Widersprüche. Bald drückte er seine Freude darüber aus, dass die Linken aus der Partei hinausgeworfen wurden, weil sie den Boden der Internationale (!) verlassen haben; bald schrie er: In Harzburg hat sich eine nationale Front zusammengefunden, warum können wir nicht in einer Front stehen? «Sechstausend Parteifunktionäre sitzen in Kerkern», so rief er, «warum sitzt Ihr nicht drin?» Ein SPD-Arbeiter sagte: Unsere Führer haben uns verkauft und verraten, das sage ich, obwohl ich noch Mitglied der SPD bin. Wir müssen uns in einer proletarischen Einheitsfront zusammenfinden, denn der Hunger drückt alle gleich. Im Schlusswort erklärte Gen. Seipold, dass er auf die Ausführungen des Gen. Stoppenberger, der sich vor der Versammlung nur lächerlich gemacht hat, nicht eingehen werde. Zu Bauer: Zu den 6000 Gefangenen zählt ihr auch den völkischen Bombenleger Claus Heim, für den man Gelder sammelt, aber linke Genossen, die Jahre ihres Lebens für die Sache im Kerker schmachten mussten, schließt man, weil sie den Partei-Bürokratismus kritisieren, aus der Roten Hilfe aus. Wenn Bauer uns vorwirft, dass wir gegenwärtig nicht im Kerker sitzen, so müsste man doch fragen, weshalb er nicht drin ist? Hieran sieht man, wie wenig ernst, ja wie dumm die Fragen von Bauer gestellt werden, wo es viel wichtigere Fragen zu stellen gibt. — Es waren 160-180 Zuhörer anwesend, die mit Ausnahme von 3 Stalintreuen und einigen Hakenkreuzlern, die sich vor der Diskussion drückten, mit den Ausführungen des Vertreters der Linken Opposition der KPD einverstanden waren.

Kommentare