Permanente Revolution 19311100 Komintern-Kritik an der KPD

Permanente Revolution: Komintern-Kritik an der KPD

[Nach Permanente Revolution, Zeitschrift der Linken Opposition der KPD (Bolschewiki-Leninisten) (Sektion der Internationalen Linken Opposition) 1. Jahrgang Nr. 4 (Oktober-November 1931), S. 6]

Je mehr sich die allgemeine Lage zuspitzt und je günstiger sich die objektiven Vorbedingungen für den revolutionären Machtkampf des Proletariats gestalten, umso deutlicher tritt auch das Versagen der KPD in der politischen und organisatorischen Massengewinnung zutage. Weder gelingt es der Partei, in den Betrieben und Gewerkschaften die Massen zu einer Abwehrfront gegen die Kapitalsoffensive zusammenzuschließen, noch ist sie imstande, die oppositionellen Strömungen in der Sozialdemokratie, wie sie jetzt erst in der Abspaltung der Seydewitzgruppe offen zum Ausdruck gekommen sind, für die kommunistische Bewegung in nennenswertem Umfang auszunutzen.

Es ist klar, dass dieses Versagen der Partei in der Führung der Massen allmählich von den verantwortlichen Stellen der Komintern erkannt werden muss. Und so bleibt schließlich, wo die Fehler des derzeitigen ZK allzu offensichtlich geworden sind, den leitenden Komintern-Instanzen nichts weiter übrig, als an dem Kurs der deutschen Sektion offen Kritik zu üben. Wobei es sich allerdings herausstellt, dass die Argumente der Kritiker im Wesentlichen gar nichts Neues sagen, sondern von der Linken Opposition schon seit langem und mit viel größerer Konsequenz vertreten worden sind. Wenigstens muss diese Tatsache jeder zugeben, der den Standpunkt der Linken in den betreffenden Fragen kennt und damit vergleicht, was kürzlich der Leitartikler der «Kommunistischen Internationale» (vom 7. Juli 31) in einem «Die Lage in Deutschland und die Aufgaben der KPD» betitelten Aufsatz darüber zu sagen weiß.

Schon die folgende allgemeine Feststellung des Artikels muss einiges Erstaunen erwecken:

«Ein weiteres Heranreifen der Vorbedingungen, für eine revolutionäre Krise ist da. Heute jedoch ist die revolutionäre Krise noch nicht da.»

Bisher war doch die Haltung der offiziellen Parteiredner und der Parteipresse so, dass daraus das Vorhandensein einer akuten revolutionären Krise geschlossen werden musste, die die Losung des politischen Massenstreiks für Sowjetdeutschland unmittelbar auf die Tagesordnung stellte. Und jetzt plötzlich spricht man nur von «Vorbedingungen» und erklärt die revolutionäre Krise für noch gar nicht vorhanden! Diese Erkenntnis ist zwar sehr erfreulich, sie schlägt aber allem ins Gesicht, was die KPD auf Grund ihrer anderen, falschen Einschätzung der Lage in den letzten Monaten und Jahren praktisch getan hat.

Erfreulich ist auch die weitere Feststellung des Artikel Schreibers:

«Ohne die Bewegung des Proletariats in den Betrieben wird es keine proletarische Revolution geben.»

Das sollte zwar für jeden überzeugten Kommunisten eine Selbstverständlichkeit sein, doch ist es angesichts der Revolutionsspielerei gewisser KPD-Führer heute mehr denn je nötig, auch ab und zu wieder eine solche Selbstverständlichkeit auszusprechen. Dass dies die theoretische Zeitschrift der Komintern jetzt tut, ist ein umso größeres Verdienst, als der Artikel selbst anschließend als Hauptursache der fehlenden Bewegung unter den Betriebsarbeitern das «Zurückbleiben der Kommunisten hinter der Aktivität der Massen in den Betrieben» ansieht.

Die «Achillesferse» der KPD, so wird weiter in dem Artikel gesagt, sei die mangelnde Verankerung in den Betrieben. Die Mitglieder der Partei bestünden zu 60 bis 70% aus Erwerbslosen. In einzelnen Industriegebieten sei der Prozentsatz der Betriebsarbeiter noch geringer. Im Ruhrgebiet betrage er nur 10%. Politisch sei zwar der Einfluss der KPD bedeutend.

«Die Tatsache bleibt aber bestehen, dass keine Streiks stattfinden, weil die Basis der Sozialdemokratie in den Massen noch nicht zertrümmert worden ist, weil die reformistischen Gewerkschaften noch stark sind und unsere Stellungen innerhalb der reformistischen Gewerkschaften, dank dem Abflauen der Arbeit auf diesem Gebiete sich nicht nur nicht gefestigt haben, sondern sogar schwächer geworden sind.»

Zu einem solchen Eingeständnis haben sich die maßgebenden KPD-Instanzen bisher nicht bewegen lassen. Begreiflicherweise, denn damit hätten sie einen ihrer schwersten Fehler der letzten Jahre offen zugegeben, und soweit reicht ihre «bolschewistische Selbstkritik» vorläufig noch nicht.

Der Leitartikler der «Kom. Intern.» stößt aber bei seiner Kritik noch weiter vor, und zwar bis dahin, wo die «Volksrevolution für Sowjetdeutschland» beginnt. Mit aller Vorsicht, aber doch mit nicht misszuverstehender Deutlichkeit wird der KPD-Führung folgendermaßen der Standpunkt klar gemacht:

«in dem Bestreben, mechanisch in jedem gegebenen Kampfmoment die strategische Einstellung der Volksrevolution anzuwenden, ersetzen die Parteifunktionäre des öfteren die Taktik durch die Perspektiven der Volksrevolution. Die Folge ist, dass sie hinter dem alltäglichen Kampf der Arbeiterklasse zurückbleiben und damit den Kampf der Kommunistischen Partei gegen die Sozialdemokratie und den Kampf der revolutionärer Gewerkschaftsopposition innerhalb der reformistischer Gewerkschaften schwächen und sich selbst von den Betrieben isolieren

In aller Schärfe wird immer wieder die mangelnde Verankerung der Partei in Betrieben und Gewerkschaften betont und eine Wendung auf diesem Gebiet gefordert:

«Gerade diese Schwäche der Positionen der Kommunistischen Partei Deutschlands in den Betrieben und Gewerkschaften war eine der Hauptquellen einer gewissen Passivität der Parteiorganisationen, darunter auch der Berliner Organisation, in der Zeit vom 13. bis 16. Juli, an den Tagen, wo die Banken die Schalter schlossen und die Bourgeoisie in Panik verfiel.»

»Nicht in Worten, sondern in Taten muss das Schwergewicht der Partei- und Gewerkschaftstätigkeit in die Betriebe, in die Nähe der Betriebe, in die Arbeitsnachweise (unter die Erwerbslosen) und in die reformistischen Gewerkschaften verlegt werden

«Die Aufgabe ist nicht neu. Doch ist jetzt der Augen blick eingetreten, wo die KPD um jeden Preis an dieser Front einen unverzüglichen und gründlichen Umschwung erreichen muss

Wir zweifeln nicht daran, dass der Artikelschreiber mit diesen wohlgemeinten Ermahnungen kein Gehör finden wird. Zu weit hat sich schon die deutsche Parteiführung in die Sackgasse der falschen RGO-Taktik verrannt, als dass hier in absehbarer Zeit ein «gründlicher Umschwung» zu erwartet wäre. Und zu sehr hängt die jetzige Haltung in der Gewerkschaftsfrage mit dem fehlerhaften Gesamtkurs der Partei- und der Kominternführung zusammen, wie er in den letzten Jahren eingeschlagen wurde und wie er von den Linken bisher immer kritisiert worden ist.

Das muss überhaupt als ein grundlegender Fehler des ober kurz gekennzeichneten Komintern-Artikels festgestellt werden Er sieht die Mängel des heutigen KPD-Kurses hauptsächlich in dem organisatorischen Versagen der unteren Parteifunktionäre und der Parteizellen in den Betrieben und sieht nicht oder nur sehr oberflächlich die eigentlichen politischen Fehler der Parteiführung.

Zwar spricht auch der Artikel davon, dass eine akut revolutionäre Situation noch nicht vorhanden ist, aber es wird dabei verkannt, dass die falsche Einschätzung der Lage als einer sehr rasch sich zur Revolution zuspitzenden die Parteileitung notwendig zu einer falschen Gewerkschaftstaktik führen musste. Denn wenn wir wirklich unmittelbar vor der Revolution stehen, so besteht die Notwendigkeit des zähen alltäglichen Kampfes um die Gewinnung der reformistischen Arbeiter nicht mehr, es treten vielmehr an seine Stelle die politischen und militärischen Aufgaben des offenen Machtkampfes. Diesen Zusammenhang sieht der Leitartikler der «Kom. Intern.» nicht, und daher bleibt seine ganze Kritik an der Oberfläche haften.

Ähnlich ist es in der Beurteilung der Losung «Volksrevolution». Es wird in dem Artikel nicht erkannt, dass diese Losung in der heutigen Lage in Deutschland eine Konzession an die nationalsozialistische Ideologie darstellt, wie überhaupt die «Volksrevolution» und die «nationale Befreiung» auf derselben Bahn des Abweichens vom leninistischen Internationalismus liegen, die in Sowjetrussland bereits vor Jahren mit der Theorie vom «Sozialismus in einem Lande» eingeschlagen worden ist.

Als auf dem letzten Ekki-Plenum Pjatnizki die Mängel in der deutschen Partei festzustellen suchte, wies er zunächst wie üblich, auf die schlecht arbeitenden Betriebs- und Straßenzellen hin. Manchmal werden aber auch, meinte er, noch etwas höher Fehler gemacht, nämlich im ZK. Da rief Thälmann dazwischen, indem er auf die Ekki-Vertreter zeigte: «Und höher». Der offizielle Bericht verzeichnet an dieser Stelle wiederholt «Lachen». Und für die Opposition sind aber die Fehler der Komintern- und KPD-Führung alles andere als ein Anlass zum Scherzen. Sie sind ein tiefernstes Problem und nur offenste Aussprache darüber und schonungsloseste Selbstkritik könnten den Weg frei machen zu einer Gesundung de Komintern und damit zugleich zu einer Gesundung der gesamten kommunistischen Bewegung im nationalen wie im internationalen Maßstab.

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