Permanente Revolution 19311000 Vereinigte Sowjetstaaten von Europa!

Permanente Revolution: Vereinigte Sowjetstaaten von Europa!

[Nach Permanente Revolution, Zeitschrift der Linken Opposition der KPD (Bolschewiki-Leninisten) (Sektion der Internationalen Linken Opposition) 1. Jahrgang Nr. 4 (Oktober-November 1931), S. 3]

Die Wirtschaftskrise verschärft sich. Ein imperialistischer Koloss – England – ist gezwungen, den Weg der Inflation einzuschlagen. Schweden, Norwegen, Dänemark folgen nach. Staaten erklären für ihre Zahlungen Moratorium – der moderne Ausdruck für Bankrott. Kein Land wird von der gewaltigen Wirtschaftskrise verschont. Auch Frankreich wird mit in die Krise hineingerissen. Der Optimismus der Yankee-Bourgeoisie ist zu einem panikartigen Pessimismus geworden. Nicht Wiederaufstieg, sondern unaufhörlicher Bankenkrach. Einschränkung der Produktion, Vergrößerung der Arbeitslosenarmee – das geht auch in dem Lande – in Amerika vor sich, von dem Europa seine Rettung erwartet. Alle Hoffnungen der Bourgeoisie auf eine Besserung der Lage erfüllen sich nicht, alle ihre Maßnahmen helfen nicht. Anstatt der hochgepriesenen wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen den kapitalistischen Ländern, die bis jetzt nur ihren Ausdruck in den unzähligen Kundgebungen auf den Tagungen – des Völkerbundes fand, noch schärfere Abgrenzung der Einzelstaaten. Errichtung von neuen Zollmauern. Jedes Land sucht seinen Export zu vergrößern, den Import zu verkleinern.

Die imperialistischen Gegensätze verschärfen sich. Sie treten in ihrer zugespitzten Erscheinung in China auf – dort, wo die imperialistische Bourgeoisie aller Länder glaubt einen weiteren Absatzmarkt zu finden. Das imperialistische Japan nützt die allgemeine Verwirrung in Europa und Amerika aus, um für sich einen großen Absatzmarkt in China zu schaffen. Es okkupiert die Mandschurei und streckt seine Hände nach weiteren Gebieten aus. Das geschieht unter der Flagge «Schutz des Lebens und Eigentums der Japaner». In Wirklichkeit wird aber Krieg geführt. Amerika, das bis jetzt am Völkerbund offiziell nicht teilnehmen wollte, eilt, um nun bei der Behandlung des japanisch-chinesischen Konfliktes im Völkerbund offiziell an seinen Sitzungen teilzunehmen. Das geschieht unter der Devise: Hilfe zur Beilegung des Konfliktes. Wenn die Diplomatensprache nicht zu ihrer logischen Verlängerung – zum Krieg – führt, so geschieht es nicht deswegen, weil die Bourgeoisie durch das Bestehen des Völkerbundes pazifistisch geworden ist. Die Bourgeoisie fürchtet jetzt noch die Folgen eines Krieges. Wenn die Millionen hungernder Proleten die Waffen bekommen, können sie dem Kapitalismus das Ende bereiten.

Die Wirtschaftskrise treibt neue Millionen zur Verelendung. Gewaltige soziale und politische Umschichtungen gehen vor sich. Auch in das Lager der Sozialverräter ist Bresche geschlagen. In der Labour Party haben die englischen Proletarier ihre Stimmung zum Ausdruck gebracht. Die Regierung Macdonald von Königs Gnaden war nicht mehr imstande, ungestört die Politik der englischen Imperialisten zu treiben. Die Hendersons haben die Regierung verlassen nicht nur wegen den Konservativen, sondern aus der Angst vor den englischen Arbeitermassen, die nach einem klaren Ausweg aus der Situation verlangen. In der englischen Arbeitermasse gärt es. Es fehlt an einer kommunistischen Partei, die die revolutionären Stimmungen sammeln kann.

Besonders in der deutschen Sozialdemokratie tritt die politische Umgruppierung ihrer proletarischen Massen in Erscheinung. Die jüngsten Hamburger Wahlen zeigten den Abstrom sozialdemokratischer Wähler zur Kommunistischen Partei. Aber auch innerhalb der Sozialdemokratie zeigt sich eine Gliederung. Die Spaltung der SPD, das Ausscheiden der Gruppe Seydewitz-Rosenfeld zeigt es genügend deutlich. Diese Spaltung gebt aber nicht in die Richtung des Kommunismus. Die Seydewitz und Rosenfeld haben sich zur Aufgabe gestellt, die frühere USP in verschlechterter Auflage ins Leben zu rufen. Sie wollen die Geschichte in eine schon vorübergegangene Periode zurückstoßen. Sie wollen die Massen vom Kommunismus zurückhalten. Das wird ihnen auf die Dauer nicht gelingen. Heute mehr als je fordert die Situation klare Fronten.

Allein aber die Tatsache, dass es zu einer Neuauflage der USPD-Stimmungen kommen konnte, ist die größte Anklage gegen die heutige Führung unserer Kommunistischen Partei. Dass die über die Politik ihrer verräterischen Führer erbitterten sozialdemokratischen Arbeiter nicht direkt zur Partei gekommen sind, muss die Parteimitglieder zum Nachdenken zwingen. Und es konnte auch nicht anders geschehen! Die verderbliche Politik der heutigen Führung der Partei und Komintern in den verflossenen Jahren hat die sozialdemokratischen Arbeiter von unserer Partei abgestoßen, Misstrauen zum Kommunismus geschaffen. Ist es nicht ein Schlag ins Gesicht der heutigen Parteiführung, dass sie bei dieser Spaltung in der SPD fast keine Arbeiter gewonnen hat, und nur einige höhere Funktionäre, «Sozialfaschisten», denen sie Posten zur Verfügung gestellt hat. Dass es zu keiner tiefen Spaltung in der Sozialdemokratie gekommen ist, dass die Arbeiter nicht in Massen von der SPD zur KPD abwandern, dass die Sozialdemokratie noch als Massenpartei trotz des ungeheuren Verrates ihrer Führer besteht, ist einzig und allein der heutigen Führung unserer Partei zu danken. Die Politik der Parteiführung ist objektiv zur Helfershelfer in der SPD-Führer geworden, sie ist das Haupthindernis für die Schaffung einer kommunistischen Massenpartei, sie ist das Hemmnis für die revolutionäre Lösung der Krise.

Den Angriff des Faschismus und der Reaktion – der «nationalen Opposition» beantworten die SPD-Führer mit weiterer Unterstützung der Brüning-Regierung, die sich auf dem Wege zur vollständigen Diktatur befindet. Der Übergabe des Innenministeriums an den Reichswehrminister Gröner, wird von den SPD-Führern zugestimmt. Das kapitalistische System ist bankrott, die Brüning-Diktatur hat die demokratischen Illusionen zerstört, sie führt die breitesten Volksschichten dem schreienden Elend entgegen, die deutsche Bourgeoisie betreibt offen ihre Raubpolitik, die SPD hat nichts den Arbeitern zu bieten als diese Politik zu unterstützen, der National-Sozialismus hat sich vor breiten Arbeitermassen als offener Kapitalsknecht entpuppt, für die proletarische Revolution geschieht aber nichts. Unsere Partei steht diesen Ereignissen machtlos gegenüber. Man kann sich schwer seit Jahren eine solche für eine revolutionäre Entwicklung günstige Situation ausdenken. Und dennoch geschieht nichts. Nicht auf das. was unsere Partei tun wird sind die Blicke der Massen gerichtet, sondern darauf, was die «nationale Opposition tut». Die Partei ist nicht der stärkste Faktor in Deutschland. Jedem Parteimitglied, auch dem Abergläubigen, muss dieser Zustand beweisen, dass die objektiven Bedingungen allein für das Geschehen der Revolution nicht genügen. Eine Revolution muss man organisieren können. Gerade das versteht die heutige Komintern- und Parteiführung nicht.

Der revolutionäre Ausweg aus der Krise ist heute weniger denn je eine nationale Frage. Zweifellos wird die Revolution zuerst in einem europäischen Staat entstehen müssen, sie wird aber nicht an den nationalen Grenzen stehen bleiben. Eine proletarische. Revolution in Deutschland würde den Kampf auf Tod oder Leben zwischen Kapital und Arbeit bedeuten. Aber gerade heute ist nicht nur Deutschland für eine revolutionäre Entwicklung reif – fast in ganz Europa ist für entscheidende Klassenkampfe der Boden vorbereitet. Nicht allein die deutschen Proletarier suchen nach einem Ausweg, sondern auch die englischen, polnischen, spanischen, italienischen usw. Diesen Stimmungen muss eine richtige strategische Linie gegeben werden. Nicht Volksrevolution, nicht Nationalbolschewismus ist die Idee, die die Proletarier vereinigen kann. Die Proletarier aller Länder und auch weite werktätige Schichten begreifen auf Grund der bitteren Erfahrungen, dass nur die Bourgeoisie Schuld an der heutigen Zersplitterung Europas ist. Die Losung der Kommunisten muss heute sein: Vereinigte Sowjetstaaten von Europa. Hinweg mit allen dem Nationalsozialismus entlehnten nationalistischen Phrasen und Losungen. Zurück zum Internationalismus. Die Stärke der organisierten Arbeiterbewegung zu allen Zeiten war der internationale Gedanke, die internationale Solidarität, – der Nationalismus ist ihr Feind und führt sie in den Abgrund. Nur auf der internationalistischen Linie liegt der Sieg des Kommunismus.

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