Kapitel III

Kapitel III

Wir haben nur getan, was wir tun mussten; der Aufstand ist durch nichts herausgefordert worden.“

H. Dufaure in seiner Rede gegen die Amnestie. Sitzung vom 18. Mai 1876.

Der 18. März.

Die Ausführung war ebenso wahnsinnig wie der Gedanke selbst. Am 18. März, morgens drei Uhr verteilten sich Kolonnen nach allen Richtungen, nach den Hügeln von Chaumont, nach Belleville, ins Faubourg du Temple, nach der Bastille, ins Stadthaus, nach dem Platz St. Michel, nach dem Luxembourg, ins 13. Arrondissement, nach dem Invalidendom. Der General Susbielle marschierte mit zwei Brigaden, ungefähr sechstausend Mann, nach dem Montmartre. Alles war still und öde. Die Brigade Paturel besetzte ohne Schwertstreich die Mühle von La Galette. Die Brigade Lecomte erreichte den Turm von Solferino und stieß nur auf einen einzigen Wachtposten, Turpin. Dieser fällt das Bajonett, die Gendarmen hauen ihn nieder, eilen auf den Posten der Rue des Rosiers, stürmen ihn und werfen die Wachen in die Keller des Turmes von Solferino. Um sechs Uhr war der Überfall ausgeführt. Herr Clemenceau eilte auf die Hügel und beglückwünschte den General Lecomte. Überall waren die Kanonen gleicherweise überfallen worden. Die Regierung triumphierte auf der ganzen Linie und d’Aurelles schickte eine Siegesproklamation an die Zeitungen. Es fehlte nur an Pferden, um die Beute von der Stelle zu schaffen; Vinoy hatte dieselben beinah vergessen. Erst um acht Uhr bespannte man einige Geschütze.

Unterdessen erwachten die Faubourgs. Die Läden wurden geöffnet, vor den Milch- und Weinhandlungen sprachen die Leute leise, sie zeigten sich die Soldaten, die Mitrailleusen, die gegen die volksfreundlichen Stadtteile aufgeprotzt waren und ein noch feuchtes, von Thiers und seinen Ministern unterzeichnetes Plakat an den Mauern. Dieses sprach von der Stockung des Handels, von den rückgängigen Bestellungen, von den verscheuchten Kapitalien. „Einwohner von Paris, in eurem Interesse ist die Regierung entschlossen einzuschreiten. Mögen sich die guten Bürger von den schlechten sondern, mögen sie der öffentlichen Gewalt beistehen. Sie werden der Republik selbst einen Dienst leisten,“ so sagten die Herren Pouyer-Quertier, de Larcy, Dufaure und andere Republikaner. Die Proklamation schloss mit einer Dezemberphrase: „Die Schuldigen sollen der Gerechtigkeit überliefert werden. Die Ordnung muss vollkommen, augenblicklich, unzerstörbar hergestellt werden.“ – Man sprach von Ordnung, das war ein Zeichen, dass Blut fließen sollte.

Die Frauen gingen wie in unseren großen Tagen zuerst vor. Die vom 18. März, durch die Belagerung gestählt – sie hatten die doppelte Last des Elends getragen – warteten nicht auf ihre Männer. Sie umringten die Mitrailleusen und redeten die Stückführer an: „Das ist eine Schande, was machst du da?“ Die Soldaten schwiegen. Hie und da sagte ein Unteroffizier: „Geht, gute Frauen, entfernt euch.“ Aber der Ton der Stimme war nicht rau, sie blieben. Zu gleicher Zeit begab sich eine Handvoll Nationalgardisten nach dem Posten in der Rue Doudeauville. Dort finden sie zwei Trommeln, welche nicht durchstochen waren und schlagen Rappell. Um 8 Uhr waren sie dreihundert Mann stark, Offiziere und Gardisten und gingen das Boulevard Ornano hinauf. Unterwegs begegneten sie einem Peloton Soldaten vom 88., die sie unter dem Ruf: „Es lebe die Republik'“ mit fortrissen. Der Posten aus der Rue Dejean schloss sich ihnen an und Soldaten und Gardisten erstiegen vermischt, die Kolben hoch, die Rue Müller, die nach den Hügeln führt, welche auf dieser Seite von der Mannschaft des 88. besetzt waren. Als diese ihre Kameraden unter den Gardisten sahen, winkten sie ihnen zu kommen und gaben zu verstehen, dass sie freien Durchgang verstatten wollten. Der General Lecomte, der ihre Bewegung bemerkte, ließ sie durch Stadtsergeanten ersetzen und warf die Überläufer in den Turm von Solferino, wobei er sagte: „Eure Rechnung ist fertig.“ Die Stadtsergeanten feuern einige Schüsse ab, die Gardisten antworten. Plötzlich stürmt eine große Anzahl Nationalgardisten, die Kolben hoch, sowie viele Frauen und Kinder auf der anderen Seite von der Rue des Rosiers ein. Der General Lecomte, ganz umringt, kommandiert drei mal Feuer. Seine Leute bleiben regungslos, Gewehr bei Fuß; die Menge nähert sich, sie fraternisieren, Lecomte und seine Offiziere werden verhaftet.

Die Soldaten, die er soeben in den Turm geschlossen hatte, wollten ihn niederschießen. Den Nationalgardisten gelang es, ihn herauszureißen und mit großer Mühe – denn die Menge hielt ihn für Vinoy – brachten sie ihn nach dem Château-Rouge, wo sich der Generalstab der Nationalgarde befand. Hier verlangte man ihm einen Befehl zur Räumung der Hügel ab; er unterzeichnete ohne Besinnen.A Der Befehl wurde alsbald den Offizieren und Soldaten der Rue des Rosiers mitgeteilt. Die Gendarmen lieferten ihre Chassepots aus und riefen sogar: „Es lebe die Republik!“ drei Kanonenschüsse in die Luft verkündeten die Wiedereinnahme der Hügel.

Der General Paturel, welcher die in der Mühle von La Galette genommenen Kanonen fortschaffen wollte, stieß in der Rue Lepic auf eine lebendige Barrikade. Das Volk hält die Pferde an, schneidet die Stränge ab, gewinnt die Kanoniere und bringt die Kanonen auf ihren Platz zurück. Auf der Place Pigalle ließ der General Susbielle auf die Menge feuern, die sich in der Rue Houdon angesammelt hatte. Die eingeschüchterten Jäger rissen ihre Pferde zurück und wurden ausgelacht. Ein Kapitän stürzt mit geschwungenem Säbel vorwärts, verwundet einen Gardisten und fällt von Kugeln durchbohrt. Der General ergreift die Flucht. Die Gendarmen, welche hinter den Baracken das Feuer eröffnen, sind bald vertrieben. Der Kern der Truppen geht zum Volk über. In Belleville, auf den Hügeln von Chaumont, im Luxembourg, fraternisierten die Regulären überall mit der Menge, die beim ersten Lärm herbeigeeilt war.

Um 11 Uhr hat das Volk den Angriff auf allen Punkten niedergeschlagen, beinahe seine sämtlichen Kanonen bewahrt – die Bespannung hatte nur zehn Stücke weggebracht – und Tausende von Gewehren gewonnen. Alle Bataillone sind jetzt auf den Beinen, das Pflaster in den Faubourgs wird aufgerissen.

Seit sechs Uhr morgens ließ d’Aurelles in den Quartieren des Zentrums vergeblich Rappell schlagen. Bataillone, die früher erztrochufreundlich gewesen, stellten keine zwanzig Mann bei der Sammlung. Ganz Paris hatte sich beim Lesen der Plakate gesagt: „Dies ist der Staatsstreich.“ Mittags bliesen d’Aurelles und Picard Alarm: „Die Regierung ruft euch auf, euren Herd, eure Familie, euer Eigentum zu retten. Einige Verirrte, welche nur ihren geheimen Führern gehorchen, richten die Kanonen, die den Preußen unterschlagen worden sind, gegen Paris.“ Da diese Juni-Reminiszenzen von 48, diese Beschuldigung der Unzartheit gegen die Preußen wirkungslos blieb, ließ sich das gesamte Ministerium vernehmen: „Man verbreitet das lächerliche Gerücht, die Regierung bereite einen Staatsstreich vor. – Die Regierung wollte und will ein aufrührerisches Komitee niederwerfen, dessen Mitglieder nur kommunistische Lehren aufstellen.“ – Dieser wiederholte Feuerlärm brachte im Ganzen fünfhundert Mann auf die Beine.B

Die Regierung hatte sich auf das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten geflüchtet und gleich bei den ersten Unfällen gab Herr Thiers Befehl, alle Truppen auf dem Marsfeld zusammenzuziehen. Als er den Abfall der Nationalgarde des Zentrums sah, erklärte er, man müsse Paris räumen. Mehrere Minister widersetzten sich und verlangten, man solle einige Punkte, wie das Stadthaus, die durch die Brigade Derroja besetzten Kasernen, die Kriegsschule, halten und auf dem Trocadero Stellung nehmen. Aber der kleine Mann hatte ganz den Verstand verloren und wollte nur auf einen verzweifelten Entschluss hören. Leflô, der auf dem Bastillenplatz hätte bleiben müssen, unterstützte ihn lebhaft. Es wurde beschlossen, dass die Stadt und sogar die südlichen Forts, welche die Preußen vor vierzehn Tagen zurückgegeben hatten, geräumt werden sollten. Gegen halb vier Uhr defilierten die volkstümlichen Bataillone vom Gros-Caillou mit Trommeln und Trompeten vor dem Gebäude, der Rat glaubte, er sei zerniert.C Herr Thiers machte sich durch eine Seitentreppe davon und entfloh nach Versailles. Er hatte dermaßen den Kopf verloren, dass er auf der Sèvresbrücke den schriftlichen Befehl zur Räumung des Mont-Valérien gab.

Zur Zeit, als er entfloh, hatten die revolutionären Bataillone noch gar keinen Angriff unternommen, noch keine einzige Administration besetzt.D Der Angriff vom Morgen hatte das Zentralkomitee ebenso sehr überrascht wie ganz Paris. Am Abend zuvor war es wie gewöhnlich auseinander gegangen mit der Verabredung, sich am 18. abends 11 Uhr hinter der Bastille, in der Schule der Rue Basfroi einzufinden, da die Place de la Corderie, stark von Polizei überwacht, keine hinlängliche Sicherheit mehr bot. Seit dem 15. hatte es durch die neuen Wahlen einige weitere Mitglieder erhalten und hatte ein Verteidigungskomitee ernannt. Bei der Nachricht von dem Angriff eilten die Einen in die Rue Basfroi, die Anderen bemühten sich, die Bataillone aus ihren Quartieren zusammenzubringen; Varlin ging zu diesem Zweck nach Batignolles, Bergeret, der kürzlich zum Legionschef ernannt worden, nach Montmartre, Duval zum Panthéon, Pindy ins dritte Arrondissement, Faltot in die Rue de Sèvres. Ranvier und Brunel, welche nicht dem Komitee angehörten, rüttelten Belleville und das 10. Arrondissement auf. Um 10 Uhr waren ein Dutzend Mitglieder beisammen, man bestürmte sie von allen Seiten mit Gesuchen und Fragen und führte ihnen Gefangene vor. Sichere Nachrichten kamen erst gegen zwei Uhr an. Sie setzten nun eine Art von Plan auf, nach welchem die verbündeten Bataillone im Stadthaus zusammengezogen werden sollten und zerstreuten sich hierauf nach allen Richtungen, um die Befehle zu überbringen.E Die Bataillone waren auf den Beinen, aber sie marschierten nicht. Die revolutionären Viertel, welche noch nichts von der Vollständigkeit ihres Sieges wussten, fürchteten einen erneuerten Angriff, verbarrikadierten sich in Eile und blieben auf der Stelle. Niemand verließ den Montmartre, der einem ungeheuren Ameisenhaufen glich und von ankommenden, Meldung bringenden Gardisten und zerstreuten Soldaten wimmelte, für welche man Nahrungsmittel sammeln musste, da sie seit dem Morgen gefastet hatten. Gegen halb vier Uhr erhielt das Aufsichtskomitee, das in der Rue Clignancourt aufgestellt war, die Nachricht, dass der General Lecomte in dringender Gefahr sei. Eine große Menge, hauptsächlich aus Soldaten bestehend, halte das Château-Rouge umringt und verlange die Auslieferung des Generals. Die Mitglieder dieses Komitees, Ferré, Bergeret, Jaclard schickten dem Kommandanten von Château-Rouge unverzüglich den Befehl, über den Gefangenen, welcher dann abgeurteilt werden sollte, zu wachen. Als dieser Befehl ankam, war Lecomte schon fort.

Derselbe hatte wiederholt verlangt, vor das Zentralkomitee geführt zu werden. Die Befehlshaber des Wachtpostens, welche durch das Geschrei sehr beunruhigt waren, wollten sich der Verantwortlichkeit entziehen, und da sie glaubten, das Komitee befinde sich in der Rue des Rosiers, so beschlossen sie, den General und seine Offiziere dahin zu führen. Gegen vier Uhr kamen sie dort an, inmitten einer furchtbar aufgeregten Menge. Gleichwohl legte Niemand Hand an sie. Der General wurde in einem kleinen Parterrezimmer unter Aufsicht gehalten. Hier begannen dieselben Auftritte wie im Château-Rouge, die erbitterten Soldaten forderten seinen Tod. Die Offiziere der Nationalgarde machten unerhörte Anstrengungen, und ermahnten die Menge, auf das Komitee zu warten. Es gelang ihnen, Schildwachen aufzustellen und die Wut ein wenig zu beschwichtigen.

Noch war kein Mitglied des Komitees zur Stelle, als um halb fünf Uhr in der Straße ein donnerndes Getöse ausbrach und ein weißbärtiger Mann, von einem Menschenstrudel geschleudert, gegen das Haus flog. Dies war Clément Thomas, der Junischlächter, der Beschimpfer der revolutionären Bataillone. Er war auf der Chaussée des Martyrs beim Besichtigen der Barrikade erkannt und ergriffen worden. Offiziere der Nationalgarde, Herpin-Lacroix, ein Garibaldischer Kapitän, und Franctireurs versuchten die todbringende Menge aufzuhalten und wiederholten tausendmal: „Wartet doch auf das Komitee! Bildet ein Kriegsgericht!“ Aber sie wurden mit Rippenstößen weggedrückt. Clément Thomas wird wieder ergriffen und in den kleinen Garten beim Hause gestoßen; zwanzig Schüsse strecken ihn nieder. Während er starb, brachen die Soldaten durch die Fenster in das Zimmer des Generals Lecomte ein, stürzten sich auf ihn und schleppten ihn in den Garten. Dieser Mann, der am Morgen drei mal Feuer kommandiert hatte, weinte, flehte und sprach von seiner Familie. Ein Stoß schleuderte ihn gegen die Mauer, er fiel von Kugeln durchbohrt. Nachdem diese Repressalien genommen waren, legte sich der Zorn. Die Menge ließ die Offiziere von der Suite Lecomtes nach Château-Rouge zurückführen und bei sinkender Nacht wurden sie in Freiheit gesetzt.

Während dieser blitzartigen Exekutionen brach auch das Volk, das lange unbeweglich geblieben, los. Brunel umringte die „Kaserne des Prinzen Eugen,“ welche durch das 120. Linienregiment besetzt war. Der Oberst, den ungefähr hundert Offiziere umgaben, wollte sich in Positur werfen; Brunel ließ Alle zusammen verhaften. Zweitausend Chassepots fielen dem Volk in die Hände. Brunel setzte durch die Rue du Temple seinen Marsch nach dem Stadthaus fort. Um 5 Uhr wird die National-Druckerei besetzt. Um 6 Uhr dringt die Menge mit Axthieben auf die Türen der Kaserne Napoleon ein; eine Salve fällt aus der Öffnung und wirft drei Menschen nieder. Aber die Liniensoldaten geben aus den Fenstern der Rue Rivoli Signale und rufen: „Die Gendarmen haben geschossen. Es lebe die Republik!“ Gleich darauf öffneten sie die Tore und ließen ihre Gewehre wegnehmen.F

Um halb acht Uhr war das Stadthaus beinahe ringsum eingeschlossen. Die Gendarmen, die es besetzt hielten, entflohen durch das Erdgeschoss der Kaserne Lobau. Gegen halb neun Uhr machten sich Jules Ferry und Vabre, von ihrer Mannschaft gänzlich im Stich gelassen und ohne Weisungen seitens der Regierung, gleichfalls davon. Gleich darauf rückte die Kolonne Brunel auf dem Platz ein und ergriff Besitz vom Gemeindehaus, in welchem Ranvier gleichzeitig von den Quais her anlangte. Unaufhörlich strömten noch die Bataillone herzu. Brunel ließ in der Rue de Rivoli und auf den Quais Barrikaden errichten, bespickte die Zugänge, verteilte die Wachtposten und sandte starke Patrouillen aus. Eine derselben umstellte die Mairie des Louvre, wo die Maires Beratung hielten und hätte beinahe Ferry festgenommen, der durch ein Fenster entsprang. Die Maires kamen auf der Mairie der Börse wieder zusammen.

Dieselben hatten sich, sehr bestürzt über diesen unsinnigen Angriff, schon während des Tages mit vielen Adjunkten versammelt und warteten auf Aufklärungen und Ideen. Gegen 4 Uhr schickten sie eine Delegation an die Regierung. Herr Thiers war schon entwischt, Picard wies sie zurück, d’Aurelles lehnte jede Verantwortlichkeit von sich ab und schob die Schuld auf die Advokaten. Als es Nacht wurde, musste man endlich auf ein Auskunftsmittel sinnen. Die Föderierten umringten schon das Stadthaus und besetzten den Vendômeplatz, wo Varlin, Bergeret und Arnold mit den Bataillonen von Batignolles und Montmartre eingerückt waren. Vacherot, Vautrain und einige andere Reaktionäre vom reinen Wasser sprachen vom Widerstand um jeden Preis, als ob sie eine Armee hinter sich hätten. Andere waren vernünftiger und suchten nach einem Ausweg. Sie glaubten die Ruhe wieder herzustellen, indem sie Eduard Adam, der sich gegen die Juniinsurgenten ausgezeichnet, zum Polizeipräfekten und Langlois, einen halb verrückten Proudhonianer, zum General der Nationalgarde ernannten. Dieser hatte früher der Internationale angehört, war am 31. Oktober morgens mit der Bewegung, abends gegen sie gegangen, und hatte für eine Schramme, die er beim Gestikulieren in Buzenval empfing, ein Deputiertenmandat erhalten. Die Delegierten legten Jules Favre diese geistreiche Lösung vor, der sie rundweg abschlug mit den Worten: „Man unterhandelt nicht mit Mördern.“ Durch diese Komödie wollte er nur die Räumung von Paris rechtfertigen, die er den Maires noch verheimlichte. Während dieser Konferenz kam die Nachricht, dass Jules Ferry das Stadthaus verlassen habe. Der andere Jules spielte den Erstaunten und gab den Maires den Auftrag, die Bataillone der Ordnung als Ersatz für die verschwundene Armee zu sammeln.

Empört über diesen schlechten Witz, gedemütigt, dass man sie ganz von allem Vertrauen ausschloss, begaben sie sich zurück. Wenn sie einigen politischen Mut besessen hätten, so wären sie geradewegs auf das Stadthaus gegangen. Sie beratschlagten aufs Neue in ihrer Mairie. Endlich um 1 Uhr Nachts ließ ihnen Picard sagen, sie könnten ihren Lafayette absenden, worauf sie alsbald Langlois nach dem Stadthaus schickten.

Von zehn Uhr an hatten sich einige Mitglieder des Zentralkomitees versammelt, die aber im Allgemeinen noch sehr ängstlich und unentschlossen waren. Keiner hatte geahnt, dass ihnen eine so schwere Macht auf die Schultern fallen würde. Einige weigerten sich im Stadthaus Sitzung zu halten. Man beratschlagte und kam überein, dass man nur so lange als unerlässlich, höchstens zwei bis drei Tage da bleiben wollte, um die Wahlen vorzunehmen. Unterdessen musste man sich gegen den Widerstand rüsten. Lullier war anwesend und hatte eben einen seiner lichten Momente. Er rannte um das Komitee herum, versprach auf Alles zu denken und berief sich auf die Abstimmung von Vauxhall. Er hatte bei den Ereignissen des Tages gar keine Rolle gespielt.G Gleichwohl war man so unklug, ihn zum Kommandanten der Nationalgarde zu ernennen, nachdem Brunel, der vom frühen Morgen an so viel geleistet hatte, schon im Stadthaus eingezogen war.

Um drei Uhr meldete sich Lulliers Konkurrent. Er war seiner Sache so gewiss, dass er schon seine Proklamation an den Officiel geschickt hatte. „Wer sind Sie?“ fragten ihn die Schildwachen. „General der Nationalgarde,“ antwortete Langlois. Einige Deputierte von Paris, darunter Lockroy und Cournet, begleiteten ihn. Das Komitee ließ sich herbei, sie zu empfangen. „Durch wen sind Sie ernannt?“ wurde Langlois gefragt. „Durch Herrn Thiers.“ Diese Zuversicht eines Verrückten entlockte den Mitgliedern ein Lächeln. Als er mit seinen Begleitern von den Rechten der Nationalversammlung sprechen wollte, rückte man ihm auf den Leib: „Erkennen Sie das Zentralkomitee an?“ – „Nein.“ – Er zog ab und rannte seiner Proklamation nach.

Die Nacht verlief ruhig – eine für die Freiheit tödliche Ruhe. Durch die südlichen Tore dirigierte Vinoy seine Regimenter, seine Artillerie, seine Bagage nach Versailles. Die zersprengte Mannschaft schleppte sich mühsam nach und insultierte die Gendarmen.H Der Generalstab hatte, seinen Überlieferungen getreu, den Kopf verloren und drei Regimenter, sechs Batterien und sämtliche Kanonenboote, die man nur hätte der Wasserströmung übergeben dürfen, in Paris zurückgelassen. Die geringste Kundgebung seitens der Föderierten hätte diesen Auszug aufgehalten. Statt jedoch die Tore zu schließen, überließ der neue Kommandant der Nationalgarde – er hat sich dessen später gerühmt – sämtliche Ausgänge der Armee.

A Dieser Befehl, welcher den Truppen einschärfte, inmitten der Nationalgarde zu defilieren, wurde von einem Kapitän mit dem Bleistift aufgesetzt. Lecomte schrieb ihn mit der Feder ab, ohne nur ein Wort daran zu ändern. Das Kriegsgericht hat diese Tatsache in Abrede gestellt, um diesen General, der so klein starb, herauszustreichen.

B 5 bis 600 Mann, sagte Herr Thiers; 14 Mann per Bataillon, sagt Jules Ferry. Unters. über den 18. März.

C Herr Thiers sagt in seiner Untersuchung zuerst: „Man ließ sie defilieren“ und zwanzig Linien weiter unten: „Man warf sie zurück.“ Leflô macht aus der Furcht des Rates kein Geheimnis. „Der Augenblick schien mir kritisch und ich sagte: Ich glaube, wir sind verloren, wir werden aufgehoben werden. – Und wirklich brauchten die Bataillone nur in den Palast zu dringen und wir waren Alle bis auf den letzten Mann gefangen. Aber die drei Bataillone zogen schweigend vorüber. Bd. 2, S. 80.

D Der Berichterstatter der Untersuchungskommission über den 18. März sagt: „Das Komitee zögerte nicht, sich am 18. März aller Administrationen zu bemächtigen.“ Dies ist, wenn nicht eine Lüge, um die Flucht des Herrn Thiers zu beschönigen, so doch zum Mindesten einer der gröbsten Beweise von der Unwissenheit dieser Berichterstattung, welche die Kundgebungen vom 24. Februar einem „Befehl des Zentralkomitees“ zuschreibt.

E Siehe Anhang 2, die Sitzung des Zentralkomitees in der Rue Basfroi, durch eines der Mitglieder im Detail erzählt.

F Vinoy hat die Frechheit, in seiner Schrift Der Waffenstillstand und die Kommune zu behaupten: „Der General versammelte seine Mannschaft und stellte sich mit gezogenem Degen mutig an die Sitze seiner Soldaten.“ Sollte man nicht glauben, er habe die Reihen durchbrochen?

G Zehn Tage später behauptete er jedoch, er habe Alles ausgeführt, er habe das Stadthaus, die Polizeipräfektur, den Vendômeplatz, die Tuilerien eingenommen, u. s. w. Dies Alles erzählte er in einem verrückten Brief, den er aus der Conciergerie schrieb und der von dem Berichterstatter der Untersuchung über den 18. März als Autorität aufgenommen wurde.

Ich will mich hier nicht darauf einlassen, alle Irrtümer hervorzuheben, von denen dieser Bericht wimmelt. Derselbe ist ein unwissender und gehässiger Auszug sämtlicher Lügen, Unrichtigkeiten und Feindseligkeiten in dieser Untersuchung, aus welchem alle Zeugnisse der Besiegten und selbst der gemäßigtsten Gegner ausgeschlossen sind. Durchaus ungenügend als Quelle, ist er dagegen trefflich geeignet, die Moralität und die Intelligenz der französischen Großbourgeoisie dieser Epoche zu kennzeichnen.

H Unters. über den 18. März, Bd. 1, S. 200.

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