Kapitel IX

Kapitel IX

Alle Teile Frankreichs stehen vereinigt und geschlossen zur Nationalversammlung und zur Regierung.“

Herr Thiers in seinem Rundschreiben an die Provinz, d. 23. März, abends.

Die Kommune in Lyon, in St. Étienne, im Creuzot.

Was tat die Provinz?

Sie lebte mehrere Tage von den Lügendepeschen Thiers’A, da sie der Zeitungen aus Paris entbehrte, dann griff sie nach den Unterschriften des Komitees, und da sie weder die Linke, noch die Koryphäen der Demokratie vertreten sah, sagte sie: „Wer sind diese Unbekannten?“ Die Bourgeoisierepublikaner, welche nichts von der Belagerung wussten und immer tausend Meilen weit von den Arbeitern weg waren, überdies durch die konservative Presse sehr geschickt in der Entfernung gehalten wurden, sagten, wie einst ihre Väter von „Pitt und Coburg“ sprachen, wenn sie eine Volksbewegung nicht begreifen konnten: „Diese Unbekannten können nur Bonapartisten sein.“ Das Volk allein hatte den richtigen Instinkt.

Das erste Echo fand die Kommune in Lyon. Dies war ein notwendiger Rückschlag. Seit dem Regierungsantritt der Versammlung fühlten sich die Arbeiter belauert. Die Munizipalräte, die schwach und furchtsam waren, zum Teil bis zur Reaktion, hatten die rote Fahne weggenommen unter dem Vorwand, „das stolze Banner des Kampfs bis aufs Messer dürfe die Demütigung Frankreichs nicht überleben.“ Diese plumpe Tücke hatte aber das Volk nicht getäuscht, das auf der Guillotière die Wache um seine Fahne bezog. Der neue Präfekt Valentin, ein roher und gemeiner früherer Offizier, eine Art Clément Thomas, bewies den Arbeitern deutlich, was für eine Republik man ihnen bereitete.

Am 19., bei der ersten Nachricht von den Ereignissen, waren die Republikaner auf den Beinen und verhehlten ihre Sympathien für Paris nicht. Den anderen Tag erlässt Valentin eine provozierende Proklamation, belegt die Pariser Zeitungen mit Beschlag und weigert sich, die Depeschen mitzuteilen.

Am 21., im Munizipalrat, werden Mehrere heftig und Einer sagt: „Fassen wir doch den Mut, Kommune von Lyon zu werden.“

Am 22. Mittags versammeln sich achtundert Delegierte der Nationalgarde im Palais St. Pierre. Man stellt den Antrag, zwischen Paris und Versailles zu wählen. Ein Bürger, welcher von Paris angekommen war, erklärte die Bewegung. Viele wollten, man solle sich augenblicklich für Paris erklären. Die Versammlung schickte schließlich Delegierte an das Stadthaus, um die Erweiterung der Munizipalfreiheiten zu verlangen. Der Maire sollte Chef der Nationalgarde und mit den Funktionen des Präfekten betraut werden.

Der Munizipalrat hielt eben Sitzung. Der Maire Henon, ein Holzklotz von 48, bekämpfte jeden Widerstand gegen Versailles. Der Maire der Guillotière, Crestin, ein bekannter Republikaner, verlangte, man solle wenigstens protestieren. Andere wollten, der Munizipalrat solle seine Befugnisse erweitern. Henon drohte seine Entlassung einzureichen, wenn man weiter gehe, und schlug vor, sich zum Präfekten zu begeben, welcher soeben die reaktionären Bataillone zusammenrief.

Die Delegierten des Palais St. Pierre kommen an. Henon empfängt sie hart. Es folgen Deputationen auf Deputationen, die alle abschlägig beschieden werden. Unterdessen rüsten sich die Bataillone der Brotteaux und der Guillotière und um acht Uhr erfüllt eine dichte Menge den Terreaux-Platz mit dem Ruf: „Es lebe die Kommune! Nieder mit Versailles!“ Die reaktionären Bataillone stellen sich nicht auf den Ruf des Präfekten.

Ein Teil des Rats kehrt um neun Uhr in die Sitzung zurück, während der andere, mit Henon an der Spitze, den Delegierten die Stange hält. Auf eine Antwort des Maires, welche keine Hoffnung mehr lässt, bemächtigen sich die Delegierten des Sitzungssaals. Die Menge erhält Kunde davon und stürzt sich ins Stadthaus. Die Delegierten setzen sich am Tische des Rats nieder und ernennen Crestin zum Maire von Lyon. Er weigert sich, und da man ihn auffordert, sich auszusprechen, erklärt er, die Leitung der Bewegung komme denen zu, welche die Initiative ergriffen haben. Nach langem Tumult berufen die Nationalgardisten eine Kommunal-Kommission, an deren Spitze sie fünf Räte stellen: Crestin, Durand, Bouvatier, Perret, Velay. Die Delegierten lassen Valentin kommen und fragen ihn, ob er für Versailles sei. Er antwortet, seine Proklamation lasse darüber keinen Zweifel, er wird verhaftet. Dann beschließt man die Proklamierung der Kommune, die Auflösung des Munizipalrats, die Absetzung des Präfekten, die Ersetzung des Generals der Nationalgarde durch Ricciotti Garibaldi, den sein Name und seine der Vogesenarmee geleisteten Dienste kennzeichnen. Diese Beschlüsse werden dem Volk verkündet und mit Beifall begrüßt. Die rote Fahne erscheint wieder auf dem großen Balkon. Am 23. erklären sich die Tags zuvor ernannten Räte in der ersten Stunde selbst für unbefugt und die Aufständischen sind genötigt, sich ganz allein Lyon und den benachbarten Städten vorzustellen. „Die Kommune“ sagten sie: „muss Lyon das Recht wahren, seine Steuern festzustellen und zu erheben, seine Polizei zu verwalten und über seine Nationalgarde, welche alle Posten und Forts behauptet, zu verfügen.“ Dieses ganz trockene Programm wurde durch die Komitees der Nationalgarde und der Republikanischen Allianz etwas weiter ausgeführt. „Mit der Kommune werden die Steuern vermindert, die Staatsgelder nicht mehr verschleudert, die sozialen Einrichtungen, auf welche die Arbeiter warten, gegründet, viel Elend und Leid wird gelindert werden, bis die abscheuliche soziale Beule des Armenwesens ganz verschwindet.“ Ungenügende Proklamationen, denen der Schluss fehlt und die von der Gefahr der Republik und der klerikalen Verschwörung, den einzigen Liebeln, womit man das Kleinbürgertum in Bewegung setzen kann, schweigen. Auch stand die Kommission sogleich isoliert. Sie hatte das Fort von Charpennes genommen, Patronen aufgehäuft, Kanonen und Mitrailleusen um das Stadthaus aufgestellt, aber die Volksbataillone hatten sich mit Ausnahme von zwei oder drei zurückgezogen, ohne ein Piquet dazulassen, und der Widerstand organisierte sich. Der General Crouzat versammelte alle Soldaten, Matrosen und Mobilgarden, welche in Lyon zerstreut waren, auf dem Bahnhof. Henon ernannte einen General der Nationalgarde. Die Offiziere der Ordnungsbataillone protestierten gegen die Kommune und stellten sich unter die Befehle des Munizipalrats, der im Kabinett des Maire, zwei Schritte von der Kommission, Sitzung hielt. Uneingedenk dessen, dass sie Tags zuvor denselben aufgelöst hatte, forderte die Kommission den Rat auf, in seinem gewöhnlichen Sitzungssaal zu tagen. Er begab sich um vier Uhr hinein, die Kommission trat ihm den Platz ab, indes die Nationalgardisten den für das Publikum reservierten Teil besetzten. Hätte diese mittlere Bourgeoisie nur einige Kraft besessen, hätte sie die Wut der Konservativen nur einigermaßen vorhergesehen, so würden die republikanischen Räte die Führer für diesen Aufschwung des Volks geworden sein. Aber sie bestanden zur Hälfte aus jener Kaufmannsaristokratie, welche der Nationalverteidigung mit allen Kniffen ihr Gut und ihre Personen streitig gemacht hatte, zur Hälfte aus jenen hochmütigen Radikalen, welche die Arbeiter wohl benutzen, keineswegs aber sie frei machen wollen. Während sie beratschlagten und zu keinem Beschluss kommen konnten, wurde das Publikum ungeduldig und stieß einige Ausrufungen aus. Dadurch fühlte sich ihre Würde gekränkt, sie hoben barsch die Sitzung auf, um mit Henon eine Adresse zu entwerfen.

Am Abend stiegen zwei Delegierte vom Zentralkomitee in Paris im Klub in der Rue Duguesclin ab. Man führte sie ins Stadthaus, wo sie vom großen Balkon herab die Menge ansprachen, welche mit dem Ruf: „Es lebe die Kommune! Es lebe Paris!“ antwortete. Der Name Ricciottis wurde nochmals mit Zuruf begrüßt.

Dies war nur eine Demonstration. Die Delegierten waren selbst zu unerfahren, um diese Bewegung zu beleben und zu lenken. Am 24. befanden sich nur noch einige Gruppen Neugieriger auf dem Terreauxplatz. Der Generalmarsch blieb erfolglos. Die vier großen Lyoner Zeitungen, radikale, liberale, klerikale, wiesen „energisch jedes Einverständnis mit den Pariser, Lyoner oder anderen Insurrektionen zurück.“ Der General Crouzat verbreitete das Gerücht, die in Dijon lagernden Preußen drohten binnen vierundzwanzig Stunden Lyon zu besetzen, wenn die Ordnung nicht hergestellt werde. Die Kommission, welche mehr und mehr erschlaffte, wandte sich von neuem an den Rat, der auf der Börse tagte und schlug vor, ihm die Verwaltung zu überlassen. Der Rat lehnte alle Unterhandlungen ab. „Nein,“ sagte der Maire, „wir werden nie die Kommune annehmen.“ Und da die Mobilen von Belfort angemeldet waren, beschloss der Rat, ihnen einen feierlichen Empfang zu bereiten. Dies war die Kriegserklärung.

Die Besprechungen hatten den ganzen Nachmittag und tief in den Abend hinein gedauert. Das Stadthaus entleerte sich mehr und mehr, die Kommissionsmitglieder verschwanden. Um vier Uhr morgens legten die zwei einzigen Zurückgebliebenen ihre Gewalt niederB, hoben die Posten auf, die den Präfekten bewachten und verließen das Stadthaus. Am Morgen sah Lyon, dass seine Kommune verschwunden war.

Am selben Abend, wo sie in Lyon erlosch, brach die Bewegung in St. Étienne aus. Seit dem 31. Oktober, wo die Kommune beinahe offiziell proklamiert worden wäre, hatten die Sozialisten trotz des Widerstands, ja der Drohungen des Munizipalrats dieselbe unablässig gefordert.

Es gab zwei republikanische Brennpunkte, das Komitee der Nationalgarde und die republikanische Allianz, zu der die vorgeschrittenen Republikaner gehörten. Der Munizipalrat bestand mit wenigen Ausnahmen aus jenen Radikalen, die sich nur dem Volk zu widersetzen wissen, um sich durch die Reaktion zerbrechen zu lassen. Das Komitee und die Allianz kamen überein, seine vollständige Erneuerung zu verlangen.

Der 18. März setzte die Arbeiter in Begeisterung. Das radikale Organ, der Éclaireur, sagte, ohne einen Schluss zu ziehen: „Wenn die Versammlung die Oberhand gewinnt, so ist es um die Republik geschehen; wenn andererseits die Deputierten von Paris sich vom Zentralkomitee lossagen, so haben sie ihre Gründe dazu.“ Das Volk ging gerade aus. Am 23. schickte der Klub de la Vierge seine Delegierten auf das Stadthaus, um die Kommune zu fordern. Der Maire versprach, die Frage seinen Kollegen zu unterbreiten. Auch die Allianz kam und verlangte die Zuziehung einer gewissen Anzahl von Delegierten zum Rat.

Den anderen Tag, am 24., kamen die Abgesandten wieder. Der Rat erklärte, er nehme seine Entlassung und wolle nur noch bis zu seiner Erneuerung durch die Wähler, die in möglichster Bälde berufen werden sollten, Sitzung halten. Dies war eine Ausflucht, denn am nämlichen Tag hatte der Interimspräfekt Morellet die Bevölkerung beschworen, die Kommune nicht zu proklamieren und die Autorität der Versammlung zu achten. Um 7 Uhr abends löste eine Kompanie Nationalgardisten die Wache ab unter dem Ruf: „Es lebe die Kommune!“ Das Zentralkomitee schickte zu der Allianz und ersuchte sie, sich ihm anzuschließen, um gemeinsam das Stadthaus zu stürmen. Die Radikalen lehnten ab, sie behaupteten, das Versprechen des Rates sei genügend, es fehle den Bewegungen von Paris und Lyon an Klarheit und man müsse die öffentliche Ordnung und Ruhe aufrecht erhalten.

Während dieser Unterredungen sammelte sich das Volk im Klub de la Vierge, beschwerte sich über die Schlaffheit seiner ersten Delegierten und beschloss, andere abzuschicken und sie selber zu begleiten, damit sie nicht nachgeben könnten. Um zehn Uhr trafen zwei Kolonnen von je vierhundert Mann vor dem Gitter ein, welches das Stadthaus umzieht. Dasselbe war geschlossen worden auf Befehl des neuen Präfekten, des Herrn de l’Espée, eines Hüttenwerksautokraten, der soeben ankam und sehr gesonnen war, die Unruhestifter fortzuschaffen. Da jedoch das Volk am Gitter rüttelte, musste man seine Delegierten wohl oder übel herein lassen. Diese trafen den Maire und Morellet, verlangten die Kommune und bis dahin die Zuziehung einer Volkskommission. Der Maire weigerte sich, der alte Präfekt ereiferte sich, um zu beweisen, dass die Kommune eine preußische Erfindung sei. Als er an der Bekehrung der Delegierten verzweifelte, benachrichtigte er Herrn de l’Espée – das Präfekturgebäude stieß an die Mairie – und Beiden gelang es, sich durch den Garten zu flüchten und sich an den General Lavoye, den Kommandanten der Garnison, anzuschließen.

Um Mitternacht, da die Delegierten nichts erlangen konnten, erklärten sie, Niemand habe das Stadthaus zu verlassen und begaben sich an das Gitter, um sich von den Manifestanten Rats zu erholen. Die Einen suchten nach Waffen, die Anderen drangen in den Saal der Biedermänner, wo sie eine Versammlung hielten. Die Nacht war sehr unruhevoll. Die Delegierten, welche eben die Niederlage von Lyon erfahren hatten, zauderten. Das Volk drohte und verlangte, dass man den Generalmarsch schlage. Der Maire weigerte sich. Endlich um 7 Uhr fand er einen Seitenweg, er versprach nämlich, ein Plebiszit über die Einsetzung der Kommune vorzuschlagen. Ein Delegierter verlas diese Erklärung dem Volk, welches alsbald das Stadthaus verließ.

Im selben Augenblick kam Herr de l’Espée auf den glänzenden Gedanken, den Generalmarsch schlagen zu lassen, den das Volk seit Mitternacht vergeblich verlangte. Er sammelte zuerst einige Nationalgardisten der Ordnungspartei, kehrte dann in das völlig geräumte Stadthaus zurück und rief in einer Proklamation Victoria. Als ihm der Munizipalrat das Übereinkommen vom Morgen mitteilte, weigerte sich de l’Espée, ein Datum für die Wahlen festzusetzen. Überdies, fügte er hinzu, habe ihm der General die Unterstützung der Garnison zugesagt.

Um 11 Uhr hat der Generalmarsch des Präfekten alle Volksbataillone zusammengetrommelt. Vor dem Stadthaus bilden sich Gruppen und rufen: „Es lebe die Kommune!“ De l’Espée lässt die Garnison rufen, zweihundertfünfzig Infanteristen und zwei Schwadronen Husaren, welche zaudernd anrücken. Die Menge umringt sie, der Rat protestiert, der Präfekt muss seine Krieger wieder heimschicken. Jetzt steht der Menge nur ein Spalier von Pompiers gegenüber und im Stadthaus befinden sich noch zwei Kompanien, von denen nur eine für die Ordnung ist.

Gegen Mittag kommt eine Delegation und fordert den Rat auf, sein Versprechen zu halten. Die anwesenden Räte – eine ziemlich kleine Anzahl – waren damit einverstanden, zwei Delegierte per Kompanie beizuziehen, de l’Espée aber lehnt ausdrücklich jedes Zugeständnis ab. Um vier Uhr stellt sich eine sehr zahlreiche Delegation des Komitees ein. Der Präfekt spricht davon, sich zu verschanzen, die Gitter mit Blenden zu versehen. Aber die Pompiers nehmen das Gewehr Kolben hoch, geben den Durchgang frei und de l’Espée sieht sich wohl oder übel genötigt, einige Delegierte zu empfangen.

Außen drängt sich die Menge, unruhig, aufgebracht über diese unnützen Besprechungen. Um halb fünf Uhr kommen die Arbeiter von der Waffenfabrik hinzu. Aus einem Haus auf dem Platz fällt ein Schuss und tötet einen Bortenwirker, Namens Lyonnet. Hundert Schüsse antworten, die Trommeln wirbeln, die Hörner blasen zum Angriff, die Bataillone stürzen sich ins Stadthaus, während man das Haus durchsucht, aus dem, wie man vermutet, der Angriff gekommen ist.

Beim Lärm des Gewehrfeuers bricht der Präfekt die Konferenz ab und will seine nächtliche Flucht wiederholen. Er täuscht sich im Couloir, wird erkannt, festgenommen und zusammen mit dem Substitut des Procureurs in den großen Saal geführt und auf dem Balkon zur Schau gestellt. Die Menge zischt ihn aus, in der Überzeugung, dass er das Feuer auf das Volk befohlen. Ein Ordnungsgardist, Herr v. Ventavon, sucht aus der Mairie zu entkommen, wird für den Mörder Lyonnets gehalten und auf der Bahre, mit welcher man eben den Leichnam ins Spital gebracht hat, herumgeführt.

Der Präfekt und der Substitut bleiben im großen Saal inmitten einer heftig erregten Menge. Viele beschuldigen de l’Espée, er habe unter dem Kaiserreich auf die Bergleute von Aubin schießen lassen. Er protestiert und sagt, er habe nicht diese Minen, sondern die von Archambault dirigiert. Man drängt ihn, die Kommune zu proklamieren oder seine Entlassung zu nehmen. Er widersetzt sich, streitet. Allmählich wird die Menge müde, verläuft sich; um acht Uhr waren nur noch einige vierzig Gardisten im Saal. Die Gefangenen nahmen einige Nahrung zu sich. Als der Präsident des Komitees, das sich in einem Nebenkabinett organisierte, alles ruhig sah, verließ er den Saal. Um neun Uhr aber kam die Menge zurück; der Zorn entflammte sich aufs Neue. Man rief: „Die Kommune! Die Kommune! Unterzeichnen!“ De l’Espée erbot sich zu unterzeichnen, aber mit dem Beifügen, dass er gezwungen worden sei. Die Gefangenen befanden sich unter der Aufsicht zweier Rasenden, Victoire und Fillon, welch Letzterer ein früherer Proskribierter und ein ganz verdrehter Kopf war, der sich bald gegen die Menge, bald gegen die Gefangenen wandte. Um zehn Uhr drang man plötzlich gegen sie vor. Fillon dreht sich um, und ganz verblendet feuert er zwei Revolverschüsse ab, welche seinen Freund Victoire töten und einen Trommler verwunden. Augenblicklich werden die Gewehre abgedrückt, Fillon und de l’Espée stürzen tot zusammen. Der Substitut, von dem Körper Fillons gedeckt, entgeht den Kugeln. Den anderen Tag wurde er, sowie Herr von Ventavon, in Freiheit gesetzt.

Während der Nacht trat eine Kommission zusammen, die aus den Offizieren der Nationalgarde und den gewohnten Rednern des Klub de la Vierge gebildet war. Dieselbe ließ den Bahnhof besetzen, bemächtigte sich des Telegrafen sowie der Patronen aus dem Pulvermagazine, und berief die Wähler auf den 29. „Die Kommune“, sagte sie, „ist weder die Brandstiftung, noch der Diebstahl, noch die Plünderung, wie man zu wiederholen beliebt, sondern die Eroberung der Freiheiten und der Unabhängigkeit, welche uns die imperialistischen und monarchistischen Gesetzgebungen entrissen haben, sie ist die wahre Grundlage der Republik.“ Dies war die ganze Einleitung. In diesem Bienenkorb von Arbeitern, neben Tausenden von Bergleuten aus der Ricamarie und Firminy, hatte man kein Wort für die soziale Frage. Die Kommission konnte nichts, als den Generalmarsch schlagen, der wie zu Lyon ohne Wirkung blieb.

Am anderen Tag, einem Sonntag, verhielt sich die Stadt ruhig und neugierig. Man las die Plakate der Kommune, welche neben den Aufrufen des Generals und des Procureurs angeheftet waren. Dieser Letztere, als guter Radikaler, sprach von einem bonapartistischen Komplott. Der General forderte den Rat auf, seine Abdankung zurückzuziehen. Er fand die Räte in der Kaserne, wohin sie sich geflüchtet, und sagte ihnen: „Meine Soldaten wollen sich nicht schlagen, aber ich habe tausend Chassepots, wenn Sie sich derselben bedienen wollen, vorwärts!“ Der Rat antwortete, er besitze keine militärische Gewandtheit und weigerte sich zugleich, wie in Lyon, Abgesandte ins Stadthaus zu schicken, „in Anbetracht“ sagte er, „dass man nur mit anständigen Leuten unterhandelt.“ Am 27. sagten sich die Republikanische Allianz und der „Éclaireur“ völlig los. Die Kommission lichtete sich. Am Abend empfingen die wenigen übrig gebliebenen Getreuen zwei junge Leute, welche die Delegierten des Pariser Zentralkomitees in Lyon abgeschickt hatten. Diese drängten zum Widerstand, aber das Stadthaus leerte sich. Am Morgen des 28. waren dort nur noch hundert Mann. Um sechs Uhr stellte sich der General Lavoye mit den Franctireurs der Vogesen und einigen aus Montbrison gekommenen Truppen ein. Ein Parlamentär wurde an die Nationalgardisten abgeschickt; er beschwor sie, die Waffen niederzulegen, um Blutvergießen zu vermeiden. Sie willigten ein, die Mairie zu räumen.

Zahlreiche Verhaftungen wurden vorgenommen, die Konservativen spien ihre gewöhnlichen Beschimpfungen gegen die Kommune, erzählten, man habe Kannibalen unter den Mördern des Präfekten gesehen.C Der „Éclaireur“ ermangelte nicht zu beweisen, dass die Bewegung eine bonapartistische gewesen. Die Arbeiter fühlten wohl, dass sie geschlagen waren, und bei der feierlichen Bestattung des Herrn de l’Espée hörte man dumpfes Murren und Proteste.

Im Creuzot erlitten die Proletarier die gleiche Niederlage. Und doch hatten die Sozialisten die Verwaltung der Stadt seit dem 4. Sept. in den Händen. Am 25., als die Nachrichten von Lyon kamen, sprach man von Proklamierung der Kommune. Am 26. riefen die Nationalgardisten bei der Revue: „Es lebe die Kommune!“ und die Menge begleitete sie auf den Mairieplatz, welcher von dem Kürassieroberst Gerhardt besetzt war. Er kommandierte den Infanteristen Feuer, sie weigerten sich. Er gab seinen Reitern Befehl zum Angriff, die Gardisten fällten das Bajonett und stürmten die Mairie. Dumay verkündete die Abschaffung der Versailler Regierung, proklamierte die Kommune, und die rote Fahne wurde aufgepflanzt.

Aber dort, wie überall, blieb man untätig. Der Kommandant vom Creuzot kam den anderen Tag mit Verstärkung zurück, zerstreute die Menge, welche neugierig und widerstandslos den Platz füllte, und bemächtigte sich der Mairie.

Innerhalb vier Tagen waren sämtliche revolutionären Feuerherde des Ostens, Lyon, St. Étienne, das Creuzot, der Kommune entrissen. Gehen wir nun die Rhône hinab, nach dem Süden.

A Wir werden den unvergleichlichen Lügenfeldzug, den er eröffnete, gleich vor unseren Augen sich entwickeln sehen. Am 19. schrieb er: „Die Armee hat sich, vierzigtausend Mann stark, in guter Ordnung nach Versailles konzentriert.“ Es waren in Wirklichkeit zweiundzwanzigtausend Mann (diese Zahl gibt er selbst in der Untersuchung an) und gänzlich aufgelöst. Am 20.: „Die Regierung wollte keine blutige Aktion unternehmen, wiewohl sie herausgefordert wurde.“ Am 21. ist die Armee auf fünfundvierzigtausend Mann gestiegen. „Der Aufstand wird allgemein missbilligt.“ Am 22.: „Von allen Seiten werden der Regierung Bataillone von Mobilen angeboten, um sie gegen die Anarchie zu unterstützen.“ Am 27., während man die Stimmen zählte: „Ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung und der Nationalgarde von Paris wünscht den Beistand der Departments zur Wiederherstellung der Ordnung.“

B „In Anbetracht,“ sagten sie in ihrer Erklärung, „dass die provisorische Kommune von Lyon, welche durch die Nationalgarde berufen worden ist, sich nicht mehr durch dieselbe unterstützt fühlt, erklären sich die Mitglieder der Kommune ihrer Verpflichtungen gegen ihre Bevollmächtiger entbunden und legen alle Gewalt, die sie von ihnen empfangen haben, nieder.“

C Man muss einige Nichtswürdigkeiten ganz anführen, damit sich der Leser einen Begriff von dem delirium tremens der Großbourgeoisie machen kann, wenn man von der Kommune spricht. Vier Monate nach diesen Ereignissen machte der Präfekt Ducros, der Urheber der berüchtigten Marnebrücken, vor der Untersuchungskommission des 18. März folgende Aussage: „Man schonte seinen Leichnam nicht, man schnitt ihm den Kopf ab. In der Nacht – es ist entsetzlich zu sagen – kam Einer, der am Mord beteiligt war und auch vor Gericht gestellt wurde, in ein Café, bot den Anwesenden Stücke von Herrn de l’Espées Hirnschale an und zerknackte selber Stücke dieses Schädels mit den Zähnen.“ Und Ducros führte noch genau aus: „der Mensch ist verhaftet, vor Gericht gestellt und freigesprochen worden.“ Eine schauerliche Einbildungskraft, welche selbst von den radikalen Stephansbürgern getadelt worden ist.

Kommentare