Kapitel XI

Kapitel XI

Nur die, welche das Volk belügen oder welche sich seiner bedienen wollen, indem sie es verachten, wagen zu behaupten, dass es nicht immer gelegen sei, laut zu sagen, was man für die Wahrheit hält.

Vermorel, Die Männer von 1848.

Zusammensetzung des Rats der Kommune. Derselbe schwankt schon bei den ersten Sitzungen. Die gewählten Maires und Adjunkten desertieren in Masse.

Auf dem Stadthausplatze gärte es noch, als die Räte von Paris zum ersten Mal seit fünfundsiebzig Jahren zusammentraten.

Die Abstimmung hatte die Wiederwahl von sechzehn der abgetretenen Maires und Adjunkten – Liberale von allen Schattierungen sowie die Wahl von einigen Radikalen und von zweiundsiebzig Revolutionären verschiedenen Schlags ergeben.A Wie waren diese Letzteren gewählt worden? Man muss es untersuchen und aussprechen, man muss endlich die belebende Wahrheit an Stelle der verderblichen Schonung setzen. Das Volk wird sich endlos im selben Kreis drehen, so lang es über seine Revolutionsgeschichte im Dunkeln ist.

Dieselbe ist niemals niedergeschrieben worden. Niemand hat noch aus der Weltgeschichte das persönliche Eingreifen des Volks herausgeschält, jene Kraft, welche die Bastille einnimmt, die Revolution in Paris festsetzt, ihre ersten Schritte beschützt, auf dem Marsfeld blutet, die Tuilerien erobert, die Gironde vertilgt, Pfaffen und Kulte wegfegt, von Robespierre zurückgedrängt wird, sich im Prairial wieder erhebt, zwanzig Jahre lang verschwindet, um bei dem Kanonendonner der Alliierten wieder aufzutauchen, aufs Neue in die Nacht versinkt, im Jahr 1830 aufersteht, und, alsbald zusammengepresst, die ersten Jahre der Kapitalherrschaft mit ihren Zuckungen erfüllt, im Jahre 1848 die Netze durchreißt und vier Monate später die Bourgeoisrepublik an der Kehle nimmt, dann noch einmal niedergedrückt, im Jahr 1868 verjüngt ausbricht, an dem Kaiserreich rüttelt, dasselbe stürzt, sich zum zweiten Mal gegen den fremden Eindringling anbietet und noch einmal verschmäht und gekränkt wird, bis zum 18. März, wo sie die Hand zerschmettert, die sie erdrosseln will. Niemand hat dem Volke gesagt, wie diese Kraft, die in ihrem Anlauf unwiderstehlich ist, immer verschleudert, abgeleitet, vernichtet worden ist, wie sie abgewendet, eingeschlossen, gezäumt werden konnte, mit einem Wort, was ihre Verhängnisse und ihre Fehler gewesen sind; eine schwierige und besonders eine unpopuläre Aufgabe. Statt dessen hat sie ein Schwarm von Deklamatoren und Sektierern mit Hyperbeln, Mythen und Legenden überhäuft, die Einen vor der Volksgunst kriechende Hunde, denen nur daran liegt, emporzukommen, zu eitel und zu nichtig, um die Rolle bescheidener Erzieher zu übernehmen, die Anderen Leute, die es auf einen Haufen blinder Hitzköpfe abgesehen haben, welche durch sie geleitet werden sollen. Nach ihnen müsste man die Geschichte der Kommune in Dithyramben schreiben, denn in ihren Augen ist jede Untersuchung der Wahrheit ein Verbrechen und jede Kritik der revolutionären Tat ein Pamphlet.

Wie, der Fortschritt sollte nur im Finstern möglich sein! Wie, dieses Volk von 1830, 1848, 1871, das unaufhörlich seinen Anlauf erneuert, das noch gestern allen sozialen Gewalten trotzte und zu Tausenden fiel, ohne einen Ruf um Gnade auszustoßen, es sollte betrogen werden müssen, damit es vorwärts geht, es sollte unfähig sein, die Wahrheit zu hören? Fort, ihr literarischen Gaukler, ihr Verschwörer ohne Kompass, versperrt nicht länger der Revolution den Weg! Nein, das Volk hat weder so schwache Nerven, noch einen so dicken Schädel, wie ihr ihm unterschiebt; nein, es verlangt nicht mit Samthandschuhen angefasst zu werden; sein erster, sein größter Freund, Marat, war derjenige, der am klarsten zu ihm sprach. Nein, die Revolution ist nicht das Werk von Blinden. Wenn eine Partei der Weisheit, der Klarheit, der Vernunft, der Leitung bedarf, so ist es die revolutionäre. Ihre Größe, ihre Lebensfähigkeit treten nie klarer zu Tage, als wenn sie mutig das Pflaster von ihren Wunden reißt.

Über die Kommune wie über alles Andere muss man die Wahrheit reden oder schweigen. Schweigen ist unmöglich, denn Frankreich, die ganze Welt, ist überschwemmt mit verlogenen oder unwahren Geschichten und Tausende von Opfern gehen verleumdet unter. Für sie, für eine vielleicht nicht allzuferne Zukunft, muss gesprochen werden. Aber wenn die Kommune trotz ihrer außerordentlichen Hilfsquellen unterlegen ist, so müssen offenbar Fehler begangen worden sein. Gestehen wir sie also ein; die Lügenberichte, die während des Kampfes unentschuldbar sind, werden nach der Niederlage lächerlich. Die Männer von Herz beweisen ihre Hingebung noch, indem sie ihre Fehler anerkennen und sie zur Lehre für die Zukunft dienen lassen wollen, die Anderen verdienen keine Schonung.

Bei der Gedächtnisfeier der Proskribierten in London für den 18. März 1871 haben ehemalige Mitglieder des Rats der Kommune gesagt: „Lernen wir, unterrichten wir uns, wir sind durch Unwissenheit zu Grunde gegangen.“ Solche Worte setzen die Bourgeoisie, die über Prahlereien lacht, in Schrecken. Sie fürchtet die Scharfsichtigen, nicht die Verdrehten.

Mögen Andere die Geschichte der Kommune wie eine Theaterdekoration mit Ruhmeszierrat und Phantasielandschaften schmücken und unter dem Vorwand, die Besiegten zu verherrlichen, die Hekatomben der Zukunft vorbereiten! Diese hier ist weder für die Gassenjungen, noch für Cliquen geschrieben. Ihr Verfasser hat keinen anderen Zweck im Auge, als den, dem Volke den wahren Verlauf dieser Schlacht darzulegen, ihm zu zeigen, wie weit im Jahre 1871 die französische revolutionäre Partei war, und der kommenden Generation die von ihrer Vorgängerin gezogene Blutspur scharf zu beleuchten. Ich werde somit nicht die ideale Kommune, oder die Kommune so wie wir sie gewollt hätten, schildern, sondern die Kommune so wie sie gewesen ist, so wie sie die Umstände und die Menschen gemacht haben. Noch schrecklicher als das Missgeschick wäre es, seine Ursachen zu verkennen oder zu verleugnen.

Eine der ersten ist die Wahl der Mitglieder. Ihre Verantwortlichkeit ist schwer, aber werfen wir nicht alle Last auf eine Seite, die Mandanten haben die ihrige auch.

Das Zentralkomitee hatte dem Volk vom Sonntag den 19. an gesagt: „Bereitet eure Kommunalwahlen vor.“ Man hatte somit die ganze Woche, um ein Mandat aufzusetzen, die Mandatare zu prüfen. Das Komitee der 20 Arrondissements veröffentlichte ein in mehreren Punkten sehr richtiges Manifest, welches hätte als Rahmen dienen können, die beiden Delegierten des Inneren bestrebten sich in einem im Officiel eingerückten Artikel, Paris von der Wichtigkeit seiner Abstimmung zu überzeugen. Allerdings hielt der Widerstand der Maires und die Besetzung der Posten viele Wähler von ihren Arrondissements fern, aber es waren noch Bürger genug für die Arbeit der Wahlvorbereitungen übrig.

Niemals war ein Mandat unerlässlicher gewesen, denn es handelte sich darum, Paris eine ganze Verfassung zu geben, dieselbe für Frankreich annehmbar zu machen, eine neue Ordnung zu schaffen. Nie hatte Paris ein solches Bedürfnis nach aufgeklärten, praktischen, für Unterhandlung und Kampf gleichmäßig geschickten Männern gehabt.

Und gleichwohl gab es niemals weniger vorbereitende Erörterungen. Dieses Paris, das in Wahlsachen immer so ängstlich vorsichtig war und seinen Willen dem der Repräsentanten gegenüber stets zur Geltung zu bringen wusste, formulierte diesen Willen nicht. Kaum zwei oder drei Arrondissements stellten eine Art Programm auf. Statt über ein solches abzustimmen, stimmte man über Namen ab.

Das war ein Nachklang aus der Belagerungszeit. Die, welche sich auf der Corderie, in den Klubs oder in der Journalistik gegen die Männer vom 4. September hervorgetan hatten, wurden beklatscht – von den Unbekannten im Zentralkomitee gingen nur fünf bis sechs durch –, ohne dass man ihnen eine Darlegung ihrer Idee abverlangte. Es schien freilich logisch, diejenigen ins Stadthaus zu schicken, die seit sieben Monaten die Kommune forderten, aber die Männer von Instinkt sind nicht immer auch Männer der Tat. Und indem das Volk es versäumte, das Mandat seiner Gewählten zu definieren, erneuerte es seine früheren Abdankungen und gab der Schwäche seiner Mandatare einen Anstrich von Entschuldigung.

Mehrere der Gewählten waren revolutionäre Veteranen: Blanqui, Delescluze, Gambon, Miot, Félix Pyat. Blanqui war am 17. in der Provinz, wohin er zur Wiederherstellung seiner Gesundheit gegangen war, verhaftet worden. Der einzige tatkräftige Mann in dieser Gruppe, der einen geraden und festen Sinn besaß, Delescluze, konnte sich kaum aufrecht erhalten, die grausamen Leiden im Gefängnis zu Vincennes hatten seine schwächliche Hülle vollends gebrochen. Dann kamen die hervorragendsten Männer aus der Revolutionspartei unter dem Kaiserreich, aus der Corderie, aus der Journalistik, aus den letzten Ereignissen: Ranvier, Flourens, Lefrançais, Tridon, Duval, Vermorel, Brunel, Valles, Vaillant, Theiß, Varlin etc. etc., im Allgemeinen sehr intelligente Leute, einige fleißig und unterrichtet, aber gewohnt, Frankreich in Paris einzuschließen, und sämtlich sehr wenig auf dem Laufenden und ohne Kenntnis der Provinz und der Hilfsquellen ihrer mächtigen Feinde. Schließlich hatten die durch den Widerstand der Maires zum Weißglühen erhitzten Klubs die demontrativsten ihrer Redner, die sich während des Belagerungsfiebers entwickelt, in das Stadthaus gebracht. Diese waren vor Allem Leute, welche ihrem Impuls folgten, ohne Kenntnis des praktischen Lebens, ohne Verständnis der Menschen, der Dinge, der Geschichte. Sehr aufgeblasen durch ihren Tribünenerfolg, mussten sie dem ersten gewandten Deklamator verfallen, der ihrem Dünkel zu schmeicheln verstand.

Man hat die Kommune eine Regierung der Arbeiterklasse genannt. Das ist ein großer Irrtum. Die Arbeiterklasse war beim Kampf, bei der Verwaltung, und ihr Hauch allein hat diese Bewegung groß gemacht, aber sie war sehr wenig bei der Regierung beteiligt. Die Meisten der Internationalen, welche durchgingen, verdankten dies ihrem persönlichen Ruf. Die Abstimmung vom 26. März hatte auf siebzig revolutionäre Wahlen nur fünfundzwanzig Arbeiter ergeben, wovon nur dreizehn der Internationale angehörten, die zwölf anderen kamen aus den Klubs. Auf sechs Doppelwahlen hatten die Arbeiter nur zwei bekommen, Varlin und Theiß. Zwei Drittel des Rats der Kommune waren somit aus Kleinbürgern zusammengesetzt, welche wohl die Mittel gehabt, sich zu bilden. Rechnungsbeamte, Ärzte, Juristen, Publizisten – gab es bis zu einem Dutzend. Eine sehr kleine Zahl – nur fünf oder sechs – hatten einige Kenntnis von sozialen Fragen.

So hatten die revolutionären Wahlen der Kommune, indem sie Alte und Junge, Neu-Jakobiner, Sozialisten, Autoritätsmänner, Anarchisten, Romantiker, durcheinander mischten, den Charakter einer einfachen Manifestation. So schickte die revolutionäre Partei, um die größte Schlacht des Jahrhunderts zu liefern, um allen vereinigten Intelligenzen und Kräften der Bourgeoisie die Spitze zu bieten, Männer auf das Stadthaus, deren politische Fähigkeit sie nicht geprüft hatte und die sie ohne Leitung ihrer bloßen Eingebung überließ.

Die Zeit hätte diesen Fehler vielleicht gebessert, aber die Zeit fehlte und sie musste fehlen, denn das Volk hat nie mehr als eine Stunde. Wehe ihm, wenn es dann nicht schlagfertig, mit allen Waffen gerüstet dasteht! Die Übereilung, die Nachlässigkeit vom 26. März konnten nicht wieder gut gemacht werden.

Die Sitzung wurde um acht Uhr in jenem Saal des Munizipalrats eröffnet, wo dem Volk der 31. Oktober verloren gegangen war. Er war klein, sehr schlecht geeignet für eine Versammlung; die Bänke, die Sitze stießen so nah aneinander, dass die Diskussion zu persönlich und die Disziplin schwierig wurde. Von der Eröffnung an gab es einige Unordnung.

Nur sechzig Räte waren an ihrem Platz. Der Älteste, Beslay, ein revolutionär gesinnter Kapitalist, der sich vom Parlamentarismus des Jahres 1830 zum Republikanertum, dann zum Sozialismus aufgeschwungen hatte, ein Internationaler, der davon träumte, die Bourgeoisie und das Proletariat zu versöhnen, nahm den Präsidentenstuhl ein.

Einige Mitglieder des Zentralkomitees waren gekommen, um die Gewählten einzuführen. Der Rat gab mit Stimmeneinheit das Votum ab, dass sich das Komitee um Paris und die Republik wohl verdient gemacht habe. Eine lärmende, verworrene Diskussion entspann sich über die Verifizierung der Vollmachten, die Hitzköpfe stellten Anträge aufs Geratewohl, man verlangte sogar, die Kommune sollte sich für allmächtig erklären. Man brachte es endlich so weit, ein wenig Ordnung herzustellen und der Präsident konnte seine Eröffnungsrede verlesen. Er definierte die junge Revolution sehr glücklich: „Die Befreiung der Pariser Gemeinde ist die Befreiung aller Gemeinden der Republik. Unsere Gegner haben behauptet, wir hätten der Republik einen Schlag versetzt. – Wir haben ihr einen Schlag versetzt – wie dem Pfahl, den man tiefer in die Erde schlägt. Die Republik von 93 war ein Soldat, der alle Kräfte des Vaterlandes zusammenziehen musste, die Republik von 1871 ist ein Arbeiter, der vor allem der Freiheit bedarf, um den Frieden zu befruchten. – Die Kommune wird sich mit den örtlichen, das Departement mit den Bezirksangelegenheiten, die Regierung mit den nationalen Interessen befassen. Halten wir diese Grenze fest und das Land wie die Regierung wird glücklich und stolz dieser Revolution zustimmen -.“ Naive Illusion eines Greises, der gleichwohl die Erfahrungen eines langen politischen Lebens besaß! Dieses in der Form so gemäßigte Programm war nichts Geringeres, als die Sterbeglocke der Großbourgeoisie. Das zeigte sich noch während der Sitzung.

Beinahe alle aus der Bourgeoisie Gewählten fehlten bei dieser Sitzung, aber Tirard war gekommen, da er die schwache Seite seiner Gegner kannte. Er triumphierte über ihre Unerfahrenheit, und als Beslay unter Beifall geendigt hatte, verlangte er das Wort. Er sagte, sein Mandat sei ein rein munizipales, die gestellten Anträge jedoch und die der Rede des Präsidenten gespendete Zustimmung bewiesen, dass die Kommune geneigt sei, einen politischen Charakter anzunehmen, den er ihr nicht zuerkennen könne, weshalb er sich zurückziehe. Er schloss, indem er sich dem Rat ironisch empfahl: „Ich lasse Ihnen meine aufrichtigen Wünsche zurück. Möge Ihnen Ihre Aufgabe glücken, etc. etc.“ Dieser freche Schuft, der acht Tage lang den Bürgerkrieg angeschürt hatte und jetzt das Mandat, das er sich durch seine Adresse an die Wähler erbettelt, anspuckte, erregte allgemeinen Unwillen. Einige konnten nicht an sich halten und verlangten seine Verhaftung. Andere wollten, man solle ihn seines Mandats verlustig erklären. Man ließ ihn frei, weil er auf der Versailler Rednerbühne gesagt hatte: „Wenn man in das Stadthaus eintritt, ist man nicht sicher, wieder herauszukommen.“

Dieser stürmische Auftritt stürzte den Rat in seinen ersten und tödlichsten Fehler. Man verlangte heimliche Sitzungen und dieser Antrag fand sogleich eine Majorität. Eine unbegreifliche Idee, da sie von Revolutionären und besonders von den Gewählten von Paris ausging. Wie konnte man nur daran denken, sich vor Paris zu verstecken, nachdem man so gegen die Heimlichkeiten der Regierung der Verteidigung protestiert, nachdem man das Vertrauensvotum vom 26. erhalten hatte? Wenn je Gewählte der Inspiration von Paris bedurften, so waren es diese, deren Mandat so wenig bestimmt war. Man vergaß also, dass das einzige Verdienst der alten Kommune von Paris darin bestand, dass sie auf Paris hörte, dass sie beständig seinen Gedanken folgte, dass alles Vorgehen, alle heilsamen Beschlüsse, alle mächtigen Gesichtspunkte, aller Aufschwung, Alles, was man der Kommune zur Ehre anrechnet, von den Sektionen, den Klubs, den Volksgesellschaften ausging;B dass das Volk ihr jeden Augenblick einen Seitenstoß geben, dass es selbst ihre Besten wie Chaumette anfeuern musste, dass sie ohne jene geisteinhauchenden Rednerbühnen, jenen Strom von Disputationen und Delegationen, der sich unaufhörlich vor ihren Schranken vorüberwälzte, an Entkräftung gestorben wäre. Mehrere Mitglieder des Rats protestierten gegen diese geschlossene Türe, welche aller Vernunft und den besten Traditionen Hohn sprach und das Stadthaus von Paris isolierte. Man antwortete, man müsse den Schwätzern das Wort abschneiden, als ob das Publikum nicht selbst sein Urteil abgegeben hätte; der Saal sei zu klein, als ob man an diesen gebunden wäre; gewisse Maßregeln erforderten Diskretion, als ob man nicht in ein geheimes Komitee hätte zusammentreten können. Der wahre Grund war, dass die ehemaligen Verschwörer noch auf Geheimnistuerei erpicht waren, dass Andere die Kritik fürchteten und die Masse der Romantiker Alles, was nach Autorität schmeckte, vertrauensvoll beklatschte.

Diese Maßregel machte in Paris einen sehr schlechten Eindruck. Der Rat stieß alle Welt vor den Kopf, ohne sein Ziel zu erreichen, denn indiskrete Kollegen erzählten von den Sitzungen, was dann von den reaktionären Zeitungen veröffentlicht wurde. Um den Lügenberichten ein Ende zu machen, beschloss man vierzehn Tage später die Veröffentlichung eines Berichts im Officiel. Aber diese Öffentlichkeit war eine verstümmelte, ungenügende. Das Publikum hätte anwesend sein, das Volk auf den Tribünen und vor den Schranken sich befinden müssen, um seine Repräsentanten zu inspirieren, zu leiten, sie zum Studium zu .zwingen, die Überspannten zurückzudrängen.

Den folgenden Tag beantragte bei Eröffnung der Sitzung ein Bewunderer Blanquis, ihm die Ehren-Präsidentschaft zuzuerkennen. Delescluze bekämpfte diesen von den öffentlichen Versammlungen unter dem Kaiserreich geborgten Gedanken und sagte, man sei im Stadthaus, um eine ernste Arbeit, nicht um Kundgebungen vorzunehmen. Man bestimmte, dass der Präsident bei jeder Sitzung gewählt werden solle, was der Disziplin und dem Geist der Einheit um so größeren Schaden tat, als man versäumte, ein Reglement aufzusetzen. Eine Präsidentschaft von mindestens acht Tagen wäre notwendig und ganz ebenso demokratisch gewesen.

Lefrançais wurde an jenem Tag ernannt; der Rat teilte sich in Kommissionen, die mit den verschiedenen Ämtern betraut waren:

Militär-, Finanz-, Justizkommission, Kommission der öffentlichen Sicherheit, der Arbeit und des Handels, der Lebensmittel, der äußern Beziehungen, der öffentlichen Ämter, des Unterrichts. Die Exekutivkommission bestand aus Lefrançais, Duval, Félix Pyat, Bergeret, Tridon, Eudes, Vaillant. Drei derselben, Duval, Bergeret und Eudes, gehörten auch der Militärkommission an.

Man hatte eben beschlossen, dass alle Erlasse „Die Kommune“ unterzeichnet werden sollten, ein nur zu schnell vergessenes Dekret, als die Delegierten des Zentralkomitees sich anmelden ließen. Nachdem sie eine halbe Stunde im Vorzimmer gewartet, wurden sie eingelassen. „Mitbürger“, sagte Einer von ihnen, „das Zentralkomitee legt seine revolutionäre Gewalt in Ihre Hände nieder. Wir treten in die durch unsere Statuten bestimmen Befugnisse zurück.“

Dies war der Augenblick, wo der Rat sich sicherstellen musste. Als einziger Repräsentant der Bevölkerung, als einziger Träger der Verantwortlichkeit, vereinigte er zu dieser Stunde alle Macht in sich und durfte kein Komitee neben sich dulden, das sich immer seiner früheren Rolle erinnert und dieselbe wieder aufzunehmen gesucht hätte. Den Tag zuvor hatte der Rat dem Komitee Gerechtigkeit widerfahren lassen, heute musste er, sich auf die Proklamationen des Komitees berufend, dessen Rolle für beendigt erklären. Statt klar zu sprechen, kam der Rat mit Beschuldigungen.

Eines seiner Mitglieder erinnerte an das Versprechen des Komitee, sich nach den Wahlen aufzulösen. Wenn dasselbe nicht auf die Gewalt abziele, so begreife man nicht, wozu seine Organisation überhaupt notwendig sei. Varlin und Beslay verteidigten das Bestehen des Komitees, welches Jourde und Rigault angriffen. Die Delegierten, die einem entschiedenen Wort nachgegeben hätten, kämpften gegen diese Schwäche. „Die Föderation“, sagten sie, „war es, welche die Republik gerettet hat. Aber noch ist nicht Alles geschehen. Diese Organisation auflösen, hieße eure Kraft schwächen. Das Zentralkomitee beansprucht nicht, irgend einen Teil der Regierung zurückzubehalten. Es bleibt das Bindeglied zwischen euch und der Nationalgarde, dem Arm der Revolution. Wir werden wieder, was wir gewesen, der große Familienrat der Nationalgarde.“

Dieses Bild ergriff die Gemüter lebhaft, die Erörterung zog sich in die Länge und die Delegierten des Zentralkomitees zogen sich zurück, ohne dass man zu einem Resultat gekommen wäre.

Jetzt erhob sich Félix Pyat ohne Weiteres, wie durch eine Feder emporgeschnellt, und schlug die Abschaffung der Konskription vor.

Am 3. März hatte er sich aus der Nationalversammlung gedrückt, wie er am 31. Oktober aus dem Stadthaus und ein paar Tage später aus dem Gefängnis ausgerissen war. Am 18. März rührte er sich nicht, während Delescluze sich gleich in den ersten Tagen anschloss. Félix Pyat wartete den Sieg ab und stimmte am Tag vor den Wahlen seinen Hymnus vor dem Komitee an, „vor dem ein jeder Name, ein jeder Geist erbleicht.“ Im 10. Arrondissement mit zwölftausend Stimmen gewählt, eilte er prahlerisch auf das Stadthaus.

Die Stunde, auf die er zwanzig Jahre lang gewartet, hatte endlich geschlagen. Er bestieg die Bretter. Unter der Menge von Theaterdichtern, Wundertätern, Romantikern, Schwärmern, aufgewärmten Jakobinern, die seit 1830 die soziale Revolution an den Beinen ziehen, hielt er sich zu den Predigern des Königsmords, welche revolutionäre Räuberbanden organisieren wollten und mit Briefen, Sinnbildern, Toasten, Ansprachen und Redestückchen über die Tagesbegebenheiten zu Felde zogen, kurz, zu der ganzen Blechware vom „Berg“, die mit einem humanitären Firnis frisch angestrichen war. Während des Kaiserreichs waren seine wütenden Manifeste das Entzücken der Polizei und der bonapartistischen Blätter gewesen, eine treffliche Schellenkappe, um sie dem Volke hinzuwerfen, das keinen praktischen Gedanken, kein Körnchen Vernunft daraus entnehmen konnte. Dieser Helotenrausch war zu drei Vierteln erheuchelt. Nichts war dem Menschen selber unähnlicher als seine Schriften. Der wilde, struppige Narr der Marktschreierbühne wurde hinter den Kulissen schlau, listig und berechnend. Im Grund war er nichts anderes als ein galliger Skeptiker, bereit, das Meer zu peitschen, damit von ihm gesprochen würde. Er trat, die Taschen mit Dekreten vollgestopft, in die Kommune ein.

Als er seinen Antrag verlas, klatschten die Romantiker Beifall und man erhob ihn im Sturm zum Beschluss. Dennoch hatte die Kommune noch am Morgen nichts dergleichen angekündigt, indem sie in ihrer Proklamation sagte: „Heute die Bestimmung über die Mietzinse, morgen diejenige über die Verfalltermine, die Wiederherstellung und Vereinfachung der öffentlichen Ämter und die Neugestaltung der Nationalgarde, das sollen unsere ersten Handlungen sein.“ Und jetzt sprang man auf die nationalen Einrichtungen über. Am Morgen Gemeindevertretung, am Abend gesetzgebende Versammlung.

Wenn das Revolution sein sollte, so musste man es sagen und ihr Banner ganz entfalten. Man musste ein kurzes, planmäßiges, vollständiges Programm abfassen; man musste das revolutionäre Glaubensbekenntnis aufstellen, und Frankreich, der ganzen Welt sagen: Das ist unser Symbol, das ist’s, wofür Paris sich erhoben hat, wofür es zu sterben bereit ist. Was sollte aber dieses ins Blaue hinausgeschleuderte Dekret, ohne vorhergegangene Erklärung, ohne Zusammenhang? Niemand machte darauf aufmerksam. Unter dem Vorwand, den Parlamentarismus zu vermeiden, schaffte man sich die Fragen vom Hals.

So dekretierte der Rat den allgemeinen Nachlass der Mieten, die zwischen den Oktober 70 und den Juli 71 fielen. Versailles bot nur einen Aufschub; das war ungerecht. Der Rat quittierte, indem er mit Recht sagte, auch die Besitzenden müssten ihren Teil an den Opfern tragen, aber er unterließ es, eine Menge von Industriellen auszunehmen, die während der Belagerung skandalöse Gewinne erzielt hatten. Das war auch ungerecht. Endlich versäumte man es auch, sich der schon vom Zentralkomitee aufgegebenen Provinz anzukündigen. Eine Kommission war zwar beauftragt worden, eine Adresse zu verfassen, aber ihre Arbeit hatte nicht gefallen und man ernannte eine andere für diesen Zweck. Von Kommission zu Kommission zog sich das Programm der Kommune zweiundzwanzig Tage lang hin und das Zentralkomitee ließ alle Provinz-Insurrektionen hinsterben, ohne ihnen einen Halt, einen Gedanken zu geben.

Diese Übergriffe, diese Unordnung beunruhigten Paris, denn sie riefen die Besorgnis wach, dass die neue Macht keine klaren Gedanken und kein Verständnis der Lage habe. Diesen Vorwand benützte die liberalradikale Fraktion, um sich zurückzuziehen. Wäre ihre Übereinkunft vom 25. aufrichtig gewesen, hätten sie sich um das Schicksal von Paris gekümmert, so würden die gewählten Maires und Adjunkten ihr Mandat mutig erfasst haben. Aber sie desertierten wie die von der Provinz, nur noch viel schmählicher, da sie die Kandidaturen angenommen hatten. Viele waren gar nie ins Stadthaus gekommen. Andere hoben die Arme zum Himmel und riefen jammervoll: „Was soll aus uns werden?“ Einer lag gar im Sterben: „Sie sehen, dass ich kaum noch atmen kann.“ Die, welche nachher mit den gröbsten Beleidigungen hervortraten, suchten damals leere Ausflüchte; Keiner muckste sich. Ihre Rücktritte, die Doppelwahlen ließen zweiundzwanzig Sitze leer, als der Rat am 30. die Mandate anerkannte. Treu den besseren Überlieferungen der französischen Republik ließ er den Ungarn Frankel, der vom 13. Arrondissement gewählt worden war, eines der intelligentesten Mitglieder der Internationale, zu. Sechs Kandidaten besaßen nicht den achten Teil der durch das Gesetz von 1848 bedingten Stimmen; der Rat ging darüber weg, die Arrondissements dieser Gewählten, welche aus reaktionären Vierteln bestanden, entleerten sich täglich.

Die Reichen, die Männer der Ordnung, welche zweimal, auf dem Vendômeplatz und am 28., ihre Prügel bekommen, flüchteten noch immer in Masse nach Versailles, das sie mit neuen Zornausbrüchen, mit neuen Prahlereien füllten. Die Stadt hatte ein kriegerisches Aussehen angenommen; Alles verkündete den nahen Kampf. Schon hatte Herr Thiers Paris von Frankreich abgeschnitten. Am 31. März, dem Vorabend des Verfalltermins vom April, brach der Postdirektor Rampont sein dem Delegierten des Zentralkomitees, Theiß, gegebenes Wort, nachdem er vorher das ganze Postwesen aufgelöst hatte, Herr Thiers unterdrückte die Ankunft der Postwaggons und hielt alle nach Paris bestimmten Korrespondenzen zurück.

Am 1. April erklärte er offiziell den Krieg. „Die Versammlung,“ telegrafierte er an die Präfekten, „tagt zu Versailles, wo sich eine der schönsten Armeen organisiert, welche Frankreich je besessen hat. Die guten Bürger können sich also beruhigen und auf das Ende eines Kampfes hoffen, der schmerzlich aber kurz gewesen sein wird.“ Schamlose Prahlerei jener Bourgeoisie, die sich geweigert hatte, Armeen gegen die Preußen zu organisieren. „Eine der schönsten Armeen“ war bis jetzt nichts anderes als der Kehricht vom 18. März, durch fünf bis sechs Regimenter verstärkt, ungefähr 35.000 Mann mit 3000 Pferden und 5000 Gendarmen oder Stadtsergeanten, dem einzigen Korps, auf welches man zählen konnte.

Paris wollte nicht einmal an diese Armee glauben. Die Volkszeitungen verlangten einen Ausfall, sprachen von dem Marsch nach Versailles wie von einem Spaziergang. Am weitesten voran war der „Vengeur“, in welchem Félix Pyat wie rasend seine Schellenkappe schüttelte. Er ermahnte die Kommune, „Versailles auf den Leib zu rücken. – Armes Versailles, es denkt nicht mehr an den 5. und 6. Oktober; die Weiber der Kommune haben allein genügt, seinen König wegzunehmen.“ Am Sonntag den 2. April morgens verkündete dieses Mitglied der Exekutivkommission den Parisern: „Gestern hat man zu Versailles mit Ja oder Nein abstimmen lassen, ob man nach Paris marschieren wolle. Die Soldaten haben mit Nein geantwortet.“

A 1) Ad. Adam, Méline, Rochard, Barré (Louvre), Brelay, Loise au Pinson, Tirard, Chéron (Börse), Ch. Murat (Temple), A. Le Roy, Robinet (Luxembourg), Desmarets, E. Terry, Nast (Opernhaus), Marmottan, de Bouteiller (Passy).

2) Goupil (Luxembourg), E. Lefêvre (Palais-Bourbon), A. Ranc, U. Parent (Opernhaus).

3) Demay, A. Arnaud, Pindy, Dupont (Temple), A. Arnould, Lefrançais, Clémence, E. Gérardin, Amouroux (Stadthaus), Régère, Jourde, Tridon, Blanchet, Ledroy (Panthéon), Beslay, Varlin (Luxembourg), Parizel, Urbain, Brunel (Palais-Bourbon), Raoul Rigault, Vaillant, A. Arnould, Alix (Champs-Elysées), Gambon, F. Pyat, H. Fortune, Champy, Babick, Rastoul (Enclos-St.-Laurent), Mortier, Delescluze, Assy, Protot, Eudes, Avrial, Verdure (Popincourt), Varlin, Geresme, Theiß, Fruneau (Reuilly), Leo Meillet, Duval, Chardon, Frankel (Gobelins), Billioray, Martelet, Decamp (Observatorium), V. Clément, J. Vallès, Langevin (Vaugirard), Varlin, E. Clément, C. Gérardin, Chalain, Malon (Batignolles), Blanqui, Theiß, Dereure, J. B. Clément, Ferré, Vermorel, P. Grousset (Montmartre), Oudet, Puget, Delescluze, J. Miot, Ostyn, Flourens (Buttes-Chaumont), Bergeret, Ranvier, Flourens, Blanqui (Menilmontant). Blanqui war am 17. März in der Provinz, wohin er sich nach dem Ende der Belagerung zur Wiederherstellung seiner Gesundheit zurückgezogen hatte, verhaftet worden.

B Es fehlt dem Kleinbürgertum, das seinen Ruhm darin erkennen und vielleicht das Bewusstsein seiner Pflichten darin wiederfinden würde, an einer Geschichte der Sektionen und der Klubs nicht nur von Paris, sondern von ganz Frankreich. Und wer wird die Geschichte der Volksgesellschaften schreiben? Wer wird das Ohr auf die Herzen dieser Armen legen, um zu schildern, wie edel sie schlagen? Wer diese spärlichen unvollkommenen Protokolle durchläuft, findet nur Worte der Brüderlichkeit, Adoption von Waisen, gegenseitige Unterstützung der Besitzlosen. Diese Geschichte ist noch weit menschlicher, als die der Sektionen. Wer einmal diese ruhmlose und trockene Arbeit unternimmt, der wird ein besserer Freund des Volkes sein, als die Ossianischen Schriftsteller, die nach seinem Beifall haschen.

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