Kapitel XIII

Kapitel XIII

Die Kommune wird in Marseille und Narbonne niedergeworfen.

Dieselbe Sonne, die Paris straucheln sieht, beleuchtet die Niederlage des Volkes zu Marseille.

Die lendenlahme Kommission schlummerte friedlich weiter, als Espivent am 26. Lärm schlug, das Departement in Belagerungszustand versetzte und eine Proklamation à la Thiers erließ. Der Munizipalrat zitterte aufs Neue und zog am 27. seine Delegierten aus der Präfektur zurück. Crémieux und Bouchet wurden sogleich auf die Mairie geschickt, um die Bereitwilligkeit der Kommission, sich vor dem Rat aufzulösen, zu verkündigen. Der Rat verlangte Bedenkzeit. So verfloss der Abend. Die Kommission fühlte, dass sie ins Leere tappte, Bouchet beantragte, nach Versailles zu telegrafieren, die Kommission lege ihre Macht in die Hände eines republikanischen Präfekten nieder. Armseliger Ausgang einer großen Bewegung! Man kannte die republikanischen Präfekten des Herrn Thiers aus Erfahrung. Die Kommission ließ es abgespannt und entmutigt zu, dass Bouchet das Telegramm aufsetzte, als Landeck, Amouroux und May eintraten, die, wie sie sagten, von Paris abgesandt waren.

Sie sprachen im Namen der großen Stadt. Bouchet wollte ihr Mandat prüfen und bestritt dessen Gültigkeit, die mehr als bestreitbar war, aber die Hitzköpfe in der Kommission brausten auf. Bei dem Zauberworte: „Paris hat gesiegt!“ war die Begeisterung der ersten Stunden wieder erwacht. Bouchet verließ den Platz. Um Mitternacht entschied sich der Munizipalrat, seinen Beschluss aufrecht zu halten und teilte dies dem Klub der Nationalgarde mit, welcher augenblicklich sein Beispiel nachahmte. Um 1½ Uhr morgens benachrichtigten die Delegierten die Kommission, ihre Gewalt sei erloschen. Die liberale Bourgeoisie machte sich feig aus dem Staube, die Radikalen stahlen sich weg, das Volk blieb allein auf dem Plan, um der Reaktion die Stirn zu bieten.

Dies war die zweite Phase dieser Bewegung. Landeck, der Hitzigste unter den Delegierten, bekam jetzt in der Kommission den größten Einfluss. Die kaltblütigen Republikaner, die ihn hörten und seine früheren Beziehungen zu der kaiserlichen Polizei kannten, argwöhnten einen Bonapartisten hinter dem unwissenden Prahlhans. In Wirklichkeit war er nur ein herumziehender Komödiant von possenhafter Eitelkeit, der vor nichts Bedenken trug, weil seine Unwissenheit zu groß war. Die Situation, mit diesem Hanswurst an der Spitze, wurde geradezu tragisch. Crémieux, der keinen anderen Ausweg sah, hielt noch immer an der Entscheidung vom vergangenen Tage fest. Am 28. schrieb er dem Rat, die Kommission sei bereit sich aufzulösen, indem sie ihm die Verantwortlichkeit für die Ereignisse überlasse und er drängte seine Kollegen die Geiseln freizugeben. Dadurch erlangte er aber nichts, als dass er noch mehr des Moderatismus verdächtig wurde. Überwacht und bedroht, ward er schließlich dieser Streitikeiten müde und verließ noch am selben Abend die Präfektur. Sein Abgang stellte die Kommission völlig bloß. Es gelang derselben, seinen Aufenthalt auszuspüren und ihn unter Anrufung seiner Ergebenheit auf die Präfektur zurückzubringen, wo er seine Rolle als gefangener und doch verantwortlicher Führer weiter spielte. Der Rat gab keine Antwort auf Crémieux’ Brief. Am 29. erneuerte die Kommission ihren Vorschlag, aber der Rat schwieg beharrlich. Abends beschlossen vierhundert Delegierte der Nationalgarde, die sich im Museum versammelten, die Bataillone zu verbinden, und ernannten eine Kommission, welche den Auftrag hatte, zwischen dem Stadthaus und der Präfektur zu unterhandeln. Aber diese Delegierten repräsentierten nur das revolutionäre Element der Bataillone und das Stadthaus versank immer tiefer und tiefer in die Furchtsamkeit.

Nun entspann sich zwischen diesen beiden Mächten ein Krieg, der mittels Proklamationen geführt wurde. Am 30. antwortete der Rat auf den Beschluss des Museums durch eine Proklamation der reaktionären Bataillonsführer. Die Kommission erließ ein Manifest, worin sie die Selbstregierung der Kommune, die Abschaffung der Präfekturen verlangte. Alsbald erklärte der Rat den Generalsekretär des Präfekten für den gesetzlichen Vertreter der Regierung und forderte ihn auf, seinen Posten wieder einzunehmen. Der Sekretär gab jedoch kein Gehör, sondern entfloh auf die „Couronne“. Viele Räte flüchteten gleichfalls ihre Schlafmütze an Bord der Fregatte. Eine höchst überflüssige Feigheit, denn die bekanntesten Reaktionäre gingen unbehelligt umher. Die ganze Tätigkeit der Kommission bestand im Gestikulieren. Sie nahm nur zwei bis drei Beamte gefangen, den Procureur Guibert, den Substituten und ganz vorübergehend den Direktor der Zollbehörde und den Sohn des Maires. Der General Ollivier wurde freigelassen, sobald man erfuhr, dass er sich geweigert hatte, an den gemischten Kommissionen Teil zu nehmen. Man hatte sogar die Gutmütigkeit, einen von Espivent vergessenen Chasseurposten zwei Schritte von der Präfektur zu belassen. Dadurch erschien die Flucht des Rats nur um so schmählicher. Die Stadt war fortgesetzt ruhig, heiter, sogar zu Scherzen aufgelegt. Als eines Tags das Avisoschiff „Le Renard“ der Cannebière seine Kanonen wies, wurde es von der auf dem Kai versammelten Mengen dermaßen ausgepfiffen, dass es das Ankertau schießen lassen und sich an die Fregatte im neuen Hafen wieder anschließen musste.

Die Kommission schloss daraus, dass man keinen Angriff gegen sie wagen würde und traf daher auch keine Verteidigungsmaßregeln. Sie hätte mit leichter Mühe die Anhöhen von Notre Dame de la Garde, welche die Stadt beherrschen, besetzen und eine große Anzahl Garibaldianer anwerben können. Einige Offiziere aus dem letzten Feldzug erboten sich, Alles zu organisieren. Die Kommission dankte ihnen, behauptete jedoch, die Truppen würden gar nicht kommen oder doch auf alle Fälle fraternisieren. Sie begnügte sich damit, die schwarze Fahne aufzupflanzen, eine Proklamation an die Soldaten zu richten, und Waffen und Geschütze ohne passende Geschosse in der Präfektur aufzuhäufen. Der große Landeck wollte sich hervortun. Er erklärte Espivent seines Grades verlustig und ernannte einen alten Kavallerieunteroffizier Namens Pélissier an seiner Stelle. „Bis zu seinem Dienstantritt“, sagte der Erlass, „werden die Truppen unter dem Befehl des Generals Espivent verbleiben.“ Diese Posse ist vom ersten April datiert. Vor dem Kriegsgericht fand Pélissier ein glückliches Wort. Auf die Frage: „Von welchen Armeen sind Sie General gewesen?“ antwortete er: „Ich war General der Situation.“ Und wirklich hatte er niemals Truppen besessen. Am Morgen des 24. nahmen die Arbeiter die Geschäfte wieder auf, denn die Nationalgarde wurde — mit Ausnahme der Wachen auf der Präfektur – nicht bezahlt. Nur mit Mühe konnte man 'hinlängliche Mannschaft zur Besetzung der Posten auftreiben. Um Mitternacht hatte die Präfektur keine hundert Verteidiger.

Ein Handstreich wäre jetzt ein Leichtes gewesen und einige reiche Bourgeois beschlossen einen solchen zu unternehmen. Die tauglichen Leute wurden dazu gefunden, die Ausführung festgestellt. Um Mitternacht wollte man die Kommission aufheben und die Präfektur besetzen, während Espivent auf die Stadt marschierte, so dass er bei Tagesanbruch eintreffen musste. Ein Offizier wurde nach Aubagne geschickt. Der General weigerte sich, indem er Vorsichtsgründe vorschützte, aber seine Umgebung klärte den Abgesandten über die wirkliche Ursache seiner Weigerung auf. „Wir sind aus Marseille wie Spitzbuben hinausgezogen, jetzt wollen wir durch einen glanzvollen Schlag dahin zurückkehren.“

Dieser glanzvolle Schlag schien mit der Armee von Aubagne, die aus sechs- bis siebentausend Mann ohne Kadern und ohne Disziplin bestand, etwas schwierig. Nur das 6. Jägerregiment besaß einige Haltung. Aber Espivent zählte auf die Marinesoldaten den „Couronne“, auf die Nationalgardisten der Ordnungspartei, die fortgesetzt mit ihm in Beziehung standen und vor allem auf die wohlbekannte Sorglosigkeit der Kommission. Dieselbe suchte sich durch Zuziehung von Delegierten der Nationalgarde zu verstärken. Diese beschlossen die Auflösung des Munizipalrats und die Kommission berief die Wähler auf den 3. April. Wäre diese Maßregel am 24. getroffen worden, so hätte sie vielleicht eine allgemeine Versöhnung angebahnt. Am 2. April kam sie am Vorabend der Katastrophe.

Am 3. bei den Nachrichten aus Versailles schickte Espivent den reaktionären Bataillonsführern Order sich bereit zu halten. Um 11 Uhr abends machten Garibaldianische Offiziere auf der Präfektur die Anzeige, dass die Truppen von Aubagne sich in Bewegung setzten. Die Kommission stimmte ihr altes Lied wieder an: „Sie sollen nur kommen, wir sind bereit, sie zu empfangen.“ Um 1½ Uhr entschloss man sich, Lärm zu schlagen. Gegen vier Uhr kamen ungefähr vierhundert Mann auf der Präfektur zusammen; hundert Franctireurs stellten sich auf dem Bahnhof auf, wo die Kommission nicht einmal eine Batterie aufzupflanzen verstanden hatte.

Um fünf Uhr ist Marseille auf den Beinen. Einige reaktionäre Kompanien erscheinen auf dem Platz des Justizpalastes und auf dem Corso Bonaparte, die Marinesoldaten der „Couronne“ stellen sich vor der Börse auf, am Bahnhof fallen die ersten Schüsse.

Espivent erscheint auf drei Punkten, auf dem Bahnhof, der Place Castellane und der Plaine. Die Franctireurs wurden trotz ihrer ausgezeichneten Verteidigung sehr bald umringt und zum Rückzug genötigt. Die Versailler erschossen den Bahnhofskommissär vor den Augen seines Sohnes, eines sechzehnjährigen Knaben, der sich dem Offizier zu Füßen warf und sein Leben für das seines Vaters bot. Dem zweiten Kommissar Funel gelang es, mit zerschmettertem Arm zu entfliehen. Die Kolonnen der Plaine und der Esplanade schoben ihre Vorposten bis auf dreihundert Meter von der Präfektur.

Die Kommission, immer noch im Traume, schickt eine Gesandtschaft an Espivent. Crémieux und Pélissier gehen ab; ihnen nach wälzt sich eine ungeheure Menge von Erwachsenen und Kindern mit dem Ruf: „Es lebe Paris!“ Bei den Vorposten der Place Castellane, wo sich der Generalstab befand, ging Villeneuve, der Kommandant des 6. Jägerregiments, den Delegierten entgegen: „Was sind Ihre Absichten?“ fragte ihn Crémieux. – „Wir kommen, um die Ordnung wieder herzustellen.“ – „Wie, Sie wollen es wagen, auf das Volk zu schießen?“ rief Crémieux und begann eine Ansprache, als ihm der Versailler drohte, seine Jäger marschieren zu lassen. Nun ließen sich die Delegierten zu Espivent führen, welcher ihnen von Verhaftung sprach und ihnen fünf Minuten Zeit gab, um die Präfektur zu räumen. Crémieux findet bei seiner Rückkehr die Jäger handgemein mit der Menge, welche sie zu entwaffnen sucht. Ein neuer Volkshaufe, mit der schwarzen Fahne an der Spitze, wälzt sich heran und prallt gegen die Soldaten. Ein deutscher Offizier, im Dienste Espivents, nimmt Pélissier gefangen, aber die Versailler Führer, welche ihre Leute wanken sehen, geben Befehl zum Rückzug.

Die Menge glaubte, die Truppen machten Kehrt und jauchzte Beifall. Schon hatten sich zwei Infanteriekorps geweigert zu marschieren. Der Platz vor der Präfektur füllte sich mit vertrauensvollen Gruppen. Plötzlich gegen zehn Uhr rückten die Jäger durch die Rue de Rome und die Rue de l’Armény ein. Sie wurden unter lautem Geschrei umringt, Viele nahmen den Kolben hoch. Ein Offizier machte seine Kompanie frei und ließ sie das Bajonett fällen; er fiel mit einer Kugel durch den Kopf. Seine Leute schossen auf die Föderierten, sie sich in die Präfektur flüchteten, wo die nachdringenden Jäger gefangen genommen wurden. An den Fenstern der Präfektur entspann sich das Gewehrfeuer, die Jäger und die Nationalgardisten der Ordnungspartei schossen aus dem Corso Bonaparte und den benachbarten Häusern. Aus dem der Schulbrüder kam ein fortlaufendes Feuer.

Das Gewehrfeuer dauerte schon zwei Stunden und die Föderierten erhielten keine Verstärkung. Unzugänglich in der Präfektur, einem festen viereckigen Gebäude, verschanzt, waren sie nichts desto weniger besiegt, da sie keine Lebensmittel und nur wenig Munition besaßen. Der Feind durfte nur Gewehr bei Fuß warten, bis sie ihre Patronen verbraucht hatten. Aber der General des Heiligen Herzens wollte keinen halben Sieg. Dies war sein erster Feldzug; er brauchte Blut und vor allem viel Lärm. Von elf Uhr an ließ er von der Anhöhe Notre Dame de la Garde die 500 Meter entfernte Präfektur beschießen. Das Fort St. Nicolas eröffnete gleichfalls sein Feuer, aber seine Geschosse, minder scharfsichtig als die der hl. Jungfrau, beschädigten die aristokratischen Häuser auf dem Corso Bonaparte und töteten einen jener heroischen Wächter der Ordnung, die hinter den Soldaten ihre Gewehre abfeuerten. Um drei Uhr zog die Präfektur die Parlamentär-Fahne auf, Espivent schoss immer weiter. Ein Parlamentär wurde abgeschickt, Espivent verlangte, dass man sich auf Gnade und Ungnade ergebe. Um fünf Uhr waren schon mehr als dreihundert Geschosse in das Gebäude gefallen und hatten viele Föderierte verwundet. Als die Verteidiger sahen, dass sie keine Unterstützung erhielten, verließen sie nach und nach den Platz. Die Präfektur schoss schon lange nicht mehr, als Espivent immer noch fortbombardierte. Die Furcht dieses Tölpels war so groß, dass er bis in die sinkende Nacht Granaten werfen ließ. Um sieben ein Halb Uhr stürzten sich die Matrosen der „Couronne“ und der „Magnanime“ kühn in die von allen ihren Verteidigern geräumte Präfektur.

Sie fanden die Geiseln, sowie die am Morgen festgenommenen Jäger im besten Wohlsein. Dennoch fiel die Jesuitenrache grässlich aus. Die Männer der Ordnung verhafteten aufs Geratewohl und schleppten ihre Opfer unter die Lampen des Bahnhofs. Dort nahm sie ein Offizier in Augenschein, winkte Diesem und Jenem herauszutreten und schoss ihm eine Kugel durch den Kopf. Die folgenden Tage hörte man von Massenhinrichtungen in den Kasernen, den Forts und den Gefängnissen. Die genaue Anzahl der Toten, welche das Volk hatte, ist unbekannt, doch waren es mehr als hundertundfünfzig und viele Verwundete hielten sich versteckt. Die Versailler hatten dreißig Tote und fünfzig Verwundete. Mehr als neunhundert Personen wurden in die Kasematten des Schlosses von If und des Forts St. Nicolas geworfen. Gaston Crémieux ward bei dem Verwalter des israelitischen Kirchhofs verhaftet. Er gab sich denen, die ihn suchten, freiwillig zu erkennen, da er sich in seiner Redlichkeit stark genug fühlte und an Richter glaubte. Auch der brave Étienne wurde aufgehoben; Landeck war natürlich unsichtbar geworden.

Am 5. hielt Espivent unter dem wilden, berauschten Zuruf der Reaktionäre seinen triumphierenden Einzug. Aber aus der zweiten Reihe der Menge tönte den Bluthunden Geschrei und Zischen entgegen. Auf der Place St. Ferréol wurde auf einen Kapitän geschossen und die Menge warf die Fenster eines Hauses ein, von wo man die Matrosen begrüßt hatte.

Zwei Tage nach dem Kampf fand der Munizipalrat, der von der „Couronne“ zurückgekehrt war, die Stimme wieder, um über die Besiegten herzufallen.

Die Nationalgarde wurde entwaffnet, die tolle Reaktion entfaltete ihre Fahne. Die Jesuiten schwammen wieder oben auf, Espivent hielt Wallfahrten und man huldigte ihm mit dem Ruf:

Es lebe Jesus! Es lebe das heilige Herz!“ Der Klub der Nationalgarde wurde geschlossen, Bouchet verhaftet. Und die beschimpften, verfolgten Radikalen erkannten wieder einmal, was es kostet, das Volk zu verlassen.

Auch Narbonne wurde niedergeworfen. Am 30. März veröffentlichten der Präfekt und der Generalprocurator eine Proklamation, worin sie von einer Handvoll Meuterer sprachen und sich selbst für die wahre Republik erklärten; sie telegrafierten das Fehlschlagen der Provinzbewegungen nach allen Seiten. „Ist dies ein Grund,“ sagte Digeon in einem Anschlagzettel, „um diese rote Fahne, die vom Blut unserer Märtyrer gefärbt ist, vor der Gewalt zu senken? – Mögen Andere sich dazu verstehen, ewig in der Bedrückung zu leben!“ – Und er rüstete sich zur Schlacht, ließ die Straßen, die nach dem Stadthaus führen, verbarrikadieren. Die Weiber, immer voran, rissen das Pflaster auf und türmten die Möbel übereinander. Die Behörden, welche einen ernstlichen Widerstand fürchteten, schickten Herrn Marcou zu seinem Freund Digeon. Der Brutus von Carcassonne kam in Begleitung zweier Republikaner von Limoux ins Stadthaus, um im Namen des Generalprocurators denen, die das Gebäude räumen würden, volle und ganze Amnestie anzubieten. Man wollte Digeon 24 Stunden Zeit geben, um die Grenze zu erreichen. Digeon versammelte seinen Rat. Alle weigerten sich zu fliehen. Marcou beeilte sich die Militärbehörde zu benachrichtigen, dass sie handeln könne.A General Zentz wurde sogleich nach Narbonne geschickt.

Um 3 Uhr morgens erforschte eine Turco-Abteilung die Barrikade in der Rue du Pont. Die Föderierten überstiegen die Barrikade, um zu fraternisieren, aber sie wurden von einer Salve empfangen, welche zwei Mann tötete und drei verwundete.

Am 31. um 7 Uhr verkündete Zentz in einer Proklamation den Beginn des Bombardements. Digeon schrieb ihm sogleich: „Ich habe das Recht, auf eine wilde Drohung in ähnlicher Form zu antworten. Ich gebe Ihnen zu bedenken, dass ich, wenn Sie die Stadt bombardieren, die drei Personen, welche ich in meiner Gewalt habe, erschießen lasse.“ Als einzige Antwort verhaftet Zentz den Parlamentär und lässt unter die Turcos, die einzigen Truppen, welche marschieren wollen, Branntwein verteilen. Diese Bestien rücken in Narbonne wie auf Beute ein und haben in Kurzem drei Cafés geplündert. Die Schlacht soll eben beginnen, als der Generalprocurator noch zwei Parlamentäre schickt. Er hält die Amnestie aufrecht, welche Tags zuvor denen angeboten worden, die das Stadthaus vor Beginn des Feuers räumen würden, die Hinrichtung der Geiseln aber würde mit Niedermetzelung aller Insassen bestraft werden. Digeon lässt sich diese Bedingungen von einem der Parlamentäre in die Feder diktieren, verliest sie den Föderierten und stellt es jedem frei, sich zurückzuziehen. In diesem Augenblick erscheint der Generalprocurator mit den Turcos vor der Gartenterrasse. Digeon eilt dahin. Der Procurator redet die Menge an und als er von Nachsicht spricht, bestätigt Digeon, dass man Amnestie versprochen habe. Der Procurator bricht die Verhandlungen durch einen Trommelwirbel ab, wiederholt die gesetzlichen Aufforderungen vor der Vorderseite des Stadthauses und verlangt die Geiseln, die ihm von übergelaufenen Soldaten ausgeliefert werden.

Alle diese Besprechungen hatten die Verteidigung sehr gelähmt. Übrigens vermochte das Stadthaus auch nichts gegen ein Bombardement, welches die Stadt der Plünderung Preis gegeben hätte. Digeon lässt das Gebäude räumen und schließt sich allein im Zimmer des Maires ein, entschlossen sein Leben teuer zu verkaufen. Aber die Menge strömt herbei und reißt ihn trotz seines Widerstandes mit fort. Das Stadthaus war leer, als die Turcos eindrangen. Diese plünderten in allen Winkeln und man sah Offiziere sich mit gestohlenen Gegenständen schmücken.

Trotz der ausdrücklichen Amnestie-Verheißungen wurden zahlreiche Haftbefehle erlassen. Digeon weigerte sich zu fliehen und schrieb an den Generalprocurator, man könne ihn verhaften lassen. Ein solcher Mann hätte in Toulouse die Bewegung gerettet, den Süden aufgerüttelt.

Der Unglückstag vom 4. April brachte Limoges einen Hoffnungsschimmer. Die revolutionäre Hauptstadt des Zentrums konnte nicht tatlos den Anstrengungen der Pariser zusehen. Am 23. März beschloss die „Société Populaire“, von welcher alle demokratischen Bewegungen ausgingen, eine Danksagung an die Armee von Paris für ihr Verhalten am 18. März zu richten. Als Versailles Freiwillige verlangte, schärfte die Société dem Munizipalrat ein, diese Aufreizung zum Bürgerkrieg zu verhüten. Kurz nach Proklamierung der Kommune zu Paris schickten die Arbeitergesellschaften einen Delegierten ab, um sich nach den Prinzipien der Kommune zu erkundigen, ihr Programm zu überbringen und einen Kommissar von derselben zu verlangen. Die Kommunemitglieder antworteten, dies sei für den Augenblick unmöglich, man wolle später sehen und sie schickten niemals einen ab. Die „Société Populaire“ musste ganz allein handeln. Sie drängte den Munizipalrat, über die Nationalgarde Musterung zu halten, in der Gewissheit, dass dies eine Kundgebung gegen Versailles zur Folge haben würde. Der Rat, der mit wenigen Ausnahmen aus Angstmännern bestand, schob die Sache hinaus und zog sie in die Länge, als sich die Nachricht vom 3. April verbreitete. Am 4. morgens, als man die Siegesdepesche von Versailles las, rotteten sich die Arbeiter zusammen. Ein Detachement von 500 Soldaten sollte nach Versailles abgehen. Die Menge folgte ihnen auf den Bahnhof und forderte sie auf, sich dem Volke anzuschließen. Die Soldaten, umringt und gerührt, fraternisierten und lieferten ihre Waffen aus, von denen viele auf der Société Populaire versteckt wurden.

Man schlägt Rappell. Der Kürassieroberst Billet, welcher in Begleitung von Ordonnanzen die Stadt durchzieht, wird umringt und gezwungen zu rufen: „Es lebe die Republik!“ Um fünf Uhr ist die gesamte Nationalgarde unter Waffen auf dem Mairieplatz. Die Offiziere sind im Stadthaus beisammen, ein Rat beantragt die Proklamierung der Kommune. Der Maire widersetzt sich, es entsteht Geschrei von allen Seiten. Der Kapitän Coissac übernimmt es, auf den Bahnhof zu gehen, um die Truppenzüge anzuhalten. Die anderen Offiziere befragen die Kompanien, die nur ein Wort haben: „Es lebe Paris! Nieder mit Versailles!“ Bald setzten sich die Bataillone in Bewegung, defilierten vor dem Stadthaus und begaben sich unter Vorantritt zweier mit ihren Schärpen umgürteten Munizipalräte vor den General, um die Freilassung der am selben Tag verhafteten Militärs zu verlangen. Der General gab Befehl, sie freizulassen und schickte gleichzeitig dem Obersten Billet Order, sich gegen die Insurrektion zu rüsten. Vom Tournyplatz aus begaben sich die Föderierten auf die Präfektur, besetzten sie trotz des Widerstands der konservativen Nationalgardisten und begannen mit dem Bau einiger Barrikaden. Als durch die Rue des Prisons Soldaten einmarschierten, beschworen einige Bürger die Offiziere, nicht den Bürgerkrieg zu entfesseln. Diese zauderten und zogen sich zurück, als der Oberst Billet an der Spitze von fünfzig Kürassieren auf dem Platz der St. Michelskirche einrückte und seinen Leuten Befehl erteilte, die Säbel zu ziehen. Sie gaben Feuer aus ihren Pistolen, die Föderierten antworteten, der Oberst wurde tödlich verwundet. Sein Pferd riss aus und trug, gefolgt von den anderen, seinen Reiter bis auf den St. Petersplatz. Die Föderierten blieben Herren des Schlachtfeldes, da sie aber keine Organisation hatten, lösten sie sich in der Nacht auf und verließen die Präfektur. Den anderen Tag zog sich die Kompanie, welche den Bahnhof besetzt hielt, von Allen verlassen, zurück. Die Verhaftungen nahmen ihren Anfang. Viele mussten sich verstecken.

So erloschen die Revolten der großen Städte, eine um die andere, wie die Seitenkrater der erschöpften Vulkane. Die Revolutionäre aus der Provinz zeigten sich überall vollkommen unorganisiert, unfähig, die Macht zu handhaben. Überall Sieger beim ersten Anlauf, wussten die Arbeiter nichts anderes zu tun als zu rufen: „Es lebe Paris!“ Aber sie gaben wenigstens einen Beweis ihres Lebens, ihres Mutes, ihres Stolzes. Achtzig Jahre der Bourgeoisherrschaft hatten sie nicht in ein Bettelvolk zu verwandeln vermocht, während die Radikalen, welche sie bekämpften oder sich von ihnen abwandten, wieder einmal den Verfall, den Egoismus der mittleren Bourgeoisie bestätigten, die immer bereit ist, die Arbeiter an die höheren Klassen zu verhandeln.

A „Als der General, welcher das Departement kommandierte und der Generalprocurator erfuhren, dass ich seit 30 Jahren mit dem Mann, welcher der Kommune von Narbonne Vorstand, befreundet war, suchten sie meine Vermittlung nach, um ihn zur Übergabe zu bewegen. Wir kamen überein, dass ich im Fall des Misslingens augenblicklich eine Depesche an den General Robinet schicken sollte, damit die Militärbehörde alsdann handeln könne. Ich schickte die Depesche um Mitternacht ab. Hätte ich geahnt, dass die Sache heute in Frage gestellt werden würde, so hätte ich Ihnen die beglaubigte Kopie mitgebracht. – Man verkennt mich; Dank meinem persönlichen Einfluss wurde die Ordnung in Carcassonne aufrecht erhalten.“ Herr Marcou in seiner Rede vor der Versammlung als Erwiderung auf Herrn v. Gavardie. Sitzung vom 27. Januar 1874.

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