Kapitel XIX

Kapitel XIX

Die Freimaurer schließen sich an die Kommune an. Erste Räumung des Forts von Issy. Errichtung des Ausschusses der öffentlichen Wohlfahrt.

Herr Thiers sah diesen Unfähigkeiten auf den Grund, aber er kannte auch die Schwäche seiner Truppen, die gewaltigen Hilfsquellen der großen Stadt. Überdies setzte er seine Eitelkeit darein, den Preußen gegenüber den Soldaten zu spielen. Um seine aufgeregten Kollegen, die zum Angriff drängten, zu beschwichtigen, empfing er die Vermittler, welche ihre Bemühungen und ihre hinkenden Kombinationen verdoppelten, von oben herab. Jedermann mischte sich darein, von dem gutmütigen, schwärmerischen Considerant bis zu dem zynischen Girardin, bis zu Schölcher, dem Exadjutanten Saissets, der an Stelle seines Schlachtplans vom 12. März einen Vermittlungsplan gesetzt hatte. Es wurde viel gelacht über diese gemischte Gesellschaft. Seit ihrem Zurückrufen: „Ganz Paris wird sich erheben“, war die Liga der Rechte von Paris unter Null gesunken. Man sah wohl, dass diese Radikalen nur nach einem anständigen Ausweg suchten, um sich aus dem Getümmel zu retten. Ende April gab das mutige Betragen der Freimaurer diese politischen Quacksalber der Verachtung anheim.

Am 21. April, als sie um den Waffenstillstand nachsuchten, hatten sich die Freimaurer über das kürzlich von der Versammlung beschlossene Munizipalgesetz beschwert. „Wie,“ antwortete ihnen Herr Thiers, „es ist ja das freisinnigste, das wir seit achtzig Jahren in Frankreich gehabt haben“. – „Entschuldigen Sie, und unsere kommunalen Einrichtungen von 1791?“ – „Ah, Sie wollen auf die Torheiten unserer Väter zurückkommen?“ – „Kurzum, Sie sind somit entschlossen, Paris zu opfern?“ – „Es werden ein paar Häuser durchlöchert, ein paar Menschen getötet werden, aber das Gesetz wird in Kraft bleiben.“ Die Freimaurer hefteten diese grauenvolle Antwort an den Mauern von Paris an.

Am 26. versammelten sie sich im Châtelet und mehrere schlugen vor, ihre Fahnen auf den Wällen aufzupflanzen. Tausendfacher Beifall folgte diesem Vorschlag. Herr Floquet, der, um für die Zukunft zu sorgen, mit den Herren Lockroy und Clemenceau seine Entlassung als Deputierter genommen hatte, protestierte gegen diesen Anschluss des Kleinbürgertums an das Volk. Seine kreischende Stimme verhallte unbeachtet in dem Begeisterungssturm, der in dem Saal ausbrach.A Auf den Antrag Ranviers zogen die Freimaurer mit ihrer Fahne vor das Stadthaus. Der Rat empfing sie im Ehrenhof. „Wenn die Freimaurer,“ sagte ihr Redner Thirifocq, „nicht gleich zu Anfang handeln wollten, so geschah es nur, weil es ihnen um den Beweis zu tun war, dass Versailles wirklich von keiner Vermittlung hören will. Heute sind sie bereit, ihre Banner auf den Wällen aufzupflanzen. Wenn nur eine einzige Kugel sie trifft, so werden sie mit demselben Ungestüm gegen den gemeinsamen Feind marschieren.“ Auf diese Erklärung jauchzt man Beifall und umarmt einander; Jules Valles überreicht im Namen der Kommune seine rote Schärpe, welche um die Fahne gewickelt wird; eine Delegation des Rats geleitet die Brüder zum Freimaurertempel in der Rue Cadet.

Drei Tage später kamen sie, um ihr Wort einzulösen. Die Ankündigung dieser Intervention hatte Paris mit großer Hoffnung erfüllt. Vom frühen Morgen an besetzte eine ungeheure Menge alle Zugänge des Karusselplatzes, der zum Versammlungsort für alle Logen bestimmt war. Obgleich einige reaktionäre Freimaurer durch Anschlagzettel protestiert hatten, waren um 10 Uhr 10.000 Brüder, welche fünfundfünfzig Logen vertraten, auf dem Karusselplatz aufgestellt. Sechs Mitglieder des Rats führten sie durch die Menge und durch die in Spalieren aufgestellten Bataillone hindurch, auf das Hôtel de Ville. Eine ernste feierliche Musik eröffnete den Zug, ihr folgten höhere Offiziere, die Großmeister, die Mitglieder des Rats und die Brüder mit ihrem breiten Band von blauer, grüner, weißer, roter oder schwarzer Farbe, je nach dem Grad; sie waren um fünfundsechzig Fahnen geschart, welche noch nie das Tageslicht gesehen hatten. Die weiße Fahne von Vincennes, welche voran ging, zeigte in roten Lettern den brüderlichen und revolutionären Wahlspruch: „Liebet euch untereinander!“ Eine Frauenloge wurde mit besonderem Beifall empfangen.

Die Fahnen und eine zahlreiche Delegation zogen ins Stadthaus ein, wo die Mitglieder des Rats auf dem Balkon der Ehrentreppe sie erwarteten. Die Fahnen wurden auf den Stufen aufgestellt. Der Anblick dieser Friedensstandarten, welche das rote Banner begrüßten, dieses Kleinbürgertum, welches dem Proletariat unter dem stolzen Bildnis der Republik die Hand reichte, dieser brüderliche Zuruf begeisterte, belebte die Mutlosesten. Félix Pyat hielt eine rhetorische, mit Antithesen verschnörkelte Ansprache. Vater Beslay war in wenigen, von wirklichen Tränen unterbrochenen Worten viel beredter. Ein Bruder suchte um die Ehre nach, zuerst das Banner seiner Loge, der „Persévérance“, welche im Jahr 1790 zur Zeit der großen Föderationen gegründet worden war, auf den Wällen aufpflanzen zu dürfen. Ein Mitglied des Rats überreichte die rote Fahne: „Sie soll eure Fahne begleiten. Keine Hand vermöge fortan uns gegen einander zu führen, als um uns zu umarmen.“ Der Sprecher der Delegation, Thirifocq, wies auf das Banner von Vincennes: „Wir wollen es zuerst vor den feindlichen Reihen aufstellen. Wir wollen ihnen sagen: Soldaten des Vaterlands, verbrüdert euch mit uns, kommt und umarmt uns – wenn es fehlschlägt, so werden wir uns den Kriegskompanien anschließen.“

Als die Delegierten das Stadthaus verließen, stieg ein freier Ballon mit den drei symbolischen Punkten bezeichnet auf, und streute das Manifest der Freimaurerschaft in die Lüfte. Nachdem der ungeheure Zug der Bastille und den Boulevards seine geheimnisvollen, von tobendem Beifall begrüßten Fahnen gezeigt hatte, langte er gegen 2 Uhr auf dem Rondell der Elysischen Felder an. Die Granaten vom Mont Valérien zwangen ihn, die Seitenwege einzuschlagen, um den Triumphbogen zu erreichen. Hier pflanzte eine Delegation aus allen Ehrwürdigen bestehend, die Banner auf den gefährlichsten Posten von der Porte Maillot bis zur Porte Bineau auf. Als die weiße Fahne auf der Außenwache der Porte Maillot aufgezogen wurde, stellten die Versailler ihr Feuer ein.

Die Delegierten der Freimaurerschaft und einige durch das Los zu ihrem Geleit bestimmte Mitglieder des Rats gingen, die Fahne voran, in der Avenue von Neuilly vor. Auf der Brücke von Courbevoie vor der Versailler Barrikade fanden sie einen Offizier, der sie zum General Montaudon führte, welcher selbst Freimaurer war. Die Pariser setzten den Zweck ihres Vorgehens auseinander und verlangten einen Waffenstillstand. Der General schlug ihnen vor, eine Deputation nach Versailles zu schicken. Drei Delegierte der Freimaurer wurden ausgewählt; ihre Gefährten kehrten in die Stadt zurück. An diesem Abend herrschte Schweigen von St. Quen bis Neuilly. Dombrowski hatte es auf sich genommen, den Waffenstillstand zu verlängern. Seit fünfundzwanzig Tagen schlummerte Paris zum ersten Mal ohne die Kanonen zu hören.

Den anderen Tag kamen die Delegierten zurück. Herr Thiers hatte sie kaum empfangen und hatte Ungeduld und Ärger an den Tag gelegt und den Entschluss, nichts zu gewähren und keine Deputationen mehr zuzulassen. Die Freimaurer beschlossen jetzt mit ihren Abzeichen in den Kampf zu ziehen.

Nachmittags vollzog die republikanische Allianz der Departements ihren feierlichen Beitritt zur Kommune. Millière, der sich gänzlich an die Bewegung angeschlossen hatte, ohne das Vertrauen des Stadthauses gewinnen zu können, bemühte sich, die Eingeborenen der Provinz zu gruppieren. Wem ist es unbekannt, wie viel Blut und Kraft dieselbe der großen Stadt lieferte? Auf die 35.000 Gefangenen französischer Abstammung, welche die Versailler einräumten, rechneten sie nur 9000 geborene Pariser. Jede departementale Gruppe sollte sich bestreben, ihr Land aufzuklären, Zirkulare, Proklamationen, Delegierte zu schicken. Am 30. versammelten sich sämtliche Gruppen im Hof des Louvre, um eine Adresse an die Departements zu beschließen, und Alle zusammen, ungefähr 15.000 Mann, kamen, von Millière geführt, auf das Stadthaus, um ihren Beitritt zu dem patriotischen Werk der Kommune von Paris zu erneuern.

Noch sah man dem Zug dieser Kundgebung zu, als sich eine Unglücksbotschaft auf dem Platz verbreitete: Das Fort Issy ist geräumt!

Unter der Deckung ihrer Batterien hatten die Versailler, welche ihre Laufgräben immer weiter vorwärts führten, in der Nacht vom 26. auf den 27. les Moulineaux überfallen, von wo aus man den Park von Issy erreichen kann. Die folgenden Tage vereinigten sechzig Geschütze von grobem Kaliber ihre Schüsse auf das Fort, während andere Vanves, Montrouge, die Kanonenboote und die Umwallung bestrichen. Issy antwortete tapfer, aber unsere Laufgräben, welche Wetzel hätte überwachen sollen, waren sehr schlecht verteidigt. Am 29. verdoppelte sich die Heftigkeit der Beschießung und die Geschosse wühlten den Park auf. Um 11 Uhr abends stellten die Versailler ihr Feuer ein, überfielen und besetzten in dieser Stille die Laufgräben. Am 30. um 5 Uhr morgens sah sich das Fort, welches von diesem Überfall gar nicht benachrichtigt worden, von einem Halbkreis von Versaillern eingeschlossen. Der Kommandant Megy wurde verwirrt, er verlangte Verstärkungen und erhielt keine. Die Garnison geriet in Bewegung und dieselben Föderierten, welche munter in dem Granatenregen gestanden, erschraken vor ein paar Schützen. Megy hielt Rat; man beschloss das Fort zu räumen. Eiligst vernagelte man die Kanonen und zwar so schlecht, dass sie noch denselben Abend entnagelt wurden. Der Kern der Garnison zog ab. Nur ein paar Mann fassten ihre Pflicht anders auf und beschlossen dazubleiben, um die Ehre zu retten. Im Lauf des Tages ließ sie ein Versailler Offizier auffordern, sich bei Strafe der Erschießung binnen einer Stunde zu ergeben. Sie antworteten nicht.

Um drei Uhr trafen Cluseret und La Cecilia mit einigen in Eile gesammelten Kompanien in Issy ein. Diese schwärmten als Schützen aus, vertrieben die Versailler aus dem Park, und um 6 Uhr besetzten die Föderierten das Fort wieder. Unter dem Eingangstor fanden sie neben einem mit Patronen und Kartätschen gefüllten Karren einen Knaben, Namens Dufour, der im Begriff stand, sich in die Luft zu sprengen, da er glaubte, das Gewölbe würde mit auffliegen. Abends brachten Vermorel und Trinquet weitere Verstärkungen und wir nahmen alle unsere Positionen wieder ein.

Beim ersten Gerücht von der Räumung waren Nationalgardisten auf das Stadthaus geeilt, um die Exekutivkommission zu befragen. Diese verteidigte sich damit, sie habe keinerlei Befehl zur Räumung des Forts gegeben und versprach, die Verräter – wenn solche vorhanden seien – zu bestrafen. Abends verhaftete sie Cluseret bei seiner Rückkunft vom Fort Issy, denn es waren dunkle Gerüchte über ihn im Umlauf. Er schied aus dem Ministerium, ohne auch nur die kleinste Spur einer nützlichen Arbeit zurückzulassen. Seine ganze innere Verteidigung hatte darin bestanden, dass er auf dem Trocadero Kanonen eingrub, welche, wie er sagte, in den Mont Valérien Bresche schossen. Später schob er seine ganze Unfähigkeit auf seine Kollegen, behandelte sie als Schwachköpfe und Prahlhänse, beschuldigte Delescluze der Schurkerei, behauptete, er, Cluseret, allein habe Versailles aufgehalten, seine Verhaftung habe Alles zu Grund gerichtet und, um Alles mit einem Wort zu krönen, nannte er sich bescheidenerweise die Verkörperung des Volks.

Diese Panik von Issy hatte den Wohlfahrtsausschuss zur Folge. Schon am 28. April beim Schluss der Sitzung hatte sich Miot, der einen der schönsten Bärte von 1848 besaß, erhoben, um „ohne Phrasen“ die Errichtung eines Wohlfahrtsausschusses zu verlangen, welcher die Autorität über alle Kommissionen besitzen sollte. Als man ihn aufforderte, seine Gründe dafür anzugeben, antwortete er majestätisch, „er halte diesen Ausschuss für notwendig.“ Jedermann war darüber einig, dass man die Überwachung und Tätigkeit verstärken müsse, denn die zweite Exekutivkommission hatte sich ebenso unfähig erwiesen wie die erste, da jeder Delegierte nur auf sich selber hörte und aus eigener Machtvollkommenheit dekretierte. Wozu aber der Name „Wohlfahrtsausschuss“, diese Parodie der Vergangenheit, dieses Schreckgespenst für Pinsel? Er hatte in dieser Proletariergesellschaft, in diesem Stadthaus, aus dem der Wohlfahrtsausschuss Jacques Roux, Chaumette und die besten Volksfreunde wegreißen ließ, einen üblen Klang. Aber die Romantiker im Rat hatten die Geschichte der Revolution nur durchblättert. Der volltönende Name riss sie fort. Sie hätten sogleich während der Sitzung abgestimmt, ohne die Energie einiger Kollegen, welche eine Diskussion verlangten. „Ja“, sagten diese Letzteren, „wir wollen eine kraftvolle Kommission, aber keinen revolutionären Abklatsch. Es ist Zeit, dass die Kommune sich reformiere, dass sie aufhöre, ein geschwätziges kleines Parlament zu sein, das nach Laune und Willkür morgen zerbricht, was es gestern geschaffen hat.“ Und sie beantragten ein Exekutivkomitee! Die Stimmen blieben gleichmäßig geteilt.

Der Vorfall mit Issy hob die Stimmengleichheit des Rates auf. Am 1. Mai beschlossen 34 gegen 28 Stimmen den Namen. Über den Gesamtvorschlag stimmten 45 mit Ja und 23 mit Nein. Mehrere hatten trotz des Namens mit Ja gestimmt, in der einzigen Absicht, eine starke Macht zu schaffen. Viele motivierten ihre Abstimmung. Die Einen gaben vor, einem gebieterischen Mandat ihrer Wähler zu folgen und zwar wollten diese, „dass die Feiglinge und die Verräter zittern sollen.“ Andere erklärten ganz einfach wie Miot, „es sei eine unerlässliche Maßregel“. Félix Pyat, welcher Miot angetrieben und den Antrag mit Heftigkeit unterstützt hatte, um die Achtung der Hitzköpfe wieder zu gewinnen, gab folgenden gewichtigen Grund an: „Ja, denn das Wort „öffentliche Wohlfahrt“ stammt unbedingt aus demselben Zeitpunkt wie die Wörter „Französische Republik“ und „Kommune von Paris.“ – Tridon sagte jedoch: „Nein, denn ich liebe keine unnützen und lächerlichen Erbschaften.“ Vermorel: „Nein, denn es ist nur ein Wort und das Volk ist schon zu lang mit Worten abgespeist worden.“ – Longuet: „Da ich ebenso wenig an heilbringende Wörter wie an Talismane und Amulette glaube, so stimme ich mit Nein.“ Siebzehn erklärten gemeinsam, gegen Errichtung eines Ausschusses zu stimmen, weil dieser eine Diktatur schaffen würde, und mehrere Andere beriefen sich auf den gleichen Grund. Dies war jedoch kindisch; die Kommune blieb so souverän, dass sie acht Tage später den Ausschuss umstieß.

Nachdem die Opponenten durch die Abstimmung protestiert, hätten sie der Sachlage die beste Seite abgewinnen müssen. Tridon hatte ganz richtig gesagt: „Ich sehe keine Männer für diesen Ausschuss!“ – Dies war nur ein Grund mehr, um den Romantikern das Feld nicht zu überlassen. Statt sich mit denjenigen ihrer Kollegen zu verständigen, denen es darum zu tun war, die Macht zu konzentrieren, nicht einen alten Trödelkram hervorzuholen, sahen sie mit gekreuzten Armen zu und sagten: „Wir können Niemand für eine Einrichtung ernennen, die wir als unnütz und verhängnisvoll betrachten. – Wir sehen die Enthaltung als die einzig würdige, logische und politische Haltung an.“

Die Abstimmung, welche dadurch im Voraus beschimpft war, ergab eine Macht ohne Autorität. Es wurden überhaupt nur 37 Stimmen abgegeben. Ranvier, Ant. Arnaud, Leo Meillet, Ch. Gérardin, F. Pyat wurden ernannt. Die Schreier konnten sich somit beruhigen. Der einzige Mann von wirklicher Energie, Ranvier, eine gerade und glühende Natur, war seiner blinden Güte überlassen.

Im Officiel erschien der ziemlich vollständige Bericht dieser Sitzung. Die Tapferen von den Laufgräben und den Forts erfuhren, dass es im Augenblick, wo Versailles alle seine südlichen Batterien demaskierte, im Stadthaus eine Spaltung gab. Während alle Bourgeois- und Monarchistenparteien dem aufständischen Paris gegenüber ihre Feindseligkeiten zum Schweigen brachten, fanden sich im Rat von Paris Männer, welche inmitten des Kampfes eine Minorität bildeten. Und diese Minorität umschloss mit ungefähr zehn Ausnahmen die Intelligentesten und Gebildetsten.B Wie ist dieser merkwürdige Zustand zu erklären? Wie kommt es, dass gerade diese keinen Einfluss auf ihre Kollegen üben? Es fehlte ihnen mehr als Alles die politische Einsicht.

Der Rat trieb die allgemeine Illusion, dass man aushalten werde, so weit, dass er sich sieben Monate Zeit bestimmte, um die Gegenstände aus dem Pfandhaus einzulösen, und dass er die Heimzahlung der unterschriebenen Schulden auf drei Jahre verschob. Viele aus der Minorität trieben diesen Irrtum noch weiter, sie wollten gar nicht zugeben, dass diese Kommune eine Barrikade war, sondern wollten sich als regelrechte Kommune gebärden. Einige trieben den Widerstand gegen das Autoritätsprinzip bis zum Selbstmord, sie hätten selbst um des Sieges Willen den Notwendigkeiten des Kampfes keine Zugeständnisse gemacht und sagten: „Wir waren unter dem Kaiserreich für die Freiheit, jetzt, da wir am Ruder sind, werden wir unsere Gesinnung nicht verleugnen,“ und selbst noch im Exil haben sie behauptet, die Kommune sei an ihren Autoritätstendenzen zu Grunde gegangen. Neben diesen gab es andere positivere Köpfe, welche nur gegen den Mangel an Methode, an Bestimmtheit und an Ernst bei der Majorität zu protestieren gedachten. Aber sie taten nichts, um ihre Kollegen zu gewinnen und schienen darauf zu warten, dass alle Welt zu ihnen kommen müsse, wie es Tridon gemacht hatte.

Dieser gehörte zu den jungen Leuten, welche unter dem Kaiserreich das lateinische Viertel aufgerüttelt hatten. Der Kongress von Lüttich, ein Ausbruch außerhalb des wiedererwachenden Frankreichs, ein Vorgang, durch welchen man erfuhr, dass die Revolutionäre sich sammelten, besonders aber Tridons Broschüre Die Hébertisten, eine warmgefärbte Schrift, mit einem Anklang an Diderot, in Paradoxen geschrieben, die aber eben dadurch bewies, dass die Geschichte der Revolution eine neue Grundlage erhalten muss, hatten diese burgundische, leichtblütige, aber kräftige und mit gutem Mark genährte Natur in einem kleinen Kreis in den Vordergrund treten lassen. Das große Publikum kannte Tridon erst seit der Belagerung. Seine Artikel in der Patrie en danger, denen Blanquis an Klarheit und Kraft gleich, sein kurzes und scharfes Wort in den öffentliche Versammlungen hatten ihm bei den Pariser Februarwahlen 65.000 Stimmen eingetragen. Von seinem Departement der Goldküste, wo er ansehnliche Güter besaß, gewählt, hatte er sich nach der Abstimmung gegen Elsass-Lothringen aus der Versammlung zurückgezogen. Im Rat sprach er selten und nur stoßweise, aber ebenso verständig als revolutionär gesinnt, verabscheute er die Prahlhänse und wollte wirkliche Maßregeln. Als er die Hohlheit, die Leichtfertigkeit der Romantiker und seiner früheren Freunde, der Verschwörer, sah, brach er kurz mit ihnen, aber er riss Niemand mit sich fort. Sein leidenschaftlicher, misstrauischer Charakter, noch verbittert durch eine Krankheit, bei der er Blut urinierte und an der er bald nach der Kommune starb, machte ihn gänzlich ungeeignet, die Geister vor Verwirrung zu bewahren. An dieser Aufgabe versuchte sich Vermorel. Auch er gehörte jener Jugend an, die sich gegen das Kaiserreich auflehnte; er hatte sogar zuerst jene kleinen Zeitungen vom Studentenviertel hinausgeschickt, welche die Schulen in Aufregung erhielten. Einige Jahre eifrigen und bis zur Leidenschaft getriebenen Studiums machten ihn zum wissenschaftlichen Sozialisten und im Jahre 1867 schuf er den Courrier français, die erste sozialdemokratische Zeitung, die unter dem Kaiserreich erschien. Da er auf den Grund der Dinge ging, bekämpfte er gleicherweise das Kaiserreich und die Liberalen, die Mamelucken und die äußerste Linke, die dummen Konservativen und Bourgeois-Republikaner. Er zog sich dadurch die Sympathie und den Beistand der Arbeiter, aber auch den unversöhnlichen Hass der Liberalen und der romantischen Strohköpfe zu, welche ihn beschuldigten, dass er die Arbeiter mit dem Kaiserreich verbinden wolle. Ein ungeschickterC, giftig entstellter Schritt gab seinen Feinden Gelegenheit zu behaupten, er habe sich an die Regierung angeschlossen. Vergebens ging seine Zeitung unter den Angriffen zu Grund, vergebens ruinierte er sich ganz und gar, um die Gläubiger des Courrier français abzufinden, die Verleumdung fand ihren Weg und viele ergebenen Republikaner liehen ihr das Ohr. Vermorel begnügte sich, durch ein reines, ganz der Arbeit gewidmetes Leben zu antworten; er forderte seine Feinde auf, einen Beweis beizubringen – eine Aufforderung, die er erneuerte, als der 4. September die kaiserlichen Papiere an den Tag förderte — und fuhr fort, die Demokraten über ihre heuchlerischen Mandatare aufzuklären, indem er „die Männer von 1848“ veröffentlichte. Am 31. Oktober, als sich die romantischen Führer wegstahlen, versuchte er einigen Gewinn aus diesem Chaos zu ziehen und wurde gefangen genommen. Nach der Belagerung zog er sich, wie viele Andere, von großer Traurigkeit ergriffen in die Provinz zu seiner Mutter zurück, aber durch seine Wähler vom Montmartre berufen, kam er auf das Stadthaus und widmete sich aufs Neue seiner Pflicht. Hier war er wie immer tätig, fleißig, von Grund aus hingebungsvoll, den Kindereien, den Deklamationen und unnützen Dekreten feind, und verließ den Rat nur, um ins Feuer zu gehen. Mehrere Male verbreitete sich das Gerücht seines Todes. Und doch trotz dieser glücklichen Übereinstimmung von Verstand und Tapferkeit konnte er keinen Einfluss gewinnen. Sein Äußeres schlug ihn nieder. Linkisch, schüchtern, mit dem Aussehen eines Seminaristen und immer mit dem Gedanken ringend, besaß er gar keine Anziehungskraft.

Auch begnügte sich diese aus Theoretikern und einflusslosen Männern bestehende Minorität, die weder mit den Verhältnissen noch mit den Schwächen der Majorität zu rechnen verstand, die sich in ihre autonomistische Prinzipienreiterei einschloss, gewaltsam zu protestieren und brachte dadurch nur die Anderen auf.

Außer den ehemaligen Verschwörern und den Romantikern gab es unter der Majorität mehrere ernste Männer, die ein Programm und eine klare Haltung angezogen hätte. Die beinahe immer zanksüchtige Minorität stieß sie zurück, und Pyats äußerste Geschicklichkeit tat das Übrige. Da er sicher wusste, dass er kein Haar dabei lassen würde, suchte er vor Allem die erste Rolle im Stück für sich zurecht zu machen. Die Krankheit Delescluzes, der beinahe immer zu Bett lag und im Übrigen zu viel Seelengröße besaß, um sich zur Intrige herzugeben, ließ den Künsten Pyats das Feld frei. Weit entfernt, die Romantiker auf den Boden der Wirklichkeit zu führen, schraubte er sie durch seine Extravaganz noch hinaus und war stets bereit, Alles auf den Kopf zu stellen, nur um von sich reden zu machen. Delescluze sprach stets nur zum Frieden, zur Eintracht. Der Andere hätte lieber den Fall der Kommune gesehen, als ihre Rettung durch Einen, den er hasste. Und er hasste Jeden, der über seine Narrheiten lächelte. Es lag ihm wenig daran, ob er den Rat in Verruf brachte, ob er die Ergebensten beschmutzte, wenn er nur seine Eitelkeit rächte. Er konnte schamlos lügen, konnte Verleumdungen aushecken, einen Kollegen angeifern und dann plötzlich gerührt die Arme ausbreiten: „Komm, umarmen wir uns!“ Jetzt beschuldigte er Vermorel, er habe seine Zeitung dem Kaiserreich verkauft, nachdem er sie den Orleanisten angeboten. Man sah ihn nie im Feuer der Vorposten, aber er trieb sich in den Korridoren, in den Kommissionen herum, bald zärtlich, bald scherzhaft, ein wahrer Kulissen-Barrère, bald schäumend, bald patriarchalisch. „Die Kommune! Sie ist ja mein Kind! Ich habe sie zwanzig Jahre lang gehütet, ich habe sie genährt, gewiegt.“ Wenn man ihn hörte, so verdankte man ihm den 18. März. Er sagte irgendwo: „Ich habe nicht die Energie Marats, aber ich habe seine Wachsamkeit, ich bin der Freund des Volkes;“ er wusste nicht – denn seine Unwissenheit war groß – dass Marats Eigenschaften Verstand, Wissen, revolutionäre TiefeD, Einfachheit sind, dass Marat stets ein sicherer Leiter für das Volk war und dass er nie dem Tod aus dem Wege ging. Die ehemaligen Verschwörer, die im Rat eine Gruppe bildeten, machten sich heimlich über Pyat lustig, aber sie benutzten ihn, um die Romantiker zurückzuhalten, und trotz seiner schrecklichen Unfähigkeit bei der ersten Exekutivkommission, trotz einer ganzen Reihe von Entlassungsgesuchen bekam er bei der Abstimmung für den Wohlfahrtsausschuss achtzig Stimmen.

Von jetzt an wurden die Meinungsunterschiede zu Feindseligkeiten. Der Sitzungssaal war klein, schlecht gelüftet, die Atmosphäre, welche sich rasch erhitzte, verursachte fieberhafte Aufregung. Die Diskussionen nahmen einen erbitterten Charakter an. Die Zwietracht keimte, die Mutter der Niederlage. Sie hörte dennoch auf – das Volk erfahre dies ebenso wohl wie ihre Fehler – wenn sie an das Volk dachten, wenn ihre Seelen sich über die armseligen persönlichen Zwistigkeiten erhoben. Sie folgten dem Leichenzug Pierre Lerouxs, welcher die Juniinsurgenten verteidigt hatte, sie ordneten die Niederreißung der Kirche Bréa an, welche dem Andenken eines mit Recht bestraften Verräters errichtet worden, die des Sühnedenkmals, welches die Revolution beschimpft, sie gedachten der noch im Bagno befindlichen politischen Sträflinge und adelten die Place d’Italie durch den Namen Duvals. Alle sozialistischen Dekrete gingen mit Einstimmigkeit durch, – denn wenn sie gleich Unterscheidungen suchten, so waren sie doch Alle Sozialisten. Der Rat war einstimmig, als es galt, zwei seiner Mitglieder auszustoßen, welche früherer Vergehen überwiesen worden.E Und selbst im Augenblicke der höchsten Gefahr wagte Keiner von Kapitulation zu sprechen.

A Vor der Untersuchungskommission, in der Versammlung/stellte er sich als Daniel in der Löwengrube dar. Die Anwesenden hatten sich jedoch begnügt, ihn auszupfeifen, denn Paris ließ diese unfähige Hornisse ungestört summen.

B Die Minorität hatte einen Kern von 22 Mitgliedern: Andrieu, Arnold, A. Arnould, Avrial, Beslay, Clémence, V. Clément, Courbet, Frankel, E. Gérardin, Jourde, Lefrançais, Longuet, Malon, Ostyn, Pindy, Serraillier, Theiß, Tridon, Valles, Varlin, Vermorel.

C Er beging die Unvorsichtigkeit, in Folge einer Vorladung des Courrier français vor die Zuchtpolizei, von Herrn Rouher zu verlangen, dass man gegen das Blatt „auf dem Weg administrativer Bekanntmachungen statt auf dem Weg gerichtlicher Verfolgungen vorgehe.“ S. Untersuchung über den 4. September. Aussage Herrn Rouher, Bd. I, S. 249.

D Es wäre nützlich, wenn die schöne Studie A. Bougearts über Marat zusammengezogen, in eine populäre Form gebracht würde, um nachzuweisen, wie richtig in allen Krisen und Bedrängnissen seiner Zeit der Mann handelte, der jenes in der Revolution einzig dastehende Wort sprach: „Ich habe mich um des französischen Volkes willen zum Gegenstände des Fluchs gemacht.“

E Blanchet, ein Ex-Kapuziner und Bankrotteur, und E. Clément, der sich unter dem Kaiserreich der Polizei angetragen.

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