Kapitel XXII

Kapitel XXII

Die Verschwörungen gegen die Kommune.

Die Kommune hatte eine Menge von gewerbsmäßigen Komplottanzettlern, von Auslieferern der Tore, von Verschwörungsunterhändlern entstehen sehen. Es waren gemeine Spieler, Gossen-Cadoudals, die schon ein Schatten von Polizei in die Flucht gejagt hätte, deren ganze Kraft in der Schwäche der Präfektur und in der Nachlässigkeit der Delegationen bestand. Ihre Akten sind noch nicht ganz aus den Versailler Büros hervorgekommen, aber sie haben viel veröffentlicht, viele Aussagen gegen einander gemacht und, Dank vielen Privatmitteilungen, auch Dank dem Exil, das so manches Dunkel lichtet, können wir einen Einblick in ihr sauberes Handwerk tun.

Von Ende März an beuteten sie alle Ministerien von Versailles aus, indem sie sich anboten, für ein paar Sous Tore auszuliefern oder die Mitglieder des Rats gefangen zu nehmen. Man nahm sie nach und nach in Dienst. Der Generalstabsoberst Corbin wurde beauftragt, die in Paris zurückgebliebenen treuen Nationalgardisten zu organisieren. Der Kommandant eines reaktionären Bataillons, Charpentier, ein ehemaliger Unterrichtsoffizier von St. Cyr, bot ihm seine Dienste an, wurde angenommen und stellte einige Genossen vor, Durouchoux, Demay, Gallimard. Sie erhielten den Befehl, geheime Bataillone zu rekrutieren, welche an dem Tag, wo der allgemeine Angriff alle Föderierten auf die Wälle ziehen würde, die strategischen Punkte des Inneren besetzen sollten. Ein Marineoffizier Namens Domalain erbot sich, in diesem Augenblick den Montmartre, das Stadthaus, den Vendômeplatz und die Intendanz mit einigen Tausend Freiwilligen, die er in der Hand zu haben vorgab, zu besetzen. Er wurde mit Charpentier vereinigt.

Sie rührten sich sehr, sammelten erstaunlich viel Leute um die offiziellen Bierkrüge und kündeten bald 6000 Mann und 150 mit Werkzeugen zum Vernageln versehene Kanoniere an. Alle diese Tapferen warteten nur auf ein Signal und da man Geld brauchte, um ihren Eifer zu stillen, erhielten Charpentier-Domalain durch die Vermittlung Durouchoux’ mehrere hunderttausend Frcs. aus dem Staatsschatz.

Gegen Ende April erhielten sie in le Mère de Beaufond, einem ehemaligen Marineoffizier und Interimsgouverneur von Cayenne, einen gefährlichen Konkurrenten. Statt die Bourgeois anzuwerben, ein Gedanke, den er für lächerlich erklärte, schlug Beaufond vor, den Widerstand durch geschickte Agenten, die zum Abfall aufstacheln und die Einrichtungen aus dem Gang bringen sollten, zu entkräften. Sein Plan ganz im Sinne des Herrn Thiers, wurde zu Versailles sehr gut aufgenommen und er erhielt Vollmacht. Er suchte sich noch zwei entschlossene Männer aus, Larocque, einen Bankbeamten und Lasnier, einen ehemaligen Offizier von der Legion Schölcher.

Das Ministerium hatte noch andere Spürhunde: Den Elsässer Aronshonn, Oberst eines Freikorps während des Kriegs, jedoch durch seine Leute, die ihn in Tours des Diebstahls bezichtigt hatten, kassiert, Franzini, der später von England ausgeliefert und als Betrüger verurteilt wurde, Barral de Montaud, der sich ganz frech auf dem Kriegsministerium vorstellte und es durch seine Unverschämtheit dahin brachte, dass man ihn zum Chef der 7. Legion ernannte, den Abbé Cellini, Almosenier von man weiß nicht welcher Flotte, der von Herrn Jules Simon protegiert wurde. Schließlich waren noch die Verschwörer aus Edelmut da, die großen, von der Kommune verschmähten Generale Lullier, du Bisson, Ganier d’Abin. Diese redlichen Republikaner konnten es nicht ertragen, dass die Kommune die Republik zu Grunde richtete. Wenn sie Geld von Versailles annahmen, so geschah es einzig, um Paris, die republikanische Partei, vor den Männern vom Stadthaus zu retten. Sie wollten freilich die Kommune stürzen, aber verraten, nimmermehr!

Ein Brière de St. Lagier setzte Gesamtberichte über alle diese Ehrenmänner auf und der Sekretär des Herrn Thiers, Troncin-Dumersan, der drei Jahre später als Betrüger verurteilt wurde, machte den Vermittler zwischen Paris und Versailles, brachte die Bezahlung, überwachte seine Leute und hielt die Fäden aller dieser Verschwörungen, welche häufig nichts von einander wussten, in der Hand.

Daher die beständigen Zusammenstöße. Die Landstreicher denunzierten sich gegenseitig. Brière de St. Lagier schrieb: „Ich bitte den Herrn Minister des Innern, Herrn le Mère de Beaufond überwachen zu lassen. Ich habe ihn stark im Verdacht, ein Bonapartist zu sein. Das empfangene Geld hat er größtenteils dazu benutzt, seine Schulden zu bezahlen.“ Dagegen besagte ein anderer Rapport: „Die Herren Domalain, Charpentier und Brière de St. Lagier sind mir verdächtig. Sie sind häufig bei Peters und statt sich mit der großen Sache der Befreiung zu beschäftigen, ahmen sie Pantagruel nach. Sie gelten für Orleanisten.“A

Der rührigste unter diesen Unternehmern, Beaufond, knüpfte schließlich Beziehungen mit dem Generalstab des Obersten Henry Prodhomme, mit der von Vinot kommandierten Kriegsschule und mit dem Kriegsministerium an, wo der Befehlshaber der Artillerie, Guyet, die Vorräte in Unordnung brachte. Seine Agenten Lasnier und Larocques leiteten einen gewissen Muley, der, nachdem er durch Betrug die Unterstützung des Zentralkomitees gewonnen hatte, zum Chef der 17. Legion gewählt worden war, die er zum Teil lahm legte. Ein Artillerieoffizier, Kapitän Piguier, den ihnen das Ministerium zur Verfügung gestellt hatte, enthüllte den Plan der Barrikaden und einer von den Ihren konnte am 8. Mai schreiben: „Man hat keine Torpedos darin vorgesehen, die Armee kann mit Trompetenschall einziehen.“ Bald griffen sie geradezu das Gewissen an, bald gaben sie sich als Freunde und zogen geschickt Erkundigungen ein. Die Unvorsichtigkeit der Angestellten erleichterte ihnen die Aufgabe in merkwürdiger Weise. Generalstabsoffiziere, Vorsteher der Ämter, welche wichtig tun wollten, verhandelten die bedenklichsten Angelegenheiten in den Boulevard-Cafés, die von Spionen wimmelten. Cournet, der Rigault auf der Polizeipräfektur nachgefolgt war, besaß zwar mehr Haltung, sorgte aber nicht besser für die allgemeine Sicherheit. Lullier, der zweimal verhaftet worden war und immer wieder entkam, sprach öffentlich in den Cafés davon, dass er die Kommune wegfegen wolle. Troncin-Dumersan, der seit zwanzig Jahren als Polizeiwerkzeug des Ministeriums des Innern bekannt war, ging offen auf den Boulevards herum und hielt Revue über seine Leute. Die Unternehmer, denen die Befestigung des Montmartre übertragen war, fanden täglich neue Vorwände, um die Eröffnung der Arbeiten zu verzögern. Die Kirche Bréa blieb unberührt. Der Übernehmer der Niederreißung des Sühnedenkmals wusste die Sache bis zum Einzug der Truppe hinauszuziehen. Nur der Zufall brachte das Komplott der Armbinden an den Tag und der Treue Dombrowskis dankte man die Anzeige der Vayssetschen Verschwörung.

Dieser Geschäftsträger war nach Versailles gekommen, um dem Minister eine Verproviantierungsunternehmung vorzuschlagen. Da er abgewiesen wurde, zog er ein anderes Geschäft aus der Tasche, indem er sich erbot, Dombrowski zu bestechen. Durch den Admiral Saisset, der immer gleich verrückt blieb, aufgemuntert, leitete er seine Unternehmung wie eine Handelsgesellschaft ein, sammelte sich Genossen, 20.000 Frs. für die Nebenkosten und besprach sich mit Hutzinger, einem Adjutanten Dombrowskis, der später von der Polizei angestellt wurde, die Geächteten in London auszuspionieren. Vaysset sagte ihm, Versailles würde Dombrowski eine Million geben, wenn der General die Tore, die er kommandiere, übergeben wolle. Dombrowski benachrichtigte augenblicklich den Wohlfahrtsausschuss und schlug ihm vor, ein oder zwei Versailler Armeekorps hereinzulassen, die man mit den aufgestellten Bataillonen vernichten würde. Das Komitee wollte nicht diese Gefahr laufen, aber es gab Dombrowski Befehl, die Unterhandlung fortzuführen.B Hutzinger begleitete Vaysset nach Versailles, suchte Saisset auf, der sich selber als Geisel anbot, zur Bürgschaft der Dombrowski gegebenen Versprechungen. Der Admiral sollte sich sogar an einem bestimmten Abend heimlich auf den Vendômeplatz begeben und der Wohlfahrtsausschuss, der davon wusste, war schon bereit, ihn zu verhaften, als ihn Barthélemy St. Hilaire von dieser neuen Eselei abbrachte.

Herr Thiers kam nun allmählich von der Hoffnung auf einen Überfall zurück. Dies war seit den ersten Maitagen sein Steckenpferd gewesen. Auf die Treue eines Gerichtsboten, der das Tor Dauphine durch seinen Freund Laporte, den Chef der 16. Legion ausliefern zu lassen versprach, hatte Herr Thiers, trotz des Widerstrebens MacMahons und der Armee, die einen siegreichen Einzug wollten, einen ganzen Plan gebaut. In der Nacht vom 3. Mai wurde die ganze aktive Armee und ein Teil der Reserve auf die Beine gebracht. Der General Thiers schlug in Sèvres sein Nachtlager auf. Um Mitternacht waren die Truppen im Boulogner Wald vor dem innern See aufgestellt und man blickte gespannt auf die geschlossenen Tore. Dieselben sollten durch eine reaktionäre Kompanie geöffnet werden, die sich in Passy unter dem Befehl Werys, eines Leutnants beim 38. Bataillon und Bevollmächtigten seines früheren Kommandanten Lavigne, gebildet hatte. Aber die geistreichen Verschwörer hatten versäumt, Lavigne zu benachrichtigen. Da die Kompanie, welche die Föderierten ablösen sollte, keinen Befehl von ihrem höheren Chef hatte, fürchtete sie einen Fallstrick und verweigerte den Dienst. Der treue Posten wurde nicht abgelöst. Bei Tagesanbruch kehrten die Truppen, nachdem sie mehrere Stunden verloren hatten, in ihre Quartiere zurück. Zwei Tage nachher wurde Laporte verhaftet, man ließ ihn aber viel zu früh wieder los.

Beaufond folgte dem Gerichtsboten und verbürgte die Auslieferung der Tore von Auteuil und Dauphine für die Nacht vom 12. auf den 13. Herr Thiers ließ sich noch einmal fangen und schickte ein ganzes Material von Sturmleitern. Mehrere Detachements wurden zum Point du Jour dirigiert und die Armee hielt sich bereit ihnen zu folgen. Im letzten Augenblick aber scheiterten die tiefen Kombinationen der VerschwörerC und wie am 3. musste die Armee ohne Lorbeeren heimziehen. Dieser Versuch war zur Kenntnis des Wohlfahrtsausschusses gekommen, dem der erste unbekannt geblieben war.

Lasnier wurde den anderen Tag verhaftet. Das Komitee hatte die dreifarbigen Armbinden, welche die Nationalgardisten der Ordnungspartei beim Einzug des Heeres tragen sollten, mit Beschlag belegt. Die Frau Legros, welche sie fabrizierte, zahlte ihren Arbeiterinnen den Lohn nicht aus. Eine von ihnen kam in dem Glauben, sie arbeite auf Rechnung der Kommune, auf das Stadthaus und verlangte ihre Bezahlung. Die bei der Legros angestellten Nachforschungen führten auf die Spur Beaufonds und seiner Mitschuldigen. Beaufond und Larocques gelang es, sich zu verstecken, Troncin-Cumersan erreichte Versailles, Charpentier blieb Herr des Terrains. Corbin drängte ihn, seine Leute zu Dutzenden und Hunderten zu organisieren und schrieb ihm einen ganzen Plan vor, um sich beim Einzug der Truppen des Stadthauses zu bemächtigen. Charpentier ließ sich nicht stören, er unterhielt ihn täglich von neuen Eroberungen, sprach von 20.000 Rekruten, verlangte Dynamit, um die Häuser in die Luft zu sprengenD und verbrauchte die beträchtlichen Summen, die ihm Durouchoux übergab, à la Pantagruel.

Kurz, allen vereinigten Verschwörern gelang es nicht, auch nur ein einziges Tor auszuliefern, aber sie trugen sehr viel dazu bei, die Einrichtungen ins Stocken zu bringen. Doch muss man ihre Rapporte mit Misstrauen lesen, denn sie berichten häufig von erdichteten Erfolgen, um die Anwendung der mehreren Hunderttausende, die sie eingesäckelt haben, zu rechtfertigen.

A Alle Berichte, die ich anführe oder auf die ich mich stütze, sind nach den ungedruckten Originalen kopiert.

B „Es wäre besser gewesen, sich der Stadt mit Gewalt zu bemächtigen“, sagt der apostolische Graf de Mun (Untersuchung über den 18. März, Bd. II, S. 277.) „das Recht gibt sich in unbestreitbarer Weise kund.“ – Das Recht auf das Gemetzel vermutlich. — „Es wäre besser gewesen, nicht von uns sagen zu lassen, dass wir durch die Seitentüre hereingekommen seien.“

C Es ist in einer Schrift behauptet worden, ein polnischer Offizier vom Generalstab Dombrowskis, der später im Straßenkampf fiel, sei der Agent dieses Versuchs zum Verrat gewesen. Trotz sorgfältiger Nachforschungen habe ich keinen Beweis dafür auffinden können.

D Siehe einen Brief des Obersten Corbin, welcher in der Geschichte der Verschwörungen unter der Kommune angeführt wird, einer Arbeit von A. J. Dalsème, die als Roman zugestutzt ist, die aber einige Aktenstücke enthält.

Kommentare