Kapitel XXIII

Kapitel XXIII

Durch die Kanone und die Politik haben wir Paris erobert.

Herr Thiers, Untersuchung über den 18. März.

Die Politik des Herrn Herrn Thiers hinsichtlich der Provinz. Die äußerste Linke liefert Paris aus.

Wer ist der große Verschwörer gegen Paris? Die äußerste Linke. Was war Herrn Thiers am 19. März noch geblieben, um Frankreich zu regieren? Er hatte weder Armee, noch Kanonen, noch die großen Städte. Diese hingegen waren im Besitz von Waffen, ihre Arbeiter regten sich. Wenn diese kleine Bourgeoisie, welche der Provinz die Revolutionen der Hauptstadt zuträgt, sich der Bewegung anschließt und ihrer Schwester Paris nachfolgt, so kann ihr Herr Thiers keine wahrhafte Regierung entgegenstellen. Welche Hebel wendet der Führer der Bourgeoisie an, um fortzubestehen, um die Provinz zurückzuhalten und sie zu bewegen, dass sie die Soldaten und Kanonen zur Niederwerfung von Paris liefert? Ein Wort und eine Handvoll Männer. Dieses Wort heißt „Republik“ und die Männer sind die anerkannten Führer der republikanischen Partei.

Mögen die hartköpfigen Krautjunker beim bloßen Worte „Republik“ ein Gekläff aufschlagen und sich weigern, dasselbe in ihre Proklamationen aufzunehmen. Herr Thiers ist ein viel durchtriebenerer Kopf, er nimmt den Mund voll davon und, die Abstimmungen der Versammlung verdrehendA, gibt er es als Losungswort aus.B Von den ersten Erhebungen an wiederholen alle seine Bediensteten in der Provinz unaufhörlich den Refrain: „Wir verteidigen die Republik gegen die Aufwiegler.“C Dies war schon etwas. Aber die Krautjunker-Abstimmungen, die Vergangenheit des Herrn Thiers schrien gegen diese republikanischen Versicherungen. Die ehemaligen Helden von der Verteidigung boten selbst für die Provinzbewohner keine genügende Bürgschaft mehr. Das fühlte Herr Thiers und er rief die Reinsten der Reinen auf, die alten Streiter der Sache, die das Exil wieder ausgespien hatten. Ihr Ansehen war in den Augen der Demokraten aus der Provinz noch ungeschmälert. Herr Thiers nahm sie mit in die Vorzimmer, er sagte ihnen, sie hielten das Schicksal der Republik in Händen, schmeichelte ihrer Greiseneitelkeit und reihte sie so trefflich ein, dass er sie vom 23. an als Schild benützte.D Als die Republikaner des Provinzial-Kleinbürgertums den tiefen Denker Louis Blanc, den geistvollen Schölcher und die berühmtesten radikalen Graubärte nach Versailles fliegen, das Zentralkomitee beschimpfen sahen, während sie selbst weder ein Programm erhielten noch Emissäre, die im Stand gewesen wären, eine Beweisführung aufzustellen, wandten sie sich ab und ließen die von den Arbeitern entzündete Fackel erlöschen.

Die Kanonen vom 3. April rüttelten sie ein wenig auf. Am 5. sprach der Munizipalrat von Lille, der aus republikanischen Notabilitäten bestand, von Versöhnung, forderte Herrn Thiers auf, die Republik zu bestätigen. Der von Lyon verfasste eine ähnliche Adresse, St. Omer schickte Delegierte nach Versailles, Troyes erklärte, er schließe sich im Geist und im Herzen den heroischen Bürgern an, die für ihre republikanischen Überzeugungen kämpften. Mâcon forderte die Regierung und die Versammlung auf, durch Anerkennung republikanischer Einrichtungen dem Kampf ein Ende zu machen. Die Drôme, das Var, Vaucluse, das Ardèche, die Loire, Savoyen, das Hérault, das Gers, die östlichen Pyrenäen, zwanzig Departements, erließen ähnliche Adressen. Die Arbeiter von Rouen erklärten, sie schlössen sich der Kommune an, die von Havre, durch die Bourgeoisrepublikaner zurückgestoßen, bildeten eine unabhängige Gruppe. Am 16. zogen in Grenoble sechshundert Männer, Weiber und Kinder auf den Bahnhof, um die Abfahrt der Truppen und Munitionen nach Versailles zu verhindern. Am 18. veranstaltete man in Nimes eine Kundgebung, durchzog mit der roten Fahne an der Spitze die Stadt und rief: Es lebe die Kommune! Es lebe Paris! Nieder mit Versailles! Am 16., 17. und 18. entstanden Unruhen in Bordeaux. Polizeiagenten wurden eingekerkert, Offiziere geprügelt, die Infanteriekaserne wurde mit Steinen bombardiert und das Volk schrie: Es lebe Paris! Tod den Verrätern! Die Bewegung ergriff auch die ackerbautreibenden Klassen. Zu Saincoin im Cher, zu Charité-sur-Loire, zu Pouilly in der Nièvre trugen Nationalgardisten bewaffnet die rote Fahne herum. Cosne folgte am 18., Fleury-sur-Loire am 19. Das rote Banner wehte dauernd in Ariège, in Foix hielt man die Kanonen auf, in Varilhes versuchte man die Munitionswagen aus den Geleisen zu bringen, in Périgueux bemächtigten sich die Bahnhofarbeiter der Mitrailleusen.

Am 15. stellten sich fünf Delegierte des Lyoner Munizipalrates bei Herrn Thiers ein. Er beteuerte seine Ergebenheit gegen die Republik und schwor, die Versammlung werde keine Konstituante werden. Wenn er seine Beamten außerhalb der republikanischen Reihen wähle, so geschehe es im Interesse der Republik selbst, um alle Parteien zu schonen. Er verteidige sie gegen die Männer vom Stadthaus, ihre schlimmsten Feinde, sagte er. Die Delegierten könnten sich in Paris selbst davon überzeugen, er sei völlig bereit, ihnen Pässe zu geben. Wenn sich übrigens Lyon erlaube, sich zu rühren, so habe er hier 30.000 Mann zu seiner Niederwerfung bereit.E Dies war die stereotype Rede. Allen Deputationen gab er dieselbe Antwort mit einer treuherzigen Miene und einem Schwall von Vertraulichkeiten, die die Provinzler völlig bestachen.

Von der Präsidentschaft gingen sie hin zu den Lichtern der äußersten Linken, Louis Blanc, Schölcher, Adam und anderen berühmten Demokraten, welche die Parole des Herrn Thiers besiegelten. Diese Herren wollten gern zugeben, dass die Sache von Paris gerecht sei, aber sie erklärten sie für schlecht eingeleitet, missverstanden und in einem frevelhaften Kampf begriffen. Wenn Paris ein Leichnam sein werde, dann wollten sie sehen, was zu tun sei. Die Gelegenheitspolitik stammt nicht von gestern. Sie kam am 19. März 1871 zur Welt, hatte Louis Blanc u. Cie. zu Gevattern und wurde mit dem Blut von dreißigtausend Parisern getauft.F

Mit wem in Paris soll man denn unterhandeln? sagte Louis Blanc. Die Leute, die sich dort um die Herrschaft streiten, sind Fanatiker, Dummköpfe oder Schurken, von den bonapartistischen oder preußischen Umtrieben ganz zu schweigen: Alle diese Radikalen warfen sich in die Brust. „Wären wir denn nicht in Paris, wenn Paris im Recht wäre?“ Die Mehrzahl der Delegierten – Advokaten, Doktoren, Geschäftsleute, die in der Achtung vor berühmten Namen aufgewachsen waren und jetzt auch noch die Jungen wie Apostel sprechen hörten – kehrten in die Provinz zurück und predigten dort, was die Linke ihnen gepredigt hatte: man müsse die Kommune aufgeben, um die Republik zu retten. Eine kleine Zahl drang bis nach Paris. Da sie aber die Spaltungen im Stadthaus sahen, da sie häufig von Leuten empfangen wurden, die ihre Ideen nicht zu formulieren vermochten, da sie Félix Pyat im Vengeur bedrohte, kehrten sie heim, fest überzeugt, dass in dieser Unordnung nichts zu holen sei. Als sie wieder durch Versailles kamen, triumphierten die Deputierten der Linken: „Nun, was haben wir Ihnen gesagt?“ Bis auf Martin Bernard war auch nicht Einer, der seinen Wählern nicht den Eselsfußtritt gegeben hätte.

In Paris könnten Viele noch gar nicht an einen so vollendeten Verrat der Linken glauben, und beschworen sie noch. „Was tun Sie in Versailles, wenn Versailles Paris bombardieren lässt?“ sagte eine Adresse Ende April. „Welche Rolle können Sie unter solchen Kollegen spielen, die Ihre Wähler morden? Wenn Sie darauf bestehen, inmitten der Feinde von Paris zu bleiben, so machen Sie sich wenigstens nicht durch Ihr Schweigen zu Mitschuldigen. – Wie? Sie lassen Herrn Thiers in die Departements schreiben: „Die Insurgenten räumen die bedeutendsten Häuser in Paris aus, um das Mobiliar dem Verkauf auszusetzen,“ und Sie steigen nicht auf die Tribüne, um Protest zu erheben? – Wie! Die ganze Bonapartisten- und Krautjunkerpresse kann die Departements mit heillosen Artikeln überschwemmen, worin behauptet wird, in Paris sei Mord, Gewalttat, Diebstahl an der Tagesordnung, und Sie schweigen! – Wie? Herr Thiers behauptet, seine Gendarmen morden die Gefangenen nicht? Sie können mit diesen empörenden Hinrichtungen nicht unbekannt sein und Sie schweigen! Steigen Sie auf die Tribüne, verkünden Sie den Departements die Wahrheit, welche die Feinde der Kommune ihnen so sorgfältig verheimlichen. – Aber sind denn unsere Feinde die eurigen?“

Nutzloser Aufruf, den die Feigheit der Linken umzudrehen verstand. Louis Blanc ließ sich im Tartuffestil vernehmen: „O Bürgerkrieg! Schreckensvoller Kampf! Die Kanone donnert! Man tötet, man stirbt, und diejenigen in der Versammlung, welche gern ihr Leben darum gäben, diese blutige Frage in friedlicher Weise gelöst zu sehen, sind verdammt zu der Strafe, keine Bewegung machen, keinen Schrei ausstoßen, kein Wort sagen zu können!“ Seit der Entstehung der französischen Versammlungen hatte man keine schmachvollere linke Seite gesehen. Die Schläge, die Beschimpfungen, die Bespuckung der Gefangenen konnten diesen elenden Pariser Deputierten keinen Protest entreißen. Ein Einziger, Tolain, verlangte Aufklärungen über den Mord von Belle-Epine. Louis Blanc, Schölcher, Adam, Greppo, Langlois, Brisson, die Gérontes und die Scapins sahen scheinheilig zu, wie man ihre Wähler mordete, und träumten zugleich von ihrer künftigen Wiederwahl, da sie wussten, wie leicht Paris vergisst.

Ihre Verleumdungen vermochten wohl die Bewegung, aber nicht die Seelenangst der Provinz zu unterdrücken. Im Herzen, mit dem Willen waren die Arbeiter Frankreichs für Paris. Die Bahnhofbediensteten redeten die Soldaten auf der Durchfahrt an, beschworen sie, die Kolben hoch zu nehmen; die offiziellen Plakate wurden über Nacht abgerissen. Die Hauptorte schickten ihre Adressen zu Hunderten. Alle republikanischen Zeitungen verlangten den Frieden, suchten nach Mitteln zum Ausgleich zwischen Paris und Versailles. Die Aufregung wurde chronisch. Herr Thiers sandte Dufaure ab, den Henkersknecht der modernen Bourgeoisie, einen der gehässigsten Vollstrecker ihrer niedrigen Taten. Er schärfte seinen Prokuratoren ein, alle Schriftsteller zu verfolgen, welche die Kommune verteidigten, „diese von Ausländern und von losgelassenen Sträflingen angemaßte Diktatur, die ihre Herrschaft durch den Diebstahl mit nächtlichem bewaffnetem Einbruch in den Privathäusern kennzeichnet“, die Vermittler niederzuhalten, „welche die Versammlung auffordern, ihre edle Hand der blutbefleckten Hand ihrer Feinde entgegenzustrecken.“ Versailles hoffte so im Augenblick der Munizipalwahlen, welche am 30. April stattfanden, den Schrecken zu verbreiten.

Dieselben fielen überall republikanisch aus. Diese Provinz, die sich im Juni 48 und bei den Wahlen von 49 gegen Paris erhoben hatte, schickte im Jahr 1871 keine hundert Freiwilligen und wollte nur gegen die Versammlung kämpfen. Zu Thiers (Puy de Dome) besetzte das Volk das Stadthaus, pflanzte die rote Fahne auf, bemächtigte sich der Telegrafen. In Souppes, Nemours, Château-Landon im Arrondissement von Fontainebleau brachen Unruhen aus. In Dordives (Loiret) pflanzten die Kommunarden vor der Mairie eine Pappel auf, auf welcher die rote Fahne wehte. In Montargis steckten sie die rote Fahne auf, schlugen den Aufruf der Kommune an die Dorfschaften an und zwangen einen Sachwalter, der das Plakat abreißen wollte, fußfällig Abbitte zu tun. In Coulommiers (Seine et Marne) hielt man unter dem Ruf „Es lebe die Republik! Es lebe die Kommune!“ Kundgebungen ab.

Lyon stand auf. Die dreifarbige Fahne herrschte dort seit dem 24. März, ausgenommen auf der Guillotière, wo das Volk die seinige aufrecht hielt. Der Rat hatte, in das Stadthaus zurückgekehrt, die Anerkennung der Rechte von Paris, die Erwählung einer konstituierenden Versammlung gefordert und Bourras, einen Franctireur-Offizier, zum Kommandanten der Nationalgarde ernannt. Während er seine Adressen und Schritte bei Herrn Thiers verdoppelte, regte sich die Nationalgarde aufs Neue. Sie legte dem Munizipalrat ein Programm vor, welcher sich jedoch weigerte, dasselbe offiziell anzuerkennen. Das Fiasko der nach Versailles geschickten Delegierten steigerte die Erbitterung. Als die Kommunalwahlen auf den 30. angekündigt wurden, behauptete das revolutionäre Element, das durch die Versammlung beschlossene Gesetz sei ungültig, denn dieselbe habe nicht die Rechte einer konstituierenden Versammlung. Zwei Delegierte von Paris forderten den Maire Henon auf, die Wahlen zu verschieben und einer der Akteure des Scharmützels vom 28. September, Gaspard Blanc, erschien wieder auf dem Schauplatz. Die Radikalen, die beständig nach Bonapartismus schnüffeln, haben über die Gegenwart dieses Individuums Lärm geschlagen, aber er war damals noch nichts als ein Hirnverbrannter und legte die kaiserliche Livree erst im Exil an. Am 27. wurde in einer großen öffentlichen Zusammenkunft auf den Brotteaux die Wahlenthaltung beschlossen. Alle Komitees der Guillotière folgten und am 29. beschloss man in öffentlicher Sitzung, sich der Abstimmung zu widersetzen.

Am 30., dem Wahltag, wird von morgens sechs Uhr an auf der Guillotière Generalmarsch geschlagen. Bewaffnete Bürger nehmen die Urne fort und stellen Schildwachen an der Saaltüre auf. Eine Proklamation wird angeheftet: „Die Stadt Lyon kann nicht länger ihre Schwester, die heldenmütige Stadt Paris erwürgen lassen. – Die Lyoner Revolutionäre haben in allgemeiner Übereinstimmung eine provisorische Kommission ernannt. Ihre Mitglieder sind fest entschlossen, ehe sie auf den Sieg verzichten, eine Stadt, die feig genug ist, Paris und die Republik morden zu lassen, in einen Trümmerhaufen zu verwandeln.“ Der Mairieplatz füllt sich mit einer erregten Menge. Der Maire Crestin und sein Adjunkt, welche einschreiten wollen, finden kein Gehör, eine revolutionäre Kommission setzt sich in der Mairie fest.

Bourras sendet den Kommandanten der Guillotière Befehl, ihre Bataillone zu sammeln. Sie stellen sich gegen 2 Uhr auf dem Cours des Brosses auf. Eine große Anzahl Gardisten missbilligt die Bewegung, aber Keiner will für Versailles kämpfen. Die Menge umringt sie und sie lösen schließlich die Reihen auf. Hundert Mann, von ihrem Kapitän geführt, pflanzen auf der Mairie ihre rote Standarte auf. Man sucht den Maire und die Kommission schlägt ihm vor, sich der Bewegung anzuschließen. Er weigert sich, wie er sich am 22. März geweigert hatte. Plötzlich hört man Kanonendonner.

Henon und der Munizipalrat wären wie im vergangenen Monat für ein zuwartendes Verfahren gewesen. Valentin und Crouzat träumten von Espivent. Um fünf Uhr rückt das 38. Linienregiment über die Brücke der Guillotière ein. Die Menge dringt unter die Reihen der Soldaten und beschwört sie, nicht zu schießen. Die Offiziere sehen sich genötigt, ihre Mannschaft in die Kasernen zurückzuführen. Unterdessen befestigt sich die Guillotière. Eine große Barrikade, die sich von den Läden des Nouveau-Monde in die Ecke der Mairie zieht, versperrt die Grande Rue, eine andere erhebt sich beim Eingang der Rue des Trois Rois, eine dritte auf der Fläche der Rue de Chabrol.

Um sechs ein halb Uhr rückt das 38. Regiment aus seiner Kaserne, diesmal wohl eingerahmt in einem Jägerbataillon. Valentin, Crouzat und Andrieux, der Prokurator der Republik, marschieren voran. Vor der Mairie werden die Aufforderungen erlassen. Schüsse antworten, der Präfekt wird verwundet. Die Kavallerie säubert den Cours des Brosses und den Mairieplatz, zwei Kanonen eröffnen das Feuer auf das Gebäude. Die Türen stürzen bald in Trümmer, die Besatzung zieht sich zurück. Die Truppen dringen ein, nachdem sie eine Schildwache, die ihren Posten bis zum letzten Augenblick halten wollte, niedergemacht hatten. Man erzählte, ein Versailler Offizier habe fünf Insurgenten, welche drinnen überfallen wurden, mit Revolverschüssen getötet.

Der Kampf dauerte noch einen Teil der Nacht in den benachbarten Straßen fort. Die Soldaten, durch die Dunkelheit getäuscht, töteten hundert ihrer eigenen Leute. Die Verluste der Kommunarden waren geringer. Um 3 Uhr morgens war Alles aus.

In Croix-Rousse hatten einige Bürger die Mairie gestürmt und die Urnen zerstreut. Die Schlappe der Guillotière machte ihrem Widerstand schnell ein Ende.

Die Versailler benützten den Sieg, um die Bataillone der Guillotière zu entwaffnen, aber die Bevölkerung wollte sich nicht den Siegern anschließen. Einige Monarchisten waren den Tag über gewählt worden. Sie wurden genötigt, sich einer zweiten Abstimmung zu unterwerfen, da Jedermann die Wahlen vom 30. als ungültig betrachtete. Keiner von ihnen wurde wiedergewählt. Die Aufregung zu Gunsten von Paris dauerte fort.

Diese neugewählten republikanischen Räte konnten Versailles Gesetze vorschreiben. Die vorgeschrittene Presse ermutigte sie. Der Tribüne von Bordeaux gebührt die Ehre, zuerst einen Kongress aller Städte Frankreichs zur Beendigung des Bürgerkriegs, zur Sicherung der munizipalen Freiheiten und zur Befestigung der Republik vorgeschlagen zu haben. Der Munizipalrat von Lyon erließ ein gleichlautendes Programm, wobei er alle Munizipalitäten aufforderte, Delegierte nach Lyon zu schicken. Am 4. Mai traten die Delegierten der Räte der hervorragendsten Städte des Hérault in Montpellier zusammen. Die Liberté des Hérault berief in einem warmen Aufruf, der von fünfzig Zeitungen nachgedruckt wurde, die departementale Presse zu einem Kongress. Eine gemeinsame Handlung sollte also an die Stelle der unzusammenhängenden Bewegung der letzten Woche treten. Wenn die Provinz ihre Kraft, ihre Bedürfnisse und die gegebene Stunde verstand, wenn sie eine Gruppe von Männern auf der Höhe der Situation fand, so musste Versailles, zwischen Paris und den Departements eingeklemmt, vor dem republikanischen Frankreich die Waffen strecken. Herr Thiers fühlte die Gefahr wohl; er half sich mit Kühnheit durch und verbot die Kongresse. „Die Regierung würde die Versammlung, Frankreich, die Zivilisation verraten,“ sagte der Officiel vom 8. Mai, „wenn sie neben der gesetzlichen, aus dem allgemeinen Stimmrecht hervorgegangenen Gewalt die Schichten des Kommunismus und der Rebellion sich bilden ließe.“ Picard sagte auf der Tribüne von den Urhebern des Kongresses: „Nie war ein Versuch verbrecherischer als der ihre. Außerhalb der Versammlung gibt es kein Recht.“ Die Generalprokuratoren, die Präfekten empfangen den Befehl, alle Zusammenkünfte zu verhüten. Mitglieder der Liga der Rechte von Paris, die sich nach Bordeaux begaben, wurden verhaftet.

Das war genug, um die Radikalen in Schrecken zu setzen. Die Organisatoren des Kongresses von Bordeaux hielten sich still. Die von Lyon schrieben in kläglichem Tone nach Versailles, dass sie nur die Absicht hätten, eine Notabelnversammlung zu berufen. Herr Thiers, der seinen Zweck erreicht hatte, verschmähte es, sie zu verfolgen; er ließ es selbst zu, dass die Delegierten von sechzehn Departements ihre Beschwerdepunkte aufsetzten und feierlich erklärten, dass sie „denjenigen der beiden im Kampfe stehenden Teile, welcher ihre Bedingungen zurückweisen würde, verantwortlich machen müssten.“ Sie konnten sich noch wichtig machen, ihr Chef hatte ja noch weniger getan. Gambetta hatte sich nach St. Sebastian in Spanien zurückgezogen und wartete dort, stumm, ohne ein Wort für die Tapferen, die sich der Republik opferten, in einem zynischen Nichtstun ab, bis die Ereignisse gesprochen haben würden.

So ließ das Kleinbürgertum aus der Provinz eine seltene Gelegenheit, seine Freiheiten zu erobern und seine große Rolle von 92 wieder aufzunehmen, vorübergehen. Man sah, wie sehr eine lange politische Knechtschaft, der gänzliche Mangel alles politischen Lebens sein Blut und seine Intelligenz geschwächt hatten. Vom 19. März bis zum 5. April hatte es die Arbeiter im Stich gelassen, statt ihnen zu Hilfe zu kommen, ihre Bemühungen zu unterstützen, mit ihnen die Revolution zu retten und fortzusetzen. Als es sprechen wollte, stand es allein, dem Spott seiner Feinde preisgegeben. Das ist seine Geschichte seit Robespierre. Auch beherrschte Thiers am 10. Mai die Situation vollkommen. Da er alle Waffen benützte, von der Bestechung bis zum Patriotismus, da er in seinen Telegrammen keine Lüge scheute und den Zeitungen Lügen diktierte, indem er den Deputationen gegenüber, je nachdem, bald treuherzig, bald hochmütig auftrat, indem er bald seine Gendarmen, bald seine Deputierten der Linken aussandte, war es ihm gelungen, alle Vermittlungsversuche fern zu halten. Er hatte eben den Frieden von Frankfurt unterschrieben und da er von dieser Seite frei war, da er sich der Provinz entledigt hatte, stand er Mann gegen Mann Paris gegenüber.

Es war hohe Zeit. Die fünfwöchentliche Belagerung hatte die Geduld der Krautjunker erschöpft. Der anfängliche Argwohn erwachte aufs Neue. Sie glaubten, der „Kleinbürger“ zögere, um Paris zu schonen. Eben hatte die „Union der Syndikate“ den Bericht einer neuen Besprechung veröffentlicht, wobei es den Anschein gehabt haben sollte, als gäbe Thiers nach. Ein Deputierter der Rechten stürzte auf die Tribüne und beschuldigte Thiers, dass er den Einzug verschiebe. Er antwortete verdrießlich: „Wenn unsere Armee 600 Meter vor Paris den Laufgraben eröffnet, so bedeutet das nicht, dass wir nicht einziehen wollen.“ Am anderen Tag — es war der 11. — erneuerte die Rechte ihren Angriff. Ob es wahr sei, dass Thiers zum Maire von Bordeaux gesagt habe, wenn die Insurgenten die Feindseligkeiten einstellen wollten, so lasse man eine Woche lang die Tore offen für Alle, ausgenommen die Mörder der Generale? Ob die Regierung daran denke, irgend welche Pariser der Gewalt der Versammlung zu entziehen? Thiers schimpft und nimmt eine weinerliche Miene an: „Sie wählen den Tag, an dem ich proskribiert bin, an dem mein Haus niedergerissen wird – das ist unwürdig – ich bin genötigt, entsetzliche Taten anzubefehlen – ich befehle sie an. – Ich brauche ein Vertrauensvotum -.“ Aufs Äußerste getrieben, fletscht er unter dem Murren der Rechten die Zähne: „Ich erkläre, es sind unter Ihnen unkluge Köpfe, die Alles übertreiben wollen. Die Truppen brauchen noch acht Tage. Nach Verlauf dieser acht Tage wird die Gefahr vorüber sein und die Aufgabe wird ihrem Mut und ihrer Fähigkeit entsprechen.“

Acht Tage, hört ihr's, Mitglieder der Kommune?

A Am 23. telegrafierte Picard dem Generalprokurator von Aix: „Die Republik ist gestern in einer Proklamation der Versammlung von Neuem bestätigt worden.“ Es war dieselbe Proklamation, welche die Versammlung mit dem Ruf: Es lebe die Republik! zu schließen sich geweigert hatte.

B Am selben Tag – es war der Tag des Aufstands von Marseille – telegrafierte Dufaure an denselben Generalprokurator: „Lesen Sie den Namen ,Französische Republik' am Eingang aller Depeschen, die ich Ihnen schicke, ab.“

C Ich habe zwanzig Stück Proklamationen von Präfekten oder Magistraten in der Hand. Sie sind in diesem Punkte gleichlautend.

D „Eine große Rede des Präsidenten des Rats – seine Rede vom 21. gegen Paris – ist von äußersten Linken applaudiert worden.“ Dufaure an den Generalprokurator zu Aix den 23. März.

E Er gestand diese List in einer Rede zu Bordeaux im Jahre 1875 ein: „Ich hätte mit den Trümmern der Armee eine Kriegsmacht von 150.000 Mann zusammenbringen können, aber wenn diese Macht auch hinreichte, um Paris der Kommune zu entreißen, so genügte sie doch nicht, die großen Städte Frankreichs im Zaum zu halten, welche sehr für die Aufrechterhaltung der Republik besorgt waren und mich misstrauisch und aufgeregt befragen ließen, ob wir für die Monarchie kämpften.“

F Sie ist „auferstanden“ würde ich sagen, wenn ich nicht glaubte, diesen Eunuchen zu viel Ehre zu erweisen, wenn ich sie mit Robespierre zusammenstellte, der mit ihnen verglichen eine Heldengestalt ist. Und doch schweift der Gedanke unwillkürlich zu jenem Pontifex, der den republikanischen Aufschwung vom Juni und Juli 1791 für „ungelegen“ erklärte, für ungelegen das Geschrei des durch die Kornwucherer ausgehungerten Paris, für ungelegen das Volk, das in der Verfassung von 93 einen einzigen Artikel zu seinen Gunsten verlangte, für ungelegen die Kommissare, ohne welche Frankreich zerstückelt worden wäre, für ungelegen die große Bewegung gegen den Kultus, für ungelegen die Sozialisten und Jacques Roux, den er zum Tod befördert, für ungelegen die Volksgesellschaften, die er schließt und nach denen Alles in Paris erlischt, für ungelegen Clootz, der alle revolutionären Kräfte der Welt mit Frankreich verbinden wollte, für ungelegen Hébert, der ihm doch die Sozialisten ersticken half, für ungelegen schließlich Alles, was nicht nach seinem liebenswürdigen Muster zugeschnitten und gestutzt war, bis zum Tag, wo er selbst durch die Großbourgeoisie für ungelegen erklärt wurde, die es eben so leicht wie gelegen fand, ihn auf einen Zug zu verschlingen, nachdem er den revolutionären Löwen gut für sie geschwächt, geschröpft und geknebelt hatte.

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