Kapitel XXVIII

Kapitel XXVIII

Dienstag, den 23. Montmartre wird genommen. Die Massenmetzeleien. Wir verlieren an Terrain. Paris in Flammen. Die letzte Nacht des Stadthauses.

Die Verteidiger der Barrikaden schlafen auf ihrem Pflaster. Die feindlichen Vorposten wachen. Rekognoszierende Versailler heben in Batignolles eine Schildwache auf. Der Föderierte ruft aus Leibeskräften: „Es lebe die Kommune!“ und seine gewarnten Kameraden können Vorsichtsmaßregeln ergreifen. Er wird auf der Stelle erschossen. Auf diese Weise fielen d’Assas und Barra.

Um zwei Uhr bringt La Cécilia, von den Mitgliedern des Rats Lefrançais, Vermorel, Johannard und den Journalisten Alphons Humbert und Maroteau begleitet, eine Verstärkung von hundert Mann nach Batignolles. Auf die Vorwürfe Malons, dass er das Viertel den ganzen Tag ohne Hilfe gelassen habe, entgegnet der General: „Man gehorcht mir nicht.“

Drei Uhr. Auf die Barrikaden! Die Kommune ist noch nicht tot! Die Morgenluft erfrischt die ermüdeten Gesichter und belebt die Hoffnung. Die feindliche Kanonade begrüßt auf der ganzen Linie den Tagesanbruch. Die Artillerie der Kommune antwortet nach besten Kräften von Montparnasse bis zu den Buttes Montmartre, die sich ein wenig zu beleben scheinen.

Ladmirault, der Tags zuvor fast unbeweglich geblieben, entsendet seine Leute den Festungswerken entlang, indem er alle Tore von Neuilly bis St. Quen im Rücken angreift. Zu seiner Rechten greift Clinchant mit derselben Bewegung alle Barrikaden von Batignolles an. Die Straße Cardinet wird zuerst genommen, hierauf die Straßen Noblet, Truffaut, la Condamine, die Avenue basse von Clichy. Plötzlich öffnet sich das Tor von St. Quen und speit Versailler aus. Es ist die Division Montaudon, welche seit gestern an der Außenseite operiert. Die Preußen haben die neutrale Zone ausgeliefert. Mit Genehmigung Bismarcks umzingeln Clinchant und Ladmirault die Hügel von beiden Seiten. Nahe daran, in der Mairie des 17. Arrondissements zerniert zu werden, ordnet Malon den Rückzug auf Montmartre an. Man beordert auch ein Detachement von 25 Frauen dahin, die sich unter der Führung der Bürgerinnen Dimitriew und Louise Michel angeboten haben. Clinchant verfolgt seinen Marsch und stößt auf die Barrikade auf dem Platz Clichy. Um diesen schlecht geordneten Steinhaufen, hinter welchem kaum fünfzig Mann kämpfen können, zu nehmen, bedarf es der vereinten Kräfte der Versailler aus der Rue St. Petersburg und ihrer Schützen vom Collège Chaptal. Da die Föderierten keine Kugeln mehr haben, laden sie mit Steinen und Erdpech; nachdem ihnen auch das Pulver ausgegangen, ziehen sie sich in die Rue des Carrières zurück. Ladmirault, Herr der Avenue St. Quen, umgeht ihre Barrikade durch den Kirchhof Montmartre. Etwa zwanzig Gardisten, die sich nicht ergeben wollen, werden von den Versaillern erschossen.

Weiter hinten kämpft das Viertel des Epinettes noch eine zeitlang; allmählich erlischt aller Widerstand und gegen neun Uhr gehört ganz Batignolles der Armee.

Das Stadthaus weiß noch nichts von den Erfolgen der Truppen, als Vermorel herbeieilt, um Munition für Montmartre zu holen. Als er eben mit dem Wagen zurück will, begegnet er Ferré, und mit jenem lächelnden Tone, der ihm so eigen war, sagt er: „Nun Ferré, die Mitglieder der Minorität schlagen sich.“ – „Die Mitglieder der Majorität werden ihre Pflicht tun,“ erwidert Ferré. Großmütiger Wetteifer dieser beiden dem Volke so ergebenen Männer, die beide so edel sterben sollten!

Vermorel kann seine Munitionswagen nicht bis Montmartre bringen: Die Versailler zernieren schon die Anhöhe. Im Besitz von Batignolles brauchen sie nur noch die Hand auszustrecken, um Montmartre zu nehmen. Die Hügel scheinen ausgestorben. Die blinde Panik hat über Nacht ihr Werk beschleunigt. Die Bataillone sind eins nach dem anderen zusammengeschmolzen, verschwunden. Individuen, die man einige Stunden darauf in den Reihen der Armee sah, haben zum Abfall angereizt, falsche Nachrichten ausgestreut, und jeden Augenblick Zivil- oder Militärbehörden unter dem Vorwand, dass sie Verräter seien, aufgehalten. Nur hundert Mann besetzen die Nordseite. Einige Barrikaden sind Nachts sehr lässig angefangen worden; die Frauen allein bezeigten Eifer.

Cluseret hat sich seiner Gewohnheit nach verflüchtigt. Ungeachtet seiner Depeschen und der Versprechungen des Stadthauses hat La Cécilia weder Verstärkungen noch Munition erhalten. Da er um 9 Uhr die Kanonen der Hügel nicht mehr vernimmt, eilt er dort hin. Die Kanoniere sind fort. Die Flüchtigen von Batignolles, die um 10 Uhr ankommen, bringen nur die Panik mit sich. Die Versailler können kommen, keine zweihundert Kämpfer sind da, um sie zu empfangen; dennoch wagt MacMahon den Angriff nur mit seinen besten Truppen, so furchtbar ist diese Stellung und der Ruf des Montmartre. Zwei vollständige Armeekorps greifen ihn durch die Straßen Lepic, Mercadet und die Chaussée Clignancourt an. Von Zeit zu Zeit fallen Flintenschüsse aus einigen Häusern, sogleich machen die Kolonnen Halt und beginnen eine regelrechte Belagerung. Diese zwanzigtausend Mann, welche den Montmartre umringen und von der auf dem Damm der Umwallung aufgestellten Artillerie unterstützt werden, brauchen drei Stunden, um die ohne Methode von einigen Dutzend Schützen verteidigten Positionen zu erklettern.

Um 11 Uhr ist der Kirchhof erobert. Kurz darauf erreichen die Truppen Château-Rouge. In der Umgegend lässt sich einiges Kleingewehrfeuer vernehmen. – Bald sind die wenigen Hartnäckigen, die noch kämpften, getötet, oder sie ziehen sich, durch ihre Isolierung entmutigt, zurück. Die Versailler ersteigen die Hügel auf allen Abhängen, die hinaufführen und setzen sich um Mittag in der Mühle La Galette fest, ziehen den Platz St. Pierre herab auf die Mairie und nehmen ohne den geringsten Widerstand das ganze 18. Arrondissement ein. So wurde ohne Schlacht, ohne Sturm, selbst ohne verzweifelte Gegenwehr diese uneinnehmbare Festung aufgegeben, von wo aus einige Hundert entschlossener Männer die ganze Armee der Versailler in Schach halten und die Nationalversammlung zu einem Vergleiche zwingen konnten. Kaum in Montmartre angekommen, will der Versailler Generalstab Lecomte und Clément Thomas rächen. Zweiundvierzig Männer, drei Frauen und vier Kinder werden an die Nummer 6 der Rue des Rosiers geführt, wo man sie zwingt, mit entblößtem Haupte vor der Mauer, an deren Fuß die Generäle am 18. März hingerichtet worden waren, niederzuknien. Hierauf werden sie getötet. Eine Frau, die ihr Kind in den Armen hält, weigert sich niederzuknien und ruft ihren Gefährten zu: „Zeigt diesen Elenden, dass ihr aufrecht sterben könnt.“

An den folgenden Tagen werden diese Schlächtereien fortgesetzt. Jeder Schub Gefangener wurde vorher eine Zeit lang vor der mit Kugeln gespickten Mauer aufgestellt. Dann erschoss man sie auf dem Abhang des Hügels, der den Weg nach St. Denis beherrscht.

Batignolles und Montmartre sehen die ersten Massenmetzeleien. Jedes Individuum, das eine Uniform oder Kommissschuhe trägt, wird „von Rechtswegen“, ohne Erklärung, ohne Verhör, erschossen. So morden die Versailler vom frühen Morgen an am Square von Batignolles, auf dem Stadthausplatz, am Tore von Clichy. Der Park Monceau ist ihre vorzüglichste Schlachtbank im 17. Arrondissement. In Montmartre sind die Hügel, das Élisée, wo jede Stufe aus Leichen besteht, und die äußern Boulevards die Mittelpunkte der Metzeleien.

Zwei Schritte vom Montmartre entfernt, weiß man noch nichts von der Katastrophe. Auf dem Platz Blanche hält sich die Frauenbarrikade mehrere Stunden lang gegen die Soldaten Clinchauts. Sie ziehen sich hiernach auf die Barrikade Pigale zurück, welche gegen zwei Uhr fällt. Ihr Anführer wird vor einen Versailler Kommandanten geführt. „Wer bist Du?“ fragt der Offizier. „Der Maurer Lévèque, Mitglied des Zentralkomitees.“ Der Versailler feuert ihm seinen Revolver ins Gesicht, die Soldaten töten ihn vollends.

Auf dem anderen Seineufer ist unser Widerstand glücklicher. Die Versailler konnten seit dem Morgen die Caserne de Babylone und L’Abbaye au Bois besetzen, aber Varlin hält sie an der Ecke von Croix Rousse plötzlich auf. Diese Ecke wird in der Verteidigung von Paris berühmt bleiben. Alle Straßen, die hier einmünden, hat man stark verbarrikadiert und dieser Waffenplatz wird nicht eher aufgegeben, als bis die Feuersbrunst und die Granaten einen Trümmerhaufen daraus gemacht haben. An den Ufern des Flusses, in der Rue de l’Université, Rue St. Dominique, Rue de Grenelle, widerstehen das 67., das 135., das 138. und das 147. Bataillon, durch die Enfants perdus und die Schützen unterstützt, aufs Hartnäckigste. In der Rue de Rennes und auf den dortigen Boulevards ermatten die Versailler. In der Rue Vavin, wo Lisbonne den Widerstand leitet, grenzt die Anstrengung ans Wunderbare. Zwei Tage lang wird dieser Vorposten die Einnahme des Luxembourg aufhalten.

Auf unserem äußersten linken Flügel sind wir weniger sicher. Die Versailler haben schon früh den Friedhof Montparnasse, den wir mit einer Handvoll Leute halten, umzingelt. Bei dem Restaurant Richefeu lassen die Föderierten den Feind herankommen und demaskieren auf Gesichtsweite die Mitrailleusen. Nutzlose Anstrengung! Die Versailler sind zahlreich genug, um von allen Seiten die wenigen Verteidiger des Friedhofs zu umringen und bald besetzen sie ihn. Von hier gelangen sie, die Wälle des 14. Arrondissements entlang marschierend, auf den Platz St. Pierre. Die Befestigungswerke der Avenue d’Italie und der Landstraße von Chatillon, die schon seit langer Zeit, aber nur gegen die Wälle gerüstet sind, werden vom Rücken durch die Chaussée du Maine genommen. Die ganze Verteidigung des Quatre-Chemins konzentriert sich um die Kirche. Vom Glockenturm herab unterstützen ein Dutzend Föderierte von Montrouge die Barrikade, welche die Chaussée du Maine zu zwei Dritteln verschließt. Dreißig Mann halten sie mehrere Stunden lang. Endlich gehen ihnen die Patronen aus, und die dreifarbige Fahne erhebt sich auf der Mairie zur selben Stunde, wo sie auf den Hügeln des Montmartre weht. Der Weg ist von diesem Augenblick an bis zum Platz d’Enfer offen. Die Versailler langen dort an, nachdem sie das Feuer des Observatoriums, wo einige Föderierte zusammenstehen, ausgehalten haben.

Hinter diesen eroberten Linien erheben sich durch die Bemühungen Wroblewskis andere Verteidigungswerke. Als derselbe Tags zuvor Befehl zur Räumung der Forts erhalten hatte, antwortete er: „Ist das Verrat oder ein Missverständnis? Niemals werde ich sie räumen.“ Nach der Einnahme des Montmartre kam der General zu Delescluze und drängte ihn, den Kampf auf das linke Ufer hinüber zu verlegen. Die Seine, die Forts, das Panthéon, La Bièvre bildeten nach seiner Ansicht eine sichere Verschanzung, wo man für den Fall des Rückzugs die freien Felder hatte. Diese Auffassung wäre für reguläre Truppen sehr richtig gewesen, aber man kann nicht nach Gutdünken den Mittelpunkt einer Insurrektion verpflanzen und die Föderierten bestanden mehr und mehr darauf, ihre Viertel zu verteidigen.

Wroblewski kehrte in sein Hauptquartier zurück, rief die Befehlshaber der Forts zusammen, schrieb alle Bestimmungen für die Verteidigung vor und kam zurück, um den Oberbefehl über das linke Ufer zu übernehmen, den er durch frühere Dekrete erhalten hatte. Als er Befehle in das Panthéon schickte, antwortete man ihm, dass Lisbonne dort kommandiere. Ohne sich entmutigen zu lassen, setzte Wroblewski den Rayon, der ihm blieb, in Verteidigungszustand. Er stellte auf die Buttes aux Cailles, die wichtigste Position zwischen dem Panthéon und den Forts, eine Batterie von 8 Stücken und zwei Batterien von 4 Stücken. Er befestigte die Boulevards d’Italie, de l’Hôpital, de la Gare. Sein Hauptquartier wird in der Mairie des Gobelins errichtet, seine Reserve Place d’Italie, Place Jeanne d’Arc und in Bercy.

An dem anderen Ende von Paris bereiten das 19. und 20. Arrondissement ihre Verteidigung vor. Der brave Passedouet ist an du Bissons Stelle getreten, der es noch wagte, sich als Befehlshaber der Legion von La Villete vorzustellen.

Man verbarrikadiert die Grande Rue de la Chapelle, hinter der Straßburger Bahn, die Ruhe d’Aubervilliers, Rue de Flandre und den Kanal in der Weise, dass fünf Verteidigungslinien gebildet werden, die auf den Seiten durch die Boulevards und die Festungswerke geschützt sind. Man stellt Kanonen in der Rue Riquet, bei der Gasfabrik auf. Wallgeschütze werden mit den Armen auf die Buttes Chaumont geschleppt, andere in die Rue Puebla. Eine Batterie von 6 Stücken kommt auf den Père Lachaise und erfüllt Paris mit ihrem Donner.

Paris ist öde und stumm. Wie Tags zuvor, bleiben auch heute die Läden geschlossen. Die von der Sonne beschienenen Straßen sehen verlassen und drohend aus. Nur Stafetten, die im gestreckten Laufe vorbeireiten, Geschütze, die vorbeigebracht werden, und im Marsch begriffene Kämpfer unterbrechen diese Einsamkeit. Durch die Stille vernimmt man den Ruf: „Die Läden auf! Weg mit den Jalousien!“ Über den blinden Fenstern wird nach vorhergegangener Untersuchung ein Zeichen angebracht. Zwei Journale, der Tribun du peuple und der Salut-Public sind trotz der Versailler Granaten, die in die Druckerei in der Rue d’Abukir fallen, erschienen.

Im Stadthaus tun einige Männer ihr Möglichstes, um für alle Einzelheiten zu sorgen. Ein Dekret ermächtigt die Barrikadenchefs, die nötigen Handwerkszeuge und Lebensmittel zu requirieren. Ein anderes verurteilt jedes Haus, aus dem auf die Föderierten geschossen wird, zur Niederbrennung. Der Wohlfahrtsausschuss schlägt Nachmittags einen Aufruf an die Soldaten an: Das Volk von Paris kann nicht glauben, dass Ihr Eure Waffen gegen dasselbe kehren werdet. Wenn seine Brust die Eurige berührt, so werden Eure Hände ablassen von einer Tat, die ein wahrhafter Brudermord wäre.

Ihr seid Proletarier wie wir. – Was Ihr am 18. März tatet, das werdet Ihr wieder tun. – Kommt zu uns, Brüder, kommt zu uns, unsere Arme sind offen, um Euch zu empfangen.“

Das Zentralkomitee schlägt gleichzeitig einen ähnlichen Aufruf an. Kindliche aber großherzige Illusionen! Das ganze Volk von Paris dachte hierüber wie seine Bevollmächtigten. Trotz der Raserei der Nationalversammlung, den Erschießungen der Verwundeten, den Misshandlungen der Gefangenen seit 6 Wochen, wollten die Arbeiter nicht annehmen, dass Kinder des Volks die Eingeweide jener Stadt zerfleischen konnte, die für sie kämpfte. Um drei Uhr zeigen sich Bonvalet und andere Mitglieder der „Liga der Rechte von Paris“ auf dem Stadthause, wo sie von einigen Mitgliedern des Rats und des Wohlfahrtsausschusses empfangen werden. Sie jammern über diesen Kampf, machen den Vorschlag, dazwischen zu treten, wie sie es schon einmal so glücklich während der Belagerung getan und erbieten sich, Thiers den Ausdruck ihres Schmerzes zu überbringen. Im Übrigen stellen sie sich dem Stadthaus zur Verfügung. „Gut, so nehmt eine Flinte und geht auf die Barrikade.“ Vor dieser direkten Zumutung zieht sich die Liga auf das Zentralkomitee zurück, das die Naivität hat, ihr Gehör zu schenken.

Wer wird auch in offener Schlacht unterhandeln! Die Versailler verfolgen ihren Sieg auf dem Montmartre und dringen in diesem Augenblick gegen den Boulevard Ornano und den Nordbahnhof vor. Um zwei Uhr werden die Barrikaden in der Chaussée Clignancourt aufgegeben. In der Rue Myrrha fällt Dombrowski an der Seite Vermorels, tödlich verwundet.

Des Morgens hatte ihm Delescluze gesagt, er solle gegen den Montmartre hin sein Möglichstes tun. Ohne Hoffnung, ohne Mannschaft, seit dem Eindringen der Versailler verdächtig, blieb Dombrowski nichts übrig, als zu sterben. Er hauchte zwei Stunden später im Spital Lariboisière den Geist aus. Sein Leichnam wurde aufs Stadthaus gebracht; auf dem Wege dorthin präsentierten die Barrikadenkämpfer ihre Waffen. Dieser glorreiche Tod hat den Argwohn entwaffnet.

Clinchant, der jetzt auf seinem rechten Flügel frei ist, macht einen Vorstoß in das 9. Arrondissement. Eine Kolonne kommt die Straßen Fontaine St. George, St. D. de Lorette herab und macht an der Ecke gezwungen Halt. Die andere beschießt das Kollege Rollin, bevor sie in die Straße Trudaine dringt, wo sie bis zum Abend zurückgehalten wird.

Mehr im Zentrum, am Boulevard Haussmann, bedrängt Douay hart aus der Nähe die Barrikade der Magazine des „Printemps“. Er zerstreut durch Kanonenschüsse die Föderierten, welche die Kirche de la Trinité besetzt hielten. Fünf unter der Vorhalle der Kirche aufgestellte Stücke beschießen sodann die Barrikade 46, welche die Chaussée d’Antin am Eingang des Boulevards versperrt. Ein Detachement rückt in die Straßen Châteaudun und Lafayette. An der Straßenkreuzung des Faubourg Montmartre wird es von einer kaum meterhohen, durch 25 Mann verteidigten Barrikade bis in die Nacht aufgehalten.

Der rechte Flügel Douays ist immer noch gegen die Rue royale machtlos. Seit zwei Tagen unterhält Brunel dort einen Kampf, dem nur der auf den Buttes aux Cailles, auf dem Bastilleplatz und von Château d’Eau zu vergleichen ist. Seine vorzüglichste Barrikade, welche die Straße schräg durchschneidet, wird von den benachbarten Häusern beherrscht, von wo aus die Versailler die Föderierten dezimieren. Brunel, von der Wichtigkeit des anvertrauten Postens durchdrungen, befiehlt, die mörderischen Häuser anzuzünden. Ein Föderierter, der ihm gehorcht, wird von einer Kugel ins Auge getroffen, und stirbt neben Brunel mit den Worten: „Ich bezahle Ihren Befehl mit meinem Leben, es lebe die Kommune!“ Alle Häuser von Nummer 13 bis zur Rue du Faubourg St. Honoré werden von den Flammen ergriffen. Die entsetzten Versailler fliehen, mehrere gehen zu den Föderierten über. Einer derselben zieht die Pariser Uniform an und wird die Ordonnanz Brunels.

Rechts unterstützt der Boulevard Malesherbes, links die Terrasse, welche Bergeret seit gestern besetzt hält, die Anstrengungen Brunels. Der Boulevard Malesherbes, der ganz von Granaten durchfurcht ist, gleicht einem von riesenhaften Pflugscharen geackerten Feld. Vierundzwanzig Stücke am Quai d’Orsay, in Passy, auf dem Marsfeld, an der Barrière de l’Étoile kreuzen ihr Feuer auf die Terrasse der Tuilerien und die Barrikade St. Florentin. Ein Dutzend Geschütze der Föderierten halten diesem Platzregen Stand, der Concordienplatz, der von diesem Kreuzfeuer betroffen wird, bedeckt sich mit Trümmern von Fontänen und Kandelabern. Die Statue von Lille ist zur Hälfte fortgerissen, und die von Straßburg durch die Kartätschen zertrümmert. Am linken Ufer dringen die Versailler von Haus zu Haus vor. Die Bewohner des Viertels kommen ihnen zu Hilfe und schießen aus ihren geschlossenen Jalousien auf die Föderierten. Diese, empört über solche Verräterei, stürmen die Häuser und zünden sie an. Die Versailler Granaten hatten die Feuersbrunst zuerst entfacht, der Rest des Viertels stand bald in Flammen. Die Truppen gewinnen fortwährend an Terrain, besetzen das Kriegsministerium, die Telegrafendirektion und gelangen an die Caeme von Belle chasse und in die Ruhe de l’Université. Die Barrikaden des Quais und der Rue du Bac stürzen unter den Granaten zusammen. Dem Föderiertenbatailion, das seit zwei Tagen im Gebäude der Ehrenlegion postiert ist, bleiben nur noch die Quais zum Rückzug. Um 5 Uhr verlassen sie diese unsaubere Kapelle, nachdem sie dieselbe in Brand gesteckt.

Um 6 Uhr verlieren wir die Barrikade der Chaussée d’Antin. Der Feind nähert sich durch die Seitenstraßen und besetzt das vollständig entblößte Neue Opernhaus. Von den Dächern herab haben die Marine-Füsiliere die Barrikade bestrichen. Statt es ihnen nachzutun und gleichfalls die Häuser zu besetzen, haben sich die Föderierten hier wie überall hartnäckig hinter dem Pflaster verschanzt.

Um 8 Uhr fällt die Barrikade der Ruhe neuve des Capucines am Ausgang des Boulevards unter dem Feuer der Vierpfünder, die in der Rue Caumartin aufgepflanzt sind. Die Versailler nähern sich dem Vendômeplatz.

An allen Punkten hat die Armee entschiedene Fortschritte gemacht. Die Versailler Linie vom Nordbahnhof ausgehend, zieht sich durch die Straßen Rochechouart, Cadet, Drouot, wo die Mairie genommen wurde, den Boulevard des Italiens, bricht auf den Vendômeplatz und auf den Concordienplatz herein, bewegt sich durch die Rue du Bac, die Abbaye au Bois, den Boulevard d’Enfer, um bis auf die Bastion 81 zu gelangen. Der Concordienplatz und die Rue royale, auf den Flanken eingeschlossen, ragen wie ein Kap aus der Sturmflut hervor. Ladmirault steht la Villette gegenüber, auf seiner Rechten behauptet Clinchant das 9. Arrondissement. Douay zeigt sich auf dem Vendômeplatz. Vinoy reicht Cissey die Hand, der auf dem linken Ufer operierte. Die Föderierten behaupten zu dieser Stunde kaum noch die Hälfte von Paris.

Das Übrige gehört der Metzelei an. Man schlägt sich noch am Ende einer Straße, deren eroberter Teil schon geplündert wird. Wehe dem, der eine Waffe, eine Uniform besitzt, wehe dem, der Unruhe verrät; wehe dem, der durch einen politischen oder persönlichen Feind denunziert wird. Man schleppt ihn fort. Jedes Korps hat seinen bestimmten Henker, den Profossen. Aber um die Arbeit zu beschleunigen, gibt es Hilfsprofossen in den Straßen. Das Opfer wird vor sie geführt und erschossen. Die blinde Wut der Soldaten, durch die Ordnungsmänner aufgestachelt, dient dem Hasse, liquidiert die Schulden der letzteren. Auf die Metzelei folgt der Diebstahl. Die Läden solcher Handelsleute, die der Kommune gedient haben, oder die von ihren Konkurrenten angeschuldigt worden sind, werden der Plünderung preisgegeben. Die Soldaten zertrümmern die Möbel und schleppen die kostbaren Gegenstände weg; Juwelen, Weine, Liköre, Esswaren, Weißzeug, Parfümerien verschwinden in ihren Tornistern.

Als Thiers den Fall des Montmartre erfuhr, glaubte er den Kampf zu Ende und telegrafierte dies an seine Präfekten. Seit sechs Wochen versicherte er unaufhörlich, sowie die Wälle erstiegen seien, würden die Föderierten die Flucht ergreifen. Aber Paris, ganz gegen alle Überlieferungen der Männer von Sedan und Metz und von der nationalen Verteidigung, wehrte sich Straße um Straße, Haus um Haus und verbrannte sich lieber, als dass es sich ergab.

Mit der Nacht stieg eine blendende Helle auf. Die Tuilerien, die Ehrenlegion, der Staatsrat, der Rechnungshof brennen. Ein furchtbares Knallen und Krachen geht vom Palast der Könige aus, dessen Mauern zusammenbrechen und dessen weite Kuppeln einstürzen. Die Flammen züngeln pfeilartig bald langsam, bald rasch aus hundert Fensteröffnungen. Die geröteten Fluten der Seine spiegeln die Gebäude wieder und verdoppeln den Feuerschein. Durch den Ostwind getrieben, wenden sich die empörten Flammen gegen Versailles und sagen es dem Sieger an, dass er seinen Wohnsitz nicht mehr finden wird, dass diese monarchischen Monumente keine Monarchie mehr beherbergen werden. Die Rue du Bac, die Rue de Lille, die Croix-Rouge schießen Flammensäulen in die Luft. Von der Rue Royale bis St. Sulpice gleicht alles einer feurigen Mauer, die von der Seine durchbrochen wird. Rauchwirbel verschleiern den ganzen Westen von Paris und die Flammenspiralen, die aus den Gluthöfen aufsteigen, fallen in einem Funkenregen auf die benachbarten Viertel zurück.

Elf Uhr. Begeben wir uns auf das Stadthaus. Die weit vorgeschobenen Schildwachen verhüten jeden Überfall. Ab und zu zittern einzelne Gasflammen durch die Dunkelheit. Auf mehreren Barrikaden brennen Fackeln und selbst Biwakfeuer. Diejenige auf dem Square St. Jacques, dem Boulevard Sebastopol gegenüber, die aus großen Bäumen errichtet ist, deren Zweige im Wind rascheln, flüstert und bewegt sich in der unheimlichen Finsternis.

Die Fassade des Gemeindehauses rötet sich von den fernen Flammen. Die Statuen, durch die Reflexe beleuchtet, scheinen sich in ihren Nischen zu bewegen. In den inneren Höfen wogt eine unruhige Menge. Züge von Artillerie, von Karren, Omnibussen, mit Munition vollgestopft, rollen mit lautem Gepolter durch die dumpf hallenden Gewölbe. Die Gelage des Barons Haussmann hatten einst kein so kräftiges Echo geweckt. Leben und Tod, Röcheln und Gelächter begegnen sich auf den Treppen, in jedem Stockwerk, von demselben blendenden Gaslicht bestrahlt. Nationalgardisten, in ihre Decken gehüllt, erfüllen die inneren Gänge. Verwundete ächzen auf ihren geröteten Matratzen, Tragbahren, die den Mauern entlang aufgestellt sind, schwitzen Blutstropfen aus. Man trägt einen Kommandanten herein, der kein menschliches Gesicht mehr hat. Eine Kugel hat ihm die Wange durchlöchert, die Lippen weggerissen, die Zähne ausgeschlagen. Unfähig einen Laut auszustoßen, schwenkt dieser Tapfere eine rote Fahne, um die Ausruhenden aufzufordern, seinen Platz im Gefecht einzunehmen.

In dem berühmten Zimmer Valentine Haussmanns salutieren wir den Leichnam Dombrowskis, der auf dem blauen Atlasbett liegt. Eine einzige Kerze lässt ihr helles Licht traurig auf den heldenmütigen Soldaten fallen. Das schneeweiße Gesicht mit der schöngeschnittenen Nase und dem feinen Mund, trägt den Ausdruck der Ruhe, der kleine blonde Bart läuft spitzig zu. Zwei Adjutanten sitzen in den dunkeln Ecken und halten schweigend Wache. Ein Anderer skizziert eilig die letzten Züge seines Generals.

Auf der doppelten Marmortreppe strömt es auf und ab, die Schildwachen können kaum das Kabinett des Delegierten frei halten. Delescluze, stumm und fahl wie ein Gespenst, unterschreibt Befehle. Die Aufregung der letzten Tage hat den Rest seiner Lebenskraft vollends aufgesogen. Seine Stimme ist nur noch ein Röcheln; nur Auge und Herz leben noch an diesem Kämpfer.

Zwei bis drei Offiziere, die ihre Kaltblütigkeit bewahrt haben, fertigen die Befehle aus, stempeln und spedieren die Depeschen. Viele Offiziere und Gardisten umringen den Tisch. Keine Rede wird gehalten, nur Einige sprechen gruppenweise. Wenn die Hoffnung auch erbleicht, so hat darum die Entschlossenheit nicht nachgelassen.

Wer sind diese Offiziere, die ihre Uniform ausgezogen, diese Mitglieder des Rats, diese Beamten, die ihren Bart geschoren haben? Was tun sie hier unter den Tapferen? Ranvier begegnet zweien seiner Kollegen in solcher Vermummung, die während der Belagerung den Mund mit am vollsten genommen; er redet sie an und droht sie zu erschießen, wenn sie sich nicht augenblicklich in ihre Arrondissements begaben.

Ein großes Beispiel würde nicht nutzlos bleiben. Von Stunde zu Stunde schwindet die Disziplin. In diesem Augenblick erlässt das Zentralkomitee, das sich durch den Rücktritt des Rats mit der Macht bekleidet glaubt, ein Manifest, worin es Bedingungen stellt: – Auflösung der Versammlung und der Kommune; die Armee soll Paris verlassen. Die Regierung soll provisorisch den Delegierten der großen Städte übergeben werden, die eine konstituierende Versammlung wählen; gegenseitige Amnestie. – Dies war das Ultimatum eines Siegers. Dieses Hirngespinst wurde an mehreren Mauern angeheftet und brachte neue Unordnung in den Widerstand.

Von Zeit zu Zeit vernimmt man ein sehr lautes Geschrei vom Platze her. Ein Spion wird an der Barrikade der Avenue Victoria erschossen. Einige treiben die Verwegenheit so weit, bis in die innersten Ratssitzungen vorzudringen. An diesem Abend hatte Bergeret im Stadthaus die mündliche Ermächtigung erhalten, die Tuilerien in Brand zu stecken, als sich ein Individuum als von ihm geschickt einstellte, um diesen Befehl schriftlich zu verlangen. Er sprach noch, als Bergeret zurückkam. – „Wer hat Sie geschickt?“ sagte er zu dem Menschen. – „Bergeret.“ – „Wo haben Sie ihn gesehen?“ – „Nebenan, erst vor einem Augenblick.“

An diesem Abend begab sich Raoul Rigault, nur durch sich selbst ermächtigt und ohne einen seiner Kollegen zu befragen, in das Gefängnis St. Pelagie und teilte Chaudey mit, dass er sterben müsse. Chaudey protestierte, sagte, er sei Republikaner und schwor, er habe am 22. Januar nicht den Befehl erteilt, Feuer zu geben. Und doch war er damals die einzige Behörde im Stadthaus. Seine Proteste scheiterten an der Entschlossenheit Rigaults. In den Rundweg geführt, wurde Chaudey nebst drei Gendarmen, die am 18. März festgenommen worden waren, erschossen. Während der ersten Belagerung hatte er zu Parteigängern der Kommune gesagt: „Die Stärkeren werden die Anderen füsilieren.“ Er starb vielleicht an diesem Wort.

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