Kapitel XXXI

Kapitel XXXI

Der Kommandant Segoyer ist von Verbrechern, welche die Bastille verteidigten, gefangen genommen und ohne Achtung der Kriegsgesetze augenblicklich erschossen worden.“

Thiers an die Präfekten, 27. Mai.

Der Widerstand konzentriert sich in Belleville. Freitag werden 48 Geiseln in der Rue Haxo erschossen. Sonnabend, den 27., wird das ganze 20. Arrondissement besetzt. Einnahme des Père Lachaise. Sonntag, den 28., endigt der Kampf um 11 Uhr Vormittags. Montag, den 29., wird das Fort von Vincennes übergeben.

Die Soldaten setzen ihre nächtlichen Überfälle fort und besetzen heimlich die verlassenen Barrikaden der Rue d’Aubervilliers und des Boulevard de la Chapelle. Bei dem Bastilleplatz besetzen sie die Barrikade der Rue St. Antoine in der Ecke der Rue Castex, den Lyoner Bahnhof, das Gefängnis Mazas; im 3. Arrondissement alle verlassenen Verteidigungswerke vom Markt und Square du Temple. Sie erreichen die ersten Häuser des Boulevard Voltaire und setzen sich in den Magacines Réunis fest.

Im Schatten der Nacht wurde ein Versailler Offizier von unseren Vorposten auf dem Bastilleplatz überfallen und erschossen, „ohne Achtung vor den Kriegsgesetzen“, wie Thiers den anderen Tag sagte. Als ob Thiers seit den vier Tagen, als er Tausende von Gefangenen, Greise, Weiber, Kinder schonungslos erschießen ließ, einem anderen als dem Gesetz der Kannibalen gefolgt wäre.

Bei Tagesanbruch begann der Angriff aufs Neue. In La Villette umgehen die Versailler durch die Rue d’Aubervilliers die aufgegebene Gasanstalt, welche sie besetzen; im Zentrum erreichen sie den Zirkus Napoleon. Auf der Rechten, im 12. Arrondissement, besetzen sie ohne Schwertstreich die Bastionen, die dem Fluss am nächsten liegen. Ein Detachement marschiert den Schuttdamm der Eisenbahn von Vincennes entlang und okkupiert den Bahnhof, ein anderes den Boulevard Mazas, die Avenue Lacuée, und dringt bis in den Faubourg St. Antoine. So wird der Bastilleplatz auf der rechten Flanke bedrängt, während die Truppen von der Place Royale ihn links durch das Boulevard Beaumarchais angreifen.

Die Sonne blieb verdunkelt. Die fünftägige Kanonade hat den Regen herbeigezogen, der gewöhnlich große Schlachten begleitet. Das Kleingewehrfeuer hat seinen abgerissenen Ton verloren und ist in ein dumpfes Rollen übergegangen. Die Leute können ermüdet und bis auf die Knochen durchnässt, kaum den Punkt erkennen, von dem der Angriff ausgeht. Die Geschosse einer im Bahnhof von Orleans aufgestellten Batterie zerschmettern den Eingang des Faubourg St. Antoine. Um 7 Uhr wird das Einrücken der Soldaten auf der Höhe des Faubourg gemeldet. Man eilt mit Kanonen dahin; wenn er nicht Stand hält, so ist der Bastilleplatz umgangen.

Er hält sich gut. Die Rue d’Aligre und die Avenue Lacuée wetteifern in Hingebung. In den Häusern verschanzt, lassen sich die Föderierten töten, aber sie wanken und weichen nicht. Und Dank ihrem Opfermut wird der Bastilleplatz noch sechs Stunden lang seine Barrikadenreste, seine zerschmetterten Häuser verteidigen. Jeder Stein hat seine Geschichte an dieser Stätte der Revolution. Hier in der Mauer steckt eine Kartätschenkugel, die im Jahr 89 aus der Festung geworfen wurde. An dieselbe Mauer gelehnt, verteidigen die Söhne der Junikämpfer dasselbe Pflaster wie ihre Väter. Hier haben die Konservativen von 48 gehaust, aber was sind ihre Gräuel neben denen von 71! Das Eckhaus der Boulevards Beaumarchais und Richard Lenoir, die linke Ecke der Rue de la Roquette, der Winkel der Rue de Charenton stürzen vor unseren Augen ein wie eine Theaterdekoration. In diesen Trümmerhaufen, unter diesen brennenden Balken feuern noch Leute die Kanone ab und stecken zwanzigmal die rote Fahne auf, die von den Versailler Kugeln zwanzigmal in den Grund geschossen wird. Unfähig gegen eine ganze Armee zu siegen, will der alte glorreiche Platz wenigstens ruhmvoll fallen.

Wie viele sind ihrer am Mittag? – Hundert, denn am Abend liegen hundert Leichen auf der Haupt-Barrikade. In der Rue Cropatier sind sie tot. Sie sind tot in der Rue d’Aligre, in der Schlacht oder nach dem Kampf gefallen. Und wie sie sterben! In der Rue Cropatier wird ein Kanonier aus der Armee, der am 18. März zum Volk übergegangen ist, eingeschlossen. „Man wird dich füsilieren!“ rufen ihm die Soldaten zu. „Man stirbt nur einmal“ gibt er achselzuckend zur Antwort. Anderswo wehrt sich ein Greis. Der Offizier will ihn mit raffinierter Grausamkeit auf einem Kehrichthaufen füsilieren. „Ich habe mich tapfer geschlagen,“ sagt der Greis, „ich habe das Recht, nicht im Dreck zu sterben.“

Überall stirbt man tapfer. Am selben Tag wird Millière auf dem linken Ufer verhaftet und vor Cisseys Generalstab geführt. Dieser General des Kaisertums, durch die schmutzigsten Ausschweifungen befleckt, der seine ministerielle Laufbahn mit einem VerratA beendete, hatte sein Hauptquartier, den Luxembourg, zu einer der Schlachtbänke des linken Ufers gemacht. Millière hatte während der Kommune nur eine Vermittlerrolle gespielt; seine Polemik in den Zeitungen war rein wissenschaftlich gehalten und stand über den Parteien. Aber der Hass der Offiziere für alles Sozialistische, der Hass Jules Favres machte ihn ausfindig. Der Mörder, Generalstabskapitän GarcinB hat mit offener Stirn sein Verbrechen erzählt.C Man muss ihm vor der Geschichte das Wort lassen:

Millière wurde vorgeführt. Wir saßen eben mit dem General beim Frühstück im Restaurant Tournon, neben dem Luxembourg. Wir hörten einen großen Lärm und traten hinaus. Man sagte mir: „Es ist Millière.“ Ich sorgte dafür, dass sich die Menge nicht selbst Gerechtigkeit verschaffte. Er trat nicht in den Luxembourg ein, er wurde an der Türe verhaftet. Ich wandte mich an ihn und sagte: „Sie sind also wirklich Millière?“ – „Ja, aber es ist Ihnen nicht unbekannt, dass ich Abgeordneter bin.“ – „Das mag sein, aber ich glaube, dass Sie Ihren Charakter als Abgeordneter verwirkt haben. Übrigens ist ein Abgeordneter unter uns, Herr de Quinsonas, der Sie erkennen wird.“

Alsdann teilte ich Millière mit, es sei der Befehl des Generals, dass er erschossen werden solle. Er fragte mich: „Warum?“ Ich antwortete ihm: „Ich kenne Sie nur dem Namen nach, aber ich habe Artikel von Ihnen gelesen, die mich empört haben“ (vermutlich die Artikel über Jules Favre), „Sie sind eine Natter, die man zertreten muss. Sie verabscheuen die Gesellschaft.“ Er unterrbrach mich und sagte mit bedeutungsvoller Miene: „O ja, ich hasse sie, diese Gesellschaft.“ – „Nun wohl, sie wird Sie aus ihrem Busen reißen, Sie werden über die Klinge springen.“ – „Das ist eine summarische Justiz, eine Barbarei, eine Grausamkeit!“ – „Und alle Grausamkeiten, die Sie begangen haben, nehmen Sie die für nichts? Jedenfalls, sobald Sie gesagt haben, dass Sie Millière sind, braucht es nichts weiter.“

Der General hatte befohlen, ihn am Panthéon zu erschießen, und zwar auf den Knien, um die Gesellschaft für das Übel, das er ihr zugefügt, um Verzeihung zu bitten. Er widersetzte sich, auf den Knien erschossen zu werden. „So lautet der Befehl, Sie werden auf den Knien und nicht anders erschossen werden.“

Er spielte ein wenig Komödie, riss sein Kleid auf und zeigte dem Exekutionspeloton seine Brust. Ich sagte ihm: „Sie führen eine Szene auf, Sie wollen, dass man erzählen soll, wie Sie gestorben sind. Sterben Sie ruhig; das ist besser.“ – „Ich habe das Recht, in meinem Interesse und im Interesse meiner Sache zu tun was ich will.“ – „Gut, knien Sie nieder!“ Darauf sagte er mir: „Ich werde nicht niederknien, es sei denn, dass Sie mich durch zwei Mann niederwerfen lassen.“ Ich ließ ihn auf die Knie werfen und man schritt zu seiner Hinrichtung. Er rief: „Es lebe die Menschheit!“ Er wollte noch etwas anderes rufen, als er tot zu Boden sank.“

Eine Militärperson erstieg die Stufen, trat auf den Leichnam zu und entlud das Chassepot in seine linke Schläfe. Millières Kopf springt zurück und „nach hinten gedreht, zerschmettert und pulvergeschwärzt, scheint er die Vorderseite des Gebäudes zu betrachten.“

Es lebe die Menschheit!“ Dieses Wort umfasst das doppelte Ziel: „Ich wünsche ebenso sehr die Freiheit für die anderen Völker wie für Frankreich,“ sagte ein Föderierter zu einem Reaktionär.D Im Jahr 1871 wie im Jahr 1793 kämpft Paris für alle Unterdrückten.

Der Bastilleplatz unterliegt gegen zwei Uhr. La Villette wehrt sich noch. Am Morgen ist die Barrikade an der Ecke des Boulevard und der Rue de Flandre von ihren Kommandanten ausgeliefert worden. Die Föderierten konzentrieren sich rückwärts auf die Kanallinie und verbarrikadieren die Rue de Crimée. Die Rotunde, die bestimmt ist, den Hauptstoß auszuhalten, wird durch eine Barrikade auf dem Quai de la Loire verstärkt. Das 269. Bataillon, das seit zwei Tagen dem Feind die Spitze bietet, nimmt hinter diesen neuen Positionen den Kampf wieder auf. Da diese Linie von la Villette sehr ausgedehnt war, holten Ranvier und Passedouet Verstärkungen im 20. Arrondissement, wohin sich die Trümmer aller Bataillone flüchteten.

Sie strömen vor der Mairie zusammen, welche die Quartierzettel und die Nahrungsmittelscheine verteilt. Bei der Kirche sammeln sich Munitionswagen und Pferde lärmend an. Das Hauptquartier und die verschiedenen Ämter befinden sich in der Rue Haxo, in der Cité Vincennes, einer Reihe von Gebäuden, die von Gärten durchschnitten ist.

Die sehr zahlreichen Barrikaden in den verschlungenen Straßen von Ménilmontant sind beinah alle gegen den Boulevard gerichtet. Die strategische Route, die auf diesem Punkt den Père Lachaise, die Buttes Chaumont und die äußeren Boulevards beherrscht, ist nicht einmal bewacht.

Von den Wällen herab sieht man die Preußen in Waffen. Nach einer kürzlich zwischen Versailles und dem Prinzen von Sachsen abgeschlossenen Konvention zernierte die deutsche Armee seit Montag Paris im Norden und Osten. Sie hatte die Nordbahn abgeschnitten, die Kanallinie von St. Denis aus besetzt, von St. Denis bis Charenton Schildwachen aufgestellt, auf allen Heerstraßen bewaffnete Barrikaden errichtet. Am Donnerstag marschierten von 5 Uhr an 5000 Bayern von Fontenay, Nogent, Charenton herab und bildeten einen undurchdringlichen Kordon von der Marne bis Montreuil. Am Abend besetzte ein anderes Korps von 5000 Mann Vincennes mit vierundzwanzig Geschützen. Um 9 Uhr zernierte es das Fort und entwaffnete die Föderierten, welche nach Paris zurückwollten. Es tat noch mehr, es umstellte das Wild für Versailles. Schon während der Belagerung hatten die Preußen der Versailler Armee indirekten Beistand geleistet. Ihr offenes Einverständnis mit den französischen Konservativen trat während der acht Maitage deutlich hervor. Von allen Missetaten Thiers’ wird es gewiss eine der schlimmsten bleiben, dass er die Besieger Frankreichs in unsere Bürgerzwietracht hereingezogen und ihren Beistand erbettelt hat, um Paris zu zerschmettern.

Gegen Mittag bricht das Feuer im westlichen Teil der Docks von La Vilette, einer ungeheuren Niederlage von Petroleum und anderen entzündbaren Stoffen aus, welche durch die Granaten von beiden Seiten in Brand gesteckt wurden. Diese Feuersbrunst zwingt uns, die Barrikaden der Rue de Flandre und Riquet zu verlassen. Die Versailler suchten zu Schiff über den Kanal zu setzen, wurden aber durch die Barrikaden der Rue de Crimée und der Rotunde aufgehalten.

Vinoy setzt den Einmarsch in das 12. Arrondissement fort, nachdem er mehrere tausend Mann zur Vornahme der Haussuchungen und Erschießungen auf dem Bastilleplatz zurückgelassen hat. Die Barrikade der Rue de Neuilly in der Ecke des Faubourg St. Antoine hält sich mehrere Stunden lang gegen die Soldaten, die sie vom Boulevard Mazas aus bombardieren. Gleichzeitig marschieren die Versailler den Boulevard Mazas und die Rue Picpus entlang auf den Thronplatz zu, den sie gleichfalls durch die Wälle zu umgehen suchen. Die Artillerie bereitet jede ihrer Bewegungen vor und deckt sie. Gewöhnlich laden sie die Geschütze im Winkel der Wege, die sie unterwerfen wollen, fahren sie vor, feuern ab und führen sie in die Deckung zurück. Die Föderierten könnten diesem unsichtbaren Feind nur durch die Höhen beikommen. Aber es ist nicht möglich, die Artillerie der Kommune dort zu zentralisieren. Jede Barrikade will ihr Geschütz haben und untersucht nicht, wohin es trifft.

Es ist keine Spur von Autorität irgend welcher Art mehr vorhanden. Im Hauptquartier drängen sich die Offiziere bestürzt durcheinander; man erfährt den Marsch des Feindes nur durch die ankommenden Bataillonstrümmer. Die Verwirrung ist so groß, dass man an diesem Ort, der den Verrätern den Tod bringt, den aus La Villette verjagten Du Bisson in Generalsuniform erblickt. Die wenigen Mitglieder des Rats, denen man im 20. Arrondissement begegnet, irren planlos umher und werden gänzlich übersehen, aber sie haben das Beratschlagen noch nicht aufgegeben. Am Freitag sind sie ein Dutzend an der Zahl in der Rue Haxo beisammen, als das Zentralkomitee ankommt und die Diktatur beansprucht. Man überträgt sie ihm trotz einiger Proteste und gibt Varlin bei. Von dem Wohlfahrtsausschuss ist gar nicht mehr die Rede.

Der Einzige unter seinen Mitgliedern, welcher Ansehen genoss, war Ranvier, der in den Schlachten eine ausgezeichnete Energie entwickelte. Er war an diesen Tagen die Seele von La Villette und Belleville, er trieb die Mannschaft an, er sorgte für Alles. Am 26. erließ er eine Proklamation: „Bürger des 20. Arrondissements, wenn wir unterliegen, so wisst ihr, welches Los uns erwartet. – Zu den Waffen! Seid wachsam, besonders bei Nacht.

Ich fordere euch auf, den Befehlen treulich nachzukommen. Leistet dem 19. Arrondissement Beistand; helft ihm den Feind zurückwerfen. Darin liegt eure Sicherheit. Wartet nicht, bis Belleville selbst angegriffen wird. – Vorwärts also. – Es lebe die Republik!“

Aber wie Wenige lesen und verstehen. Die Granaten vom Montmartre, die Belleville und Ménilmontant zerschmettern, das Geschrei, der Anblick der Verwundeten, die sich von Haus zu Haus schleppen und Beistand suchen, die allzu klaren Zeichen eines nahen Endes beschleunigen die gewöhnlichen Erscheinungen der Niederlage. Die Blicke werden finster und argwöhnisch, jedes Individuum ohne Uniform läuft Gefahr, erschossen zu werden, wenn es sich nicht durch einen bekannten Namen empfehlen kann. Die Nachrichten, die von allen Punkten von Paris ankommen, vermehren die Angst und die Verzweiflung. Man weiß, dass die Soldaten keinen Pardon geben, dass sie die Verwundeten vollends umbringen und sogar die Ärzte töten, dass jedes Individuum, das in der Tracht der Nationalgarde ergriffen wird, das Kommissschuhe trägt, oder dessen Kleider die Spuren kürzlich abgetrennter Aufschläge zeigen, auf der Straße oder im Hof seines Hauses erschossen wird, dass die Kämpfer, die sich auf das Versprechen, dass man ihnen das Leben schenken wolle, ergeben, massakriert werden, dass Tausende von Männern, Weibern, Kindern und Greisen mit bloßem Haupt nach Versailles geführt und häufig unterwegs getötet werden, dass es genügt, einem Kämpfer anzugehören oder ihm ein Asyl zu gewähren, um sein Los zu teilen; man erzählt die zahIlosen Hinrichtungen der angeblichen Petroleusen.

Gegen sechs Uhr ziehen achtundvierzig Gendarmen, Geistliche, ZivilistenE, in ein Detachement eingeschlossen, die Rue Haxo herauf. Man glaubt anfangs, es seien eben festgenommene Gefangene und sie marschieren in der Stille vorbei. Da verbreitet sich das Gerücht, es seien die Geiseln von La Roquette, es heißt, sie würden zum Tod geführt. Die Menge schwillt an, folgt ihnen, ruft ihnen zu, ohne sie jedoch anzurühren. Um sechseinhalb Uhr kommt der Zug in der Cité Vincennes an. Die Gitter werden wieder geschlossen. Die Menge ergießt sich in die anstoßenden Örtlichkeiten.

Die Eskorte drängt die Geiseln lärmend gegen eine Art Tranchée, die am Fuß einer Mauer liegt. Die Chassepots werden angelegt. Ein Mitglied des Rates sagte: „Was macht ihr? Hier ist eine Pulvermühle, ihr werdet uns in die Luft sprengen!“ Er hoffte so die Exekution zu verzögern. Andere gingen bestürzt von Gruppe zu Gruppe und suchten zu verhandeln, den Zorn zu beschwichtigen. Man stößt sie zurück, man bedroht sie und ihre Popularität genügt kaum, um sie vom Tod zu retten.

Die Chassepots gehen von allen Seiten los, die Geiseln fallen nach und nach. Außen wird Beifall geklatscht. Und doch durchziehen die gefangenen Soldaten seit zwei Tagen Belleville, ohne ein Murren zu erregen. Aber diese Gendarmen, diese Polizisten, diese Pfaffen, die zwanzig Jahre lang Paris mit Füßen getreten hatten, repräsentierten das Kaisertum, die Bourgeoisie, die Würger in ihren verhasstesten Gestalten.

Am selben Morgen hatte man Jecker, den Mitschuldigen Mornys, erschossen. Der Rat hatte ihn nicht zu bestrafen gewusst; nun traf ihn die Volksjustiz. Ein Peloton von vier Soldaten holte ihn aus La Roquette. Er schien sich sehr schnell zu fassen und plauderte sogar unterwegs. „Sie täuschen sich,“ sagte er, „wenn Sie glauben, ich habe ein gutes Geschäft gemacht. Diese Leute haben mich bestohlen.“ Er wurde in der freien Gegend, die von Charonnes aus an den Père Lachaise stößt, hingerichtet.

An diesem Tag hatten keine großen Truppenbewegungen stattgefunden. Die Korps Douay und Clinchant besetzen den Boulevard Richard Lenoir. Die doppelte Barrikade hinter Bataclan hält die Besetzung des Boulevard Voltaire auf. Ein Versailler General wird in der Rue St. Sebastian getötet. Die Place du Thrône verteidigt sich noch durch die Barrikaden Philippe-Auguste. Die Rotunde und das Bassin von La Vilette halten sich auch noch. Gegen Sonnenuntergang ergreift die Feuersbrunst denjenigen Teil der Docks, der der Mairie am nächsten liegt. Abends zwängt die Armee den Widerstand zwischen die Befestigungen und eine krumme Linie, die von den Schlachthäusern von La Villette an durch den Kanal St. Martin, den Boulevard Richard Lenoir und die Rue du Faubourg St. Antoine nach dem Tor von Vincennes führt. Ladmirault und Vinoy auf beiden Flügeln, Douay und Clinchant im Zentrum.

Die Nacht vom Freitag trägt in Ménilmontant und Belleville, die von den Granaten verwüstet sind, ein finsteres und fieberhaftes Aussehen. An jeder Straßenbiegung verlangen die Schildwachen das Losungwort (Bouchotte-Belleville) und häufig genügt es nicht. Man muss einen Auftrag vorschützen und jeder Barrikadenchef hält sich für berechtigt den Durchgang zu verweigern. Immer noch kommen die Trümmer der Bataillone lärmend an und versperren alle Häuser. Die Meisten, die keine Unterkunft mehr finden, ruhen im Freien aus unter dem Hagel der Geschosse, die sie stets mit dem Ruf: Es lebe die Kommune! begrüßen.

In der großen Straße von Belleville tragen Nationalgardisten Bahren auf ihren gekreuzten Gewehren. Einige schreiten mit Fackeln voran, die Trommel wirbelt. Diese Kämpfer, die schweigend unter dem Kugelregen ihre Kameraden bestatten, zeigen eine rührende Seelengröße, denn sie stehen selbst an den Pforten des Todes.

Während der Nacht werden die Barrikaden der Rue d’Allemagne aufgegeben. Höchstens tausend Mann haben zwei Tage lang die fünfundzwanzigtausend Soldaten Ladmiraults bekämpft. Beinahe alle diese Braven waren Ansässige oder Kinder. Der feuchte Schimmer des Sonnabend-Morgens enthüllte ein unheilkündendes Bild. Der Nebel ist nasskalt, klebrig; der Boden durchweicht. Weiße Rauchwirbel dringen mühsam durch den Regen aufwärts, sie rühren vom Kleingewehrfeuer her. Die Föderierten zittern vor Frost in ihren Soldatenmänteln.

Beim Morgendämmern werden die Barrikaden der strategischen Route, die Tore von Montreuil und Bagnolet von den Truppen besetzt, die sich, ohne auf Widerstand zu stoßen, nach Charonnes ergießen. Gegen sieben Uhr setzen sie sich auf der Place du Thrône fest, deren Verteidigungswerke aufgegeben worden sind. Beim Eingang des Boulevard Voltaire stellen die Versailler sechs Stücke als Batterie gegen die Mairie des 11. Arrondissements auf. Da sie jetzt des Erfolges sicher sind, wollen die Offiziere mit Eklat triumphieren. Die Barrikade, auf die sie am 27. den ganzen Tag lang feuern, hat nur zwei Stücke, die ganz unregelmäßig bedient sind. Mehr als eine Versailler Kugel verirrt sich zur Statue Voltaires, dessen sardonisches Lächeln seine Bourgeois-Urenkel an den schönen Wirrwarr zu erinnern scheint, den er ihnen versprochen hat.

In La Villette machen die Soldaten von allen Seiten Vorstöße, sie marschieren die Befestigungen entlang und greifen die Rue Puebla und die Rue Crimée an. Ihre linke Flanke, noch im oberen Teil des 10. Arrondissements befindlich, sucht alle Straßen, die in den Boulevard von La Villette münden, zu erobern. Ihre Batterien in der Rue de Flandre, auf den Wällen und in der Rotunde vereinigen ihr Feuer mit dem von Montmartre und überschütten die Buttes Chaumont mit Granaten.

Die Barrikade der Rue Puebla fällt gegen 10 Uhr. Ein Matrose, der allein zurückgeblieben, erwartet die Versailler hinter den Pflastersteinen, feuert seinen Revolver auf sie ab und stürzt sich dann, mit dem Beil in der Hand, in ihre Reihen. Der Feind entfaltet sich in alle angrenzenden Straßen bis zur Rue Ménadier, die unsere Plänkler standhaft verteidigen. Auf dem Kirchweihplatze bestreichen zwei unserer Geschütze die Rue de Crimée und schützen unsere rechte Flanke.

Um 11 Uhr begegnen sich neun bis zehn Mitglieder des Rats in der Rue Haxo. Einer von ihnen, Jules Allix, den seine Kollegen wegen Wahnsinns hatten einsperren lassen müssen, kommt strahlend an. Alles steht herrlich nach ihm, die Viertel des Zentrums sind entblößt, man braucht nur in Masse hinauszuziehen. Andere glauben, sie würden dem Gemetzel ein Ende machen, wenn sie sich den Preußen ergäben, die sie Versailles ausliefern würden. Ein oder zwei Mitglieder erklären, die Hoffnung sei töricht, überdies würden die Föderierten Niemand hinauslassen, aber man hört sie nicht an. Eine feierliche Note wird aufgesetzt, als Ranvier, der alle Winkel durchstreifte, um Mann für Mann die Leute zur Verteidigung der Buttes Chaumont zu sammeln, mitten in die Beratung hineinbricht und ihnen zuruft: „So schlagt euch doch, statt zu beraten.“ Darauf gingen sie auseinander. Das war das letzte Zusammensein dieser ewigen Berater.

In diesem Augenblick besetzen die Versailler die Bastion 16. Mittags verbreitet sich das Gerücht, die Truppen rückten durch die Straßen von Paris und durch die Wälle heran. Eine Menge von Männern und Weibern, durch die Granaten aus ihren Häusern vertrieben, belagern das Tor von Romainville und verlangen mit lautem Geschrei, dass man sie in das Feld hinauslasse. Um 1 Uhr fällt die Zugbrücke, um Freimaurer einzulassen, die sich bei den deutschen Behörden erkundigt haben, ob sie den Flüchtigen den Durchgang verstatten würden. Die Menge stürzt sich hinaus und zerstreut sich in die ersten Häuser des Dorfes Les Lilas. Weiber, Kinder wollen noch weiter fort und über die Barrikade hinaus, die mitten auf der Straße errichtet ist. Der Gendarmeriebrigadier von Romainville stürzt sich auf sie und ruft den Preußen zu: „So schießt doch, schießt doch auf diese Kanaille!“ Ein preußischer Soldat gibt Feuer und verwundet eine Frau.

Unterdessen hatte man die Zugbrücke wieder aufgezogen. Gegen vier Uhr wagte der Oberst Parent zu Pferd, mit einem Trompeter voran, in seinem eigenen Namen freien Durchzug zu verlangen. Nutzlose Erniedrigung! Der Offizier antwortet, er habe keine Befehle und er werde darüber nach St. Denis berichten.

Am selben Tag begab sich das Mitglied des Rats, Arnold, immer noch im Glauben an die amerikanische Intervention, auf die deutschen Vorposten, um einen Brief für Washburne zu überbringen. Er wurde von Offizier zu Offizier geführt, ziemlich barsch empfangen und mit dem Versprechen zurückgeschickt, man werde seinen Brief dem Gesandten übergeben.

Gegen 2 Uhr kamen mehrere Bataillone, nachdem sie die strategische Route reingefegt hatten, durch die Rue des Lilas und den freien Raum bei den Befestigungen in der Rue de Crimée an. In der Rue de Bellevue werden sie aufgehalten. Von dem Marktplatz aus vereinigen drei Kanonen ihr Feuer mit dem des Festplatzes, um die Buttes Chaumont zu schützen. Nur fünf Artilleristen bedienten diese Geschütze den ganzen Tag lang mit nackten Armen, ohne Zeugen, ohne eines Befehls, noch eines Chefs zu bedürfen. Um 4 Uhr verstummen die Kanonen von den Hügeln, da die Munition ausgegangen ist. Ihre Kanoniere schließen sich an die Schützen in den Straßen Ménadier, Fessart, des Annelets an.

Um fünf Uhr führt Ferré die Liniensoldaten der Caserne du Prince Eugène durch die Rue Haxo. Dieselben waren seit Mittwoch in dem Gefängnis der Petite Roquette untergebracht, das ebenso wie Grande Roquette geräumt worden war. Die Menge sieht sie ohne Drohung vorüberziehen, denn das Volk hegt keinen Hass gegen den Soldaten, der ja auch aus dem Volke stammt. Sie werden in der Kirche von Belleville untergebracht. Ihre Ankunft veranlasst eine verhängnisvolle Bewegung. Man eilt herbei, um sie durchziehen zu sehen und dadurch wird der Festplatz entblößt. Die Versailler kommen dazu, besetzen ihn und die letzten Verteidiger der Hügel ziehen sich in den Faubourg du Temple und die Rue de Paris zurück.

Während die Front weicht, werden wir von hinten angegriffen. Seit 4 Uhr Nachmittags belagern die Versailler den Père Lachaise. Derselbe enthält nur zweihundert Föderierte, entschlossene Leute, aber ohne Disziplin, ohne Umsicht; die Offiziere hatten sie nicht dazu bringen können, Schießscharten in die Mauer zu machen. Fünftausend Versailler greifen die Enceinte zugleich von allen Seiten an, während die Artillerie von der Bastion das Innere durchwühlt. Die Geschütze der Kommune haben seit Nachmittag beinah keine Munition mehr. Um 6 Uhr beschießen die Versailler, die trotz ihrer Zahl die Enceinte nicht zu ersteigen wagen, das große Tor des Kirchhofs. Es weicht rasch, wiewohl es von der Barrikade unterstützt wird. Jetzt beginnt ein verzweifelter Kampf. Hinter den Gräbern gedeckt, verteidigen die Föderierten Schritt für Schritt ihren Zufluchtsort. Man kämpft grauenvoll Mann an Mann. In den Grüften finden Gefechte mit blanker Waffe statt. Freund und Feind rollt sterbend in dieselben Gräber. Die früh einbrechende Dunkelheit macht dem Verzweiflungskampf kein Ende.

Sonnabend Abend besitzen die Föderierten nur noch zwei Fetzen des 11. und 20. Arrondissements. Die Versailler kampieren auf dem Festplatz, in der Rue Fessart, Rue Pradier bis zur Rue Rebeval, wo sie ebenso wie auf dem Boulevard aufgehalten sind. Das Viereck, das durch die Rue du Faubourg du Temple, die Rue Folie Méricourt, die Rue de la Roquette und die äußeren Boulevards gebildet wird, ist noch zum Teil von den Föderierten besetzt. Douay und Clinchant erwarten auf dem Boulevard Richard Lenoir, bis Vinoy und Ladmirault die Höhen erobern und die Föderierten unter ihre Kugeln drängen.

Welch eine Macht für die wenigen Kämpfer dieser letzten Stunden! Es regnet in Strömen. Der Brand von La Villette verscheucht die Finsternis mit seiner blendenden Helle. Noch immer verheeren die Granaten Belleville, sie fliegen selbst bis Bagnolet und verwunden preußische Soldaten.

Die Verwundeten kommen in Masse auf die Mairie des 20. Arrondissements. Man hat weder Ärzte noch Medikamente, weder Matratzen noch Decken zu ihrem Empfang bereit und die Unglücklichen verröcheln hilflos. Spione, die, als Nationalgardisten verkleidet, ergriffen worden sind, werden stehenden Fußes im Hof erschossen. „Die Vengeurs de Flourens“ kommen an, ihren Kapitän an der Spitze, einen großen schönen Mann, der auf seinem Pferd wankt. Die Marketenderin, irre redend, ein Tuch um die blutende Stirn, beschwört und ruft mit dem Schrei einer verwundeten Wölfin ihre Leute. Zwischen den zornbebenden Fingern gehen die Gewehre von selber los. Das Geknarr der Munitionswagen, die Drohungen, das Jammergeschrei, das Gewehrfeuer, das Pfeifen der Kugeln vermengt sich zu einem sinnverwirrenden Lärm. Und wer fühlte nicht in jenen grauenvollen Stunden seine Vernunft erschüttert? Jede Minute bringt ein neues Missgeschick. Ein Gardist eilt herbei: „Die Barrikade Pradier ist verlassen.“ Ein Anderer: „Es fehlt an Mannschaft in der Rue Rebeval.“ Ein Dritter: „Rue des Près geht man durch.“ Und um all diese Totenglocken zu vernehmen, sind nur einige Ratsmitglieder da, worunter Trinquet, Ferré, Varlin, Ranvier. Und verzweifelt an ihrer Ohnmacht, gebrochen durch diese schlaf- und hoffnungslosen acht Tage geben sich die Stärksten dem Schmerz hin.

Seit vier Uhr senden Vinoy und Ladmirault ihre Truppen die Wälle entlang, auf die unverteidigte strategische Route und vereinigen sich rasch am Tor von Romainville. Gegen fünf Uhr besetzen die Truppen die Barrikade der Rue Rebeval am Boulevard von La Villette, und durch die Straße Vincent und die Passage du Renard greifen sie die letzten Barrikaden der Rue de Paris von hinten an. Die Mairie des 20. Arrondissements wird erst um acht Uhr besetzt. Die Barrikade der Rue de Paris wird immer noch von dem Kommandanten des 191. Bataillons und fünf bis sechs Gardisten, die bis zur Erschöpfung der Munition Stand halten verteidigt.

Eine Kolonne, die vom Boulevard Philippe-Auguste ausrückt, dringt gegen neun Uhr in das Gefängnis La Roquette ein und setzt die dort befindlichen zweihundert Geiseln in Freiheit. Seit gestern im Besitz des Père Lachaise hätten die Versailler spätestens von neun Uhr abends an das viel früher geräumte Gefängnis besetzen können. Man kann sich diese Verzögerung nur durch ihre Gleichgültigkeit gegen das Leben der Geiseln erklären. Vier derselben, darunter der Bischof Surat, die Sonnabend Nachmittag entwichen, waren an den benachbarten Barrikaden wieder ergriffen und vor Petite Roquette erschossen worden.

Um neun Uhr war der Widerstand auf das kleine Viereck beschränkt, welches die Straßen des Faubourg du Temple, der Trois-Bornes, der Trois-Couronnes und des Boulevard von Belleville bilden. Zwei oder drei Straßen des 20. Arrondissements wehrten sich noch, darunter die Rue Ramponneau. Eine kleine Phalanx von 50 Mann, von Varlin, Ferré, Gambon geführt, die rote Schärpe umgegürtet und das Chassepot auf der Schulter, zieht die Rue des Champs herunter und rückt aus dem 20. Arrondissement auf den Boulevard. Ein Garibaldianer von riesenhaftem Körperbau trägt ihnen eine ungeheure rote Fahne vor. Sie rücken im 11. Arrondissement ein. Varlin und seine Kollegen beeilen sich, die Barrikade der Rue du Faubourg du Temple und der Rue Fontaine au roi zu verteidigen. Sie ist von vorn unzugänglich; den Versaillern, die das Hospital St. Louis inne haben, gelingt es, sie durch die Straßen St. Maur und Bichat zu umgehen.

Um 10 Uhr haben die Föderierten beinahe keine Kanonen mehr und sind von zwei Dritteln der Armee eingeschlossen. Sie verzagen trotzdem nicht. In der Rue du Faubourg du Temple, in der Rue Oberkampf, Rue St. Maur, Rue Permantier will man noch weiterkämpfen. Dort stehen Barrikaden, die man nicht umgehen kann. Häuser, die keinen Ausgang haben. Die Versailler Artillerie beschießt sie, bis die Föderierten ihre Munition verbraucht haben. Als die letzte Patrone verschossen ist, stürzen sie sich, mit Kugeln überschüttet, in die Bajonette, von denen sie umzingelt sind.

Allmählich verstummt das Gewehrfeuer. Es entstehen lange Pausen. Gegen 10 Uhr fällt der letzte Kanonenschuss aus der Rue de Paris, die von den Versaillern erobert ist. Das doppelt geladene Geschütz stößt mit erschütterndem Krachen den letzten Seufzer der Kommune von Paris aus.

Die letzte Barrikade der Maitage ist in der Rue Ramponneau, die eine Viertelstunde lang von einem einzigen Föderierten verteidigt wird. Dreimal zerschmettert er den Schaft der Versailler Fahne, die auf der Barrikade der Rue de Paris aufgepflanzt ist. Zur Belohnung für seine Tapferkeit gelingt es dem letzten Soldaten der Kommune zu entkommen. Um 11 Uhr war Alles aus. Der Concordienplatz hatte sich zwei Tage lang gehalten; die Buttes aux Cailles gleichfalls zwei, La Villette drei, der Boulevard Voltaire drei und einen halben. Von den 79 Mitgliedern der Kommune, die am 21. Mai in Funktion waren, war Einer, Delescluze, auf den Barrikaden gefallen, zwei, Jacques Duran und Raoul Rigault waren erschossen worden. Zwei waren schwer verwundet, Brunel und Vermorel, welch Letzterer ein paar Tage später in der Versailler Gefangenschaft starbF, und drei leicht verwundet, Oudet, Protot und Frankel. Die Versailler hatten sehr wenig verloren. Wir hatten 3000 Tote und Verwundete. Die Verluste der Armee und der Widerstand der Insurgenten im Juni 48 waren verhältnismäßig viel ernstlicher gewesen. Aber den Juni-Insurgenten standen nur 30.000 Mann gegenüber. Die Insurgenten vom Mai kämpften gegen 130.000 Soldaten. Der Junikampf dauerte nur drei Tage, der der Föderierten acht Wochen. Am Vorabend der Junischlacht war das Revolutionsheer intakt, am 20. Mai war es dezimiert. Die tapfersten Verteidiger waren auf den Vorposten gefallen. Was hätten die 15.000 Mann, die nutzlos vor den Wällen geopfert wurden, in Paris zu bedeuten gehabt! Was hätten die Braven von Neuilly, Asnières, Issy, Vanves und Cachan am Panthéon und auf Montmartre ausrichten können!

Die Besetzung des Forts von Vincennes fand Montag, den 29., statt. Dieses Fort, das gemäß den Verhandlungen des Friedensvertrages entwaffnet worden war, hatte sich gar nicht am Kampf beteiligen können. Seine Garnison bestand aus 350 Mann und 24 Offizieren, die von dem Legionsführer Faltot, einem Veteranen der polnischen und Garibaldinischen Kriege, einem der tätigsten Männer vom 18. März, kommandiert waren. Man bot ihm ein sicheres Asyl, aber er antwortete, die Ehre verbiete es ihm, seine Waffenbrüder zu verlassen.

Am Sonnabend kam ein Oberst des Versailler Generalstabs, um über eine Kapitulation zu verhandeln. Faltot verlangte unausgefüllte Pässe, nicht für sich, sondern für einige seiner Offiziere von fremder Nationalität. Auf die Weigerung der Versailler hin beging Faltot den Fehler, dasselbe Verlangen an die Deutschen zu richten. Aber MacMahon hatte in der Voraussicht einer Belagerung um die Beihilfe des Prinzen von Sachsen nachgesucht und der Deutsche wachte für seine französischen Kameraden. Während dieser Unterhandlungen hatte der General Vinoy in der Festung selbst Beziehungen angeknüpft, wo einige Bestochene sich anboten, die halsstarrigen Föderierten zu unterwerfen. Unter den Letzteren war Merlet, ein Gardegeneral des Genies und der Artillerie, ein ehemaliger Unteroffizier, ein fähiger, energischer Mann, der fest entschlossen war, den Platz lieber in die Luft zu sprengen. Die Pulvermühle enthielt 10.000 Kilogramm Pulver und 400.000 Patronen.

Sonntag Morgen um 8 Uhr fiel in Merlets Zimmer ein Schuss. Man eilte herbei; er lag am Boden, den Kopf von einer Revolverkugel zerschmettert. Die Unordnung im Zimmer zeugte von einem Kampf. Ein Kapitän, Adjutant-Major vom 99. Bataillon, der später von den Versaillern freigelassen wurde, bekannte, dass er die elektrische Batterie, mittels welcher Merlet das Fort in die Luft sprengen wollte, zerstört habe.

Am Montag erneuerte der Versailler Oberst gegen Mittag die Aufforderung zur Übergabe. Seit 24 Stunden war der Kampf in Paris zu Ende. Die Offiziere beratschlagten und man kam überein, die Tore zu öffnen. Um 3 Uhr zogen die Versailler ein. Die Garnison hatte die Waffen niedergelegt und sich im Hof aufgestellt. Neun Offiziere wurden besonders eingeschlossen.

Bei Nacht wurden diese neun Offiziere in den Gräben, hundert Meter von der Stelle, wo der Herzog von Enghien fiel, vor dem Exekutionspeloton aufgestellt. Einer von ihnen, der Oberst Delorme, wandte sich zu dem kommandierenden Versailler und sagte: „Fühlen Sie meinen Puls; sehen Sie, ob ich mich fürchte!“G

A Seit 1871 Kriegsminister, wurde er im Jahr 1876 trotz der verzweifelten Anstrengungen MacMahons aus dem Kriegsministerium gestoßen, teils wegen der in seinem Budget entdeckten Unrichtigkeiten, teils weil er seiner Gieliebten, einer Deutschen, den Plan eines der neuen Forts von Paris überließ, welcher nach Berlin wanderte.

B Seitdem zu höheren Graden aufgerückt.

C Untersuchung über den 18. März, Bd. 2. S. 239.

D Vernommen und berichtet vom Verfasser des Werks: Der Boden der Gesellschaft unter der Kommune. Der Autor fügt geistreich bei: „Wo zum Teufel sollte dieser Dummkopf seine Fürsorge anbringen?“

E 34 Gendarmen, von denen, die am 18. März auf das Volk geschossen hatten, 10 Jesuiten, Mönche, Priester, vier kaiserliche Mouchards.

F Die Versailler Verleumdung verlästert sogar sein Sterben, indem sie erzählte, er habe einem Jesuiten gebeichtet und seine Schriften „vor den Schwestern und Gendarmen missbilligt.“

G Marschall Mac Mahon an General Vinoy, den 29. Mai, um 10 Uhr 5 Minuten morgens. „Auf Ihren Vorschlag, in das Fort zu dringen, hat der Prinz von Sachsen Befehl gegeben, die Blockade zu erweitern, um der französischen Behörde Raum zu lassen, nach Ermessen zu handeln. – Er hat sich verpflichtet, die Blockade aufrecht zu erhalten.“ Vinoy, Der Waffenstillstand und die Kommune, S. 430.

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