Kapitel XXXV

Kapitel XXXV

Zu Versailles sind alle Mittel aufgeboten worden, um die ernstlichste, aufmerksamste, vollständigste Einleitung aller Prozesse zu sichern, welche verhandelt worden sind. – Ich halte somit dafür, dass die abgegebenen Urteile nicht nur nach allen unseren Gesetzen rechtlich unangreifbar, sondern dass sie für das skrupulöseste Gewissen Richtersprüche sind, welche die Wahrheit gesprochen haben.“ (Sehr gut! Sehr gut!)

Der Siegelbewahrer Dufaure, Rede gegen die Amnestie. Sitzung vom 18. Mai 1876.

Die Kriegsgerichte haben, das gebe ich zu, nach bestem Wissen und Willen gerichtet.“

Allain-Targe, Gambettistischer Deputierter. Sitzung vom 19. Mai 1876.

Die Kriegsgerichte. Die Hinrichtungen. Bilanz der Verurteilungen.

Sechsundzwanzig Kriegsgerichte, sechsundzwanzig Gerichts-Miträilleusen, funktionierten zu Versailles, zu Paris, zu Vincennes, auf dem Mont Valérien, in St. Cloud, Sèvres, St. Germain, Rambouillet bis Chartres. Bei der Zusammensetzung dieser Tribunale wird nicht nur jeder Schein von Gerechtigkeit, sondern selbst alle militärischen Bestimmungen werden mit Füßen getreten. Die Versammlung hatte sich nicht einmal die Mühe gegeben, ihre Berechtigung festzustellen. Und diese Offiziere, die noch vom Kampf erhitzt waren, denen jeder Widerstand, selbst der legitimste, ein Verbrechen schien, waren auf ihre niedergeworfenen Feinde losgelassen worden, ohne andere Jurisprudenz als ihre Willkür, ohne andere Zügel als ihre Humanität, ohne andere Instruktion als ihre Patente.

Mit solchen Janitscharen und einem Strafkodex, der in seinem elastischen Dunkel Alles einschließt, brauchte man freilich keine Ausnahmsgesetze, um ganz Paris zu belangen. Man sah bald die extravagantesten Theorien entstehen und sich in diesen Richterhöhlen verbreiten; so war es ein Dogma für diese Richter, dass die Anwesenheit auf dem Schauplatz des Verbrechens die gesetzliche Mitschuld begründe.

Statt in den Häfen Kriegsgerichte einzusetzen, ließ man die Gefangenen wieder die qualvollen Etappen vom Meer bis nach Versailles durchmachen. Ein Mann wie Élisée Reclus, wurde in vierzehn Gefängnissen herumgeschleppt. Von den Pontons führte man sie zu Fuß mit Handschellen gefesselt auf die Eisenbahn, aber als sie in Brest durch die Straßen zogen und ihre Ketten wiesen, entblößten die Vorübergehenden das Haupt vor ihnen

Mit Ausnahme einiger hervorragender Angeklagten, über deren Prozesse ich kurz berichten will, wurde die Masse der Gefangenen nach einer Voruntersuchung, die nicht einmal immer ihre Identität feststellte, vor diese Tribunale geschleppt. Zu arm, um sich einen Verteidiger zu beschaffen, tauchten diese Unglücklichen ohne Beratung, ohne Entlastungszeugen – die von ihnen Aufgerufenen wagten nicht zu erscheinen, aus Furcht verhaftet zu werden – nur vor den Tribunalen auf, um wieder zu verschwinden. Anklage, Verhör und Urteilsspruch waren in wenigen Minuten abgemacht. „Sie haben sich in Issy, in Neuilly geschlagen; zur Deportation verurteilt.“ – „Was, lebenslänglich? Und meine Frau, meine Kinder?“ – Zu einem Anderen: „Sie haben in den Bataillonen der Kommune gedient?“ – „Wer hätte denn die Meinigen ernährt, da Alles geschlossen war, Werkstatt und Fabrik?“ – „Gleichfalls zur Deportation!“ – „Und Ihr? – Ungesetzliche Verhaftung! – Zum Bagno!“ Am 14. Oktober hatten das 1. und 2. Gericht binnen zwei Monaten mehr als 600 Verurteilungen ausgesprochen.

Warum kann ich nicht die Märtyrergeschichte der Tausende erzählen, die in düsteren Reihen vorüberzogen, Gardisten, Weiber, Kinder, Greise, Krankenwärterinnen, Ärzte, Beamte dieser dezimierten Stadt? Euch würde ich ehren, euch besonders, ihr Ungenannten, würde ich den ersten Platz einräumen, wie ihr ihn bei der Arbeit, auf den verlorenen Barrikaden einnahmt, wo ihr ohne Ruhmredigkeit eure Pflicht tatet. Das wahre Drama der Kriegsgerichte spielte sich nicht in jenen feierlichen Sitzungen ab, wo Angeklagte, Tribunal und Advokaten vor dem Publikum auftraten, sondern in den leeren Sälen, die den Unglücklichen, von der ganzen Welt unbeachtet, allein einem Tribunal gegenüber sahen, das so unerbittlich war wie das Chassepot. Wie viele dieser schlichten Verteidiger der Kommune trugen den Kopf weit höher als die Führer und Niemand wird von ihrem Heldenmut erzählen. Wenn man die Unverschämtheiten, die Beschimpfungen, die augenscheinlich widersinnige Beweisführung der Richter kennt, so errät man, welchen Ruchlosigkeiten die Angeklagten ohne Berühmtheit im Dunkel dieser neuen Prevotalgerichte ausgesetzt gewesen sein mussten. Wer wird jene Hekatomben von Unglücklichen rächen, die in der Stille hingerichtet wurden, wie die letzten Verteidiger des Père Lachaise im Dunkel der Nacht?

Die Zeitungen haben keine Spur von ihren Prozessen aufbewahrt, aber in Ermangelung der Namen der Opfer, kann ich die Namen einiger Richter in die vier Winde der Weltgeschichte streuen.

Vormals, in den Ehrentagen der französischen Armee, im Jahr nach der Affäre von Quiberon musste man die Offiziere der Republik mit dem Tod bedrohen, um sie zum Eintritt in die Kriegsgerichte zu zwingen, welche die Vendéer richten sollten. Und doch hatten diese Besiegten unter Kanonendonner, mit englischen Gewehren, ihr Vaterland im Rücken angefallen, das von den Alliierten von vorne angegriffen war. Im Jahr 1871 bewarben sich die Mitschuldigen Bazaines um die Ehre, die Besiegten jener Stadt zu richten, die das Bollwerk der nationalen Ehre gewesen. Lange Monate hindurch wurden 1509 Offiziere dieser entwürdigten Armee, die wohl nötig hat, auf Studium und Reform zu denken, 14 Generale, 266 Obersten und Oberstleutnants, 284 Kommandanten, zu improvisierten Richtern und Kommissaren ernannt. Wie soll ich unter dieser Blumenlese von Bestialitäten eine Auswahl treffen? Wenn ich aufs Geratewohl einige Präsidenten herausnehme, wie Merlin, Boisdenemetz, Jobey, Delaporte, Dulac, Barthel, Donnat, Aubert, so setze ich damit hundert Andere unverdienterweise zurück.

Merlin und Boisdenemetz sind dem Leser bereits bekannt. Der Oberst Delaporte war vom Schlage Gallifets. Alt, abgelebt und krank, lebte er nur nach einem Todesurteil auf. Er war es, der die meisten verhängte, unterstützt von dem Gerichtsschreiber Dublanc, der die Urteile im Voraus entwarf und nachträglich die schamlosesten Fälschungen in der Urschrift vornahm. Jobey hatte, wie man sagte, in dem Kampf gegen die Kommune einen Sohn verloren. Und wie rächte er sich! Sein kleines, tiefliegendes Auge belauerte die Todesangst im Gesicht des Unglücklichen, den er verurteilte. Jede Anrufung der Gerechtigkeit, der Vernunft war in seinen Augen eine Beleidigung. „Er wäre glücklich,“ sagte er, „wenn er die Advokaten mit den Angeklagten braten lassen könnte.“

Und doch wie wenig Advokaten taten ihre Pflicht! Viele erklärten, man könne anständigerweise keine solche Angeklagten verteidigen. Andere wollten requiriert werden. Vier oder fünf Ausnahmen abgerechnetA, zechten diese unwürdigen Verteidiger mit den Offizieren. Advokaten und Kommissare teilten sich gegenseitig ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel mit. Die Offiziere verkündeten die Urteile im Voraus. Der Advokat Riché rühmte sich, die erste Anklageakte gegen Rossel aufgesetzt zu haben. Die von Amtswegen ernannten Advokaten stellten sich auf die Berufung nicht ein.

Diese unwissenden, gewalttätigen Richter, welche Angeklagte, Zeugen und Advokaten beleidigten, wurden von den Kommissaren würdig unterstützt. Einer derselben, Grimal, verkaufte den Demi-Monde-Zeitungen die Papiere der berühmten Angeklagten.B Gaveau, ein Hohlkopf und Wüterich, ohne eine Spur von Talent, endete einige Monate später in einem Tollhaus. Bourbolon, ein eitler Komödiant, hatte es auf oratorische Effekte abgesehen. Barthélemy, ein blonder, pausbäckiger Bierphilister, machte Kalauer, während er den Kopf der Angeklagten verlangte. Charrière, der noch mit fünfzig Jahren Kapitän war, eine Art Tigerkatze, ein blödsinniger, eingebildeter Lügner, sagte „er habe Cäsar Grausamkeit gelobt.“ Jouesne, der in der Armee wegen seiner Dummheit berühmt war, rehabilitierte sich durch seine Blutgier, die solchen Gerichten gegenüber gar nicht nötig war. Die schonungslosesten waren das 3., das 4., das 6. und das 13. Kriegsgericht zu St. Cloud, die sich öffentlich rühmten, Niemand freizusprechen.

Das waren die Richter und die Justiz, welche die Bourgeoisie den Proletariern, die die Mitrailleuse übrig gelassen hatte, gab. Ich möchte gern ihre juristischen Husarenstreiche Schritt für Schritt verfolgen, die Prozesse nacheinander durchnehmen, um nachzuweisen, wie die Gesetze verletzt, die elementarsten Regeln des Prozessverfahrens mit Füßen getreten, die Aktenstücke gefälscht, die Zeugnisse verdreht, die Angeklagten, ohne einen Schatten von Beweis, ohne eine ernstliche Jury, zum Bagno oder zum Tod verurteilt wurden, wie der Zynismus, der Prevotalgerichte der Restauration und der gemischten Kommissionen vom Dezember noch durch die Brutalitäten dieser Soldaten, die ihre Kaste rächten, übertroffen wurde. Aber ein solches Werk würde eine lange technische Arbeit erfordern.C Ich werde nur das Hauptsächlichste anführen. Und sind zudem diese Urteile nicht bereits verurteilt?

Im Jahr 1871 verlangte Versailles von der Schweiz die Auslieferung des Gouverneurs der Kriegsschule, Razoua, und im Jahr 1876 von Ungarn die Auslieferung des Delegierten Frankel. Die beiden Geächteten waren wegen Mordes und wegen Brandstiftung vom Kriegsgericht zum Tod verurteilt worden. Sie wurden alsbald verhaftet und vor die Tribunale von Genf und Pest gestellt. Die Schweiz und Ungarn waren bereit, die Gefangenen auszuliefern, wenn die Versailler Regierung den gesetzlichen Beweis beibringe, dass sie die Mordtaten und Brandstiftungen, wegen welcher sie verurteilt waren, wirklich begangen hätten. Die beiden Staaten erhoben gar keinen Einwand in politischer Hinsicht, sondern gaben zu, dass diese Handlungen zivilrechtliche Verbrechen seien. Versailles beschränkt sich darauf, die Urteile der Kriegsgerichte vorzulegen, und kann „keine Spur von Begründung, keine bestimmte Aussage, kein Zeugnis, das das Schuldig feststellte, beifügen.“D Man musste die Gefangenen freilassen.

Am 8. September erschien Rossel vor dem 3. Gericht. Er verteidigte sich damit, dass er sagte, er habe der Kommune gedient in der Hoffnung, die Insurrektion werde den Krieg gegen die Preußen wieder anfangen. Merlin erzeigte dem Angeklagten große Rücksichten, der seinerseits der Armee die tiefste Hochachtung bezeugte. Aber man musste für die „Schwärmer“ im Heer ein Exempel statuieren und Rossel wurde zum Tod verurteilt.

Am 21. wurde Rochefort zur Deportation nach einem befestigten Platz verurteilt. Die Bonapartisten im Rat hatten es besonders auf den Redakteur der Laterne abgesehen. Merlin verteidigte Peter Bonaparte, Gaveau warf dem Angeklagten Beleidigungen gegen die Person des Kaisers vor. Trochu, den Rochefort zum Entlastungszeugen aufgerufen hatte, antwortete dem Manne, der ihm während der Belagerung seine Popularität geopfert, durch einen Schmähbrief.

Die revolutionäre Journalistik hatte die Ehre, verschiedene Opfer zu zählen. Der junge Maroteau wurde für zwei Artikel, nur zwei Artikel im Salut public, zum Tod verurteilt; Alphonse Humbert für drei oder vier Artikel im Père Duchesne zu lebenslänglicher Zwangsarbeit.

Andere Journalisten wurden zur Deportation verurteilt. Worin bestand ihr Verbrechen? Darin, dass sie die Kommune verteidigt hatten. Und doch hatte sich die Kommune begnügt, die Zeitungen, die Versailles verteidigten, zu unterdrücken. Eigentlich waren die Kriegsgerichte beauftragt, die revolutionäre Partei zu vertilgen.

Die Furcht vor der Zukunft machte sie unversöhnlich. Nach den zahllosen Mordtaten in der Rue des Rosiers wollten auch sie noch den Manen von Lecomte und Clément Thomas Opfer bringen. Die wirklichen Vollstrecker der Hinrichtung waren unauffindbar. Der Wutausbruch, der den beiden Generalen das Leben kostete, war ein spontaner, blitzartiger gewesen, wie der im Jahre 89, der Flesselles, Foulon, Berthier tötete. Die Masse selbst hatte das Drama in Szene gesetzt und mit ihm war sie verschwunden. Die militärischen Richter lasen Angeklagte aufs Geratewohl zusammen, wie ihre Kollegen auf den Hügeln des Montmartre die ersten Besten füsiliert hatten.

Simon Mayer“, sagte der Rapport, „suchte bis zum letzten Augenblick die Gefangenen zu verteidigen und Kazdansky selbst wollte sich der Vollstreckung der Todesdrohungen widersetzen. Die Menge schmähte ihn und riss ihm seine Tressen ab.“ Herpin-Lacroix hatte verzweifelte Anstrengungen gemacht. Lagrange, der sich geweigert hatte, das Exekutionspeloton zu bilden, fühlte sich so stark in seiner Unschuld, dass er sich selbst den Richtern gestellt hatte. Der Rapport machte ihn nebst Simon Mayer, Herpin-Lacroix, Kazdansky und Verdagner, einem Liniensergeanten, der am 18. März den Kolben hoch genommen hatte, zum Hauptangeklagten.

Die Verhandlung wurde von dem Obersten Aubert, einem boshaften, weinerlichen Frömmler, geführt. Trotz seiner und des Kommissars Bemühungen konnte man nicht den geringsten Beweis gegen die Angeklagten beibringen. Selbst die Offiziere der Armee, die das Gefolge Lecomtes gebildet hatten, sagten zu ihren Gunsten aus. „Simon Mayer hat sein Möglichstes getan, um uns zu retten“, sagte der Kommandant Poussargue. Derselbe Offizier hatte eine Stimme rufen hören: „Tötet selbst die Verräter nicht ohne Urteil! Bildet ein Kriegsgericht!“ buchstäblich die Worte von Herpin-Lacroix. Von allen Angeklagten erkannte er nur Mayer wieder. Ein anderer Offizier machte eine gleiche Aussage. Verdagner wies nach, dass er sich zur Stunde der Hinrichtung beim Barackenbau von Courcelles befunden hatte. Die Anklage stellte es in Abrede, ohne jedoch nur ein einziges Zeugnis beibringen zu können. Ribemont bewies, dass er an der Spitze der Angreifer in das Zimmer in der Rue des Rosiers gedrungen sei. Masselot hatte nur das Zeugnis feindlich gesinnter Weiber gegen sich, welche angaben, er habe sich gerühmt, auf die Generale geschossen zu haben. Der Kapitän Beugnot, Adjutant des Ministers und Augenzeuge der Hinrichtung, bestätigte im Gegenteil, dass die Generale von den Soldaten umringt gewesen seien, de Maillefeu, dass die Fronte des Pelotons aus neun Soldaten bestanden habe, deren Regimenter er bezeichnete.

Es fanden sich nicht einmal offizielle falsche Zeugen, wie bei der Aburteilung der Kommunemitglieder. Gleichwohl klammerte sich die Anklage, weit entfernt, ihre Beute fahren zu lassen, an diejenigen fest, die ihr Leben ausgesetzt hatten, um die Generale zu retten. Der Kommissar drohte einen Zeugen zu verhaften, weil er warm zu Gunsten eines Angeklagten aussagte. Man bemerkte erst nach mehreren Sitzungen, dass man eine Person statt einer anderen richtete; der Präsident befahl der Presse, den Vorfall zu vertuschen. Jedes Verhör, jede neue Zeugenaussage entlastete die Angeklagten, machte mehr und mehr jede Verurteilung unmöglich. Gleichwohl wurden am 18. November Verdagner, Simon Mayer, Herpin-Lacroix, Lagrange, Masselot, Leblond, Aldenhoff zum Tod, die Anderen teils zu Zwangsarbeit, teils zu Gefängnis verurteilt. Einer der zum Tod Verurteilten, Leblond, war erst fünfzehn und ein halbes Jahr alt. Nachdem der Armee diese Genugtuung widerfahren, rächten die Räte als gute Höflinge die Thiers zugefügte Unbill. Fontaine, der Beamte, der von der Kommune beauftragt war, das Hotel Dessen zu zerstören, der hunderte von Häusern zerstört hatte, erschien vor dem 5. Rat, der sich bemühte, einen Dieb aus ihm zu machen. Jedermann wusste, dass die Möbel und das Silberzeug Thiers’ in die Gerätekammer, die Kunstgegenstände in die Museen, die Bücher in die öffentlichen Bibliotheken, das Weißzeug in die Ambulanzen gewandert waren und seit dem Einzug der Truppen hatte der Knirps diese Gegenstände zum größten Teil wieder erhalten. Da einige davon bei dem Brand der Tuilerien zu Grund gegangen waren, beschuldigte die Anklage Fontaine, sie unterschlagen zu haben, wiewohl man bei ihm nur zwei wertlose Medaillons gefunden hatte. Auf diese Beschuldigung, gegen die er sich durch ein langes rechtliches und ehrenvolles Leben gesichert glaubte, konnte Fontaine zuerst nur durch Tränen antworten. Die Klatschblätter lachten sehr darüber. Er wurde zu zwanzig Jahren Zwangsarbeit verurteilt.

Am 28. November begann die Versammlung wieder mit ihren Erschießungen. Thiers hatte klugerweise den Repräsentanten das Recht erteilt, die Strafen umzuwandeln und durch die Kammer eine Gnadenkommission ernennen lassen. Dieselbe bestand aus fünfzehn Mitgliedern, Henkersknechten der gemischten Kommissionen von 52, Großgrundbesitzern und Royalisten vom reinsten Wasser.E Einer derselben, der Marquis von Quinsonnaz, hatte während des Straßenkampfs die Hinrichtung am Luxembourg geleitet. Der Präsident Martell war ein Wüstling, der die Begnadigungen an die hübschen Bittstellerinnen verhandelte.

Die ersten Akten, mit denen sie sich beschäftigten, waren die Ferrés und Rossels. Die liberale Presse plädierte warm für den jungen Offizier. In diesem unruhigen Kopf ohne anrüchige politische Gesinnungen, der der Kommune so ritterlich den Rücken gedreht hatte, erkannte die Bourgeoisie gleich eines ihrer verirrten Kinder. Er hatte überdies Abbitte geleistet. Die Zeitungen veröffentlichten seine Memoiren, worin er die Kommune und die Föderierten verunglimpfte. Man berichtete Tag um Tag sein Leben im Gefängnis, seine herrlichen Gespräche mit einem protestantischen Geistlichen, seine herzzerreißenden Begegnungen mit seiner Familie. Von Ferré kein Wort, außer dass er „ein Scheusal“ sei. Seine Mutter war im Wahnsinn gestorben, sein Bruder war als irrsinnig in einer Kerkerhöhle von Versailles eingesperrt, sein Vater saß in der Zitadelle von Fouras gefangen, seine Schwester, ein junges Mädchen von neunzehn Jahren, brachte schweigend, in stoischer Ruhe, Tag und Nacht damit zu, die zwanzig Francs zu verdienen, die sie jede Woche dem Gefangenen schickte. Sie hatte die Unterstützung ihrer Freunde abgewiesen, da sie mit Niemand die Ehre teilen wollte, ihre Schwesterpflicht zu erfüllen. Man konnte sich in der Tat nichts „Abscheulicheres“ vorstellen.

Zwölf Wochen lang blieb der Tod über die Verurteilten verhängt. Endlich am 28. November um 6 Uhr morgens kündigte man ihnen an, dass sie sterben müssten. Ferré sprang aus dem Bett, ohne die geringste Bewegung zu zeigen, lehnte den Besuch des Predigers ab, schrieb an die Militärjustiz, um die Freilassung seines Vaters zu verlangen und an seine Schwester, damit sie seine Leiche so bestatte, dass ihn seine Freunde wieder finden könnten. Rossel, der zuerst ziemlich überrascht war, unterhielt sich sodann mit seinem Pastor. Er schrieb noch, um zu bitten, dass man seinen Tod nicht rächen möge, eine sehr unnütze Vorkehrung, und richtete einige Danksagungen an Jesus Christus. Als Todesgefährten hatten sie einen Sergeanten vom 45. Linienregiment, Bourgeois, der zur Kommune übergegangen war und dieselbe Ruhe zeigte wie Ferré. Rossel fuhr auf, als man ihm die Handschellen anlegte: Ferré und Bourgeois verschmähten es zu protestieren.

Der Tag war noch nicht angebrochen; es war ein kalter, finsterer Morgen. Vor dem Hügel von Satory umringten fünftausend Mann in Waffen drei weiße Pfähle, deren jeder von einem Peloton von zwölf Exekutionssoldaten bewacht war. Der Oberst Merlin kommandierte, indem er so die drei Eigenschaften des Siegers, des Richters und des Henkers in seiner Person vereinigte. Einige Neugierige, Offiziere und Journalisten bildeten das ganze Publikum.

Um 7 Uhr erschienen die Karren mit den Verurteilten, die Trommeln schlugen den Feldmarsch, die Hörner wurden geblasen. Die Verurteilten stiegen ab, von ihren Gendarmen eskortiert. Als Rossel an einer Gruppe von Offizieren vorüberging, salutierte er. Der brave Bourgeois, der dieses ganze Drama mit gleichgültiger Miene betrachtete, lehnte sich an den mittleren Pfahl. Zuletzt kam Ferré, schwarz gekleidet; er rauchte lebhaft eine Zigarre, kein Muskel zuckte in seinem Gesicht. Mit festem, gleichmäßigen Schritt ging er auf den dritten Pfahl zu, an den er sich lehnte.

Rossel ließ, von seinem Advokaten und seinem Pastor unterstützt, um die Erlaubnis nachsuchen, das Feuer zu kommandieren. Merlin schlug es ab. Rossel wollte seinen Richtern die Hand drücken, um dem Urteilsspruch Anerkennung zu bezeugen. Gleichfalls abgeschlagen. Während dieses Hin- und Hergehens verhielten sich Ferré und Bourgeois still und unbeweglich. Um den Ergüssen Rossels ein Ende zu machen, musste ihm ein Offizier bemerken, dass er die Todesqual der beiden Anderen verlängere. Man verband ihm die Augen. Ferré stieß die Binde zurück, setzte sein Lorgnon zurecht und sah den Soldaten fest ins Gesicht.

Als das Urteil verlesen war, senkten die Adjutanten ihre Degen, die Gewehre krachten. Rossel und Bourgeois fielen rücklings nieder. Ferré blieb stehen, er war nur in die Seite getroffen. Man schoss noch einmal auf ihn; er sank. Ein Soldat drückte ihm das Chassepot in das Ohr ab, dass das Gehirn herausspritzte.

Auf Merlins Wink wurde Tusch geblasen und die Truppe defilierte nach dem Brauch der Wilden im Triumph vor den Leichen. Welchen Schrei des Abscheus hätte die Bourgeoisie ausgestoßen, wenn die Föderierten unter den Klängen der Musik vor den hingerichteten Geiseln paradiert hätten.

Die Leichen Ferrés und Rossels wurden von der Familie reklamiert, die Bourgeois’ verschwand in dem gemeinsamen Grab auf dem Kirchhof von St. Louis. Das Volk wird das Andenken dieses Mannes nicht von dem Ferrés trennen, denn sie starben mit demselben Mut für die Sache, der sie mit derselben Hingebung gedient hatten.

Die liberale Presse sparte ihre Tränen für Rossel. Mutige Zeitungen in der Provinz ehrten alle Opfer und gaben die Gnadenkommission, die „Kommission von Mördern“, wie ein Deputierter, Ordinaire der Jüngere, in der Versammlung sagte, dem Abscheu Frankreichs preis. Vor die Geschworenen gestellt, wurden alle diese Zeitungen freigesprochen.

Zwei Tage nach der Hinrichtung in Satory befahl die Gnadenkommission, Gaston Crémieux zu töten. Sechs Monate waren seit seiner Verurteilung verflossen und dieser Verzug schien den Mord unmöglich zu machen. Aber die Kommission der Krautjunker-Versammlung wollte die berühmte Ansprache von Bordeaux rächen. Am 30. November wurde Gaston Crémieux auf den Prado geführt, eine weite Ebene, die an das Meer stößt. Er sagte vorher zu seinen Henkern: „Ich werde zeigen, wie ein Republikaner sterben muss!“ Man stellte ihn an denselben Pfahl, an dem man einen Monat zuvor den Soldaten Paquis erschossen hatte, weil er zur Insurrektion übergegangen war.

Gaston Crémieux wollte die Augen frei behalten und das Feuer kommandieren. Es wurde bewilligt. Hierauf wandte er sich an die Soldaten: „Zielt auf die Brust, schießt nicht in den Kopf. Feuer! Es lebe die Repu-!“ Das letzte Wort wurde durch den Tod abgeschnitten. Wie zu Satory führten die Soldaten ihren Tanz vor dem Leichnam auf.

Der Tod dieses jungen Enthusiasten erregte einen lebhaften Eindruck in der Stadt. Adressen, die an seiner Haustüre ausgelegt wurden, füllten sich in wenigen Stunden mit Tausenden von Unterschriften. Die Revolutionäre von Marseille werden seine Kinder nicht vergessen.

Am selben Tag rächte das 6. Gericht den Tod Chaudeys. Diese Hinrichtung war von Raoul Rigault allein anbefohlen und überwacht worden. Die Leute vom Peloton befanden sich im Ausland. Préau de Vedel, der Hauptangeklagte, der damals wegen Zivilvergehen in St. Pélagie saß, hatte nur die Laterne gehalten. Aber die Rechtsgelehrsamkeit der Offiziere schrieb den bloßen Handlangern dieselbe Verantwortlichkeit zu wie den Führern. Préau de Vedel wurde zum Tod verurteilt.

Am 4. Dezember erschien ein Schatten mit bleichem ansprechendem Gesicht im Saale des 3. Gerichts; es war Lisbonne, der seit sechs Monaten an seinen Wunden von Château d’Eau litt. Derselbe vor dem Gericht, der er unter der Kommune und in Buzenval gewesen, rühmte sich dieser Tapferste der Tapferen, gekämpft zu haben und wies nur die Anklage der Plünderung zurück. Andere Richter hätten sich eine Ehre daraus gemacht, einen solchen Besiegten zu schonen; die Versailler verurteilten ihn zum Tode.

Einige Tage später hörte dasselbe Gericht eine Frauenstimme: „Ich will mich nicht verteidigen, ich will nicht verteidigt werden“, rief Louise Michel. „Ich gehöre von ganzer Seele der sozialen Revolution an und ich erkläre, die Verantwortlichkeit für alle meine Handlungen auf mich nehmen zu wollen. Ich akzeptiere sie vollkommen, ohne Vorbehalt. Sie werfen mir vor, an der Hinrichtung der Geiseln Teil genommen zu haben? Darauf würde ich mit Ja antworten, wenn ich mich auf dem Montmartre befunden hätte, als sie auf das Volk schießen lassen wollten; ich würde nicht gezaudert haben, selber auf Männer zu schießen, die solche Befehle gaben. Was den Brand von Paris betrifft, so habe ich allerdings daran Teil gehabt. Ich wollte den Versailler Eindringlingen eine Feuerschranke entgegenstellen; ich habe keine Mitschuldigen, ich habe aus eigenem Antrieb gehandelt.“

Der referierende Kapitän Dailly trägt auf Todesstrafe an. Die Angeklagte: „Was ich von Ihnen verlange, die sich das Kriegsgericht nennen, die sich als meine Richter gebärden und sich nicht verstecken wie die Gnadenkommission, das ist das Feld von Satory, wo unsere Brüder bereits gefallen sind.“

Man muss mich aus der Gesellschaft wegstreichen, Sie sind beauftragt, es zu tun! Wohlan, der Kommissar der Republik hat Recht. Da es scheint, dass jedes Herz, das für die Freiheit schlägt, nur Anrecht hat auf ein Stückchen Blei, so verlange auch ich meinen Teil. Wenn Sie mich leben lassen, so werde ich nicht aufhören, nach Rache zu schreien und werde die Mörder von der Gnadenkommission der Rache meiner Brüder denunzieren.“

Der Präsident: „Ich kann Ihnen das Wort nicht lassen.“

Louise Michel: „Ich bin zu Ende. .. Wenn Sie keine Feiglinge sind, so töten Sie mich.“

Sie hatten nicht den Mut, sie auf einmal zu töten. Sie wurde zur Deportation nach einem befestigten Ort verurteilt.

Louise Michel stand mit diesem Mut nicht allein da. Viele Andere, worunter Lemel und Augustine Chiffon genannt werden müssen, bewiesen den Versaillern, wie furchtbar die Pariserinnen auch noch besiegt, auch noch in Ketten sein können!

Die Hinrichtungen von La Roquette kamen im Anfang des Jahres 1872 zur Verhandlung. Wie bei den Prozessen Chaudey und Clément Thomas hatte man keinen der wirklichen Täter in Gewahrsam, außer Genton, der den Befehl überbracht hatte. Beinahe alle Zeugen, gewesene Geiseln, machten ihre Aussagen mit einer Wut, wie sie bei Leuten, die für ihr Leben gezittert hatten, natürlich ist. Die Anklage wollte nicht an einen Wutausbruch glauben, sondern baute ein lächerliches Fantasiebild auf, wonach ein beratendes Kriegsgericht den Tod der Gefangenen erörtert und anbefohlen haben sollte. Sie behauptete, einer der Angeklagten habe das Feuer kommandiert, und derselbe sollte eben trotz der feierlichen Proteste Gentons verurteilt werden, als man den wirklichen Chef des Pelotons herbeibrachte, der sterbend in einem Gefängnis aufgefunden worden war. Genton wurde zum Tod verurteilt. Sein eigener Advokat hatte ihn in gehässigster Weise belastet und war dann durchgegangen, und das Gericht weigerte sich, einen neuen Verteidiger zu beschaffen.

Die wichtigste Affäre, die jetzt zur Verhandlung kam, war die der Dominikaner von Arcueil. Keine Hinrichtung war weniger vorbedacht gewesen. Diese Mönche waren, als sie die Avenue passierten, durch Leute vom 101. Bataillon gefallen. Die Anklage beschuldigte Sérizier, der sich in diesem Augenblick gar nicht einmal in der Avenue d'Italie befunden hatte. Der einzige gegen ihn beigebrachte Zeuge sagte: „Ich behaupte gar nichts von mir selber aus, ich habe so sagen hören.“ Aber man weiß, welch engere Bande die Armee an den Klerus knüpfen. Sérizier wurde zum Tode verurteilt, nebst Bouin, einem seiner Leutnants, gegen den man nicht ein einziges Zeugnis vorbringen konnte. Der Gerichtshof benützte diese Gelegenheit, um Wroblewski, der sich zu jener Stunde auf der Butte aux Cailles befand und Frankel, der damals auf dem Bastilleplatz kämpfte, zum Tode zu verurteilen.

Am 12. März kam die Affäre in der Rue Haxo vor das 6. Kriegsgericht, dem noch immer Delaporte präsidierte. Die Vollstrecker der Hinrichtung der Geiseln waren ebenso unauffindbar gewesen, wie die aus der Rue des Rosiers. Die Anklage fiel auf den Gefängnisdirektor François, der sich lange geweigert hatte, seine Gefangenen herzugeben und auf zweiundzwanzig Personen, die auf Klatschereien hin denunziert waren, welche in der Sitzung dementiert wurden. Von keinem der Zeugen wurden die Angeklagten wiedererkannt. Delaporte vermehrte seine Drohungen mit solchem Zynismus, dass der Kommissar Rustaud, der bei den vorhergehenden Prozessen seine Proben abgelegt hatte, sich nicht enthalten konnte zu sagen: „Aber Sie wollen ja Alle verurteilen.“ Er wurde den Tag darauf durch den vertierten Charrière ersetzt. Trotz alledem schwand die Anklage von Stunde zu Stunde vor den Aussagen der Zeugen. Dennoch entkam kein Einziger der Angeklagten. Sieben wurden zum Tode verurteilt, neun zur Zwangsarbeit, die Anderen zur Deportation.

Die Begnadigungskommission erwartete, das Chassepot in der Hand, die Beute, die ihr die Kriegsgerichte zutrieben. Am 22. Februar 1872 füsilierte sie drei der vorgeblichen Mörder von Clément Thomas und Lecomte, gerade diejenigen, deren Unschuld am deutlichsten aus den Verhandlungen hervorgegangen war: Herpin-Lacroix, Lagrange und Verdagner. An den Pfählen vom 28. November stehend, riefen sie: „Es lebe die Kommune!“ und starben strahlenden Antlitzes. Am 19. März wurde Préau de Vedel hingerichtet. Am 30. April kam die Reihe an Genton. Die Wunden, die er im Mai empfangen hatte, waren wieder aufgebrochen und er schleppte sich an den Krücken auf den Hügel. Bei dem Pfahl angekommen, warf er sie in die Luft, rief: „Es lebe die Kommune!“ und fiel unter dem Feuer. Am 25. Mai standen Sérizier, Bouin und Boudin an den drei Pfählen. Der Letztere war als Chef des Pelotons verurteilt worden, welches vor den Tuilerien einen Versailler erschossen hatte, der sich einem Barrikadenbau in der Rue de Richelieu widersetzte. Sie sagten zu den Soldaten des Pelotons: „Wir sind Kinder des Volks und ihr ebenfalls. Wir werden euch zeigen, wie die Kinder des Volks von Paris zu sterben wissen.“ Und auch sie starben mit dem Ruf: „Es lebe die Kommune!“

Diese Männer, die so mutig an das Grab herantraten, die den Gewehren Trotz boten und sterbend riefen, ihre Sache werde nicht sterben, diese vibrierenden Stimmen, diese stolzen Blicke erschütterten die Soldaten tief. Die Gewehre zitterten und, wiewohl aus nächster Nähe abgefeuert, töteten sie selten beim ersten Schuss. Daher befahl der Kommandant Colin, welcher die Erschießungen leitete, bei der folgenden Hinrichtung am 6. Juli, den Verurteilten die Augen zu verbinden. Es waren ihrer zwei: Baudoin, welcher angeklagt war, die Kirche St. Eloi angezündet und ein Individuum beim Verteidigen einer Barrikade getötet zu haben und Rouilhac, der einen Bourgeois erschossen hatte, welcher die Föderierten aus der Ferne niederschoss. Beide stießen die Sergeanten, welche ihnen die Augen verbinden wollten, zurück. Colin gab Befehl, sie an die Pfähle zu binden. Dreimal zerriss Baudoin die Stricke, Rouilhac wehrte sich wie ein Verzweifelter. Der Priester, welcher den Soldaten beistand, erhielt Stöße auf die Brust. Man warf sie schließlich nieder. „Wir sterben für die gute Sache!“ riefen sie. Sie wurden förmlich von den Kugeln zerrissen. Nach dem Parademarsch stieß ein gemütvoller Offizier mit der Spitze seines Stiefels in das herausgeflossene Gehirn und sagte zu einem Kameraden: „Damit dachten sie!“

Im Juni 1872, nachdem alle hauptsächlichen Fälle erledigt waren, rächte das Militärgericht den Tod eines Föderierten, des Kapitäns Beaufort. Für diese seltsame Tatsache gibt es nur eine Erklärung, nämlich, dass Beaufort den Versaillern angehörte. Wir haben gewichtige Indizien in dieser Hinsicht empfangen. Soviel ist jedenfalls gewiss, dass, wenn Delescluze, Varlin und Andere von den Föderierten hingerichtet worden wären, die Versailler ihren Tod nicht gerächt haben würden.

Von vier Angeklagten waren drei anwesend: Deschamps, Denivelle und Frau Lachaise, die berühmte Marketenderin des 66. Bataillons. Sie war Beaufort vor das auf dem Boulevard Voltaire abgehaltene Gericht gefolgt und hatte sich, nachdem sie seine Erklärungen gehört, bemüht, ihn zu schützen. Die Anklage machte sie nichts desto weniger zu der Anstifterin seines Todes. Auf die schriftliche Aussage eines Zeugen, den man nicht wieder auftreiben konnte und der nie mit ihr konfrontiert wurde, beschuldigte der Ankläger Frau Lachaise, den Leichnam Beauforts beschimpft zu haben. Bei diesem unedlen Wort brach die tapfere Frau in Tränen aus. Sie wurde nebst Deschamps und Denivelle zum Tod verurteilt.

Die unsaubere Einbildungskraft der liederlichen Soldaten bot Alles auf, um die Angeklagten zu besudeln. Der Oberst Dulac, der einen intimen Freund Rigaults zu richten hatte, behauptete, ihre Beziehungen hätten einen strafbaren Charakter gehabt. Vergeblich bot der Angeklagte alle Gegenbeweise an; der unsaubere Offizier beharrte auf seiner Anklage.

Die Bourgeoispresse, weit entfernt, Missbilligung kund zu geben, jauchzte Beifall. Unaufhörlich, unermüdlich begleitete sie seit Eröffnung der Gerichte alle Prozesse mit dem nämlichen Gekläff. Als sich einige Stimmen gegen diese Hinrichtungen so lange nach dem Kampf erhoben, schrieb Francisque Sarcey: „Das Messer sollte in der Hand des Henkers festgenietet sein.“ Bis jetzt hatte die Begnadigungskommission immer nur drei Mann auf einmal getötet. Am 24. Juli 1872 schlachtete sie vier: François, den Direktor von La Roquette, Aubry, Dalivoust, de St. Omer, die wegen der Affäre in der Rue Haxo verurteilt waren. De St. Omer war im höchsten Grad verdächtig und wurde im Gefängnis von seinen Kameraden gemieden. Vor den Gewehren riefen sie: „Es lebe die Kommune!“ Er antwortete: „Nieder mit ihr!“

Am 18. September wurden Lolive, der angeklagt war, an der Hinrichtung des Erzbischofs Teil genommen zu haben, Denivelle und Deschamps hingerichtet. Diese beiden Letzteren riefen: „Es lebe die allgemeine und soziale Republik! Nieder mit den Feiglingen!“ Am 22. Januar 1873, neunzehn Monate nach dem Straßenkampf, band die Gnadenkommission drei neue Opfer an die Pfähle: Philippe, ein Mitglied des Kommune-Rats, weil er Bercy mit Energie verteidigt, Benot, weil er die Tuilerien angezündet hatte, und Decamps, der wegen des Brandes der Rue de Lille verurteilt worden war, wiewohl man nicht ein einziges Zeugnis gegen ihn hatte beibringen können. „Ich sterbe unschuldig!“ rief er, „nieder mit Thiers!“ Philippe und Benot: „Es lebe die soziale Republik! Es lebe die Kommune!“ Auch sie legten fallend von dem Mute der Revolutionssoldaten vom 18. März Zeugnis ab.

Dies war die letzte Hinrichtung in Satory. Fünfundzwanzig Opfer hatten die Pfähle der Gnadenkommission mit ihrem Blut gerötet. Im Jahr 1875 ließ sie in Vincennes einen jungen Soldaten erschießen, welcher angeklagt war, den Spion Vizentini getötet zu haben, obwohl dieser bei den Kundgebungen auf dem Bastilleplatz von hunderten von Händen in die Seine geschleudert worden war.F

Die Bewegungen in der Provinz wurden von den Kriegsgerichten oder den Assisenhöfen gerichtet, je nachdem die Departements in Belagerungszustand waren oder nicht. Überall hatte man den Ausgang des Pariser Kampfs abgewartet. Gleich nach der Niederlage von Paris nahm die Reaktion ihren Lauf. Mit dem Kriegsgericht Espivents nahmen alle Prozesse ihren Anfang. Es hatte seinen Gaveau in dem Kommandanten Villeneuve, einem der Kartätschenmänner vom 4. April, seinen Merlin, seinen Boisdenemetz in den Obersten Thomassin und Donnat. Am 12. Juni erschienen Gaston Crémieux, Étienne, Pélissier, Roux, Bouchet und Alle, die man mit der Bewegung vom 23. März in Verbindung bringen konnte, vor den Soldaten. Die anmaßliche Dummheit Villeneuves diente den militärischen Anklageschreiben, mit welchen Frankreich überschwemmt war, zum Vorbild. Crémieux, Étienne, Pélissier, Roux wurden zum Tod verurteilt. Das war der Jesuiten-Bourgeois-Reaktion noch nicht genug; Espivent ließ durch den Kassationshof erklären, dass das Departement Bouches du Rhône sich seit dem 9. August 1870 in Belagerungszustand befinde, kraft eines Dekrets der Kaiserin, welches weder im Gesetzbulletin veröffentlicht, noch durch den Senat sanktioniert, noch auch nur verkündigt worden war. Mit dieser Waffe gerüstet, verfolgte er Alle, die ihm die Kongregation bezeichnete und die sich dem Kaisertum feindlich gezeigt hatten. Der Munizipalrat David Bosc, Ex-Delegierter in der Kommission, ein Reeder, der mehrfacher Millionär war, wurde angeklagt, einem Polizeiagenten eine silberne Uhr gestohlen zu haben und wurde nur durch die Majorität einer Stimme freigesprochen. Den anderen Tag wurde der Oberst-Präsident durch den Oberstleutnant des 4. Jägerregiments ersetzt, der sich den Verstand in Absinth versoffen hatte. Ein fünfundsiebzigjähriger Arbeiter wurde zu zehnjähriger Zwangsarbeit und zu zwanzigjährigem Verlust der bürgerlichen und politischen Rechte verurteilt, weil er am 4. September den Polizeiagenten, der ihn im Jahr 1852 nach Cayenne geschickt, auf eine halbe Stunde verhaftet hatte.

Eine alte Närrin, eine Kupplerin der Jesuiten, die am 4. September einen Augenblick festgenommen worden, klagte den ehemaligen Kommandanten der Bürgermiliz wegen ihrer Verhaftung an. Ihre Anklage wurde durch ihre eigenen Widersprüche entkräftet, durch Alibis und zahllose Beweise widerlegt.

Gleichwohl wurde der Exkommandant zu fünf Jahren Gefängnis und zehn Jahren Verlust seiner bürgerlichen Rechte verurteilt. Einer dieser soldatischen Richter sagte, als er von dem Schauplatz seines Verbrechens herauskam: „Man muss sehr tiefe politische Überzeugungen haben, um in derartigen Fällen zu verurteilen.“ Mit so zynischen Spießgesellen konnte Espivent jedes Gelüst seines Hasses befriedigen. Er ersuchte die Versailler Behörden, ihm das Mitglied des Rats der Kommune Amouroux, der eine kurze Zeit Delegierter in Marseille gewesen, abzutreten.

Ich verfolge ihn“, schrieb Espivent, „wegen Verleitung zum Abfall, ein Verbrechen, auf dem der Tod steht, und ich bin überzeugt, dass diese Strafe auf ihn angewendet wird.“

Das Kriegsgericht von Lyon blieb nicht allzuweit zurück. Es verfolgte vierundvierzig Personen wegen der Affäre vom 22. März und verurteilte zweiunddreißig davon zu Strafen, die zwischen Deportation und Gefängnis wechselten. Die Insurrektion vom 30. April lieferte Sechsundsechzig Angeklagte, die aufs Geratewohl in Lyon aufgegriffen wurden, gerade wie in Versailles. Der Maire der Guillotière, Crestin, der zum Zeugen aufgerufen wurde, erkannte unter ihnen nicht einen Einzigen von denen, die er an jenem Tag in seiner Mairie gesehen hatte. – Gerichtspräsidenten waren die Obersten Marion und Rebillot.

In Limoges wurden zwei in der ganzen Stadt geachtete Demokraten, Dubois und Roubeyrol, als Hauptanstifter der Erhebung vom 4. April in contumaciam zum Tod verurteilt. Zwei andere erhielten zwanzig Jahre, weil sie sich gerühmt hatten, Diejenigen zu kennen, welche auf den Obersten Billet geschossen. Ein Anderer bekam zehn Jahre, weil er Munition verteilt hatte.

Die Urteilssprüche der Geschworenen lauteten anders. Die der Nieder-Pyrenäen sprachen am 8. August Duportal und die vier bis fünf Anderen frei, die wegen der Bewegung von Toulouse angeklagt waren. In Rhodez, wo Digeon und die Angeklagten von Narbonne nach sechsmonatlicher Haft vor dem Gericht erschienen, erfolgte gleichfalls Freisprechung. Eine wohlgesinnte Bevölkerung erfüllte den Saal und die Zugänge des Tribunals und begrüßte die Angeklagten bei ihrem Heraustreten. Die energische und würdige Haltung Digeons bewies aufs neue die Gediegenheit dieser Natur.

Die Jury von Rione verurteilte einundzwanzig Angeklagte wegen der Bewegung von St. Étienne, darunter Amouroux, der sich begnügt hatte, zwei Delegierte zu schicken. Ein junger Arbeiter, Namens Caton, machte sich durch seinen Charakter und seine Intelligenz bemerklich.

Die Jury von Orléans war streng gegen die Angeklagten von Montarges, welche sie sämtlich zum Gefängnis verurteilte, und grausam gegen die von Cosnes und von Nevry sur Loire, die gar keinen Widerstand geleistet hatten. Es waren ihrer dreiundzwanzig, darunter drei Frauen. Ihr ganzes Verbrechen bestand darin, eine rote Fahne geschwenkt und gerufen zu haben: „Es lebe Paris! Nieder mit Versailles!“ Malardier, ein ehemaliger Volksvertreter, der erst am Vorabend der Kundgebung angekommen war und gar keinen Teil daran genommen hatte, wurde zu fünfzehnjährigem Kerker verurteilt. Kein Angeklagter wurde verschont. Die Gutsbesitzer von Loiret rächten die ausgestandene Angst ihrer Genossen aus Nièvre.

Die Bewegungen von Coulommiers, Nîmes, Dordives, Voiron gaben zu einigen Verurteilungen Gelegenheit.

Im Juni 1872 war das große Werk der Rache vollendet. Von 36.309G Gefangenen, Männern, Weibern und Kindern (nicht gerechnet die 5000 Militärpersonen, welche die Versailler zugestanden haben), waren nach ihrer Angabe 1179 in ihren Händen gestorben, 22.326 waren nach langen Wintermonaten in den Pontons, den Forts und den Gefängnissen freigelassen, 10.488 vor die Kriegsgerichte gestellt worden, welche 8525 davon verurteilt hatten. Die Verfolgungen hörten nicht auf. Bei dem Regierungsantritt MacMahons, am 24. Mai 1873, brachen sie mit Wut aufs Neue aus. Am 1. Januar 1875 zeigte das Gesamtergebnis der Versailler Justiz 10.137 kontradiktorische Verurteilungen und 3313 in contumaciam auf.

Die verhängten Strafen waren folgendermaßen verteilt:

Todesstrafe

270, worunter

8 Frauen.

Zwangsarbeit

410, worunter

29 Frauen.

Deportation an einen befestigten Ort

3 989, worunter

20 Frauen.

Einfache Deportation

3 507, worunter

16 Frauen u. 1. Kind.

Kerker

1 269, worunter

8 Frauen.

Schwerer Kerker

64, worunter

10 Frauen.

öffentliche Arbeiten

29.


Gefängnisstrafe v. 3 Mon. u. weniger

432.


3 Mon. bis 1 Jahr

1 622, worunter

50 Frauen u. 1 Kind.

mehr als 1 Jahr

1 344, worunter

15 Frauen u. 4 Kinder.

Verbannung

322


Polizeiliche Überwachung

117, worunter

1 Frau.

Geldbuße

9


Kinder untere 16 Jahren wurden in ein Korrektionshaus geschickt

56


Summa

13 450, worunter

157 Frauen.

Dieses Ergebnis umfasste weder die von den Kriegsgerichten außerhalb der Versailler Gerichtsbarkeit, noch die von den Schwurgerichtshöfen gefällten Urteile. Es müssen noch 15 Todesurteile, 22 Verurteilungen zur Zwangsarbeit, 28 zur Deportation an einen befestigten Ort, 29 zur einfachen Deportation, 74 zum Kerker, 13 zu schwerem Kerker und eine gewisse Anzahl Verurteilungen zu Gefängnis beigefügt werden. Die Gesamtzahl der in Paris und der Provinz Verurteilten überstieg dreizehntausendsiebenhundert, worunter hundertsechsundsechzig Frauen und zweiundsechzig Kinder.

Die zehntausend kontradiktorisch Verurteilten waren zu drei Vierteln — 7418 auf 10.137 – einfache Gardisten oder Unteroffiziere; 1942 Subalternoffiziere. Es befanden sich nur 225 höhere Offiziere, 29 Kommunemitglieder, 49 vom Zentralkomitee darunter. Trotz ihrer Rechtsverdrehung, ihrer Untersuchungen, ihrer falschen Zeugen hatten die Kriegsgerichte gegen neun Zehntel der Verurteilten – 9285 – kein anderes Verbrechen als das Tragen von Waffen oder die Ausübung öffentlicher Ämter aufbringen können. Von den 766 Personen, die wegen schwerer zivilrechtlicher Vergehen bestraft wurden, waren 276 wegen einfacher Verhaftungen verurteilt, 171 wegen des Straßenkampfs, 132 wegen „anderer Verbrechen“, wie der Rapport sagte, alle wegen Vergehen, die augenscheinlich kriegerischer Natur waren.H Trotz der großen Anzahl entsprungener Sträflinge, welche absichtlich in die Verfolgungen verwickelt wurden, hatten nahezu drei Viertel der Verurteilten – 7119 – gar keine gerichtliche Vergangenheit; 524 waren wegen Vergehens gegen die öffentliche Ordnung (politische oder bloße Polizeivergehen), 2381 wegen Verbrechen oder Vergehen, die sich der Rapport zu spezifizieren hütete, bestraft. Endlich lieferte diese Insurrektion, die nach der Bourgeoispresse durch das Ausland provoziert und geleitet sein sollte, im Ganzen nur 396 Verurteilte von fremder Nationalität.

Dies ist die Bilanz von 1874. Die folgenden Jahre vermehrten sie noch. Die Zahl der Kriegsgerichte wurde reduziert, aber ihre Einrichtung bestand weiter und die Verfolgungen dauerten fort. Zur Stunde, wo dieses Buch erscheint, sechs Jahre nach der Niederlage, haben die Verhaftungen und Verurteilungen noch nicht aufgehört.

A Ich führe Dupont de Bussac und besonders Lére Bigot an, welcher Maroteau, Lisbonne und viele Unbekannte verteidigte. Ein ganzes Jahr lang widmete er ihnen seine Zeit, seine Mühe, sein Geld, veröffentlichte Memoiren und erschöpfte sich in Arbeiten. Er ließ sein Leben bei dieser Aufgabe, denn er war vom Schlag getroffen. Die Freunde der Kommune werden diese rühmliche Hingebung nicht vergessen.

B Er wurde im Jahr 1876 wegen dieser Entwendungen zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt.

C Sollte sich nicht auf den Universitäten Jemand finden, der es unternähme? Wo gäbe es einen schönem Fall für einen jungen Rechtsgelehrten? Wo eine edlere Gelegenheit, um die große Schuld der Universitäten während der Kommune wieder gut zu machen, um dem Proletarier diesen Teil der Jugend wieder näher zu bringen, der sich mehr und mehr von ihm entfernt?

DDas Tribunal von Budapest sagte in seinem Urteil:

Auf dieses Verlangen – die Zustellung der Akten – hat die französische Regierung als Antwort kurzweg den Spruch des Kriegsgerichts übersandt.

In diesem Urteil ist keine Spur von Begründung noch eine bestimmte Aussage vorhanden, welche das „Schuldig“ feststellte. ... In Anbetracht, dass dieses Urteil aller Zeugnisse und gesetzlichen Beweise gänzlich ermangelt und dass es kein Mittel angibt, sich dieselben zu verschaffen, spricht das Tribunal Frankel von den gegen ihn angestrengten Verfolgungen los.“

E Hier folgen ihre Namen, die mit Recht der Geschichte des Volks angehören: Martel, Präsident, Pion, Vizepräsident; Graf Octave de Bastard, Felix Viosin, Sekretäre; Batbie, Graf von Maillé, Graf Duchâtel, Peltereau-Villeneuve, François Sacaze, Tailhand, Marquis von Quinsonnaz, Bigot, Merveilleux, Duvignau, Paris, Corne.

F Nach den reaktionären Zeitungen sollte dieser Agent zuerst an ein Brett gebunden worden sein; eine gehässige Erfindung, die selbst bei den Verhandlungen durch nichts gerechtfertigt werden konnte. Vizentini, der in einem spontanen Zornesausbruch ergriffen und augenblicklich in die Seine geworfen worden war, hätte sich noch retten können, wenn ihn nicht ein Brett, an das er sich klammerte, beim Umschlagen an den Kopf getroffen hätte.

G Rapport des Generals Appert, S. 261-262.

H So wurden die bei den Haussuchungen ausgeführten Beschlagnahmen unter die Diebstähle mit Einbruch, die Plünderungen etc. gerechnet, wie wenn diese Handlungen aus persönlichem Interesse vorgenommen worden wären. Dabei ist zu bemerken, dass vor den Kriegsgerichten Niemand auf einen Diebstahl gegen die Angeklagten ausgesagt hat, dass Niemand behaupten konnte, die Brände seien zu Plünderungen benutzt worden.

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