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Karl Radek 19171013 Die demokratische Konferenz und die neue Koalitionsregierung

Karl Radek: Die demokratische Konferenz und die neue Koalitionsregierung

[Nach Bote der Russischen Revolution. Organ der ausländischen Vertretung des Zentralkomitees der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands (Bolschewiki) Nr. 5, 13. Okt. 1917, S. 1-6]

Die demokratische Konferenz

Die Idee der Einberufung der demokratischen Beratung ging aus den Kreisen der Menschewiki hervor, die während der Kornilowtage soweit das Gleichgewicht verloren haben, dass sie nicht den Mut hatten, vom neuen das alte Lied anzustimmen: nur mit den Kadetten zusammen kann man Russland retten! aber auch nicht genug Mut hatten, um einzugestehen, dass ihre Politik vollkommen Schiffbruch gelitten hat, dass es gilt die Gewalt in die Hände der Sowjets zu legen.

Die von diesen Elementen einstweilen entgegen der jetzigen Stimmung der Mehrheit der Sowjets beibehaltene Leitung ihres Zentralkomitees ermöglicht ihnen die Bestimmung der Zusammensetzung der demokratischen Versammlung in einer Weise, die den Sieg der Koalitionspolitik sichern sollte. Die Arbeiterdelegiertenräte bekamen zugewiesen 230 Stimmen, die Gewerkschaften 100, die Arbeitergenossenschaften 38, dagegen die Bauernräte, die viel weniger zahlreich und aktiv sind, ebenso 230 Stimmen, wozu noch 200 Stimmen auf die Semstwos und Gouvernements, 120 Stimmen auf die neutralen, in erster Linie landwirtschaftlichen Genossenschaften zufallen. Die Vertretung der städtischen Verwaltungen, in denen in der Provinz die opportunistische kleinbürgerliche Intelligenz überwiegt, bekam 300 Stimmen zugewiesen. In der Verteilung der Mandate an die Armee wurden nicht die Soldatenorganisationen, sondern die der höherer Stufe herangezogen, in der die revolutionäre Intelligenz überwiegt, wozu noch die von der Regierung eingesetzten Armeekommissare 32 und die Kosaken sogar 35 Mandate zugeteilt bekamen. Somit war alles, was nur in den Kräften der Opportunisten lag, getan, um den Sieg des Koalitionsgedanken zu garantieren.

Auf das so gesiebte Auditorium wurden alle früheren Minister-Sozialisten und die Führer der kleinbürgerlichen Demokratie losgelassen. Die sämtliche bürgerliche Presse malte in den schrecklichsten Farben aus, was kommen wird, wenn die Koalition mit den Kadetten abgelehnt würde. Dann muss man sich mit den Bolschewiki verbünden und dann beginnt die Herrschaft Lenins „und seiner Kannibalen" – wie sich schön die „Rjetsch" ausdrückte. Die Skobelew, Zeretelli, Pjeschechonow, Awksentjew beteuerten, dass die Kadetten an dem Kornilowaufstand unschuldig seien, dass sie niemals die Regierungsarbeit sabotiert haben, dass ohne die Hilfe der Bourgeoisie die Revolution der Vernichtung ausgeliefert sein wird. Die Bolschewiki Kamenjew, Trotzki, Rjasanow, Miljutin, Schljapnikow, die linken Sozialisten-Revolutionäre Kamkow, Maria Spiridonowa. Ustinow, der Vertreter der Menschewiki-Internationalisten Martow, der fraktionslose Sozialdemokrat Steklow, sie alle stellten die Bilanz der Koalitionsregierung auf, die den Kampf um den Frieden verraten hat, untätig der Desorganisation der Wirtschaft zuschaut, unfähig ist der Armee ein Vertrauen zu ihren Leitern einzuflößen, die durch ihre Tatenlosigkeit die Anarchie auf den flachen Lande erzeugt. Sie lehnten die Koalition mit den Kadetten ab, aber gleichzeitig wiesen sie auf das Utopische des Versuchs, ohne die Kadetten, d. h. die organisierten Vorderreihen der Bourgeoisie eine Koalition mit dem Bürgertum zustande zu bringen. Nur wenn die Volksmassen, die Arbeiterklasse und das Kleinbürgertum sich verbünden, wenn sie alle Rücksichten auf die Interessen des Kapitals fallen lassen, können sie die Revolution retten, wie schwer auch der Weg sein mag, den sie betreten. Ihr wollt euch mit den Kadetten verbünden? – rief Gen. Rjasanow, der von der Generalkommission der Gewerkschaften delegiert war und er las einen Leitartikel der Rjetsch vor: „General Kornilow ist kein Reaktionär – hieß es dort –, seine Ziele haben nichts gemein mit der Konterrevolution; das bezeugen seine Erklärungen, die durch ihre Schlichtheit am besten das Herz und Hirn dieses Soldaten ohne Hintergedanken charakterisieren. General Kornilow sucht den Weg zum Sieg über den Feind, den Weg, auf dem das Land zur Konstituierenden Versammlung gebracht werden könnte, in der es seinen Willen ausdrücken wird. Wir können desto leichter uns dieser Formulierung der nationalen Ziele anschließen, als wir dasselbe in denselben Worten lange vor dem General Kornilow ausdrückten. Ja, wir fürchten nicht zu sagen, General Kornilow verfolgte dieselben Ziele, die wir für die Rettung des Vaterlandes für absolut notwendig halten." Sie fürchteten es doch zu bekennen und entfernten den Artikel schon aus dem Satz der Rjetsch (Rjasanow legte ihn im Korrekturabzug vor). Und sie hatten allen Grund den Artikel zu verheimlichen: zeigte er doch, wie sie in der Stunde der höchsten Gefahr Kornilow den Weg ebneten. „Ihr sucht uns einzuschüchtern mit der Prophezeiung, dass die Bourgeoisie uns mit ihrem Hasse verfolgen wird, falls wir sie von der Regierungsgewalt ausschließen" „– führte Maria Spiridonowa aus: „aber wir sind schon von Hass umringt; der Unterschied in der Lage wird nach dem Bruch mit der Bourgeoisie nur darin bestehen, dass wir dann freie Hände haben werden."

So ging es drei Tage her. Als die erste Abstimmung vorüber war, sahen sich die Führer der kleinbürgerlichen Demokratie verdutzt an: für die Koalition fielen 766 Stimmen, gegen 688, bei 38 Enthaltungen. Das war eine eklatante Niederlage der Anhänger der Koalition mit der Bourgeoisie. Die Hälfte der Konferenz hat sich überhaupt gegen die Koalition mit dem Bürgertum ausgesprochen. Der soziale Sinn dieser Niederlage, ihre vernichtende Bedeutung für den Teil der kleinbürgerlichen Demokratie, der sich auf die Arbeiterklasse zu stützen sucht, ergibt sich noch krasser, wenn man die Zahlen der Abstimmung näher prüft. Von den Vertretern der Arbeiter- und Soldatenräte stimmten: gegen die Koalition 192, für 83. Von den Vertretern der Gewerkschaften 139 gegen 32 für, Selbst v. den Vertretern der Bauerndelegiertenräte stimmten nur 102 für, 70 gegen; die Delegierten der Kommunen trennten sich fast in gleiche Teile; 114 für die Koalition, 101 dagegen. Die Vertreter der Semstwos und der Gouvernementskomitees stimmten in ihrer Mehrheit gegen die Koalition: 29 gegen 9. Nur unter den Vertretern der bäuerlichen Genossenschaften, fanden sich 140 Stimmen für die Koalition gegen eine Minderheit von 23. In der Vertretung der Armeeorganisationen hielten sich die Anhänger und Gegner der Koalition die Wage: 64 für, 54 dagegen. Was bedeutet das alles zusammen? Die überwältigende Mehrheit der Vertreter der Arbeiterklasse hat sich überhaupt gegen die Koalition mit der kapitalistischen Bourgeoisie ausgesprochen. Ja, starke Teile des Kleinbürgertums sind entschlossen zum Bruch mit der Bourgeoisie. Als das Amendement, das aus der Regierung die Kadetten ausschließt, zur Abstimmung gelangte, zeigte es sich, das sich die Mehrheit der Vertreter dagegen aussprach: für die Koalition mit den Kadetten sprachen sich nur 493, gegen sie aber 595 Stimmen: Zeretelli, Hotz, Tschcheïdse, Awksentjew, Dan blieben in der Minderheit. Somit brachte die demokratische Konferenz trotz ihrer zu Ungunsten der Arbeiterklasse künstlich gestalteten Zusammensetzung den Sieg den Gegnern der Koalition mit dem kapitalistischen Bürgertum.

In diesem Moment setzen aber Einflüsse ein, die das Resultat der Abstimmungen eskamotieren. Die telegrafischen Nachrichten klären die Gründe des Umschwungs nicht auf. Es bleibt nichts übrig als sie zu enträtseln zu suchen, bis die russische Zeitungen eine Aufklärung bringen.1

Kerenski und die kleinbürgerliche Demokratie

Herr Kerenski trat während der ersten Sitzung der demokratischen Konferenz mit einem großen Pomp auf. Aber wie selbst die Russkaja Wolja melden muss, „unterschied sich der Empfang, den man ihm hier bereitet hat, sehr stark von dem, der ihm in Moskau zuteil wurde: in Moskau wurde er viel heißer empfangen." Durch seine Rede bewies Kerenski noch einmal, dass ihm jede Fähigkeit zur tieferen Erfassung der Lage fehlt Dass die Konferenz so kurz nach der Moskauer stattfand, dass innerhalb eines Monats ein vollkommener Umschwung der Situation erfolgen konnte, dass die demokratischen Elemente, die ihm am 4. August alle Vollmachten zur Bildung einer Regierung gegeben haben, jetzt eine Konferenz einberufen haben, damit er nicht auf eigene Faust die Regierung bilde, das alles müsste doch Kerenski nötigen, sich die Frage zu stellen, von wo und wohin der Weg führe. Aber das von Kerenski zu. verlangen, bedeutet das Unmögliche zu verlangen. Zeretelli sagte in der weiteren Debatte, die Höhe, die er erstieg, habe Kerenski den Kopf verwirrt. Er besaß ihn niemals. Ein temperamentvoller Agitator, wie er war, wusste er auch jetzt in der Schicksalsstunde der Revolution nur eine persönliche Verteidigungsrede zu halten, die nicht einmal vorübergehend seine Gegner zum Schweigen bringen konnte, und die dann von keiner Seite unterstützt wurde. Trotzki konnte konstatieren, dass kein einziger Redner sich der undankbaren Aufgabe der Verteidigung des Kerenskischen Regimes zu unterziehen wagte. Wie könnten sie das? Wie auch die Untersuchung des Kornilowschen Aufstandes auslaufen mag, eins steht schon fest: Kerenski war bereit, die Maßnahmen, deretwegen Kornilow in den Aufstand getreten war, zu verwirklichen; er war bereit vermittels der kornilowschen Kavallerie Petrograd niederzuhalten, um die Vorhut der russischen Revolution unter das Kaudinische Joch niederzubeugen. Die Führer der kleinbürgerlichen Demokratie können über ihn nicht zu Gericht sitzen, denn sie haben in den Julitagen, ebenso wie er, an die bewaffnete Macht gegen die revolutionären Arbeiter Petrograds appelliert, denn sie haben später der Todesstrafe gegen die revolutionären Soldaten zugestimmt. Wenn sie aber seine Richter nicht sein können, so hüten sie sich, als seine Verteidiger aufzutreten Das Ansehen Kerenskis in den Kreisen auch der kleinbürgerlichen Demokratie ist sehr verblasst. Und trotzdem rechnete Kerenski, wie ein Artikel aus seinen Kreisen im „Djen" vor der Konferenz bewies, damit, dass er bei der Regierung bleiben wird. Und er konnte darauf mit einer großen Wahrscheinlichkeit rechnen. Russland ist in zwei Lager zerklüftet: das des revolutionären Proletariats und der konterrevolutionären Bourgeoisie und Junkertums. Zwischen ihnen wankt hin und her das Kleinbürgertum, dass den beiden die Wage hält, über Sieg und Niederlage entscheiden soll. Das Kleinbürgertum ist vom Hause aus dafür, die Entscheidungen nicht selbst zu treffen, sondern sie den Führern zu überlassen, den großen Männern. Nun ist Kerenski alles andere als ein Napoleon oder Cromwell. Aber die Geschichte kennt nicht nur Napoleon I. sondern auch Napoleon III, den Glücksritter, Abenteurer, eine vollkommene geistige Null, der doch über zwanzig Jahre lang eine große Nation beherrschen konnte. Kerenski, der Mann der revolutionären Phrase und reaktionären Tat, der Spielball der Revolution und Konterrevolution, konnte darauf rechnen, dass so lange das Kleinbürgertum seinen bisherigen Führern keinen Laufpass erteilt, sie auch nicht wagen werden, eine andere Politik, als bisher zu treiben. Umgekehrt, solange sie können werden, werden sie jede Wendung nach links zu verhindern suchen. Dazu brauchen sie ihn, weil jede Regierungskrise die Masse in Bewegung bringt und die Beibehaltung der bisherigen Politik erschwert, in Frage stellt. Als also die Entscheidung der Konferenz gegen die Koalition ausfiel, da begab er sich in das Büro der Konferenz, hielt dort nach einer Petrograder Meldung des Reuterbüro eine Rede gegen ein rein sozialistisches Ministerium und erklärte, er werde sich zwar dem Beschluss unterwerfen, aber gleichzeitig sein Amt niederlegen. Was als freudiges Ereignis von einer zum Kampf bereiten demokratischen Mehrheit zu Kenntnis genommen werden musste, das wirkte, auf die aus dem Gleise hinausgeworfenen kleinbürgerlichen Demokraten erschreckend. Haben sie nicht alle die Tage lang bewiesen, dass sie unfähig sind die Staatsleitung auf sich zu nehmen? Und da kommt Kerenski, der noch so etwas wie Selbstvertrauen und Vertrauen hat, und erklärt ihnen, er lege das Amt nieder. So musste zu den Anhängern der Koalition mit den Kadetten noch ein Teil der wankenden Elemente sich zurück konzentriert haben und die Minderheit der Koalitionsgegner wurde zur Mehrheit. Darauf wartete nur Kerenski. Während die demokratische Konferenz noch vorbereitet wurde, verhandelte er mit den Vertretern der Moskauer Industriellen und den Kadetten. Ein Protest des Arbeiterdelegiertenrates machte es ihm unmöglich vor dem Schluss der Konferenz eigenmächtig das Kabinett zu rekonstruieren. Der Umfall der kleinbürgerlichen Demokratie erlaubte ihm die bereit gehaltene Kombination zu verwirklichen.

So wurde eine neue Regierung gebildet.

Rückwärts! rückwärts! Don Rodrigo!

Die neue Regierung ist keinesfalls eine Wiederholung der alten. Es gibt überhaupt keine Wiederholungen in der Geschichte. Was vorerst in die Augen fällt, so die Teilnahme der Vertreter des Großkapitals, der Tretjakow und Konowalow an der Regierung. Konowalow war der Handels- und Industrieminister der ersten Regierung. Er hat das Amt verlassen, als Skobelew in seinem Monat Mai als Minister der Arbeit im Sowjet erklärt hatte, er werde eventuell den ganzen Profit der Kapitalisten konfiszieren. Als Konowalow zum Protest gegen diese Drohungen von seinen Auftraggebern abberufen wurde, erklärte er: die Sozialisten sollen zeigen, wie sie sich selbst Rat verschaffen. Jetzt kehrt der Vertreter des Großkapitals als Triumphator zurück. Die „Sozialisten" haben sich nicht nur keinen Rat gefunden, sondern sie haben dem russischen Volke u. der Welt verkündet: nein, ohne die Kapitalisten werden wir nicht fertig. So bringt Herr Konowalow gleich seinen Freund Tretjakow und diesen Vertreter des „Herr-im-eigenem-Hause-Systems"2 ernennt Kerenski zusammen mit den Vertretern der kleinbürgerlichen Demokratie zum Leiter des ökonomischen Beirates der Regierung. Das Ministerium der Finanzen übernimmt Professor Bernatzki. Er wird nicht demagogische Anschläge auf die Profite unternehmen. Gott behüte! Bevor er in das Ministerium der Finanzen eintrat, schrieb er in einem Moskauer Boulevardblatt, ohne Erhöhung der indirekten Steuern ginge es in einem an Kapital so armen Lande, wie Russland, nicht. Von den Vertretern der Kadetten Smirnow, Kartaschew und Kischkin ist der letzte dadurch bekannt, dass er als Regierungskommissar in Moskau so wirtschaftete, dass der Moskauer Sowjet seine Abberufung fordern musste. Wer soll als Gegengewicht dieser ausgesprochen kapitalistischen Minister dienen? Der rechte Sozialistrevolutionär Awksentjew, der ins verantwortungsvolle Amt des Ministers der Landwirtschaft, das der in agrarischen Fragen beschlagene Tschernow verließ, nur „rhetorische Pferdekräfte" hereinbringt, um mit Marx zu sprechen? Oder soll Herr Kerenski als der Vertreter der revolutionären Volksmassen gelten? Das Amt des Inneren befindet sich in den Händen des Menschewiken Rechtsanwalts Nikitins, der im Amte bisher nur eins gelernt hat: wie man auf den Willen der Arbeitermassen pfeift. Der Revisionist Prokopowitsch, unfähig als Schriftsteller, die Personifizierung der Unfähigkeit als Handelsminister, soll jetzt die Brotfrage des russischen Volkes lösen Als Arbeitsminister figuriert aber der Arbeiter Gwosdjew, dessen Namen schon ein Programm ist: ein bis in die Puppen opportunistisch verseuchter Arbeiter, der noch zur Zeit des seligen Zarismus an die zarische Polizei appellierte, um mit ihrer Hilfe die Arbeiter Petrograds entgegen den Willen ihrer Mehrheit in die Kriegsindustriekomitees, Organisationen der Kriegführung, zu treiben.

Die starken Persönlichkeiten im Kabinett sind die Vertreter des Kapitals, der Weiterführung des Krieges, die auch die Mehrheit besitzen. Die schwachen, schwankenden, das sind die Vertreter der kleinbürgerlichen Demokratie, der Soz.-Revoiutionäre und Menschewiki, von denen kein einziger wirklich verantwortlicher Vertreter im Kabinett sitzt. Die Bürgerlichen haben die Mehrheit im Kabinett Um das zu verdecken ernannte die Petrograder Agentur kurzerhand den Kriegsminister Werchowski und den Marineminister Werderewski zu Sozialisten, was sie niemals waren, obwohl sie gewisse demokratische Allüren an den Tag legen.

Hart auf Hart

Die neue Regierung bedeutet einen Rücktritt direkt zu den Zeiten wo der großindustrielle und Imperialist Gutschkow in ihr saß: Tretjakow und Konowalow sind von demselben Holz geschnitten, obwohl Konowalow formell der Kadettenpartei angehört. Die kleinbürgerlichen Führer, die den Willen der ungeheuren Mehrheit der Arbeiterklasse, der Vorderreihen der kleinbürgerlichen Demokratie mit den Füßen treten, haben jeden Halt verloren. Sie hatten zu wählen zwischen der Koalition mit der Arbeiterklasse und der mit dem Kapital. Und sie wählten die Koalition mit den Lockouthelden, mit den Helfershelfern des Staatsstreichler Kornilow. Das tun sie nachdem die Arbeiterschaft klar ihren Willen geäußert hat. Das tun sie angesichts des nahenden vierten Winterfeldzugs, angesichts des nahenden Hungers, der schon begonnenen Bauernunruhen. Sie etablieren ein Regime gegen die Arbeiterklasse, gegen die armen Bauern. Der Versuch der Verdeckung dieser Sachlage durch die Schaffung eines beratenden Organs, des Vorparlamentes. wird die immer mehr nach links gehenden Arbeiter nicht betrügen. Das Vorparlament kann nur schwatzen und es wurde nur deshalb geschaffen, um dem Zentralausschuss der Sowjets, in dem die Bolschewiki wahrscheinlich ebenso die Mehrheit bekommen werden, wie sie sie in der Leitung des Petrograder und Moskauer Sowjet bekommen haben, die entscheidende Bedeutung zu nehmen. Somit sind alle Ventile der friedlichen Entwicklung der Revolution geschlossen. „Ihr werdet Euch gegenseitig schlachten" – so malte Minor, der Sozialist-Revolutionär, der Bürgermeister von Moskau die Perspektive der Weiterentwicklung der Revolution, falls die Koalition mit den Kadetten abgelehnt wird. Die Blinden, sie sehen nicht, wie sie an der Verwirklichung dieser Perspektive hurtig arbeiten.

1 Im letzten Augenblick bekommen wir die Petrograder Presse vom Tage der Entscheidung. Ihre Angaben – wir bringen sie in der nächsten Nr. – bestätigen vollkommen unsere Auffassung. [Die Red.]

2 In Deutschland damals eine in der Arbeiterbewegung gängige Bezeichnung für Kapitalisten, die in ihren Betrieben keine Gewerkschaften zulassen wollten.

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