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Karl Radek 19170915 Nach sechs Monaten

Karl Radek: Nach sechs Monaten

[Nach Bote der Russischen Revolution. Organ der ausländischen Vertretung des Zentralkomitees der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands (Bolschewiki) Nr. 1., 15. Sept. 1917, S. 2-6]

I.

Ein halbes Jahr der russischen Revolution wird bald vorüber sein. Ihre Bilanz wurde von allen Schichten und Klassen Russlands aus Anlass des Moskauer „Nationalkongresses" angestellt. Die Berichte der Vertreter der provisorischen Regierung sprachen eine Sprache, deren Offenheit alles übertrifft, was jemals von Seite einer Regierung gesägt worden ist. Wenn wir als Resultat der ersten sechs Monate der Revolution feststellen, dass sie auf keinem Gebiete eine Besserung auch nur angebahnt hat, so sind wir sicher, auf keinen Widerspruch zu stoßen. Weder von rechts noch von links. Im Dorfe Kampf aller gegen alle. Der arme Bauer gegen den Junker und den reichen Dorfwucherer. Alle zusammen gegen die Stadt, die ihnen die Produkte ihrer Arbeit wegnehmen will, aber als Entgelt Papierscheine gibt, für die man nichts kaufen kann. Gegen die Anarchie im Dorfe kämpft die Regierung an, ohne irgend welchen organisierten Weg der Erledigung der Agrarfrage den Bauern zu weisen. In der Fabrik kämpft der Arbeiter nicht nur um Erhöhung des Lohnes, Kürzung der Arbeitszeit, sondern sogar um die Fortführung der Produktion, die durch den Mangel an Rohstoffen und konterrevolutionär-desorganisatorische Absichten der Kapitalisten bedroht ist. Aber was der Arbeiter heute an Besserung der Lebenslage erlangt, das verliert er morgen, dank der wachsenden Teuerung, die durch die progressive Minderung der Produktion, wie durch die Papiergeldwirtschaft verursacht wird. Das Transportwesen verfällt immer mehr dank dem immer größerem Ausfall an Lokomotiven und dem fehlenden Ersatz. Die Finanzen nähern sich Schritt für Schritt dem Bankrott und die Regierung versucht nicht einmal die Besitzenden heranzuziehen. Die Besteuerung der Bourgeoisie und der Junker in England ist verglichen mit dem Steuerwesen des revolutionären Russland eine jakobinische. Die konstituierende Versammlung, die einen Ausweg aus dieser Sackgasse suchen müsste, ist vertagt. Die seit einem halben Jahre provisorische Regierung scheint das Provisorium als Staatsmaxime anzusehen. Ihr Bemühen bis zur konstituierenden Versammlung alles heim Alten zu lassen, angeblich, um das Recht des Volkes durch demokratisch gewählte Organe sein Schicksal einzurichten, nicht anzutasten, erinnert an den Versuch der europäischen Diplomatie den Status Quo ante in der Türkei aufrecht zu erhalten, von welchen Bemühen Marx in seinen Orientbriefen an die New-Yorker Tribüne sagte, man könnte eben so gut den sich zersetzenden Leichnam eines Pferdes konservieren wollen. Nicht Stillstand, sondern fortschreitende Zersetzung, das ist das Signum der inneren Lage in Russland. Auch nach Außen hin gibt es keinen Stillstand. Die Heere des deutschen Imperialismus gehen immer weiter ins Land, und der französisch-englisch-amerikanische Imperialismus zieht immer mehr die Schlinge am Halse Russlands zusammen. Die russische Revolutionäre Regierung war nicht nur nicht imstande den Entente-Imperialismus zu nötigen, seine Kriegsziele gemäß der von ihr proklamierten antiimperialistischen Losungen zu ändern und so den Tag des Friedens zu beschleunigen, sondern umgekehrt wurde sie ein Spielball in seinen Händen und muss helfen, den selbstgewählten Weg, den Weg der Stockholmer Verständigung zu verrammeln. Wenn sich in Moskau die Vertreter der Bourgeoisie und der Sozialpatrioten zu Ehren der Ententevertreter erhoben und ihnen in stürmischen Rufen huldigten, so war das ein: Ave Cäsar, morituri te salutant!

Die arbeitenden Massen, die unter dieser Zersetzung am meisten leiden, können ihr nicht ruhig zusehen. Jede Woche der Fäulnis steigert ihre Leiden, drängt sie zum Kampfe gegen die provisorische Regierung. Im März waren sie einverstanden mit der Bildung der Regierung aus den Vertretern der Bourgeoisie. Im Mai jagten sie aus der Regierung den offensten Vertreter des Imperialismus: Miljukow. Im Juli gingen die Proletarier und Soldaten Petrograds auf die Straßen: nieder mit der kapitalistischen Regierung, die ganze Macht in die Hände der Sowjets, d. h. der Proletarier und Kleinbürger! Weit und breit im Lande fand ihr in Blut erstickter Ruf Zustimmung der hungernden Massen. Im Heere führte die Friedenssehnsucht zum panikartigen Rückzug. Die massenhaft durchgeführte Todesstrafe hat nach dem Eingeständnis des Generalissimus Kornilow den Prozess des Zerfalls nicht aufgehalten. Und der General Tscheremissow erklärt: keine Repressalien sind überhaupt fähig die Kampfeskraft und den Kampfeswillen der Armee wiederherzustellen, nur das Bewusstsein des Wertes des Kriegszieles, der Notwendigkeit des weiteren Kampfes kann Abhilfe leisten, drum weg mit den Repressalien und an die Arbeit der Vertrauensweckung durch die Soldatenkomitees! Aber die Kornilow haben von ihrem Standpunkt zehnmal Recht, wenn sie den Rezepten des liberalisierenden Generals kein Vertrauen schenken. Wenn die Armee erfährt, weswegen sie wirklich kämpft, so werden die Soldatenkomitees zu Organisationen des Kampfes gegen den Krieg, für den Frieden. Mögen in ihnen die Sozialpatrioten jetzt überwiegen, lässt man das politische Leben in die Armee zu, so werden die kriegsfeindlichen Elemente bald Oberhand gewinnen. Die Todesstrafe ist in der für die volksfremden Interessen kämpfenden Armee nicht zu vermeiden, für den Selbstbestimmungsprozess der Soldatenmasse darf es in der Armee des Imperialismus keinen Platz geben.

Die Armee der Revolution unter der Fuchtel des Offizierskorps wie unter dem Zarismus, allmähliche Abmurksung der Soldatenorganisationen, Unterdrückung der kriegsfeindlichen Propaganda in der Armee, d. h. die Unterdrückung der Freiheit des politischen Lebens in ihr, d. h. die Verwandlung aller Beteuerungen, man wolle die Armee nicht zum Kadavergehorsam wieder zwingen, in hohle Phrasen; im Hinterlande die Herrschaft der Spione der Kontraswiedka. die Gefängnisse vom Neuen mit Revolutionären gefüllt, ein terroristisches System gegen die revolutionären Arbeiter und landhungrigen Bauern, eine schmähliche Kampagne gegen die Organe der proletarischen und kleinbürgerlichen Demokratie, das ist Resultat der sechs Monate der russischen Revolution. Aus dem Bildlichem ins Begriffliche übersetzt: die Herrschaft der industriellen und Handelsbourgeoisie, die peinlichste Rücksicht auf die Interessen der Junker nimmt. Also Herrschaft des Kapitals, ausgeführt durch Mittel der nackten Gewalt, aber sich noch immer deckend durch die moralische und politische Unterstützung der „Führer" des Kleinbürgertums, der menschewistischen und „sozialrevolutionären" Sozialpatrioten. Die Front gegen Links gerichtet.

II.

Wie ist dieses Resultat möglich gewesen, wie ist es gekommen? Russland ist ein überwiegend kleinbürgerliches Land. Zahlenmäßig bildet die Arbeiterklasse einen kleinen Bruchteil der Bevölkerung. Wenn sie trotzdem bisher eine ausschlaggebende Rolle spielte, so verdankte sie es ihrer Konzentration in den wirtschaftlichen und politischen Zentren, ihrer Beherrschung der Lebensader des Staates, des Telegrafen und Eisenbahnwesens. Die Bourgeoisie bildete ihr gegenüber eine kleine Oberschicht, die Bauernmassen waren zerstreut im ganzem Reiche und kamen nur in der Armee als eventuelles Werkzeug der zarischen Regierung zur Geltung. Der Krieg verwandelte die Kasernenarmee in das Volk in Waffen, die Bauern betraten die Bühne der Geschickte als organisierte, zentralisierte Macht, Dank ihrer Friedenssehnsucht, dank allen den Leiden des Krieges, dank dem vollkommenem Zusammenbruch der zarischen Autorität, der selbst dem Adel und dem Offizierskorps nicht erlaubte, in der Stunde der Gefahr sich für den Zarismus einzusetzen, ging die Bauernarmee auf die Seite der Revolution über. Aber arm an politischer Erfahrung und Bildungselementen, voll der traditionellen Ehrfurcht des Bauerntums vor den „gebildeten" Klassen, die der Bauer hasst, aber gleichzeitig vor denen er sich klein und unbedeutend fühlt, unfähig die komplizierten Zusammenhänge der Weltpolitik zu durchschauen, konnte die bäuerliche Masse keine selbständige Politik führen. Sie wankte zwischen der Bourgeoisie und der revolutionären Arbeiterklasse. Nur eine entschiedene antikapitalistische Politik der Arbeiterklasse, das sofortige Inanspruchnehmen der Lösung der Agrarfrage, in der die Interessen des Bauerntums schroff mit den Interessen des Junkertums, des aus seinen Reihen stammenden höheren Offizierskorps und der mit ihm durch die Hypotekarbanken versippten Bürgertums zusammenstoßen, konnte das Bauerntum von dem Einfluss des Bürgertums befreien, eine jakobinische Koalition des Proletariats und des Bauerntums gegen das Kapital und Junkertum, gegen den Weltkrieg zustande bringen. Aber die Mehrheit der Führer der Arbeiterklasse ist in einem so kleinbürgerlichen Lande wie Russland selbst vom Hause aus mit kleinbürgerlichen Ideen und Aberglauben gefüllt, schon gar nicht von den Ideologen des Bauerntums zu sprechen, den Sozialisten-Revolutionären, die obwohl mit sozialistischen Phrasen vollgespickt, nichts anderes darstellen, als die Vorläufer einer nüchternen Partei des Bauerntums. Die Partei der Menschewiki und Sozialisten-Revolutionär stellt in ideologisch sublimierter Form nichts anderes, als die Überzeugung des Kleinbürgers dar, dass es ohne die bisher herrschenden Klassen nicht imstande ist, die komplizierte Staatsmaschine im Gange zu halten, das Staatsschiff durch alle Fährnisse des Weltsturmes durchzulotsen. Und da die Bourgeoisie Russlands sich von der Bourgeoisie der Entente nicht trennen will, so musste die Idee der Koalition mit der russischen Bourgeoisie erweitert werden auf die Ententebourgeoisie. Die Taktik der Menschewiki und Sozialisten-Revolutionäre formte die Aberglauben des Kleinbürgertums in Land und Stadt, sie erhob das Misstrauen dieser Schichten in die eigenen Kräfte und die des ihnen fremden europäischen Proletariats zur Höhe einer sozialpatriotischen Ideologie, sie verwandelte die Kapitulation vor der konterrevolutionären Bourgeoisie und der zaristischen Generalität zur Ideologie der Verteidigung der Revolution; sie fälschte den Verrat der internationalen proletarischen Solidarität zu grinsten der Solidarität mit den Haifischen des Ententefinanzkapitals in eine realistische Politik der Weckung der Internationalen um. Und indem sie es taten, stärkten die russischen Sozialpatrioten den Einfluss der Bourgeoisie auf das Kleinbürgertum, verlangsamten sie den Prozess seiner Ernüchterung unter dem Eindruck der Lehren der kapitalistischen Politik, stießen sie das Kleinbürgertum vom Proletariat weg, das jetzt als die wichtigste Gefahr der Revolution den Bauernmassen dargestellt wird.

Das Resultat dieser Politik lies auf sich nicht lange warten. Wenn ein Teil einer Koalition den anderen als absolut unentbehrlich erklärt, so verwandelt sich die Koalition in die Beherrschung dieses Teiles durch den anderen, in ein Verhältnis vom Reiter zum Pferd, um mit Talleyrand zu sprechen. Die erste provisorische Regierung war die Regierung des Bürgertums, das hinter sich die drängende Masse fühlt. Um den Druck zu mildern, der Miljukow aus dem Sattel gehoben hat, nötigten die Kapitalisten die Sozialpatrioten an der Regierung als Puffer zwischen ihr und der Masse teilzunehmen. Als dieser Puffer sich als zu schwach erwies, verblieb zwar ein Teil der Sozialpatrioten in der Regierung als Dekoration, aber sie sind ohne jede Bedeutung in ihr. Tschernow, der das wichtige Amt des Ackerbaus inne hat, bezeugt öffentlich, das Reformen, die er als unaufschiebbar ansieht, systematisch verhindert werden. Das Schwergewicht der Regierung liegt nicht bei den Sozialisten-Revolutionären, sondern bei den Kadetten. In der Koalition des Kleinbürgertums und der Bourgeoisie hat die Bourgeoisie immer Oberhand.

Das Kapital, die Junker, die Generalität möchte die Früchte ihrer Herrschaft ernten. Ungeduldig schreien die Rjabuschinskis, die Maslennikows, die Purischkewitsch: nieder mit der Canaille, nieder mit den Sowjets, zähmt die proletarische Bestie und den wild gewordenen Bauern! Die klügeren Elemente halten zurück. Die provisorische Regierung, an deren Spitze der Eisen- und Blut-Pappmann, Kerenski steht, macht alles, was nötig ist. Sie treibt die Bauern mit Maschinengewehren ins Feuer, sie erlaubt der konterrevolutionären Presse die Sowjets zu diskreditieren, sie erlaubt die Arbeit der Revolution in der Armee zu zerstören, sie hat seine Sache auf die Gewalt gegen die revolutionären Elementen gestellt. Aber so lange Kerenski noch den Rest der Autorität in den Augen des Kleinbürgertums hat, solange ihm die Sowjets die Unterstützung verleihen, so lange ist es besser, die Arbeit der Konterrevolution unter der Flagge der Rettung der Revolution zu führen. Das legt einen Teil der Widerstände lahm, die eine offene Herrschaft des Kapitals und des Junkertums sofort wecken würde. Mag Kerenski den Diktator spielen, solange er nicht wagt gegen das Kapital vorzugehen. Durch seinen Kampf gegen die Kräfte der Revolution bereitet er die Situation, in der das Kapital und die Junker, die offen konterrevolutionären Kräfte, ihn wie eine ausgesaugte Zitrone auf den Misthaufen der Geschichte wegwerfen werden.

III.

In Russland hat sich an die Stelle des Zarismus die Bourgeoisie in den Sattel geschwungen und sie etabliert mit Hilfe der Führer des Kleinbürgertums eine Herrschaft, die mit der zaristischen es aufnehmen kann. Die Revolution ist tot, rufen die Eulen des europäischen Sozialpatriotismus: waren wir nicht im Recht, als wir immer das Licht der Revolution scheuten? Die deutschen Sozialpatrioten, die in der Hoffnung, dass ihnen die russische Revolution aus der Patsche helfen wird, dass sie ihnen den Frieden bringen wird, ohne dass sie mit ihren herrschenden Klassen zu brechen brauchen werden, ihr devote Huldigungen brachten, sie stimmen schon ihre Gesänge über die „zerstörte Revolutionsromantik" an. In einem Artikel der Int. Korrespondenz (vom 28 Aug.) orakelt das führende Organ der deutschen Sozialpatrioten: „das Ziel des Sozialismus ist die Organisation der Wirtschaft. Nur durch planmäßigen Ausbau der Gemeinwirtschaft kann der Arbeiterklasse die wahre Freiheit zuteil werden. Diese Arbeit des Ausbaus lässt sich aber in der Revolution nicht verwirklichen: sie bedarf der Zeit, des Plans und der Ruhe. Darum hat die russische Revolution noch schlimmer als auf dem Gebiet der Friedensarbeit in sozialer Beziehung gänzlich versagt." Also Proletarier, weil sich die Gemeinwirtschaft nur langsam ausbauen lässt, schuftet für die Kapitalisten, bis ihr in dieser Arbeit Zeit und Ruhe findet, plangemäß und langsam den Sozialismus auszubauen, zu dessen Ausbau die Revolution keine Ruhe überlässt Andere sozialpatriotische Organe, so die Chemnitzer Volksstimme (vom 11 August), der Vorwärts (vom 28 August) feiern die Niederlage nicht der Idee der Revolution überhaupt, aber die der revolutionär-internationalistischen Taktik: „Die Arbeit der Bolschewiki hat uns gezeigt, wohin es führt, wenn eine politische Partei die Sabotierung der Vaterlandsverteidigung auf ihr Banner schreibt. Der einzige Erfolg der anarchosyndikalistischen Propaganda ist der Tod zahlloser russischer Soldaten geworden, die von ihren eigenen Landsleuten erschossen wurden, weil sie nicht gehorchten“ – schrieb die Volksstimme. Das Zentralorgan der deutschen Sozialpatrioten, der Vorwärts doziert: „In Russland ist Probe aufs Exempel gemacht worden, dass man mit der Negation der Landesverteidigung und mit dem Predigen der Anarchie (!) während des Krieges wirksame Friedenspolitik nicht treiben kann. Die Wirkung schlägt in das Gegenteil um. Es ist kein Gewinn, für die Arbeiterbewegung, wenn ein Teil von ihr ins anarchosozialistische Fahrwasser gerät, während der andere sich nationalistischen Tendenzen nähert.“ Die deutschen Arbeiter die an den Erfolgen der Friedenspolitik der deutschen Sozialpatrioten verbluten, sollen durch die ersten sechs Monate der russische Revolution gewarnt werden vor dem schlechtem Beispiel. Die Sozialpatrioten der Entente, die sich niemals den Luxus von prinzipiellen und taktischen Gedanken erlaubten, philosophieren nicht. Sie grunzen nur, dass die russische Revolution die Siegesaussichten der Entente bisher nicht zerstört hat und sie opfern auf dem Altar Kerenskis, des neben Wilsons ihnen erstandenen neuen Gottes.

Sie triumphieren zu früh die Helfershelfer und Sklaven des Imperialismus. Nicht die russische Revolution ist tot, sondern der Versuch ihrer Geistesbrüder sie im Bündnis mit dem Kapital zum Siege zu bringen, der Versuch, der von den Brantings und Huysmans mit einem Freudengeheul begrüßt wurde. Sie ist nicht tot. Die Resultate der Koalitionspolitik und der Diktatur Kerenskis werden den Bauern und dem städtischen Kleinbürgertum zeigen, dass der Weg zur Freiheit, zum Grund und Boden, zum Frieden nur durch den schärfsten Kampf gegen das Kapital im nationalem und internationalem Maßstab führt. Die russische Arbeiterklasse, die in ihren Vorderreihen dies von Anfang an verstanden hat und als Avantgarde der neuen Internationale den Bolschewiki folgte, wurde durch die Erfahrungen des ersten Halbjahrs der Revolution nicht nur nicht enttäuscht durch die Politik den Bolschewismus, sondern ihre breitesten Massen haben – wie es die Wahlen in Petrograd beweisen, der grandiose Proteststreik in Moskau bestätigt – verstanden, dass wer einen Finger der „Landesverteidigung" in dem imperialistischem Raubkrieg reicht, verloren ist. Auf die Taktik des Bolschewismus werden die Arbeitermassen sofort zurückgreifen, wenn nur der Maulwurf der Geschichte seine Arbeit geleistet haben wird, die Unzufriedenheit der kleinbürgerlichen Masse sich wieder in offene Kampfstimmung verwandelt. Das wird schneller eintreten als die Gräber der russischen Revolution in Russland und im Ausland annehmen. Die russische konterrevolutionären Elemente sind nicht nur nicht imstande, dem Proletariat und Bauerntum was anderes zu geben, als Blei und Eisen, sondern selbst an diesen Ernährungsmitteln beginnt es ihnen zu fehlen. Die Konterrevolution in Russland ist noch mehr als die Regierungen anderer Länder am Ende ihres Lateins. Sie kann die Revolution nicht besiegen. Denn selbst, wenn sie zu diesem Zwecke den Separatfrieden schließen würde, sie kann die Erbschaft des Krieges nicht liquidieren, sie muss Bankrott erklären.

Eine Welt liegt im Sterben. Wie lang ihre Zuckungen noch dauern werden, wie sehr ihr Kadaver die Luft verpesten kann, ein Kadaver ist sie doch und die Arbeiterklasse muss mit ihm aufräumen, wenn sie nicht selbst untergehen will. Die russische Revolution ist nur ein Teil des großen umwälzenden Prozesses der Liquidierung des Weltkrieges. Allein wird sie mit dem Ungeheuer nicht fertig. Das langsame Heraneilen anderer Bruderkorps hat den sozialpatriotischen Elementen zum vorübergehendem Sieg in Russland verhelfen. Das werden die Volksmassen Russlands und Europas mit neuen ungeheuren Opfern bezahlen. Aber sie werden lernen, dass es keinen anderen Retter gibt, als der internationale Kampf gegen den Imperialismus. Und haben sie es verstanden, dann wird nicht nur die russische, sondern die europäische Revolution siegen.

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