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Karl Radek 19200803 Bericht zur Gewerkschaftsfrage

Karl Radek: Bericht zur Gewerkschaftsfrage

in der 13. Sitzung des Zweiten Kominternkongresses, 3. August 1920 morgens

[Nach Protokoll des II. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale. Hamburg 1921. Reprint Erlangen 1972, S. 482-501

RADEK. Genossen! Die Frage vom Verhältnis der Kommunistischen Internationale zu den Gewerkschaften ist die ernsteste, wichtigste Frage unserer Bewegung. Die Gewerkschaften sind die größten Massenorganisationen des Proletariats; sie spielen die entscheidende Rolle in den ökonomischen Kämpfen, den hauptsächlichsten Zersetzungselementen des Kapitals, und nach dem Siege der Revolution werden die Gewerkschaften die Massenorganisationen sein, die in erster Linie dazu berufen sind, an dem wirtschaftlichen Aufbau des Sozialismus zu arbeiten. Schon die Bedeutung der Gewerkschaften in dem sich immer mehr und mehr verschärfenden ökonomischen Kampfe und beim Aufbau des Sozialismus erlaubt es nicht, an diese Frage anders heranzutreten als unter der genauesten Prüfung der Verhältnisse in ihnen, wenn wir es erreichen wollen, uns nicht von Wünschen leiten zu lassen, sondern von der sachlichen Beurteilung der Entwicklungsmöglichkeiten.

Am Anfang des Krieges hielten viele von uns die Gewerkschaftsbewegung für abgetan. Viele waren der Meinung, dass die Gewerkschaften, die früher in erster Linie durch ihre Kassen gegen das Kapital kämpften, bei Ausgang des Krieges angesichts der großen Aufgaben, vor die sie gestellt sein würden, zusammenbrechen müssten, und keine geringere als Rosa Luxemburg war bei Ausbruch der deutschen Revolution der Meinung, dass die Gewerkschaften ausgespielt hätten. Es ist sehr charakteristisch, dass auf dem Gründungsparteitag der KPD diese Frage selbst in den Debatten keine Rolle gespielt hat.

Wenn wir die Entwicklung der Gewerkschaften für die Zeit vor dem Kriege, während des Krieges und während der Revolution in den wichtigsten Ländern an uns vorbeiziehen lassen, so bekommen wir ungefähr folgende Ziffern: in Deutschland waren die Gewerkschaften vor Ausbruch des Krieges 2¼ Millionen stark. Während des Krieges fiel die Kurve beträchtlich, und die Zahl war niedriger. Seit Ausgang des Krieges, seit dem Dezember 1918, als die Gewerkschaften keine zwei Millionen zählten, sind sie bis zu acht Millionen gestiegen. In England sind sie von Millionen am Anfang des Krieges bis zu Millionen gewachsen. In Frankreich sind sie von 400.000 organisierten Arbeitern jetzt auf zwei Millionen angewachsen, in Italien von 450.000 auf zwei Millionen. Sogar in Amerika sind die Gewerkschaften von ca. zwei Millionen bei Ausbruch des Krieges auf vier Millionen angewachsen. Einer der Führer der KAPD, Schröder, äußerte in seiner Broschüre über die Betriebsräte über diese Ziffern, dass sie nicht einen gesunden Wachstumsprozess, sondern ein ungesundes Anschwellen ausdrücken. Wenn es sich darum handeln würde, den Erscheinungen der Geschichte, die uns nicht gefallen, ein schlechtes Attest auszustellen, dann könnte man sich damit begnügen, dass man die Gewerkschaften als eine Geschwulst an dem Kadaver des Kapitalismus betrachtet. Aber da es sich um etwas anderes handelt, so muss man folgende Tatsachen anerkennen:

Die Arbeitermasse sah im Krieg zwar den Verrat der Gewerkschaftsführer, und zum großen Teil ist sie voll Erbitterung gegen die Gewerkschaftsbürokratie; aber gleichzeitig hat sie im Kriege gelernt, organisiert vorzugehen, als Bataillone, als Armeekorps. Wo sie jetzt den größten wirtschaftlichen Kämpfen entgegengeht, wo sie das ungeheure Wachsen der Preise, alle Schwierigkeiten der Wohnungsfrage, das wirtschaftliche Chaos an sich heranstürmen lassen muss, sucht sie ihre Macht im Kampfe auszubauen und zu stärken. Sie hat dabei keinen anderen Weg, als in die Gewerkschaften zu gehen, sie zu einem großen Massengebilde zu machen. Und diesen Weg geht die Masse. Es ist ein charakteristisches Anzeichen, dass in allen Ländern, wo wir kein besonderes Wachstum der revolutionären Gewerkschaften sehen – z.B. die IWW, in Amerika oder die Syndikalisten in Deutschland, die zwar in der Zahl gewachsen sind, aber nur in geringer Proportion –, die Masse direkt in die großen Gewerkschaften geht. Natürlich ist damit die Frage nicht entschieden, was die Gewerkschaften und welches ihre Funktionen sind, und bei der Beurteilung unserer Haltung den Gewerkschaften gegenüber haben wir von der Analyse der Möglichkeiten und der Wege des kommunistischen Kampfes auszugehen. Wir haben die Frage zu beantworten: gibt es einen anderen Weg zur Befreiung der Arbeiterklasse als den, den die Gewerkschaften durch die Steigerung ihrer bisherigen Kampfesmethoden gehen? Auf eine politische Formel zurückgeführt, könnte man die Frage so stellen: Worin können die Aufgaben der revolutionären Gewerkschaften bestehen?

Wir hören oft von der Gegenüberstellung der revolutionären Gewerkschaften und der Gewerkschaften überhaupt. Fragen wir uns: worin besteht der Zerfall des Kapitals, welches sind die Kampfmittel der Arbeiterklasse und was können die Gewerkschaften leisten, wenn sie diesen Kampf führen wollen. Vorerst: wir wissen, dass die Gewerkschaftsbürokratie als Ausweg aus der Situation gemäß ihrer gegenrevolutionären Auffassung die Abschaffung des Wirtschaftskampfes überhaupt betreibt. Die deutschen Gewerkschaften begannen seit dem Siege der Revolution die Arbeitsgemeinschaften auszubauen, d. h, die Organisationen des dauernden Ausgleichs mit den Kapitalisten, wobei natürlich die Arbeiterklasse der unterliegende Teil ist. In England wuchsen die Whiteley Committees sich zu den Joint Industrial Councils aus, die der Idee der Arbeitsgemeinschaft – dem Versuch, ein dauerndes Abkommen zwischen Arbeitern und Kapitalisten als Organisation zwecks Erledigung der Streitfragen zu schaffen – vollkommen entsprechen. Diese Taktik der Gewerkschaftsführer ist eine Taktik des Abbaus des Klassenkampfes, und ich brauche hier nicht weiter darüber zu sprechen, dass wir damit nichts gemein haben können, sondern im schärfsten Kampfe gegen diese Versuche stehen müssen. Dieser Kampf braucht aber nicht geführt zu werden unter der Losung einer neuen Gewerkschaftstaktik, denn das Neue liegt hier umgekehrt auf der Seite der Gewerkschaftsführer. Was eine neue Taktik der Gewerkschaften und die Möglichkeit des Vorhandenseins einer besonderen revolutionären gewerkschaftlichen Taktik betrifft, so haben wir folgendes zu sagen: Der Prozess des kapitalistischen Zerfalls besteht in der Desorganisation der Kontinuität des Wirtschaftsprozesses. Indem das angelsächsische Kapital die eine Hälfte des europäischen Kontinents, die gleichzeitig die größte Masse der industriellen Rohprodukte auf die Weltmärkte wirft, aus dem Wirtschaftsprozess auszuschalten und diese Länder zu seinen Sklaven zu machen sucht, führt es zu einer Unterbrechung des Arbeitsteilungsprozesses der ganzen Weltwirtschaft. Es ist dies ein Versuch, der kein anderes Endergebnis haben kann als den Zusammenbruch des kapitalistischen Systems auch in Amerika und England. Die Störung der Produktion, die große Arbeitslosigkeit lässt keinen Zweifel darüber, dass diese Länder sich in einer großen wirtschaftlichen Krise befinden.

In der amerikanischen Literatur gibt es jetzt Untersuchungen, die – wie z. B. das Buch von Sparge – Russland als die „amerikanische Sache" hinstellen und zu beweisen suchen, dass Amerika vor einer Krise stehe. Diese Unterbrechung des Wirtschaftsprozesses im Weltmaßstabe ist begleitet von einem geradezu wahnsinnigen Anwachsen der Preise. Wir haben das kolossale Wachstum aller Preise auf dem Weltmarkte erlebt, das verschärft wird durch die Valutaunterschiede zwischen den besiegten und „siegreichen" Ländern. Jetzt beginnen wir den Fall der Preise zu erleben, und während das Wachsen der Preise einerseits eine Art Schwindelkonjunktur, andererseits die vollkommene Auspressung der Zentralmächte herbeiführte, bedeutet jetzt das Fallen der Preise eine neue Produktionskrise.

Die allgemeine Lage der Arbeiterklasse ist eine solche, dass jeder Gedanke an eine reformistische Taktik, an die allmähliche Steigerung der realen Löhne der Arbeiterklasse, ihres Standard of Life, eine vollendete opportunistische Illusion ist. Die Möglichkeit der allmählichen Besserung der Lage der Arbeiterklasse ist eine reaktionäre Utopie. Wenn man die statistischen Daten von Kuczynski ansieht, wo er zum Resultat kommt, dass eine vierköpfige Familie zur Erreichung eines allernotwendigsten Lebensniveaus, niedriger als das vor dem Kriege, in Deutschland 16.000 Mark jährlich braucht, wobei er berechnet, dass nur ca. 10 Prozent der Bevölkerung einen solchen Lohn beziehen, wenn wir dann andererseits die Ziffern für Amerika nehmen, also auf der einen Seite das höchst entwickeltste besiegte kapitalistische Land, auf der anderen den Triumphator im Kriege, so wird diese Feststellung vollauf bestätigt. In einem Artikel „The high cost of Labour", den die Washingtoner „Nation" (vom 19. Juni 1920) bringt, werden folgende Ziffern angeführt: Nach den statistischen Aufstellungen für das Jahr 1919 war für eine Familie von Mann, Frau und drei Kindern das Minimum des Lebensunterhalts 2500 Dollar jährlich, wobei gesagt wird, dass das nicht der amerikanische Standard of Life ist, sondern ein Niveau, „unter dem die Familie in die Gefahr der physischen und der moralischen Ausartung geraten würde". Andere Statistiken, die im Artikel angeführt werden, kommen zu einer Ziffer von 2180 Dollar, und jetzt berechnet das Blatt die Löhne für 103 Berufe und kommt zu dem Ergebnis, dass ein Lohn von 6,50 bis 8,50 Dollar, der diesem Jahresbudget entsprechen würde, von nur 10 Prozent der Metallarbeiter bezogen wird, so dass jedenfalls nach der Berechnung der „Nation" 90 Prozent in einer Lage leben, die sie, nach der Meinung der amerikanischen Statistiker, in die Gefahr der physischen und moralischen Ausartung bringt. Das bürgerliche Blatt sagt weiter, dass ein Viertel der Arbeiterklasse bereits aktueller Unterernährung und dem Kleidungsmangel ausgesetzt ist. Das war die Lage in Amerika, bevor die Krise begann. In dieser Situation ist es klar, dass die Taktik der Gewerkschaften, die Aufgaben des kommunistischen Kampfes nicht in Reparaturen des kapitalistischen Gebäudes bestehen können, sondern in dem bewussten Hinarbeiten auf die Niederwerfung des Kapitals. Auf welchem Wege können wir diesen Kampf führen? Da trifft man in unserem „linken" Flügel häufig folgende Auffassung an: Da es unmöglich ist, die Lage der Arbeiterklasse durch Steigerung der Löhne zu verbessern, so ist es unnütz, darum zu kämpfen. Die ökonomischen Kämpfe sind nutzlos, man muss warten, bis sich der Groll so angehäuft hat, dass die Arbeiterklasse dann mit einem Schlage mit dem Kapitalismus fertig wird. Auf der anderen Seite finden wir die Propaganda der Sabotage (der Arbeit, der Industrie) als des Weges, der zu einem schnellen Zusammenbruch des Kapitals führen wird. Die eine Auffassung ist ebenso unrichtig wie die andere. Wenn die Arbeiterklasse auch nicht imstande ist, sich auf dem Wege der Erhöhung der Löhne zu retten, so darf sie doch aus stichhaltigen Gründen dem Lohnerhöhungskampf nicht gleichgültig gegenüberstehen. So unterliegt es keinem Zweifel, dass z. B. die Berliner Metallarbeiter, falls sie nicht imstande sind, ihre Löhne der Preissteigerung entsprechend zu erhöhen, im März schlechter stehen werden als im Januar. Wenn also die Erhöhung der Löhne auch kein Mittel ist, die Frage zu lösen, so ist sie doch ein Mittel, die Arbeiter zum Kampfe fähig zu erhalten. Ferner: Ein sofortiger Zusammenbruch des Kapitals ist ebenso wie der sofortige Einsturz eines Hauses, dem man die Pfeiler weggezogen hat, schon aus den Gründen der Mechanik undenkbar. Der Kapitalismus könnte auch bei der größten Not der Welt noch jahrelang bestehen, wenn sein Zerfall nicht entgegengesetzte Kräfte auslöste. Die Arbeiterklasse kann sich von der Rettungslosigkeit der kapitalistischen Situation nur dann überzeugen, wenn sie, durch Not getrieben, in den Kampf tritt und sich in diesem Kampfe überzeugt, dass sie sich auf dem Boden des Kapitalismus nicht retten kann. Die Lohnkämpfe haben in ihrem momentanen Resultat die große Bedeutung, dass sie die großen Arbeitermassen zum revolutionären Kampfe mobilisieren.

Auf der anderen Seite ist die Losung der Sabotage, soweit es sich um die Sabotage der technischen Mittel handelt, eine direkt gegenrevolutionäre Losung. Wir werden so schon ein genügend kleines Erbe bekommen, da der Bürgerkrieg ohnehin eine Vernichtung der Produktionswerte und -mittel mit sich bringt. Daher ist es die Aufgabe der Arbeiterklasse, diese technischen Mittel nur angesichts der größten Notwendigkeit zu vernichten. Die Sabotage ist keine Losung im Kampf. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass es nicht unsere Pflicht ist, dem Arbeiter zu sagen, dass er sich für die Kapitalisten besonders anstrengen soll, doch ist die passive Resistenz kein Mittel, das zu einem Zusammenbruch des Kapitals führen könnte. Die Mittel des Kampfes der Arbeiterklasse sind aktive Mittel: die Ausbreitung der Kampffront durch die Heranziehung von Millionen kämpfender Arbeiter, die Verschärfung, die Verlängerung des Kampfes und die Einigung der kämpfenden Massen.

Das Problem besteht darin, dass die resultatlosen Kämpfe schließlich zu einem allgemeinen Angriff der Arbeitermassen auf den Kapitalismus führen werden. Es gibt kein neues Mittel in diesem Kampf. Wenn wir in den großen Massengebilden, den Gewerkschaften, die gegenrevolutionären Tendenzen der Bürokratie ausrotten, wenn wir sie absetzen, so sind diese Massenorganisationen des Proletariats die Organe, die am meisten befähigt sind, den Kampf des Proletariats in breiter Front zu führen.

Jetzt kommen wir zur Frage der praktischen Möglichkeiten der Umwandlung der reaktionären Gewerkschaften in Institutionen der Revolution. In unseren Leitsätzen, die wir dem Kongress unterbreiten, geben wir als generelle Regel an die Kommunisten die Losung aus: Eintritt in die Gewerkschaften und Kampf in den großen Gewerkschaften um ihre Eroberung. Aber wenn wir diese generelle Regel geben, so sollen wir nicht die Augen verschließen vor den Schwierigkeiten, die uns besonders in den langen Beratungen unserer Kommission klar wurden. Die Schwierigkeiten bestehen darin, dass wir bei der Aufstellung der Leitsätze vielleicht zu sehr die russischen und die deutschen Erfahrungen im Auge hatten. Die deutschen Gewerkschaften mit ihren acht Millionen organisierten Arbeitern umfassen die große Masse der deutschen Arbeiter, die gute Hälfte des deutschen Proletariats, und sie sind deshalb nicht mehr nur Organe der Arbeiteraristokratie. Wir haben in den Gewerkschaftsorganisationen über 600.000 landwirtschaftliche Arbeiter, und schon die Tatsache, dass die großen Massen den Gewerkschaften angehören, eröffnet die besten Perspektiven.

Wenn wir jedoch in Betracht ziehen, dass wir in Amerika nur vier Millionen gewerkschaftlich organisierte Arbeiter haben, wenn wir in Betracht ziehen, dass sie in Fachverbände zersplittert sind, so stehen wir in Amerika der Tatsache gegenüber, dass vorderhand die organisierte Arbeiterschaft die Arbeiteraristokratie darstellt, dass sie sich zweitens hermetisch abschließt von den großen Massen der Arbeiter, dass drittens diese Arbeiteraristokratie verstreut ist in einer großen Masse kleiner Organisationen alten Stils. Es gibt in Amerika und England Gewerkschaftsorganisationen, wo die Gewerkschaftsbürokratie auf Lebenszeit bestimmt wird. Daher müssen wir bei Aufrechterhaltung der allgemeinen Leitsätze die Kommunisten Amerikas und Englands dazu veranlassen, in allen großen Organisationen in Amerika die Möglichkeit und die Notwendigkeit der Bildung neuer Gewerkschaften in Erwägung zu ziehen. Wir haben hierzu ein gutes Feld vor uns, nämlich die Berufe, wo die Arbeiteraristokratie freiwillig auf die führende Rolle als Organisator verzichtet, also die vielen Berufe der unqualifizierten, unentwickelten Arbeiter. Wenn wir in unseren Leitsätzen nur den einen Fall der Unterdrückung der Organisationsmitglieder durch die Gewerkschaftsbürokratie angaben, so müssten wir für Amerika den Kommunisten ausdrücklich sagen: Ihr habt die Pflicht, die Gründung neuer Organisationen auf euch zu nehmen. Wir haben dort in den IWW eine Organisation, die an diese Aufgabe herangeht. Wohl ist sie die am meisten verfolgte Organisation, in deren Brust alle Speere des amerikanischen Kapitalismus stecken. Und so wollen wir uns denn nicht stoßen an der revolutionären Romantik der IWW, sondern wir sagen unseren Genossen, sie sollen diese Organisationen mit voller Kraft unterstützen, um die Massen zu organisieren. Eine Möglichkeit für eine einheitliche Taktik ist nur darin gegeben, dass wir unsere Bemühungen um die Organisation der breiten unqualifizierten Arbeitermassen mit denen der IWW in Einklang bringen. Im Interesse der englisch-amerikanischen Arbeiterbewegung darf es nicht zur Isolation der revolutionären Gewerkschaften kommen. Wir müssen durch die neuen Organisationen nicht nur den Kapitalismus stürmen, sondern wir müssen auch in die Federation of Labour gehen. Die amerikanischen Genossen antworten uns darauf, dass sie während Jahrzehnten versucht haben, die F. of L. umzugestalten; aber dieses Argument ist kaum überzeugend. Insoweit es sich um die F. of L. handelt, gingen die Leute immer mit dem guten Willen in die Gewerkschaften, sofort die Waffen zu ergreifen; aber da handelte es sich nicht nur um die revolutionären Elemente, und man darf auch nicht vergessen, dass alle diese Bemühungen unternommen wurden in der Epoche der friedlichen Entwicklung, wo der Arbeiter in England und Amerika gar nicht an die Revolution denken konnte. Jetzt befindet sich die F. of L, selbst in einem Umwandlungsprozess Ich habe dafür kompetente Zeugen, wie die Londoner „Times", die in der Jubiläumsnummer vom vorigen Jahr folgendes schreibt: „Während des Krieges und vermutlich als seine Folge wuchsen die Gewerkschaften gewaltig. Die Streiks wurden weit zahlreicher als in normalen Zeiten und die Unzufriedenheit mit Herrn Gompers wurde, wenn nicht formell und öffentlich, so doch wenigstens privatim laut kundgetan … Das Bestehen einer starken sozialistischen Gruppe in der Föderation hat sich schon während einer langen Periode gezeigt und fand seinen Ausdruck in wiederholten Anstrengungen, Gompers als Vorsitzenden abzusetzen. Ferner ist es die Meinung erfahrener Beobachter, dass diese Gruppe weit stärker ist, als es die Handlungen des Kongresses, seine Beschlüsse oder seine Wahlen des Vorsitzenden und der Exekutive zeigen würden. Weiter ereignete sich eine Reihe von Fällen, wo fähige und erfahrene Vorsitzende und Craft-Unions in Neuwahlen besiegt und ihre Plätze von Männern des extremen sozialistischen Typus ausgefüllt wurden …" Das wurde am 4. Juli v. J. geschrieben. Ich habe einen Bericht über den letzten Kongress der F. of L., der im Januar d. J. stattfand. In diesem Bericht, der im Organ von Sydney Webb, im „New Statesman", erschien, wird darüber gesprochen, dass in dem Kongress jetzt mit 29.000 gegen 8000 Stimmen das Projekt nicht nur der Verstaatlichung der amerikanischen Eisenbahnen, sondern der Überweisung der Eisenbahnen unter die Leitung einer gemischten Kommission, ein Projekt von revolutionärer Bedeutung, angenommen wurde, ein Projekt, das, wenn auch an sich reformistisch, eine Bresche in der amerikanischen Gewerkschaftsbewegung darstellt. Der „New Statesman" schreibt über den Ausfall der Diskussion auf dem Kongress folgendes: „Herr Gompers wurde für eine weitere Zeit zum Vorsitzenden gewählt. Zum ersten Mal in seiner Karriere drückte er den Wunsch aus, das Zepter niederzulegen. Er fühlt, dass sein Thron wankt und dass seine Zeiten vorbei sind. Die Radikalen reisten voll Jubel ab. Sie hatten ihren ersten großen entscheidenden Sieg in einer Konferenz der F. of L. errungen und, wie ein Delegierter sich ausdrückte, gezeigt, „wie man einen Rammblock in die Maschine dreht".

Ich will mich keinesfalls mit diesem optimistischen Urteil identifizieren. Es ist sehr gut möglich, dass die Entwicklung einen anderen Kurs nehmen wird, aber jedenfalls zeigen die Dinge, dass die F. of L. kein einheitlicher Block mehr ist, Es sind Risse in ihr, und es ist die Pflicht der amerikanischen Kommunisten, diese zu erweitern. Wenn mich die amerikanischen Kommunisten fragen, mit welchen Mitteln es möglich ist, die Bürokratie in der F. of L, umzugestalten oder sie unschädlich zu machen, so antworte ich: Wenn die Kommunisten von vornherein in die F. of L. gehen mit der Losung, sie zu zerstören, so werden sie ihre eigene Arbeit zerstören; wenn es sich jedoch als Resultat ihres Kampfes ergibt, dass es notwendig ist, die F. of L. zu zerstören, so sollen sie es tun. Aber kein taktisches Interesse erfordert, dass wir uns darauf versteifen, nicht in die F. of L. zu gehen. Die Aufgabe ist, dort zu arbeiten und zu wirken als der Faktor der Einigung der Kräfte, die von außen wirken, mit den Kräften der englischen und amerikanischen Arbeiter, die in der F. of L, organisiert sind und deren aristokratischer Hochmut gebrechen wird durch alle die Leiden, die der zusammenbrechende Kapitalismus auch in Amerika über sie bringen wird.

Als generelle Regel stellen wir also den Kampf um die Eroberung der Gewerkschaften auf. Die andere Frage, die an uns herantritt, ist die Frage über die spontanen Organisationen, die sich im Prozess des Kampfes während des Krieges und jetzt zu bilden beginnen und die verschiedenen Ursprungs sind, die aber als Neuerscheinungen die größte Aufmerksamkeit unsererseits erfordern. Es sind Organisationen wie die Shop Stewards, die Factory Committees in England, die Betriebsräte in Deutschland, die in ihrem ersten Stadium, was ihre Zusammensetzung anbetrifft, ein Chaos darstellen, aber ein Chaos, aus dem ein neues Leben entsteht, und man muss der vernageltste deutsche Gewerkschaftler sein, um in dieser Bewegung nicht ein neues Leben zu sehen. Wir sahen, wie die Shop Stewards entstanden, als die englische Gewerkschaftsbürokratie im Kriege auf die Streikwaffe verzichtete. Die Arbeiter bildeten selbst die Komitees, die den Streik leiteten. Wir sehen weiter, wie nach dem Kriege diese Shop Committees zum Mittelpunkt des aktivsten Teils der englischen Arbeiterklasse wurden, der abermals ohne Hilfe der Gewerkschaftsbürokratie an die Organisierung von Streiks herangeht, wie er sich jetzt die Aufgabe stellt, bewusst auf die Unschädlichmachung der Gewerkschaftsbürokratie hinzuarbeiten und sie zurückzudrängen, so dass die Shop Stewards auf diese Weise eine Organisation zur Erneuerung des englischen Gewerkschaftslebens sind. Je mehr sich der Kampf entwickelt und diese Bewegung eine bewusst revolutionäre wird, desto mehr sehen die Shop Stewards in sich auch die Leiter der politischen revolutionären Tätigkeit. Sie werden zum Mittelpunkt der direkten Aktion in England. Wenn wir nach Deutschland gehen, so sehen wir, dass die Entstehung der Betriebsräte zum großen Teil der Enttäuschung über die Gewerkschaften zuzuschreiben ist. Während neue unorganisierte Massen in die Gewerkschaften hineinströmen, sehen wir, wie der Stamm der Arbeiter, der nachdenkt, fühlt, dass die Gewerkschaften nicht genügen, weil sie von einer gegenrevolutionären Bürokratie beherrscht werden, weil sie Fachorganisationen sind, weil sie die Massen zerschneiden, zersplittern. Vielfach führt diese Erkenntnis die Arbeiter dazu, sich von diesen Gewerkschaften völlig abzuwenden. Wir sehen, wie die Betriebsrätebewegung versucht, unter dem Joch des Kapitalismus, unter der Herrschaft Noskes die Grundlage der zukünftigen wirtschaftlichen sozialistischen Ordnung zu schaffen.

Jetzt stehen wir vor der prinzipiellen Frage der Beurteilung und der Bewertung der Möglichkeiten, die der Arbeit der Gewerkschaften in den kapitalistischen Ländern gegeben sind. Wir brauchen nicht besonders hervorzuheben, dass wir verpflichtet sind, jede aufkommende Fabrikorganisation des Proletariats, die den Zweck hat, die Allmacht der Gewerkschaftsbürokratie zu brechen, zu unterstützen, nicht nur in England, sondern auch in Deutschland und Frankreich und in allen anderen Ländern, Wenn wir in Deutschland die Frage des Verhältnisses der Betriebsräte zu den Gewerkschaften betrachten, und wenn wir sehen, dass nicht nur die Legien, sondern auch die rechten Unabhängigen, die Dißmann usw. diese Organisationen in den Gewerkschaftsapparat einzuschachteln suchen und das begründen mit der Ökonomie der Revolution – man müsse die Kämpfe einheitlicher leiten –, so kennen wir diese Pfiffikusse zu gut, um nicht ihre Absicht zu durchschauen. Würde die Sache so stehen, dass die Legien und die Dißmann die Leiter des revolutionären Kampfes des Proletariats werden, so würden wir den Betriebsräten sagen: Tretet ein in die Reihen! Aber so steht die Frage nicht. Die Legien sind die Leiter der deutschen Gegenrevolution, und wenn man sich die Praxis der rechten Unabhängigen betrachtet, wenn man die Politik Dißmanns im Metallarbeiterverband im Auge hat, so kann man nicht den geringsten Unterschied zwischen seiner Politik und der Politik der Legien gelten lassen. Unter diesen Umständen bedeutet das Bestreben, die Betriebsräte in den Gewerkschaftsapparat einzufügen, den Versuch der Zerstörung dieser revolutionären Organisationen, die im Moment des Kampfes als Organe der Revolution auftreten könnten. Was das Bestreben anbetrifft – es gehört einer Übergangsepoche an –, aus diesen Betriebsräten eine systematische Organisation zu bilden, die imstande wäre, den Übergang zum Sozialismus zu erleichtern, so war dies eine Illusion, und ich glaube, dass das auch die Genossen einsehen müssen, die in diesem Sinne gearbeitet haben. Es ist unmöglich, unter der Fuchtel des Kapitalismus und des Belagerungszustandes eine Organisation aufzubauen, die imstande wäre, den Apparat der zukünftigen sozialistischen Wirtschaftsordnung darzustellen. Worum es sich handelt, ist, dass die Bewegung wächst, und zwar aus verschiedenen Gründen. Sie umfasst die aktivsten Teile des Proletariats, sie kämpft .gegen die Bleigewichte der Gewerkschaftsbürokratie, und sie wird, je weiter, desto mehr, die Organisationen des Kampfes und der Kontrolle der Produktion werden.

Wenn der Prozess des Zerfalls der kapitalistischen Wirtschaftsweise weiter schreitet, wird nicht nur der bewusste, sondern auch der letzte Arbeiter in der Fabrik vor die Frage gestellt werden: Woher bekommt man Kohlen, Rohstoffe usw. Aus all diesen Kombinationen entsteht ein Kampf, der in den Betrieb hineinwächst und dessen Träger die Masse wird. Die Gewerkschaften allein können nicht diese Träger sein, sie umfassen nicht die ganze Masse der Arbeiter des Betriebes, sie sind noch Fachorganisationen. Hier ist eine revolutionäre Organisation notwendig, die als revolutionäre Kraft auftritt, die es sich bei einer solchen Frage zur Hauptaufgabe macht, die Massen in Bewegung zu setzen, sie in den Kampf zu führen. Wenn wir sagten, es sei die Aufgabe der Kommunisten, in den Gewerkschaften an der Spitze zu marschieren, sich nicht zu begnügen mit der kommunistischen Propaganda, sondern zu versuchen, der leitende Teil der Bewegung zu sein, so ist es in der Frage der Betriebsräte, der Shop Stewards selbstverständlich, dass die Initiative den Kommunisten zufällt. Wenn die Frage gestellt wird: Sind neben den Gewerkschaften neue Organisationen zu schaffen? wie soll ihr gegenseitiges Verhältnis sein? so antworten wir: solange die Gewerkschaften durch die Bürokratie beherrscht werden, sind diese neuen Organisationen unsere Stützpunkte gegen die Gewerkschaftsbürokratie; wenn aber die Kommunisten die Leiter der Bewegung geworden sind, dann ist die Zeit gekommen, die beiden Ströme zusammenfließen zu lassen und die Betriebsräte zu gewerkschaftlichen Organen zu machen.

Jeder Versuch jedoch, jetzt den Gewerkschaften die Räte auszuliefern, ist ein gegenrevolutionärer Versuch.

Es ist noch eine Frage, zu der wir Stellung nehmen müssen, und das ist die Frage des Industrialismus und der Industrieverbände. Wenn wir hören, wie die Frage des Industrialismus von verschiedenen Seiten propagiert wird, so glauben wir, es mit einem neuen Fetisch zu tun zu haben. Es wird behauptet, dass die Fachgewerkschaften nicht mehr der Revolution dienen können. Die Industrieverbände seien das Höchste und Vollkommenste. Das ist eine vollkommen metaphysische Stellungnahme. Es ist schon praktisch erwiesen, dass ein reaktionärer Industrialismus möglich ist. Wenn die Arbeiterschaft sich in Industrieverbänden organisiert, um mit den Kapitalisten ein Abkommen zu treffen, so liegt darin nichts Revolutionäres, während es andererseits möglich ist, dass gewerkschaftliche Organisationen, die noch zurückgebliebener sind als die Fachgewerkschaften, sich in revolutionärem Kampf vereinigen, wenn sie vom revolutionären Geist erfüllt sind. Die Ideologie dieser Industrieverbände lässt sich reell auf eine ganz einfache Tatsache zurückführen, nämlich, dass es besser ist, die Arbeiter nach Industrien zu organisieren und nicht nach Fächern. Unsere Stellung zu Industrieverbänden ist progressiv. Wir wollen sie unterstützen; aber wir dürfen uns daraus kein Schiboleth machen, denn sonst verhindern wir nicht die Zersplitterung, sondern wir schaffen neben 20 Fachgewerkschaften den 21. Industrieverband, der wieder einen hundertsten Teil der Masse einkapselt. Der Weg zu den Industrieverbänden soll durch unseren Kampf in den Gewerkschaften beschritten werden. Falls wir zur Spaltung der Gewerkschaften schreiten würden, um einen Verband zu gründen, so wäre das Resultat keineswegs das von uns gewünschte. Das sehen wir am Beispiel Amerikas, wo die Gewerkschaften, nachdem die Arbeiterindustrieverbände, die alle Arbeiter vereinigen sollten, entstanden waren, genau so zersplittert blieben wie sie waren. Die Frage des Industrialismus steht im Zusammenhang mit der Frage des Syndikalismus, und wenn manche unserer Genossen immerfort davon sprechen, so sehe ich darin die Tendenz, eine Anlehnung an eine syndikalistische Bewegung zu suchen, die gegen den proletarischen Staat, gegen die Diktatur des Proletariats ist. Der Kampf gegen diese Richtung ist in den angelsächsischen Ländern, wo die Arbeiter niemals weder eine wirklich revolutionäre Partei gehabt, noch einen revolutionären Kampf gesehen haben, sehr schwierig. Man soll ihn ihnen nicht schwerer machen, indem man die syndikalistische Ideologie annimmt.

Die Stellung der Kommunistischen Internationale zu den syndikalistischen Strömungen ist durch den Beschluss des Kongresses bewiesen, der syndikalistische Organisationen zur Kommunistischen Internationale zulässt. Dadurch hat die Kommunistische Internationale gezeigt, dass ihr der alte Geist der Sozialdemokratie vollkommen fremd ist. Weil wir im Syndikalismus eine Übergangskrankheit der revolutionären Arbeiterbewegung sehen, suchen wir an die Syndikalisten heranzutreten, uns mit ihnen zu blockieren1 und Schulter an Schulter mit ihnen zu kämpfen, wenn es möglich ist. Aber gleichzeitig müssen wir ihnen alle Unklarheiten des Weges, wie sie ihn sehen, zeigen und uns in der gewerkschaftlichen Bewegung daran erinnern, dass die großen Massen der Arbeiter nicht im syndikalistischen Lager stehen. Damit müssen wir rechnen, und organisatorisch müssen unsere Bemühungen darauf gerichtet sein, an die Massen heranzukommen.

Wir kommen zum Ende. Die Aufgabe des Kommunismus den Gewerkschaften gegenüber ist gleichzeitig eine sehr schwierige und sehr undankbare. Hier in den Gewerkschaften sehen wir das Zusammenfließen von Millionen von Arbeitern, die von der Geschichte dazu berufen sind, der Haupttrupp der sozialen Revolution zu werden. Sie kommen mit allen ihren Vorurteilen, mit all ihrer Schwerfälligkeit, mit all den wechselnden Stimmungen. Trotzdem werden diese Massen die entscheidenden Kämpfe führen, und aus diesem Grunde ist es die Aufgabe der Kommunisten, nicht nur die Legien an der Spitze zu sehen, ihre Aufgabe ist, die Massen selbst ins Auge zu fassen und so lange in den Gewerkschaften zu arbeiten, wie dies notwendig sein wird. Die Genossen sagen: Ja, hätten wir dazu Zeit, ein paar Jahre zu arbeiten, so würden wir die Organisationen erobern. – Niemand kann bestimmen, wie lange Zeit es in Anspruch nehmen wird, bis die soziale Revolution ihren siegreichen Fuß auf den Nacken des Kapitalismus setzt, und wenn es notwendig ist, die Massen für die Idee des Kommunismus zu erobern, so ist dazu nicht weniger Zeit notwendig, als zur Eroberung der Gewerkschaften. Es gibt nur eins: keine Schwierigkeiten zu scheuen, in die Organisationen zu gehen und den Kampf zu führen. Ich sage meinen deutschen Parteigenossen: Ihr habt bis heute nicht einmal ein gewerkschaftliches Wochenblatt gegründet, das systematisch den Kampf leiten könnte. Wo gibt es geschlossene Fraktionen der Kommunisten und der Unabhängigen in den Gewerkschaften? Wo ist der Versuch gemacht worden, die Organisationen der Gewerkschaftsbürokratie von unten her zu brechen? Wir stehen erst am Anfang unseres systematischen Kampfes, und wir haben kein Recht, über die geringen Resultate zu klagen. Soweit es sich um die Verhältnisse in den angelsächsischen Ländern handelt, müssen wir sagen: weniger Verzweiflung und mehr kommunistischer Optimismus werden euch ganz gewiss dienen.

Zum Schluss: Die USP-Presse vertrat gegenüber der Gewerkschaftsbürokratie den Standpunkt, den wir jetzt einnehmen. Hier kommen wir zu der letzten Frage der gewerkschaftlichen Bewegung, die natürlich die Frage des Kommunismus ist. Zwischen uns und der Theorie und Praxis der USP in dieser Frage liegt nicht so sehr der Abgrund der Form als der der Tat. Es handelt sich nicht allein darum, ob wir in die Gewerkschaften gehen oder nicht, sondern was wir in diesen Gewerkschaften tun werden. Der Eintritt der USP in die Gewerkschaften hat nur dazu geführt, dass anstelle Schlickes Dißmann gesetzt worden ist. Es handelt sich nicht darum, in die Gewerkschaften zu gehen, sondern auf die Gefahr der Spaltung hin, die wir nicht fürchten, wenn sie im Kampf erfolgt, den Kampf gegen die alte Gewerkschaftsbürokratie und ihren Geist aufzunehmen. Wenn die USP-Leute sich mit dem Siege auf dem Kongress der Metallarbeiter begnügen und sich sofort wieder das Bleigewicht der Proportion anhängen, indem sie die alte Bürokratie im Vorstand belassen, wenn sie als Mitglieder des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes praktisch an die Arbeitsgemeinschaft gebunden sind, wenn sie sich bei jedem Schritt immer wieder umschauen, so ist dies natürlich keine Eroberung der Gewerkschaften, sondern es bedeutet nichts anderes, als dass die Stelle der Legien die USP einnimmt und dass sie weiter eine Legiensche Politik treibt. Wir sind dafür, in die Parlamente zu gehen; auch die Unabhängigen sind dafür. Wir gehen jedoch in die Parlamente, um dort revolutionäre Agitation und Propaganda zu treiben, um Zusammenstöße herbeizuführen. Wenn es gilt, werden wir sogar in die Kommissionen gehen, da wir dort am besten Material sammeln können. Die Unabhängigen hingegen handeln anders. Ich kann ein Beispiel geben. Während des Krieges war Genosse Haase in der Kommission für Auswärtiges; aber er hat sich gehütet, im Parlament die Geheimnisse dieser Kommission aufzudecken, selbst dann, wenn sie gegen das deutsche Volk gerichtet waren. Für ihn war das Behüten der Regierungsgeheimnisse sehr wichtig. Ich glaube, wenn unsere Genossen in die Kommissionen gehen werden, dann werden sie ihr Verhalten anders einrichten. Ebenso steht die Frage in den Gewerkschaften. Wir gehen in die Gewerkschaften, um dort die Bürokratie niederzuwerfen und, wenn nötig, die Gewerkschaften zu spalten. Wir gehen in die Gewerkschaften, um sie zu einem Kampfmittel zu machen. Das Resultat der Arbeit der USP während des ersten Jahres in den Gewerkschaften ist, dass sie die Betriebsräte, die revolutionären Organisationen des Proletariats, unter die Fuchtel der Gewerkschaftsbürokratie bringen wollen. Es handelt sich um den Unterschied des Geistes, um den Willen zur Tat und zum Kampfe, um den Willen, die Gewerkschaften zu einem Instrument der Revolution zu machen. Die kommunistische Partei baut ihre Politik auf den Elementen auf, die von der bürgerlichen Gesellschaft übrig geblieben sind. Wir werden versuchen, die Gewerkschaften in Kampforganisationen umzubauen. Sollten sich die Widerstände der Bürokratie stärker zeigen als wir annehmen, so werden wir nicht fürchten, sie zu zertrümmern, denn wir wissen, dass das Wichtigste nicht die Form ist, sondern die Organisationsfähigkeit der Arbeiter und ihr Wille zur Organisation des revolutionären Kampfes. Wir gehen in die Gewerkschaften und werden sie mit allen Kräften zu erobern suchen, ohne uns an sie zu binden. Wir werden uns nicht niederknüppeln lassen von der Gewerkschaftsbürokratie, und wo sie im Kampfe versuchen wird, die Möglichkeit unseres revolutionären Kampfes zu schmälern, werden wir an der Spitze der Massen sie aus diesen Gewerkschaften hinaus jagen Wir gehen in die Gewerkschaften, nicht um sie zu bewahren, sondern um den Zusammenhalt der Arbeiterschaft zu schaffen, auf dem erst die großen Industrieverbände der sozialen Revolution gebildet werden können. Das Wichtigste ist, zwei Dinge zu vereinigen: mit den Massen zu sein und mit diesen Massen zu gehen, nicht aber hinter den Massen zurückzubleiben. Das ist die Linie der kommunistischen Politik in den Gewerkschaften. In den Räten sieht sie die spontane Organisation des Proletariats, und solange die Gewerkschaften versagen, solange die Gewerkschaftsbürokratie ein Wall gegen die Revolution ist, wollen wir die Selbständigkeit der Räte bewahren, ihnen helfen, um mit ihnen zusammen die Massen in den Kampf zu führen. Das ist es, was ich zu sagen hatte.

Jetzt noch ein paar formelle Dinge. Die Kommission, die von dem Kongress gewählt wurde, hatte große Schwierigkeiten zu überwinden. Sie lagen eben darin, dass die Resolutionen zu eng gefasst wurden. Unsere Leitsätze haben zu wenig die englisch-amerikanischen Verhältnisse berücksichtigt, und ich gebe zu, dass es mir lange Zeit schwierig war, herauszufinden, was die Genossen wollen. Wir sind dazu gekommen, einzusehen, dass zwischen unseren Standpunkten keine prinzipiellen Unterschiede vorliegen. Alle waren darüber einig, dass sie die Pflicht hätten, in den Gewerkschaften zu arbeiten. Ein einziger amerikanischer Genosse hatte in seinen Leitsätzen den Vorschlag gemacht, dass die Kommunisten außerhalb der F. of L. bleiben sollten. Dann kam die Frage der Feststellung der Fälle, wo sie außerhalb der Gewerkschaften arbeiten müssten Ein Fall war in unseren Leitsätzen schon eingereiht: falls nämlich die revolutionäre Agitation von der Gewerkschaftsbürokratie unterdrückt wird. Den zweiten Fall haben wir festgestellt, als wir fanden, dass in Amerika 80 Prozent der Arbeiterschaft unorganisiert sind, und dass die F. of L. bewusst auf die Organisation großer Massen verzichtet, indem sie sehr hohe Eintrittsbeiträge verlangt. Da ist es klar, dass die Kommunisten die Aufgabe haben, diese Massen zu organisieren. Die letzte Schwierigkeit, die wir in der Kommission nicht entscheiden konnten, besteht darin: die amerikanischen Genossen behaupten, dass eine ganze Reihe von Statuten der Gewerkschaften es ihnen unmöglich machte, in den Gewerkschaften zu arbeiten, dass dort die Bürokratie unabsetzbar ist, dass jahrelang keine Kongresse einberufen wurden usw. Wir nehmen theoretisch die Möglichkeit solcher Fälle an, aber ich habe den Genossen offen gesagt, dass ich bei ihnen eine Tendenz vermute, sich die Sache leicht zu machen und aus den Gewerkschaften zu flüchten. So übernehme ich denn keine Verantwortung für diesen Antrag. Die amerikanischen Genossen sollen diesen Fall hier spezifizieren. Liegen die Verhältnisse so, wie die Genossen berichten, dann können wir nicht abschlagen, dass sie in solchen Fällen Sondergewerkschaften bilden.

Die andere Frage betraf die Betriebsräte. Die Resolution zeigt die Betriebsräte in ihrer letzten Phase, wenn sie im Kampfe an die Aufgabe der Kontrolle der Produktion gehen. Dieser Passus macht den Eindruck einer Perspektive, die erst kommen wird. Daher sind wir übereingekommen, die vorhergehenden Phasen der Entwicklung der Betriebsräte ebenfalls in der Resolution zu berücksichtigen.

Der letzte Punkt bezieht sich auf die Frage der internationalen Organisation der Gewerkschaften. Wir haben zwei Fassungen. Die russische Gewerkschaftskommission gab eine Fassung, in der sie zum Ausgangspunkt die Deklaration der Gewerkschaften von England, Italien, Russland, Bulgarien nimmt, die einen Kongress einberufen haben. Die russische Resolution weist darauf hin, dass die Gewerkschaften ein Teil der Kommunistischen Internationale werden müssen. Die amerikanischen Genossen wenden sich gegen den Aufruf der italienischen, russischen und englischen Gewerkschaften. Sie haben eine große Anzahl von Vorwürfen dagegen erhoben. Die Genossen werden diese Schwierigkeiten selbst hier vorbringen und wir überlassen es dem Kongress, darüber zu entscheiden. Ich werde nicht die einzelnen Anträge vorlesen, aus dem einfachen Grunde nicht, da sie ohnehin erst in der Kommission redigiert werden müssen. Ich wiederhole darum nur: sie umfassen die Fälle, in denen besondere Organisationen zu bilden sind, also Fälle, wo die revolutionäre Organisation der Gewerkschaften unterdrückt wird. Dann besagen sie die Notwendigkeit der Unterstützung der Shop Stewards und der Betriebsräte als Kampforganisationen des Proletariats. Sie besagen weiter, dass die Organisationen selbständig bleiben müssen, solange die gegenrevolutionäre Gewerkschaftsbürokratie die Gewerkschaften beherrscht, und befassen sich schließlich mit der noch unentschiedenen Frage über die Gewerkschaftsinternationale.

1 Gemeint: mit ihnen einen Block zu bilden

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