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Karl Radek 19210000 Die Gründung der 2½ Internationale

Karl Radek: Die Gründung der 2½ Internationale

["Kommunistische Internationale", Heft 16]

1. Am Scheidewege zweier Epochen.

Der Zusammenbruch der zweiten Internationale am 4. August 1914 war der Ausdruck der Tatsache, dass die Zweite Internationale schon vor dem Kriege historisch unterhöhlt und überholt war. Die Tatsache, dass im letzten Jahrzehnt vor dem Kriege trotz der wachsenden Verschärfung der Klassengegensätze in den einzelnen sozialistischen Parteien die Opportunisten mit jedem Tag an Einfluss gewannen, die Tatsache, dass die Internationale unfähig war, gegen die Kriegsgefahr tatkräftig anzukämpfen, alles dies bewies, dass sie nur auf den äußeren Anlass zum Zusammenbruch wartete. Trotzdem war der Glaube an die Möglichkeit ihrer Reform, sogar bei den revolutionären Elementen so groß, dass die Feststellung ihres Todes durch das Manifest des Zentral-Komitees der russischen Bolschewiki im November 1914 wie eine voreilige Grabrede am Bette eines kranken, aber noch erholungsfähigen Mannes wirkte. Alle Versuche der Bolschewiki, der polnischen und holländischen Marxisten, der deutschen Linksradikalen schon in Zimmerwald, wenigstens die Erkenntnis der Notwendigkeit der Gründung einer neuen wirklich revolutionären Internationale zu verbreiten, waren vergebens. Bis zu Ende des Krieges bildeten die Elemente, die sich die Gründung einer revolutionären Internationale zum Ziel setzten, eine geringe Minderheit. Sogar als es sich zeigte, dass die Zweite Internationale nach drei Jahren des Krieges unfähig war, sich aufzuraffen zum Kampfe um den Frieden, sogar auf der Stockholmer Konferenz der Zimmerwalder Vereinigung, hielten noch einflussreiche Teile der “Internationalisten” es für möglich, an der Stockholmer Konferenz der Sozialpatrioten teilzunehmen. Ja, noch nach dem Siege der russischen Oktober-Revolution, ja, anderthalb Jahre nach ihr, nach dem Siege der deutschen November-Revolution, hielten sogar so revolutionäre Vorkämpfer der Kommunistischen Internationale wie Rosa Luxemburg und Leo Jogiches die formelle Gründung der Kommunistischen Internationale für verfrüht. Und wenn man heute das eben erschienene Protokoll des ersten Kongresses der Kommunistischen Internationale, der im März zusammentrat, liest, sieht man, wie langsam sich die Massen zum revolutionären Kampfe sammelten, ohne den keine Kommunistische Internationale möglich ist.

Der Zusammenbruch der Zweiten Internationale war viel größer, als der größte Pessimist annehmen könnte. Er bestand nicht nur im Verrat der Führer, er bestand darin, dass vor dem Kriege die Internationale sich in erster Linie auf die qualifizierten — gelernten — Arbeiter stützte, auf die Arbeiter-Aristokratie, die sich “trotz” aller sozialistischen Phrasen verhältnismäßig wohnlich im kapitalistischen Staate fühlte, was den Boden bildete für alle demokratischen und pazifistischen Illusionen, mit denen sie die sozialdemokratische Bürokratie zu erfüllen verstand. Der Krieg brachte trotz der großen Opfer, die er von den Massen forderte, keine sofortige Änderung in der Massenstimmung. Die Arbeiter, die in der Front kämpften, ließen sich von den sozialdemokratischen Parteien immer wieder mit der Hoffnung ködern, dass sie eben durch ihre Opfer und Leiden sich eine bessere Zukunft erkauften. Die Arbeiter im Hinterlande wurden korrumpiert durch die hohen Löhne und die Vergünstigungen, die sie für ihre schwere Arbeit in den kriegswichtigen Industrien genossen. Die Opposition fand in Westeuropa Eingang zuerst in die Massen der Arbeiterfrauen und der proletarischen Jugend und inwieweit sie auch auf die breiteren Arbeitermassen übergriff, so ging sie nicht über platonische pazifistische Proteste gegen den Krieg und über das Streben hinaus, durch Druck auf die Regierungen diese zu veranlassen, einen gerechten Frieden zu schließen. Nur in zwei Ländern hat die Opposition gegen den Krieg breite Massen zum Kampfe mobilisiert: Russland und Italien. Dies war der Fall nicht nur, weil in diesen Ländern der imperialistische Charakter des Krieges besonders offen und krass zutage trat, nicht nur, weil die Bourgeoisie und ihr staatlicher Apparat in diesen Ländern besonders schwach und verfault war, sondern auch in erster Linie darum, weil in diesen beiden Ländern die Schicht der Arbeiteraristokratie schwach und unentwickelt war.

Dank dieser Verfassung der internationalen Arbeiterklasse endete der Krieg nicht durch einen Aufstand des Proletariats, sondern durch einen Sieg eines der beiden imperialistischen Lager. Und in dem besiegten Lager war die Niederlage kein Resultat des offenen Aufstandes der Arbeiter im Waffenrock, sondern ihres passiven Versagens, ihres physischen Zusammenbruches unter der Last der Entbehrungen, des Blutverlustes und der feindlichen Übermacht. Daraus ergab sich, dass die Arbeitermassen in den siegreichen Ländern nach Hause zurückkehrten, zum Teil patriotisch besoffen, zum Teil in der Überzeugung, dass die Bourgeoisie sich erkenntlich zeigen werde für ihre Mühe und ihre Leiden, dass die Epoche der Demokratie und des Friedens anbrechen werden. Nicht die proletarische Revolution, sondern der Wilsonismus war die Losung der Arbeitermassen in den siegreichen Ländern. In den besiegten Ländern aber überwog alle anderen Gefühle das Bedürfnis des Friedens, das Bedürfnis der Ruhe: ein Stück Speck stand höher als alle Träume von der Erlösung der Menschheit. Alle die Gefahren, die ihr drohten, existierten für diese Masse nicht, Im Dezember 1918 fluteten in den Großstädten Deutschlands die Arbeitermassen freudig erregt in den Straßen, sie erfreuten sich an jedem, noch so armseligen Genussmittel, dessen sie jetzt habhaft werden konnten, und sie dachten keinen Augenblick daran, was der kommende Friede bedeutet. In allen Ländern konnte die Bourgeoisie ohne Schwierigkeiten die Demobilisierung der Heere durchführen. Und da nach dem Kriege angesichts des ungeheuren Warenmangels die Produktion überall neuen Aufschwung nahm, die Käufer jeden Preis, die Bourgeois jeden Lohn zahlten, vergingen Monate, bis die sozialen Konflikte sich zu verschärfen begannen. Zur Fahne, die die Kommunistische Internationale entfaltete, blickten im Frühjahr 1919 nur kleine Gruppen der Arbeiter in Westeuropa auf. Nicht nur die Unabhängige Arbeiter-Partei Englands, nicht nur die französischen Longuetisten, die in ihrer Partei eben die Mehrheit gewonnen hatten, sondern auch die deutschen Unabhängigen konnten ruhig nach Bern gehen, um dort mit den Scheidemännern den Renaudels und Hendersons über die Erneuerung der Zweiten Internationale zu verhandeln.

Zwei Faktoren waren es, die eine Änderung der Situation herbeiführten. In allen Ländern erholte sich die Bourgeoisie schnell von dem Schreck, den ihr die Oktober-Revolution eingejagt hatte, von der Angst, dass bei der Demobilisierung die Arbeiter ihr ihre Rechnung vorlegen würden. Die Bourgeoisie macht dem Proletariat Zugeständnisse, nur wenn sie muss. Und sie glaubt zu müssen, nur wenn sie die Faust des Proletariats an der Kehle fühlt. Da das Proletariat ihr nicht an die Kehle sprang, suchte sie es allmählich zurückzudrängen, und jedenfalls dachte sie nicht daran, ihm soziale Zugeständnisse zu machen. In Deutschland begann sie mit Hilfe der Sozialdemokratie ihre Machtmittel von neuem zu restaurieren, die Arbeiter- und Soldatenräte jeder staatlichen Funktion zu entkleiden. In England - wollte sie von der Nationalisierung der Bergwerke nichts hören. In Frankreich sammelte sie alle reaktionären Elemente unter der Losung des Kampfes gegen den Bolschewismus. Gleichzeitig mit dieser Verschärfung der Lage in allen einzelnen Ländern zeigte sich den von wilsonistischen Illusionen voll gepfropften Massen die vollkommene Unfähigkeit der Bourgeoisie, einen irgendwie dauernden, wenn auch kapitalistischen Frieden erreichen. Der Versailler Friede bewies diesen Massen, was sie der kommunistischen Propaganda nicht glaubten, dass es nicht nur keinen gerechten, sondern überhaupt keinen Frieden geben kann, ohne dass die Bourgeoisie von dem Staatsruder entfernt wird. Statt Frieden zu stiften, ruinierte das Ententekapital Mitteleuropa durch die Marterklausel der Versailler Verträge und sie begann offen Osteuropa durch die Intervention gegen Sowjetrussland zu zerstören. Dadurch brachte sie die vorübergehende wirtschaftliche Prosperitätsperiode, die auf den Waffenstillstand gefolgt war, zum schnellen Ende. Und während es immer klarer wurde, dass die Weltwirtschaft sich nicht erholen kann, wenn die Hälfte der Welt dazu verurteilt wird, in Ruinen verwandelt zu werden, trat immer krasser vor die Arbeitermassen die Frage: Wer soll denn die Kosten des Krieges tragen? Dank diesen inneren und äußeren Umständen, dank dem immer offenkundiger werdenden Zerfall der kapitalistischen Welt, ihrer Unfähigkeit, auch nur die kapitalistische Ordnung wiederherzustellen, radikalisieren sich die Arbeitermassen zusehends. Sogar in den siegreichen Ländern, sogar in den Vereinigten Staaten Nordamerikas, ging über das Land eine Welle der Streiks, die von den Gewerkschaften gegen dem Willen der Gompers organisiert wurden oder ohne jede Organisation durchgefochten wurden. In England tauchten in der Gewerkschaftsbewegung revolutionäre Tendenzen auf. Die Arbeiterschaft begnügte wich nicht mehr mit der Forderung der Lohnerhöhung, sondern forderte die Nationalisierung der Eisenbahnen und Gruben. Die Arbeitermassen in Frankreich sprachen immer offener nicht nur ihre Sympathien für Sowjetrussland aus, sondern sie begannen immer offenkundiger Stellung gegen die bürgerliche Demokratie zu nehmen. Je mehr sich die Arbeitermassen in den Ländern der bürgerlichen Demokratie radikalisierten, desto mehr mussten sie auch gedanklich über sie hinausgehen. In Deutschland wirtschafteten die demokratischen Illusionen immer schneller ab. In Italien folgte ein Streik auf den andern, ein bewaffneter Zusammenstoß mit der Staatsgewalt auf den andern.

In dieser Situation konnten die proletarischen Parteien, die sich nicht offen auf den Boden der Koalition mit dem Bürgertum stellten, die mobile Teile der Arbeiterklasse vertraten, auf ihrem rein negativem Standpunkt der Kommunistischen Internationale gegenüber nicht verharren. Um die Massen zu behalten, mussten sie ihrer neuen Ideologie, ihrer neuen Aktionslust Zugeständnisse machen. Schon vor dem Kriege gab es zwischen dem radikalen Flügel der Arbeiterbewegung und ihrem opportunistischen Flügel eine Mittelrichtung, die an der radikalen Theorie des Marxismus festhielt, aber sich weigerte, die praktischen Schlüsse aus ihr zu ziehen. Die Drei-Teilung der Arbeiterbewegung kam am klarsten in Deutschland zum Ausdruck, das neben Russland schon vor dem Kriege die Vorgefechte der Kommunistischen Internationale durchmachte: Im Kampfe zwischen dem Kautskyanismus und der linksradikalen Bewegung in den Fragen des Massenstreiks und des Imperialismus. Wenn auch in anderen Ländern die Drei-Teilung in die offenen Reformisten, die wirklich radikalen Marxisten und die Schein-Radikalen, das Zentrum, theoretisch nicht so klar zum Ausdruck kam, so waren doch in allen Ländern Elemente vorhanden, die an den radikalen Losungen und Theorien festhielten, ohne sie praktisch anwenden zu wollen. Diese Elemente, die in dem Kriege entweder offen auf die Seite des Reformismus umschwenkten, oder nur passiv gegen die sozialpatriotische Politik protestierten, diese Elemente blieben sich auch jetzt getreu. Sie konnten nicht die Träger der radikalen Arbeiterbewegung werden, aber sie konnten auch nicht offen wie die Reformisten ihr entgegentreten. Ihre Politik musste darauf gerichtet sein, die Massen an sich zu ketten durch die mehr oder weniger klare Annahme ihrer neuen revolutionären Denkformen, um diese Massen von der revolutionären Tat zurückzuhalten. Auf wen stützten sich diese Elemente und was waren die Gründe ihrer Politik? Die Reformisten stützten sich auf zwei Elemente: auf die Arbeiteraristokratie der großen Zentren, die nicht revolutionär kämpfen wollte, weil sie glaubte, auch ohne revolutionären Kampf auszukommen, und auf die zerstreute kleinbürgerliche Arbeiterschaft, die noch nicht wagte, in dem patriarchalischen Milieu der Provinz die Fahne der Rebellion zu hissen. Die Zentrumsleute stützten sich vor dem Kriege auf dasselbe Element wie die Reformisten. In den Ländern mit alten sozialistischen Traditionen, wie in Deutschland und Frankreich, gab es doch genug gutsituierte Arbeiter, die gewöhnt waren an die sozialistischen Gedankengänge, und die der sozialistischen Ideologie bedurften wie der guten Sonntagszigarre. Seitdem im Kriege und nach dem Kriege auch die Arbeiteraristokratie immer mehr in ihrer Lage bedroht wurde, was die Radikalisierung auch großer Teile der bisherigen Arbeiteraristokratie herbeiführte, erhielt das Zentrum eine neue soziale Basis. Es ist die bisherige, immer mehr in ihrer Sicherheit. erschütterte Arbeiteraristokratie, die anfängt, kämpfen zu wollen, aber die natürlich vor jedem Schritt, den sie vorwärts machen soll, sich umschaut, mit Angst an die Möglichkeiten und die Konsequenzen des Kampfes denkt, in entscheidenden Momenten vor ihnen zurückzuweichen sucht. Der jetzige Deutsche Kommunist Richard Müller, ein ehrlicher klassenbewusster Arbeiter, hat in seiner allmählichen Entwicklung zum Kommunismus als Vorsitzender des Berliner Arbeiterrates im Jahre 1918, wo er schon in Opposition zu der Leitung des deutschen Zentrums, zu der Leitung der Unabhängigen Sozialdemokratie stand, eine Rede gehalten, in der besser als in irgend einem andern Dokument dieser zaudernde Übergang der qualifizierten Arbeiter zur revolutionären Aktion zum Ausdruck gelangt. Richard Müller stand, als er seine Rede hielt, theoretisch schon auf dem Boden der proletarischen Diktatur. Und trotzdem rief er angsterfüllt in einem der Entscheidungsmomente der Aktion: Wenn das so weitergeht, so gerät Deutschland in immer größeres Elend, in ein Elend, das wir nicht verantworten und das wir nicht durchhalten können. Und er klammerte sich an die Idee irgendeines positiven Aufbaues. Wie in einem für den Historiker bestimmten Bilde trat hier die beklemmende Angst sogar eines Kämpfers vor den Notwendigkeiten und Unausweichlichkeiten des Kampfes zutage. Er schauderte für den Augenblick zurück, und wenn zu seiner Ehre gesagt werden kann, dass er die beklemmende Angst zu überwinden wusste, und in die kommunistischen Kampfesreihen eintrat, so machen Millionen von Proletariern diese Entwicklung nur langsam und etappenweise durch. Und dieser langsame Prozess des Überganges der früheren Arbeiteraristokratie auf den Boden des Kampfes, bildet die materielle Grundlage der Zentrumspolitik. Die Führer dieser Mittelschicht der Arbeiterklasse sind ganz gewiss keine bewussten Konterrevolutionäre. Aber entweder sind es Intellektuelle, die in ihrer Überhebung der studierten Leute den Glauben an die schöpferische Tat der Arbeitermassen nicht aufbringen können, oder es sind Bürokraten aus der Arbeiteraristokratie, die sich voll gesogen haben mit bürgerlichem Aberglauben, mit reformistischen Illusionen und diese nicht loswerden können, selbst wenn sie formell die Idee der Diktatur des Proletariats und der Revolution akzeptieren. Ihre Politik besteht darin, dass sie dieselbe Revolution, die sie theoretisch auf dem Papier anerkennen, zu einer Programme machen, die man bei großen Gelegenheiten, bei großen Paraden, gebraucht, ohne daran zu denken, auch mit der Tat durch bewusste Verschärfung der Agitation und Propaganda, durch bewusste Verschärfung, Verbreiterung Vertiefung der Klassenkämpfe für die Vorbereitung der Revolution zu wirken. Ihr Hauptvorwand für diese Politik ist immer der Hinweis auf die internationale Lage, sie warten immer auf den Hannemann, der die größeren Stiefel hat, sie warten immer auf die Revolution in dem anderen Lande, das günstigere Bedingungen für den revolutionären Kampf aufweist, als in ihrem Lande vorliegen. Die Vertreter dieser Politik findet man in allen Ländern, ihren ausgesprochensten Ausdruck bilden die deutsche Unabhängige Sozialdemokratie und die französischen Longuetisten.

2. Das internationale Zentrum

Es ist hier nicht nötig, breit und weit die Geschichte der deutschen Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei zu wiederholen. Zur Erinnerung nur ein paar Daten. Sie entstand durch die Spaltung des alten radikalen Flügels der deutschen Sozialdemokratie in Kautskyaner und Linksradikale. Ihre ersten Taten, noch als sie im Schoße der deutschen Sozialdemokratie sich befand, war die Verbreitung pazifistischer Illusionen über die Möglichkeit der Reform des Imperialismus, die Ablehnung der Propaganda und Agitation der Massenaktionen gegen die Kriegsgefahren und die zunehmende kapitalistische Reaktion, die Befürwortung zusammen mit Scheidemann und Ebert, des Wahlbündnisses mit den Liberalen 1912. Beim Ausbruch des Krieges befand sich die große Mehrheit der jetzigen Unabhängigen Sozialdemokratie auf dem gleichen Boden wie die Sozialpatrioten. Als sie später zum Kampfe gegen den Sozialpatriotismus und den Krieg unter dem Drucke der Arbeiter überging, beschränkte sie sich auf einen reinen Proteststandpunkt. Beim Ausbruch der deutschen Revolution bildete sie gemeinsam mit Scheidemann und Ebert eine Regierung, deren erster Akt in der Erklärung der Unantastbarkeit des Privateigentums bestand. Sie half die ersten Weißen Garden im Baltikum organisieren. Sie erklärte sich für die Demokratie, gegen die Diktatur. Als sie durch die Konsequenzen dieser Politik aus der Regierung getrieben wurde, um einer Koalition der Sozialpatrioten mit dem Bürgertum Platz zu machen, als sich die Kämpfe der Arbeiterschaft so verschärften, dass ihre im Kampfe stehenden Mitglieder von den Weißen Garden der demokratischen Regierung niederkartätscht wurden und nach der Diktatur des Proletariats zu rufen begannen, da suchte die Führerschaft der USPD die Entwicklung ihrer Partei dadurch aufzuhalten, dass sie in die Massen die Idee des Kompromisses zwischen der bürgerlichen und der proletarischen Diktatur hineinwarf, die Idee von der Verankerung der Arbeiterräte in die Noske-Verfassung. Als die Arbeitermassen über diese hanebüchene “Idee” hinweggingen, und sich klipp und klar auf den Boden der proletarischen Diktatur und des Rätesystems stellten, da akzeptierten die rechten Führer der Unabhängigen auch diese Idee, um nur die Massen in ihrer Hand zu behalten. Aber gleichzeitig erklärten sie auf dem Leipziger Parteitag sich entschieden gegen den Terror, d. h. gegen die rücksichtslose Verteidigung der Arbeiterdiktatur.

Die französischen Longuetisten bildeten im Kriege eine viel abgeschwächtere Ausgabe der deutschen Unabhängigen. Sie haben nicht nur während der ganzen Zeit des Krieges für die Kriegskredite gestimmt, sondern sie haben den Krieg auf der französischen Seite als einen Verteidigungskrieg dargestellt. Sie haben als Zweck dieses Krieges die Verteidigung der Demokratie angegeben und huldigten hemmungslos dem krassesten Pazifismus. Se haben während des ganzen Krieges kein einziges Mal ein illegales Flugblatt herausgegeben. Sie haben während dem ganzen Krieges kein einziges Mal eine revolutionäre Rede im Parlament gehalten. Ihre Opposition gegen die Politik der französischen Bourgeoisie und der französischen Sozialpatrioten drückte sich aus nur in dem Flennen nach Friedensverhandlungen mit Deutschland, in den Protesten gegen die Verfälschung der Kriegsziele durch die Imperialisten. Nach dem Kriege verbreiteten sie ununterbrochen den Glauben an Wilson, den sie zu stützen suchten gegen die französischen Imperialisten. Als die Entente mit Frankreich an der Spitze anlässlich seines Kampfes gegen Sowjetrussland wachsende Sympathien in seinen Arbeitermassen für dasselbe weckte, als die Arbeitermassen Frankreichs sich immer entschiedener für die proletarische Diktatur auszusprechen begannen, da konnten die Longuetisten nicht umhin, selber die Verteidigung Sowjetrusslands zu führen. In ihren Entgegnungen auf die Verleumdungen Sowjetrusslands mussten sie natürlich auf die Ideologie der großen französischen Revolution zurückgreifen. Denn alles das, was gegen die russische Revolution von der Konterrevolution ausgeführt wurde, das wurde einstmals auch von der feudalen Konterrevolution gegen die französische Revolution angeführt. Auf diesem Wege gelangten Jean Longuet und die Seinen zur Anerkennung der Diktatur des Proletariats. Und es ist klar, dass in dem Lande der ältesten bürgerlichen Demokratie, in dem Lande des korruptesten bürgerlichen Parlamentarismus, in dem Lande, wo die Arbeiterklasse spontan aus ihrem Gegensatz zur bürgerlichen Demokratie und zum Parlamentarismus, die syndikalistische Theorie schuf von den Gewerkschaften als den Macht- und Produktionsorganen der sozialen Revolution, der Weg über den bürgerlichen Parlamentarismus hinweg gedanklich sich von selbst aufdrängte. Aber, wenn auch die Longuetisten die Diktatur und das Rätesystem als mögliche Perspektive akzeptierten, so dachten sie natürlich nicht daran, den Diktatur- und Rätegedanken zur Achse ihrer Agitation und Propaganda zu machen, geschweige denn alle Hebel der Massenbewegung zu benutzen, um ihn zu verwirklichen, um seine Verwirklichung zu fördern. Ihre Presse und ihre parlamentarische Aktion dienten nicht der Weckung der revolutionären Energie der Massen, sie dienten im besten Falle einer schwächlichen Verteidigung der zunehmenden bürgerlichen Reaktion gegenüber. Und weil Longuet und seine Genossen die Revolution als Gegenstand von Reden, im besten Falle von sentimentaler Sehnsucht betrachteten, so hatte er keine Ursache, mit den Sozialpatrioten und offenen Reformisten zu brechen. Wie er in der Zeit der Auseinandersetzungen zwischen dem Marxismus und Reformismus in der französischen Arbeiterbewegung zwischen den beiden Gegenständen gependelt hat, so predigt er jetzt Einigkeit der Partei und sucht den Arbeitermassen zu beweisen, dass die unschuldigen Lämmlein des Reformismus — die Renaudel und Thomas — niemandem ein Wässerlein trüben wollen. Sie seien bereit, die Disziplin zu bewahren, wie er sie bewahrt habe. Es ist klar, dass bei dieser Stellungnahme die Longuetisten keinen Weg finden konnten zum Herzen des radikalen Flügels der Gewerkschaftsbewegung, der immer mehr kommunistisch wurde.

Der dritte im Bunde des europäischen Zentrums war die englische Unabhängige Arbeiterpartei. Sie entstand als opportunistische Reaktion gegen den starren, buchstabengläubigen Radikalismus Hyndmans, der es niemals verstanden hat, die Idee der sozialen Revolution mit dem praktischen Kampf des Proletariats zu verbinden. Gegenüber dem Hyndmanschen Buchstaben-Marxismus repräsentierte sie den stupiden, angelsächsischen Empirismus und einen warmen, religiös gefärbten Drang nach Kampf um Reformen. Die letztere Eigenschaft sammelte um sie einen Kern lebendiger, aktionslustiger, wenn auch unklarer Proletarier. Der Pazifismus der Unabhängigen Arbeiterpartei bildete eine Brücke zwischen ihr und dem “Little”-Engländertum, der Liberal-Handelsbourgeoisie, die da glaube, ihren Profit sichere eher der Friede als der Krieg. Als der Weltkrieg ausbrach, befand sich ein großer des englischen Liberalismus in Zweifeln, für oder gegen die Teilnahme am Kriege. Mit diesem Flügel, der von Simon Trevelyan, John Burns im Kabinett vertreten war, operierte der Führer der Unabhängigen Arbeiterpartei Macdonald, und da er an die Arbeitermassen appellierend sich natürlich viel schärfer und radikaler ausdrücken musste, hat er auch nicht die Möglichkeit, nach dem Kriegsausbruch umzuschwenken oder von der Politik zurückzuziehen. Die Partei hat eine Kampfposition bezogen. Diese Position wurde in der Praxis durch zwei Elemente verschärft: durch die revolutionären, ehrlichen, proletarischen Elemente, die gegen den Krieg waren, weil er ein kapitalistischer Krieg war, und durch die religiösen, quäkerischen Elemente, die gegen den Krieg waren, weil er nach ihrer Auffassung eine Sünde gegen Gott und den Menschen sei. Miteinander verbunden haben diese Elemente während des Krieges die Partei sogar zur prinzipiellen Verwerfung der Verteidigung des kapitalistischen Vaterlandes gebracht, wogegen sich die MacDonald und Snowden mit Händen und Füßen wehrten. Die Anhänger der ILP haben nicht nur an den Massen-Bewegungen, die während des Krieges in England stattfanden, teilgenommen, sondern sie haben auch als einzelne Persönlichkeiten die größten Verfolgungen auf sich genommen, und der Stimme ihres Gewissens folgend, an dem Krieg nicht teilgenommen. Nach dem Kriege, als bei den Dezemberwahlen 1918 die liberal-konservative Koalition einen entschiedenen Sieg errang, und von neuem Massenbewegungen einsetzten, entwickelte sich der linke Flügel der ILP allmählich unter der Führung Allan Cliffords und Newbolds zum Kommunismus, während der rechte Flügel unter Führung Macdonalds und Snowdens auf den kommenden Wahlsieg der Arbeiterpartei und ihre Koalition mit den Linksliberalen vom Schlage Asquiths spekuliert. Dazwischen steht die Mitte der Partei unter Führung Wallheads, eines Agitators und Organisators ohne jede positive Richtung. Unter dem Drucke des linken Flügels machte sie dem Gedanken der Revolution ein formelles Zugeständnis nach dem anderen; da sie aber mit den bedeutendsten alten Führern der Partei nicht brechen will, so kann sie nicht umhin, eine Schaukelpolitik zu treiben. Inzwischen bereiten sich die Macdonald und Snowden auf die Rolle der Retter des demokratischen England vor der proletarischen Revolution vor. Sie gebrauchen die ILP nur als Sprungbrett, um eventuell die Macht mit den ganz- oder halbliberalen Führern der Gewerkschaftsbürokratie, mit Henderson und Thomas zu teilen.

Um diese drei Hauptgruppen des Zentrums sammeln sich seine Überreste in den anderen Ländern. So die Führer der Mehrheit der Schweizer Sozialdemokratie, die wie der energische Robert Grimm mit ihrer guten Nase spüren, man müsse den Massen der Hauptstädte, die radikal sind, nach dem Munde reden, aber man dürfe nicht mit der alten Führerschaft brechen die im Namen des Schweizer Proletariats der Schweizer Bourgeoisie die Polizei- und Finanzdirektoren stellt. Sodann die Führer der Österreichischen Sozialdemokratie, die wie Friedrich Adler, Otto Bauer, erst unlängst zusammen mit den Renners und Seitl in der gemeinsamen Regierung mit den Christlich-- Sozialen saßen, in der Idee der Koalition die Hilfe der Entente erbetteln wollten, für die Koalition die ungarische Revolution verrieten, die aber jetzt, nachdem die Koalition zusammengebrochen ist, nachdem das Elend des Proletariats maßlos gestiegen ist, diesem Proletariat radikale Wortbrocken zuwerfen müssen. Dies entspricht vollkommen ihrer Vergangenheit. Auch vor dem Kriege haben sie die marxistische Theorie zu der durch und durch opportunistischen Politik der österreichischen Sozialdemokratie geliefert. Während des Krieges wagte Friedrich Adler den Kampf gegen den glatten und schamlosen Verrat des Proletariats durch die k. u. k. Sozialdemokratie nur in geschlossenen Parteiversammlungen zu führen. Sein Hamletismus ging so weit, dass er aus politischer Feigheit persönlich Held wurde: er schoss Stürkh nieder, nur weil er nicht wagte, sich offen gegen die eigene Partei zu wenden. Seit Ausbruch der österreichischen Revolution spielten die beiden ein erbärmliches Doppelspiel. Während Friedrich Adler als Vorsitzender des deutschösterreichischen Reichsarbeitsrates den zukünftigen Marat der kommenden österreichischen proletarischen Revolution mimte und so durch Vertrösten die Arbeiterklasse an Taten verhinderte, spielte Otto Bauer den Talleyrand der sozialdemokratisch-christlichsozialen Regierung und vertröstete in anonymen Broschüren die hungernden österreichischen Arbeiter auf das Kommen der Weltrevolution in den Siegerländern. Jetzt, wo die Sozialdemokratie aus der Regierung verschwunden ist, spielen sie beide die Rolle der internationalen Revolutionäre mit dem Fall schirm. Otto Bauer, der in seiner Broschüre über “Bolschewismus oder Sozialdemokratie” die Theorie der Internationale des Zentrums gibt, und Friedrich Adler, der noch einem halben Jahre haarscharf bewies, man könne an die Gründung einer Internationale solange nicht denken, bis die Gegensätze, die die Arbeiterklasse jetzt zerreißen, überwunden sein werden, beide stehen jetzt an der Spitze der Bestrebungen zur internationalen Verbindung des Zentrums.

Und als ob es noch notwendig wäre, besonders krass zu zeigen, was diese Internationale sein wird, treten unter ihren

Begründern die russischen Menschewiki auf. Sie waren während des Krieges vor dem Ausbruch der russischen Revolution gespalten in eine einflussreiche Gruppe von Auch-Internationalisten mit Martow an der Spitze, die sich an der Zimmerwalder Bewegung beteiligte, in eine Mehrheit, die teilnahm an den Komitees zur Unterstützung der Kriegsindustrie, und schließlich in die parlamentarische Fraktion, die zwischen beiden vermittelte. Als die Revolution ausbrach, stand die große Mehrheit der Menschewiki auf dem Boden der Verteidigung der bürgerlichen Demokratie. Sie nahm teil an der bürgerlichen Regierung und half ihr, den Kampf des Proletariats um die Macht niederzuhalten. Die Minderheit jammerte über die verräterische Politik ihrer Parteigenossen, aber sie wagte nicht, aus der Partei auszutreten. Als das russische Proletariat die Kerenski-Regierung wegfegte, schloss sich die Minderheit und die Mehrheit der Menschewiki zum Kampfe gegen die Arbeiterregierung zusammen. Dieser Kampf wurde von einigen Menschewiki, wie von Martow, nur mit dem Maul geführt, viele andere aber führten ihn direkt auf der Seite der Konterrevolution. Die Menschewiki mit Martow an der Spitze stellten dem Proletariat Sowjetrussland als einen neuen Zarismus dar. In den Momenten aber, wo die Gefahr des Sieges der Konterrevolution bevorstand, straften sie sich Lügen und riefen die Massen zur Verteidigung der Sowjetregierung und der Errungenschaften der Revolution auf. Als das Proletariat Russlands den Kampf führte gegen die bürgerliche Regierung, erklärten die Menschewiki es für eine Romantik, in Russland den Sozialismus einführen zu wollen. In den ersten Monaten der proletarischen Diktatur forderte ihre Presse die Rückkehr zum Kapitalismus. Jetzt fordern die Menschewiki eine “gemäßigte Sozialisierung”, ohne überhaupt sagen zu können, was dieses Kauderwelsch bedeutet. Die menschewistische Partei, deren Lebensgeschichte wir hier in Stichworten skizzierten, ist das liebste Kind des internationalen Zentrums. An ihren Schicksalen in Sowjetrussland demonstrieren sie die Schlechtigkeit des Kommunismus, der sogar eine sozialistische Partei unterdrückt und verfolgt. Die Geschicke dieser Partei sind zweifelsohne bezeichnend für das ganze Zentrum. Geschont und unterstützt unter der Herrschaft des Bürgertums, an ihr beteiligt, mussten sie von der proletarischen Regierung unterdrückt werden, weil sie entweder direkt gegen sie kämpften, oder Verwirrung und Unsicherheit unter den Arbeitern verbreiteten. Durch das Misstrauen in die proletarische Weltrevolution erklärten sie ihre Teilnahme an der bürgerlichen Regierung und jetzt treten sie auf als die Mitbegründer einer neuen Internationale, die auch die Internationale der Weltrevolution sein will.

3. Der Versuch des Kompromisses mit der Kommunistischen Internationale

Zuerst schauten die Zentrumsleute aller Länder auf die Kommunistische Internationale von oben herab. Sie schien ihnen keine Macht zu sein, mit der zu rechnen wäre. Gegründet in der Zeit der größten Bedrängnis Sowjetrusslands, schien sie ihnen ebenso wie dies erste Land der proletarischen Diktatur dem sichern Tode geweiht. Noch im September 1919 erklärte, wie bekannt, der Schieber der deutschen Unabhängigen, Rudolf Hilferding, der September-Parteikonferenz, die Kommunistische Internationale sei Sowjetrussland, und man solle doch abwarten, wie sich die Geschicke Sowjetrusslands entscheiden werden. Man solle jedoch nicht einsteigen in ein untergehendes Schiff. Was dieser besonders robuste, besonders skrupellose und besonders zynische Vertreter des Zentrums so offen sagte, das dachten alle die zentristischen Pappenheimer. Gleichzeitig waren sie überzeugt, dass sich die im Kriege verlorene Jungfräulichkeit der II. Internationale reparieren lasse. Waren sie doch alle an der Berner wie der Luzerner Konferenz, diesem Instrumente der Weltbourgeoisie, beteiligt. Als sie aber erblickten, wie Arbeiter, die mit ihnen noch nicht gebrochen hatten und die sie noch halten zu können hofften, immer entschiedener ihre Stimme für die Kommunistische Internationale erhoben, da entschlossen sich die Zentrumsführer, eventuell der Kommunistischen Internationale beizutreten, wenn es nur gelingen würde, ihr die schädlichen Zähne auszubrechen.

Das gefährliche an der Kommunistischen Internationale war für diese erfahrenen Politiker natürlich nicht die Theorie des Kommunismus. Die Theorie des modernen Kommunismus ist die Marxsche Theorie der Gesellschaftsentwicklung und des Gesellschaftskampfes. Sie haben Marx jahrelang verfälscht. Sie haben jahrelang die besten grundsätzlichen Resolutionen angenommen, ohne irgendwas an ihrer opportunistischen Praxis zu ändern. Die Diktatur des Proletariats, sogar der Terror, konnte angenommen werden mit ein paar Wenn und Aber; denn sie hofften doch, dass sie von der Anwendung dieser Scheußlichkeiten durch die kapitalistische Restauration befreit werden. Was sie unter keinen Umständen akzeptieren konnten, das war irgendwelche Verpflichtung, konkrete Schritte zu tun, die der Vorbereitung der revolutionären Kämpfe dienen würden, irgendwelchen Organisationsformen der Kommunistischen Internationale zuzustimmen, die es ihnen unmöglich machen würden, sich über die Grundsätze der Kommunistischen Internationale hinwegzusetzen. Nach alten Gewohnheiten der Opportunisten aller Länder erklärten sie, prinzipiell mit der Kommunistischen Internationale einverstanden zu sein. Nur wollten sie mit ihr verhandeln über die Modalitäten der Zusammenfassung aller sozialrevolutionären Parteien. Der Sinn dieser Erklärungen war, dass das internationale Zentrum als Ganzes mit der Kommunistischen Internationale darüber verhandeln wollte, wie eine Kompromiss-Organisation gebildet werden könnte, die die kommunistischen Prinzipien mit der zentristischen Taktik verbinden würde. Dieses Spiel misslang. Es gelang den zentristischen Parteien nicht; sich zu gemeinsamen Verhandlungen mit der Kommunistischen Internationale zusammenzufinden. Da der Druck der Arbeitermassen in den einzelnen zentristischen Parteien ungleich war; mussten zuerst die französischen Zentrumsleute in Verhandlungen mit Sowjetrussland treten. Ihnen folgten die englischen Unabhängigen und die deutschen. Die französischen Zentristen zerfielen bei diesen Verhandlungen in zwei Teile. Die von Cachin und Frossard geführte Mehrheit des französischen Zentrums stellte sich entschlossen auf den Boden der Bedingungen, die ihr die Kommunistische Internationale vorlegte. Die Traditionen des Guesdismus, die wütende französische Reaktion waren ausschlaggebend bei diesem Entschluss. Die englischen Zentrumsleute mit Wallhead an der Spitze waren nicht genötigt, sich sofort zu entscheiden. Nachdem die englische Arbeiterbewegung sich zu der Drohung des

Generalstreiks im Falle eines Krieges Englands gegen Russland aufgeschwungen hatte, flaute sie nach der Niederlage der Roten Armee in Polen ab. Herr Wallhead und die Seinen nahmen nach England das offene Antwortschreiben des Exekutivkomitees mit, das der englischen Arbeiterklasse das Spiel enthüllte, das diese mit der Betonung der angeblich vollkommen verschiedenen englischen Bedingungen mit ihr trieben. Und sie beruhigten sich dabei. Die entscheidende Schlacht der Internationale wurde in ihren Beziehungen zu der größten Massenpartei des Zentrums, zu den deutschen Unabhängigen ausgetragen.

Die Crispien und Dittmann, die zu Hause von Zeit zu Zeit “kritische” Töne über die angeblichen marxistischen Mängel des Programms der Kommunistischen Internationale von sich gaben, schwiegen in Moskau wie Taubstumme, oder erklärten mit verlegener Miene, se seien mit den grundsätzlichen Richtlinien einverstanden, ”soweit sie sie überblicken können”. Der Kampf drehte sich um den Ausschluss der Reformisten aus der USPD. In der richtigen Überzeugung, dass es sich dabei nicht um Kautsky und Hilferding allein handelt, sondern um Hunderte und aber Hunderte kleiner reformistischer Partei- und Gewerkschafts-Bürokraten, um einen Teil der Reichstagsfraktion, die gar nicht in der Lage sind, die Bedingungen der Kommunistischen Internationale durchzuführen, suchten sie mit allen Mitteln Hilferding und Kautsky zu retten, den einen, indem sie seinen Opportunismus leugneten, den andern, indem sie ihn als alten einflusslosen Trottel darzustellen suchten, den man aus Pietät ruhig im Wiener selbst gewählten Exil sterben lassen soll. Aber noch mehr als dieser Punkt war ihre Politik gefährdet durch die Tatsache, dass die Kommunistische Internationale nicht als lose Föderation der verschiedenen Parteien, sondern als zentralisierte internationale Kampfespartei aufgebaut werden sollte. Dieser Charakter der Internationale schnitt ihnen jede Möglichkeit des Sabotierens der Beschlüsse der Kommunistischen Internationalen Kongresse und der Exekutive ab. Somit war ihr Plan gescheitert. Auf dem Kongress in Halle gingen sie zu wütenden prinzipiellen Angriffen gegen die Kommunistische Internationale über, die sie als Mischung des romantischen Putschismus und des grundsatzlosesten Opportunismus darzustellen suchten, gegründet, um als Organ der auswärtigen Politik Sowjetrusslands zu dienen. Sie ließen es zu einer Spaltung mit den revolutionären Arbeitern der eigenen Partei kommen, um nur die Einigkeit mit der Gewerkschaftsbürokratie nicht zu stören, Sie wählten zu ihrem Banner die Amsterdamer gelbe Gewerkschafts-Internationale, indem sie aus dieser Vereinigung der Legiens und Hendersons das Palladium des internationalen, proletarischen Kampfes machten.

Nachdem so der Plan der internationalen Zentrumsclique, die Kommunistische Internationale von innen heraus zu sabotieren, gescheitert war, mussten sie sich entweder entscheiden, der zweiten Internationale beizutreten oder einen Ersatz für sie zu schaffen. Dieser Ersatz besteht in der 2½ Internationale, zu deren Bildung sie jetzt schritten

4. Das Manifest und die Grundlinien der 2½ Internationale

a) Diktatur des Proletariats und das internationale Zentrum

Das Berner Manifest vorn 10. Dezember 1920, mit dem sich die Väter der 2½ Internationale an die sozialistischen Parteien aller Länder wenden, ist ebenso bezeichnend durch das, was es sagt, wie durch das, was es verschweigt. Wenn in der jetzigen Weltlage eine proletarische Partei gegründet wird, geschweige denn ein internationaler Bund, so ist die erste Frage, zu der sie sich klipp und klar äußern muss, die Frage nach der Weltlage. Natürlich handelt es sich dabei nicht um allgemeine Redensarten über die Schlechtigkeit des Imperialismus oder einer der imperialistischen Gruppen, sondern um das feste Urteil darüber, ob wir uns in der Epoche der sich entwickelnden Weltrevolution befinden oder nicht. Mag man den Imperialismus noch so sehr verdammen, mag man mit der Kommunistischen Internationale vollkommen grundsätzlich einig sein in der prinzipiellen Beurteilung der imperialistischen Politik, man wird trotzdem ihm gegenüber eine ganz andere Politik treiben müssen, wenn man von der Kommunistischen Internationale abweicht in der Beurteilung der Frage: befinden wir uns im Prozess der Weltrevolution, oder der begonnenen und aussichtsreichen Neubefestigung des imperialistischen Staatensystems. Im ersten Falle wird die Politik der proletarischen Parteien gerichtet sein auf die Niederwerfung des kapitalistischen Staates durch revolutionäre Massenaktionen, wobei alle historisch gegebenen politischen und organisatorischen Mittel der Vorbereitung dieser Aktionen dienen müssen; im zweiten Falle wird man den Zusammenstößen mit der kapitalistischen Staatsgewalt bewusst aus dem Wege gehen müssen und sich als aktuelles Ziel die Organisation des Proletariats zwecks Besserung seiner Lage im Rahmen des Kapitalismus stellen, wobei das Festhalten am sozialistischen Endziele nur dazu dient, den Weg des Proletariats zu beleuchten, damit es nicht auf Abwege des Reformismus gelangt.

Über diese ausschlaggebende Frage sucht sich das Manifest der 2½ Internationale auszuschweigen. Es spricht mit keinem Worte von der Weltrevolution. Es spricht von der Revolution in Russland und in Mitteleuropa, von der sie bedrohenden Weltreaktion, das heißt, es geht von Tatsachen aus, die zu verschweigen kein kapitalistischer Politiker wagt, weil sie doch Tatsachen sind, deren Bestehen nur ein offenkundiger Narr bestreiten könnte. Aber wie Lloyd George zwar offen von der deutschen und russischen Revolution spricht, jedoch sich hütet, von der in Entwicklung begriffenen Revolution der ganzen kapitalistischen Welt zu sprechen (einerseits, weil er als Kleinbürger fürchtet, den Tatsachen klar ins Auge zu schauen, anderseits weil er fürchtet, eine klare Feststellung der Lage würde auch die klare politische Stellungnahme der gegensätzlichen Klassen beschleunigen) so fürchten sich die Parteien der 2½ Internationale klar zu sagen, wie sie die Weltlage beurteilen. Sie wagen nicht zu sagen, obwohl das viele von ihnen denken: die kapitalistische Gesellschaft sei für absehbare Zeit gerettet, lasst die revolutionären Illusionen fahren! Denn das würde die revolutionären Proletarier abstoßen. Sie dürfen nicht sagen: die Weltrevolution entwickelt sich trotz Niederlagen, wenn auch nicht so schnell, wie man wünschen könnte, und die Bürgschaft ihres Sieges liegt in der steigenden Desorganisation der kapitalistischen Wirtschaft; denn würden sie es sagen, so müssten sie in allen Ländern, trotz der Unterschiede im Grade der kapitalistischen Zersetzung jedes einzelnen, wenigstens die Agitation und Propaganda darauf zuspitzen, den Proletariern die Notwendigkeit und Unausweichlichkeit des revolutionären Kampfes zu beweisen; so drücken sie sich um die Stellungnahme durch die Phrase: “dieses kapitalistische System wird immer mehr unvereinbar mit den wirtschaftlichen und sozialen Lebenserfordernissen der proletarischen Massen, selbst in den Ländern der Sieger”. Diese Kautschukparole sagt nichts, denn der Imperialismus war immer unvereinbar mit den Lebenserfordernissen des Proletariats und es ist klar, dass, je länger er existiert, desto unvereinbarer mit ihnen wird er.

Die Leitsätze, die am 22, Januar in Innsbruck durch die vorbereitende Kommission des Kongresses der 2½ Internationale (Adler - Grimm - Ledebour - Wallhead) ausgearbeitet worden sind, bleiben in der Frage “Weltrevolution oder Weiterbestehen der kapitalistischen Gesellschaftsordnung” ebenso unbestimmt.

Die Hilferdinge, Bauer und Martows, die geistigen Köpfe der 2½ Internationale, werden uns auf diese Feststellung antworten: nur kommunistische Blindheit kann leugnen, dass in der Weltlage sich die revolutionären und konterrevolutionären Kräfte kreuzen, dass neben solchen, die auf die Zersetzung der kapitalistischen Wirtschaftkrise hinwirken, auch solche an der Arbeit sind, die die Macht des Kapitalismus wieder herzustellen suchen; schon aus historischer Vorsicht muss man sich hüten, zu prophezeien, welche Tendenz siegen wird. Wenn die gelahrten Herren so argumentieren sollten — und es bleibt ihnen nichts anderes übrig —‚ so ist ihnen darauf zu antworten: nicht um die Leugnung historischer Möglichkeiten handelt es sich. Die Kommunistische Internationale ist keinesfalls blind, um nicht zu sehen, dass beim Ausbleiben großer revolutionärer Bewegungen in den Ländern, wo der Kapitalismus noch wenig erschüttert ist, oder im Falle ihrer Niederlage, eine kapitalistische Restauration nicht ausgeschlossen ist. In der Eröffnungsrede des zweiten Kongresses der Kommunistischen Internationale führte kein Geringerer wie Lenin aus: es gäbe keine ausweglosen Lagen; sollte das internationale Proletariat nicht genügende Kraft finden, die Bourgeoisie niederzuwerfen, so wird die Bourgeoisie auf diesem oder jenem Wege die Mittel finden, die kapitalistische Gesellschaft auf Kosten der völligen Versklavung von Millionen zur restaurieren. Der Unterschied zwischen dem marxistischen Revolutionär Lenin und den Opportunisten vom Schlage Hilferding und Bauer besteht nicht darin, dass sie Möglichkeiten anerkennen, und er eine Vogel-Strauß-Politik spielt. Der Unterschied besteht in den Schlüssen. Der Revolutionär Lenin sagt dem Proletarier: ”die Weltrevolution entwickelt sich; sie wird gespeist durch immer wachsende revolutionäre Strömungen die aus den tiefsten Quellen der Gesellschaft entspringen. Aber gleichzeitig arbeiten die Kräfte der Beharrung und der Konterrevolution. Wenn Ihr nicht genug Kraft und Entschiedenheit zum Kampfe und zum Siege findet, so werdet Ihr besiegt. Dann müsst Ihr mit der größten Energie die Kräfte der Revolution zusammenfassen, ansetzen, und ihr zum Sieg verhelfen.” Er nimmt die Perspektive der sich entwickelnden Weltrevolution als Ausgangspunkt für seine Taktik und zeigt, wie man konkret für die Weltrevolution zu arbeiten hat. Der Opportunist, der mit dem Gedanken an die Revolution spielt, aber sie fürchtet, lässt die Zukunft im Dunkel, um die Klarheit zu vermeiden über seine nächsten Schritte, um zu warten, was die Geschichte bringen mag. In seiner tiefsten Seele stöhnt er: Herr! Erspare mir diese Bitternis! Aber, gepeitscht von den eigenen Anhängern, wagt er nicht, sich offen und klar zum kapitalistischen “Aufbau” zu bekennen, wie es die Reformisten tun, die offen von der konterrevolutionären Perspektive ausgehen.

Niemals aber ist die Geschichte so freundlich, dem Politiker eine absolut unzweifelhafte Perspektive zu geben. Nur vollzogene Tatsachen sind unzweifelhaft. Der Politiker muss also nach Abschätzung aller in einer Epoche wirkenden Kräfte, ihre allgemeine Richtung festzustellen suchen, muss abwägen, welche der sich bekämpfenden Kräfte siegen werden, und er muss sich entscheiden, in welcher Richtung er die Kräfte der von ihm vertretenen Klasse einsetzen will. Jeder Perspektive entspricht eine bestimmte Politik. Der bestimmten revolutionären Perspektive der Kommunistischen Internationale entspricht eine bestimmte revolutionäre Politik. Der bestimmten konterrevolutionären Perspektive der Reformisten, die ehrlich erklären, dass eine Revolution für sie nicht in Betracht komme, entspricht die konterrevolutionäre Politik. Da die 2½ Internationale sich für keine der beiden Perspektiven zu entscheiden wagt, so bestimmt ihre unbestimmte Perspektive eine unbestimmte Politik. Das wissen wir nicht nur aus der Praxis aller 2½- Parteien, sondern das bestätigt vollauf die Stellungnahme des Berner Manifestes zur Frage der Diktatur und des Rätesystems.

b) Die Frage der Diktatur, ihrer Formen, und die 2½ Internationale

Seit drei Jahren wogt in der Arbeiterklasse der Kampf über den Weg, den sie einzuschlagen hat. Um zwei Fragen ringt das Bewusstsein des internationalen Proletariats. Die erste lautet: kann auf dem Boden der bürgerlichen Demokratie mit ihren Mitteln der Kapitalismus besiegt werden. Oder ist dazu die revolutionäre Niederwerfung der Bourgeoisie und die Aufrichtung der proletarischen Diktatur notwendig? Die zweite lautet: welche Formen soll die proletarische Diktatur annehmen? — Wie beantworten diese beiden Fragen die Führer der 2½ Internationale nach drei Jahren nicht nur der internationalen Diskussion, sondern — was wichtiger ist — nach drei Jahren der Erfahrungen, die das europäische Proletariat in der russischen, finnischen, ungarischen, deutschen, österreichischen Revolution und Konterrevolution, in der “friedlichen” Entwicklung der Ententeländer gesammelt hat? Die Führer der 2½ Internationale geben auf diese Fragen nicht eine, sondern zwei Antworten. Eine im Manifest vom 7. Dezember, die andere in den Grundlinien vom 10. Januar.

Sobald das Proletariat die politische Macht erobert hat, wird es überall dort, wo die Bourgeoisie die proletarische Staatsgewalt sabotiert oder sich gegen sie auflehnt, diktatorische Mittel anwenden”— so heißt es im Manifest. Wir fragen, wird irgendwo die Bourgeoisie die proletarische Staatsgewalt nicht sabotieren, ist es denkbar, dass sie sich gegen sie nicht auflehnt? Kurz und gut: halten die Theoretiker der 2½ Internationale die Hoffnung auf einen freiwilligen Verzicht der Bourgeoisie, diese Grundauffassung der Reformisten, für eine reale Auffassung? Wenn ja, dann sind die Herren Reformisten, was wir immer behaupteten, und was sie immer mit Entrüstung leugneten. Sind sie aber keine reformistischen Illusionisten, haben wir es hier mit einem Produkt der “taktischen Schlauheit” zu tun, so wecken die 2½-Leute im Proletariat gefährliche Illusionen, für die es mit Niederlagen zu zahlen haben wird. Das größte Hemmnis der Entwicklung der Revolution besteht darin, dass ein großer Teil des Weltproletariats die Hoffnungen auf eine friedliche Rettung aus Not und Elend noch nicht aufgegeben hat. Weil es noch glaubt, es werde um all das Schwere des Bürgerkrieges herumkommen können, lässt es sich noch immer von der Bourgeoisie und ihren reformistischen Agenten betrügen. Die Aufgabe jeder revolutionären Arbeiterpartei besteht darin, dem Proletariat auf Grund aller Ereignisse tagtäglich einzuhämmern, es gebe kein Drittes, es sei zu wählen zwischen der Diktatur der Bourgeoisie oder seiner eigenen, der proletarischen. Nur wenn das Proletariat fest davon überzeugt sein wird, wird es in sich die Kraft zum entscheidenden Kampfe finden. Indem die 2½ Internationale dem Proletariat die Hoffnung auf eine andere Lösung der vor ihm stehenden Fragen als durch die proletarische Diktatur weckt, lenkt sie es von dem revolutionären Kampf ab, wirkt sie als die Internationale der Verwirrung.

Ebenso wirkt sie in der Frage der Formen der Diktatur. “Es hängt von den gegebenen ökonomischen, sozialen und politischen Verhältnissen der einzelnen Länder ab, welche Formen die Diktatur annehmen wird. Sollte das Proletariat mit den Mitteln der Demokratie die Macht erobern, so wäre im Falle des Widerstandes der Bourgeoisie auch die demokratische Staatsgewalt zur Anwendung der Diktatur gezwungen. Wird jedoch in der Periode der entscheidenden Machtkämpfe die Demokratie durch die Schärfe der Klassengegensätze gesprengt, so muss die Diktatur die Form einer Diktatur proletarischer Klassenkampforganisationen annehmen. Organe der Diktatur können je nach den Verhältnissen einzelnen Landes Arbeiter Soldaten-, Bauernräte, lokale Selbstverwaltungskörper (Kommunen) oder andere, dem Lande eigentümliche Klassenorganisationen sein.” Was wird damit von der 2½ Internationale gesagt? Vorerst, dass die Herrschaft der Arbeiterklasse auch durch allgemeine demokratische Einrichtungen, wie z. B. Parlamente ausgeübt werden kann. Zweitens, dass nur im Falle des Widerstandes der Bourgeoisie die Herrschaft des Proletariats durch seine Klassenorganisationen ausgeübt werden kann. Welche Klassenorganisationen es sein werden, weiß das Manifest nicht; es können Räte sein, es können Kommunen sein, ohne dass das Manifest den Ausschluss der Bourgeoisie aus dem lokalen Selbstverwaltungskörper fordert, es können auch andere näher nicht bezeichnete Arbeiterorganisationen sein. Wie in diesen letzten Fällen die zentrale Revolutionsgewalt organisiert sein soll, darüber sagt das Manifest nichts. Was bedeutet diese Stellungnahme? Sie bedeutet, dass die 2½ Internationale als Kampflosung ein blankes Nichts aufstellt.

Worin bestand die Bedeutung der Losung des Rätesystems? Sie zeigte dem Proletariat vorerst, dass es seine Klassenorganisationen, seinen Herrschaftsapparat bilden müsse. Sie zeigte ihm zweitens, dass es nicht die alten Klassenorganisationen sein können, die das Proletariat, sei es nach seiner politischen Auffassung, sei es nach seinem Berufe, zusammenfassen. Es müssen Organisationen sein, die es als Klasse‚ unabhängig vom Beruf ‚ unabhängig von seiner politischen Auffassung, in der Produktion, im Betriebe zusammenfassen. Als die Arbeiterräte in der russischen Revolution aufkamen, wusste man noch nicht, ob sie die Formen der proletarischen Diktatur in der Weltrevolution sein werden. Die finnische, österreichische, deutsche Revolution haben gezeigt, dass, wo das Proletariat um die Macht ringt, es zu Arbeiterräten als der gegebenen historischen Form seiner Klassenzusammenfassung greift. Und überall, in Italien, in England, wo sich das Proletariat nur revolutionär zu regen beginnt, wächst in ihm der Wille zur Bildung der Arbeiterräte. Der konterrevolutionäre Charakter des Fallenlassens der Rätelosung als des Weges der Weltrevolution durch die 2½ Internationale ergibt sich in erster Linie daraus, dass damit die die Arbeiter im Kampfe um die Macht organisierende, zusammenfassende Losung fallen gelassen wird. Wo die Revolution ins akute Stadium gelangt, dort zeigt die Rätelosung dem Proletariat den Boden, auf dem es seine Kraft als Klasse sammeln und der Bourgeoisie entgegenstellen kann. Die Rätefrage wird somit aus der Frage von der zukünftigen Form der Organisation der Diktatur zur politischen Frage von dem Kampf um die Diktatur.

Es ist möglich, dass die weitere Entwicklung der Weltrevolution die Formen der Organisation der Diktatur sehr verschiedenartig gestalten wird, wie z. B. die russische Revolution gezeigt hat, dass in gewissen Stadien des besonders scharfen Bürgerkrieges vorübergehend die Herrschaft des Proletariats durch eine noch straffere Zusammenfassung der Kraft des Proletariats verteidigt werden muss, als dies die breiten Organisationen der Arbeiterräte ermöglichen. Aber eins ist klar: für die Periode des Kampfes um die Macht sind die Arbeiterräte die zentrale politisch-organisatorische Losung. Der Verzicht auf diese Losung, ihre Verwässerung durch Ersinnen von allerhand politischen Möglichkeiten bedeuten Verzicht auf die revolutionär organisierende Rolle der Internationale.

Die Herren Hilferding, Bauer und Martow suchen diesen Verzicht historisch zu drapieren und zu begründen, indem sie mit der Miene großer Gelehrter erklären: “Wie sich bürgerliche Revolution in den Verschiedenen Ländern in ganz verschiedenen Formen vollzogen hat, so wird, da die Stufe der kapitalistischen Entwicklung in allen Ländern nicht dieselbe ist, auch die proletarische Revolution in den einzelnen Ländern sich in mannigfaltigen Formen vollziehen.” Das historische Wissen der Theoretiker der 2½ Internationale steht ganz auf der Höhe ihres revolutionären Wollens. Die bürgerlichen Revolutionen haben sich überall durchgesetzt in der Form revolutionärer Kämpfe um das Parlament. Was die Geschichte der bürgerlichen Revolutionen beweist ist eben die Tatsache, dass trotz der Unterschiede in der Entwicklungsstufe der verschiedenen Länder die historisch führende Klasse einer gegebenen Epoche um dasselbe Ziel mit denselben Mitteln kämpft. Die proletarische Revolution wird in verschiedenen Ländern große Unterschiede aufweisen. Aber von einer und derselben Klasse um ein und dasselbe soziale Ziel geführt, ist sie in ihren Grundformen ein und derselbe Prozess. Indem die Theoretiker der 2½ Internationale dies verkennen, beweisen sie nur, dass sie theoretisch vor Bäumen den Wald nicht sehen, um nur der Pflicht aus dem Wege zu gehen, eine wirkliche Internationale zu gründen.

Einen Monat nach der Verfassung des Manifestes korrigierten sich die Weisen der 2½ Internationale selbst. Sie ließen ihre Klugheiten über die mannigfaltigen Formen der Diktatur in den einzelnen Ländern fallen und bekennen sich in den Leitsätzen über die Methoden und Organisation des Klassenkampfes auf einmal unumwunden zuerst zur Idee der Diktatur des Proletariats, die in jedem Falle, wie auch das Proletariat zur Macht gelangen könnte, zur Aufrechterhaltung dieser Macht notwendig sein wird. Und mehr noch — während sie in dem Berner Manifest erklärten: die Organe der Diktatur könnten je nach den Verhältnissen des einzelnen Landes Arbeiter-, Soldaten-, Bauernräte, lokale Selbstverwaltungskörper (Kommunen) oder andere dem Lande eigentümliche Klassenorganisationen sein”, schreiben sie jetzt: “die Diktatur des Proletariats muss dann ausgeübt werden auf der Grundlage der Arbeiter-, Soldaten- und Bauernräte, der gewerkschaftlichen oder anderer ähnlicher proletarischer Klassenorganisationen.” Somit sind die demokratischen Selbstverwaltungskörper vom 7. Dezember bis zum 10. Januar als Organe der Diktatur verschwunden. Und da die anderen proletarischen Klassenorganisationen außerhalb der Arbeiterräte und der Gewerkschaften ein Pseudonym für das blanke Nichts sind, so bedeutet es, dass die Herren der 2½ Internationale schließlich dazu gekommen sind, man könne die proletarische Diktatur nur auf Arbeiterräte und Gewerkschaften stützen, wozu wir ihnen gratulieren. Denn wenn die Gewerkschaften sich auf Betriebsgrundlage statt auf Fachgrundlage umformen — und das ist der Zug der Zeit, das fordern nicht nur die Kommunisten, sondern alle fortgeschrittenen Gewerkschaftler —‚ dann verschwindet der Unterschied zwischen dem Arbeiterrat und dem Rat der Betriebsräte, des untersten Organs der Gewerkschaften fast bis zur Unkenntlichkeit. Die Resolution enthält noch weitere Fortschritte; sie sagt, dass in dem offenen Kampfe um die Eroberung oder Erhaltung der proletarischen Diktatur ”nicht mehr die Stimmzettel entscheiden, sondern die ökonomischen und militärischen Kräfte der kämpfenden Klasse". Dann wird die Arbeiterklasse die Herrschaft nur durch die direkte Massenaktion, durch Massenstreiks und bewaffnete Aufstände erobern.” Die Unabhängige Deutsche Sozialdemokratie die sich auf den bewaffneten Aufstand vorbereitet, Rudolf Hilferding und Arthur Crispien am Maschinengewehr, welch ein Fortschritt welch ein Fortschritt!

5. Die 2½ und die Kommunistische Internationale

Wodurch unterscheidet sich denn die 2½ Internationale von der Kommunistischen Internationale? Sie erklärt sich gegen die schablonenhafte Nachahmung der Methoden der russischen Bauern- und Arbeiterrevolution. Aber selbst, wenn man die vier Unterzeichner der Resolution, Adler, Ledebour, Grimm, Wallhead vor die Maschinengewehre stellen würde, sie würden nicht sagen können, welche anderen Methoden als die in ihrer eigenen Resolution genannten die Kommunistische Internationale vorschlägt. Der zweite Unterschied auf den sie die Existenz der 2½ Internationale bauen wollen, ist das angebliche Verkennen der Mannigfaltigkeit der Struktur der verschiedenen Länder und der in ihnen anzuwendenden Taktik durch die Kommunistische Internationale. Aber wieder könnte man die viere an die Wand stellen, ohne dass sie sagen könnten, welche verschiedene Taktik sie außerhalb der genannten, allgemeinen, von ihnen empfohlenen für zulässig halten? Sollte vielleicht die Sache so gemeint sein: Als allgemeine Taktik empfehlen wir die revolutionäre Aktion bis zum Massenstreik und bewaffneten Aufstand. Als spezielle Taktik lassen wir aber die Koalition mit den Christlich-Sozialen zu, mit denen bisher die Partei Friedrich Adlers in einer Regierung saß? Wir glauben eben, dass so und nicht anders die Sache gemeint ist, sonst würden die Herren nicht so zittern um die Autonomie der Einzelparteien, die Moskau angeblich antastet. Denn, wenn die Autonomie nur dazu dient, die gemeinsamen revolutionären Grundsätze in einzelnen Ländern anzuwenden, dann ist sie kein Gegensatz zu straffer, internationaler Zentralisation, sondern ein Instrument dieser Zentralisation. Dass es den vier Propheten darum geht, auf dem Papier revolutionäre Losungen niederzuschreiben, und in der Praxis reformistische Politik zu treiben, das beweist auch ihr Verhältnis zur Frage der Trennung von den Reformisten. Mit der Miene von Biedermännern erklären sie, die Parteien ändern sich, und die Menschen ändern sich. Sie werden durch ihre Fehler klüger. Man soll nicht jemanden aus der Internationale ausschließen, weil er früher Sozialpatriot war. Und man soll ihn nicht demütigen. Man soll von ihm nicht fordern, er müsse barfuß im Bußkleid, in Sack und Asche, nach Canossa wandern. Das ist sehr rührend und menschlich. Und die Kommunistische Internationale hat noch von keiner ihr angeschlossenen Partei gefordert, sie solle die Reformisten, die dem Reformismus abgesagt haben, im Kreml auf dem Altare zu Ehren Lenins schlachten. Sie fordert nur den Ausschluss der Reformisten und Sozialpatrioten, die Reformisten und Sozialpatrioten geblieben sind. Mit unschuldiger Miene wenden hier die Ledebour und Grimm, die Adler und die Wallhead ein: Und wenn solch ein armes Menschenkind von Reformist still und sittlich in der Partei bleibt und sich der Parteidisziplin unterwirft, warum soll man ihn aus der proletarischen Familie wie einen räudigen Hund ausstoßen? Das Herz kann ihm doch dabei brechen. Nicht ohne Schlauheit versteht man die Dinge so zu wenden. Robert Grimm weiß, dass in dem Schweinestall der sich Schweizerische Sozialdemokratie nennt, nicht er, sondern die reformistische Minderheit das Heft in den Händen hat. Die Gustav Müller, die Greuliche, die Jean Sigg und der Schwarm von Polizei- und Finanz-Direktoren die sie umgeben, sie sitzen in allen parlamentarischen und Gemeinde-Fraktionen, sie haben den Machtapparat der Partei in den Händen. Sie fügen sich der Disziplin auf dem Parteitag und pfeifen tagtäglich auf seine Beschlüsse. Und wie steht es in der deutschösterreichischen Sozialdemokratie? Werden sich Herr Seitz, Ellenbogen, Leuthner, Renner, viel um die revolutionären Grundsätze, die Friedrich Adler in Innsbruck in seinem Herzen entdeckt hat, kümmern? Sie werden sich den Teufel um sie scheren, denn lässt man sie in der Partei, so hat man bewiesen, dass man der Parteieinigkeit wegen dem Krach aus dem Wege gehen wird. Jean Longuet hat sich jetzt zusammen mit dem alten Lakaien der französischen Bourgeoisie mit Renaudel und seiner Clique, zu einer Partei verbunden, die der 2½ Internationale angehören soll. Wer glaubt auch nur einen Augenblick, dass Renaudel aus Parteidisziplin die Vaterlandsverteidigung praktisch ablehnen wird, wenn es darauf ankommt, was die Innsbrucker Leitsätze von ihm fordern. Die Toleranzklausel der 2½ Internationale macht sie aus einer Kampfesgenossenschaft gegen den Kapitalismus zu einem toleranten Hotel, wo jeder absteigen kann: der eine, um sittsam zu schlafen, der andere, um nicht sittsam zu “wachen”.

Das Verhältnis zu den Reformisten, das ist der Angelpunkt der ganzen Frage von dem Aufbau der Internationale. Wer sich von den Reformisten, die Träger der bürgerlichen Politik in der Arbeiterbewegung sind, nicht trennen will, der wird niemals die noch so revolutionär klingenden Grundsätze praktisch ausführen. Die Grundsätze werden ihm dienen zur Einschläferung der revolutionären Masse, und die Reformisten zur Verbindung mit der Bourgeoisie. Camille Huysmans, der kluge Zyniker, hatte vollkommen recht als er über die Männer der 2½ Internationale sagte: “Sie denken wie wir und sie sprechen wie die Moskauer. Wir können nur beifügen: Sie denken nicht nur wie die Sozialpatrioten, sondern sie handeln wie die Sozialpatrioten. Nichts beleuchtet besser das Wesen der 2½ Internationale als die Tatsache, dass ihre Hauptbegründer dieselben Crispiens und Hilferdinge sind, die im Moment, wo sie diese so genannte revolutionäre Internationale gründen, also das internationale Proletariat zur gemeinsamen Aktion gegen den Kapitalismus führen wollen, gleichzeitig sich gegen den Zusammenschluss zur gemeinsamen Aktion mit den Kommunisten wenden und sich dadurch mit den Sozialdemokraten zur Aktionslosigkeit vereinigen. Nach diesen Taten wird die 2½ Internationale beurteilt, nicht nach ihren Worten und Prinzipien. Die Prinzipien sind für die Opportunisten so billig wie Brombeeren, wenn sie nur das Proletariat von der revolutionären Aktion zurückhalten können.

6. Die Zukunft der 2½ Internationale

Die 2½ Internationale ist eine Organisation ohne selbständige politische Idee. Sie ist eine Organisation, die die von der Kommunistischen Internationale entlehnten und verwässerten Ideen nicht gewillt ist, im Leben praktisch durchzuführen. Sie ist überhaupt keine internationale Organisation des Proletariats, sondern sie will bewusst eine internationale, lose Föderation der nationalen, zentristischen Parteien sein. Wie wenig sie auf ihre eigene Kampfes- und Lebensfähigkeit vertraut, beweist sie am besten, indem sie sich krampfhaft an die Amsterdamer Gelbe Gewerkschaftsinternationale klammert. Aber trotzdem wäre es ein Fehler, anzunehmen, dass sie unfähig ist, zu existieren. Wenn die revolutionäre Bewegung in den westeuropäischen Ländern sich nicht bald in schnellerem Tempo entwickeln wird, wenn der Prozess der Radikalisierung der Arbeitermassen nicht schnell vor sich geht, so wird die 2½ Internationale die noch nicht entschieden revolutionären Arbeitermassen vor dem Zusammenschluss mit der Kommunistischen Internationale zurückhalten. Sie wird das Heim sein für die politisch Obdachlosen die sich nicht für hüben oder drüben entscheiden können, Ihre Existenz wird natürlich eine Scheinexistenz sein. Unfähig zu Taten, unfähig, die lebendige, die revolutionäre Vorhut des Weltproletariats zu werden, wird sie die Illusion der Nachtruppen des Proletariats sein, solange sie durch die Ereignisse nicht an die Front der Weltrevolution getrieben werden.

Wie groß noch diese Massen der Zaudernden sind, das zeigen am besten die jüngsten Vorgänge in der Italienischen Sozialistischen Partei. Die Italienische Sozialistische Partei galt als eine der größten Parteien der Kommunistischen Internationale. Die hinter ihr stehenden Zehntausende und aber Zehntausende Arbeiter haben sich in den Vorgefechten der italienischen Revolution bewährt, Ihre Sympathie für Sowjetrussland haben sie aktiv ausgedrückt in der Zeit der größten Gefahren, die Sowjetrussland drohten. Sie haben sich für die Diktatur des Proletariats ausgesprochen. Sie haben die Idee der Arbeiterräte in sich aufgenommen und sie haben sogar versucht, in einer revolutionären Aktion die Kontrolle der Produktion durch Betriebsräte zu verwirklichen Und trotzdem waren sie noch mit der reformistischen Vergangenheit durch Bande verbunden, deren Bedeutung sie selbst nicht verstehen, obwohl diese Bande drohen, die italienische Revolution zu erdrosseln. Weil die Reformisten in der italienischen Arbeiterbewegung sich vor dem Kriege gespalten haben, weil ihr offen imperialistischer Teil schon vor dem Kriege aus der Partei ausgeschieden ist, sieht die Mehrheit der italienischen revolutionären Arbeiter die Gefahr nicht, die darin besteht, dass ihre Führerschaft durchsetzt ist mit den demokratisch-pazifistischen Elementen, die Gegner der sozialen Revolution, die Gegner der Diktatur des Proletariats sind. Und diese Masse, die sich als ein Vortrupp der Kommunistischen Internationale hielt hat in einem Teil, als sie zu entscheiden hatte zwischen den reformistischen Führern und der Kommunistischen Internationale, sich für die reformistischen Führer, gegen die Kommunistische Internationale ausgesprochen. Die Tatsache, dass diese hinter Serrati stehenden Arbeiter tief überzeugt sind, dass sie trotzdem der Kommunistischen Internationale treu geblieben sind, die Tatsache ist ein Beweis nicht gegen, sondern für die Größe der zentristischen Gefahr in der internationalen Arbeiterbewegung.

Das Gift des zentristischen Gedankens hat sich tief in die Arbeiterklasse hineingefressen. Dieses Gift auszutreiben, wird nur die Weiterentwicklung der Weltrevolution imstande sein. Es kann nicht auf theoretischen Wegen und Propaganda überwunden werden. Es wird nur überwunden durch den Kampf, der die Masse mit Entschiedenheit erfüllt, mit der Überzeugung dass jedes Wanken in einer entscheidenden Situation den Tod bedeutet. Aber die Einsicht, dass der zentristische Geist erst in der Weltrevolution und durch sie überwunden werden kann, bedeutet nicht, dass die Kommunistische Internationale ihn in sich aufnehmen könnte, damit er in der Zukunft von der Revolution überwunden werde. Es ist selbstverständlich, dass, wo sich in ihren Organismus das zentristische Gift einschleicht, die angekrankten Glieder entfernt werden müssen, um nicht den ganzen Körper zu verseuchen. Mögen die Hilferdinge nur ruhig höhnen, wir seien Sektierer, die sich von der Arbeitermasse abschließen, - wenn sie nicht bereit ist, alle unsere Rezepte ohne weiteres anzunehmen. Die Kommunistische Internationale ist die revolutionäre Vorhut des Proletariats. Und je mehr sie sich bewusst ist, dass sie in Fühlung, in stetigem Kontakt mit der sich langsam entwickelnden Arbeitermasse bleiben muss, desto mehr muss sie darum besorgt sein, dass in ihren Reihen, in den Reihen der Vorhut, ein ruhiges, sicheres Ziel- und Wegbewusstsein herrsche. Wer die Massen zum revolutionären Kampf führen will, muss mit ihnen natürlich in innigstem Kontakt sein. Er darf die Richtung ihrer spontanen Bewegung nicht willkürlich bestimmen wollen. Das tat die Kommunistische Internationale niemals. Sie setzt sich ihre Ziele auf Grund der Erfassung der Tendenzen der Entwicklung der Weltrevolution. An den Zielen der Kommunistischen Internationale festzuhalten, heißt nicht, doktrinär der Arbeitermasse seine eigenen Wünsche entgegenzustellen, sondern es heißt, an dem heutigen Tage der Arbeiterklasse an ihren morgigen Tag zu denken, es heißt, über die Windungen des Weges hinaus sein Ziel vor den Augen zu behalten. Es heißt, in der Bewegung der wankenden, oft vor den Konsequenzen ihres Kampfes zurückschreckenden, sich erst entwickelnden revolutionären Masse eine feste, geschlossene Avantgarde zu bilden und mit ihrer Hilfe die Masse immer vorwärts zu treiben und zum Siege zu führen. Aus diesem Verhältnis ergibt sich die Notwendigkeit nicht nur des Zusammenhanges mit der noch schwankenden Masse, sondern auch die Pflicht des schärfsten Kampfes gegen alle ihre Illusionen, alle ihre Schwankungen und in erster Linie gegen die Ideologien des Zentrums, seine Führer und seine Organisationen. Das Verhältnis der Kommunistischen Internationale zur 2½ Internationale muss darum in erster Linie ein Verhältnis des Kampfes sein.

Je schärfer, je gründlicher wir den Lug und Trug, das Schwanken und Wanken der 2½ Internationale bekämpfen, desto fester werden wir unsere Reihen zusammenfassen, und auf die hinter der 2½ Internationale stehenden Massen einwirken. Mit diesen Massen wollen wir kooperieren, wo sie nur in den Kampf treten. Mit ihren Führern wollen wir rücksichtslos kämpfen, wo nur und wann nur sie die Massen irreführen, wo nur und wann nur sie im Kampfe versagen.

Die Geschichte der rechten deutschen Unabhängigen nach der Spaltung in Halle hat gezeigt, wie sehr und wie schnell sie sich nach rechts entwickeln, nachdem sie den Ballast der revolutionären Arbeiter verloren haben. Diese Selbstdemaskierung der zentristischen Elemente wird den Sieg der Kommunistischen Internationale beschleunigen. Die 2½ Internationale ist ein Produkt des revolutionären Prozesses, den die ganze Welt durchmacht. Aber sie ist nicht ein Produkt, in dem sich der schaffende Geist der Weltrevolution ausdrückt. Sie ist ein decoctus historiae, ein Ausscheidungsprodukt der Weltrevolution. Darum wird die 2½ Internationale von dem Strom der Weltrevolution weggespült, sobald er in schnellere Bewegung gerät. Bis zu dieser Zeit haben wir sie zu bekämpfen als eine belastende Tradition, die das Aufwachen der Arbeiterschaft zum revolutionären Kampfe aufhält.

Karl Radek

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