Karl Radek 19230905 Die Interventionsgefahr gegen Deutschland

Karl Radek: Die Interventionsgefahr gegen Deutschland

[Internationale Pressekonferenz Nr. 142, 5. September 1923, S. 1229f.]

Wir haben vor ein paar Tagen vor der Gefahr der Alliierten-Intervention gegen Deutschland im Falle eines faschistischen Umsturzes oder der deutschen Revolution gewarnt. Aber noch bevor von Rechts oder Links die Gefahr eines Umsturzes für die jetzige Regierung der Großen Koalition aktuell geworden ist, rückt die Gefahr der Intervention der Alliierten gegen Deutschland nahe. Wir brauchen nicht von den fieberhaften Vorbereitungen der Separatisten im Rheinland zu sprechen, die in einem Teile der Rheinlande unter französischer Deckung und in Köln unter englischer Deckung vorgehen. Es liegen zwei außerordentlich charakteristische Pressestimmen vor, die zeigen, in welcher Richtung sich die Gedanken der Entente und ihrer Vasallen bewegen. -

Die englische Wochenschrift “The Outlook” vom 18. August bringt einen Artikel über die durch den Notenwechsel der Alliierten untereinander geschaffene Lage. Die Wochenschrift spöttelt über die Note Baldwins an Poincaré. “Die Antwort”, schreibt das Blatt, “gleicht einer Einladung zum Mittagessen, die an einen Mann gerichtet ist, den man gerade im Sarge aus dem Hause trägt.” Das englische Wochenblatt glaubt nicht daran, dass Poincaré sich durch Noten aus dem Ruhrgebiet herausschmeißen lassen wird. Es spricht sich gegen die Teilung der Ruhrbeute zwischen England und Frankreich aus, denn es zieme sich nicht für England, einen kleineren Teil der Beute zu bekommen. Es fordert darum, England soll im Vorhinein Frankreich wissen lassen, dass es eine Änderung der jetzigen deutschen Grenzen nicht anerkennen wird, und zweitens fordert es, England solle mit oder ohne Zustimmung Deutschlands die deutschen Nord- und Ostseehäfen besetzen. Auf diese Weise bekommt England die Ausfuhr Deutschlands in die Hand und kann von ihr Zölle erheben und sich so seinen Teil an der Reparationsschuld Deutschlands sichern. Gleichzeitig werden die englischen Kriegsschiffe in den Nord- und Ostseehäfen Deutschlands ein Gegengewicht bilden gegen die französischen Tanks und Kanonen an der Ruhr und an dem Rhein. Zum Schluss sagt das Blatt: es verzichte auf das ethische und selbstlose Gefasel, denn “unser mit Schulden beladenes und einer verzweifelten Arbeitslosigkeitskrise gegenüberstehendes Land muss selbstsüchtig sein”.

Das von uns zitierte Blatt ist kein deutsch-fresserisches Organ. Es ist ein nüchternes, liberales Organ, das die Meinung von Geschäftskreisen wiedergibt. Dieses Blatt schlägt die Aufteilung Deutschlands in Zonen vor, die Besetzung der deutschen Häfen als Antwort auf die Besetzung des Ruhrgebietes, gegen die England nichts unternehmen kann.

Das Charakteristische daran ist, dass das Blatt mit keinem Worte die deutsche Revolution als den Grund einer Intervention ansieht. Die deutsche Schwäche, die Unfähigkeit des jetzigen Deutschland, sich gegen die Franzosen zu wehren, ist ein genügender Grund für das Organ der menschenliebenden Bourgeoisie, um zu erklären, wir wollen auch ein Stück des Kuchens. Das ist die beste Antwort auf die Behauptung, die deutsche Revolution würde der Entente Anlass geben, Deutschland in Stücke zu zerreißen. Die Bourgeoisie der Entente hat Deutschland schon in Stücke zerrissen. Frankreich hält das Rheingebiet und die Ruhr besetzt. Es bereitet sich dazu vor, die faktische Besetzung in eine juristische zu verwandeln. In England beginnen demgegenüber in der bürgerlichen Welt die Gedanken in der Richtung der Besetzung eines Teiles Deutschlands durch England durchzudringen.

Jetzt eine zweite Stimme: In der polnischen Zeitung “GIos Lubelski” schreibt der Oberst Josef Schtawinski:

Wir haben keinen wirklichen Zugang zum Meere. Unsern Korridor kann man im Ernste nur dann verteidigen wenn vorerst Ostpreußen besetzt wird … Deutschland wird immer bestrebt sein, sich mit Russland zu vereinigen — man muss auch damit rechnen, dass sie zu diesem Zwecke alle Kräfte gebrauchen werden, um das polnische Pommerellen zu besetzen und gleichzeitig uns durch einen Schlag aus der Festung zu vernichten, die inmitten des polnischen Territoriums Preußen darstellt. Dieser Schlag wird auf die nahe Hauptstadt Polens, auf Warschau, gerichtet sein. Entweder werden die Deutschen uns Pommerellen wegnehmen und uns vom Baltischen Meere abtrennen oder wir werden ihnen den polnischen Teil Ostpreußens mit der Linie Warschau, Mlawa, Danzig auf dem rechten Ufer der Weichsel nehmen und den übrigen Teil Preußens in dieser oder anderer Weile neutralisieren. Zu einer Entscheidung in dieser oder jener Richtung muss es kommen, und der nächste polnisch-deutsche Konflikt kann sie bringen.”

Diesen Artikel zitiert die “Gazeta Warschawska” vom 15. August zustimmend, und die “Gazeta Warschawska” ist das Organ der stärksten polnischen Regierungspartei und ihres Außenministers des Herrn Seida. Und wieder unterstreichen wir: kein Wort von der deutschen Revolution. Die Schwäche Deutschlands rollt die Gefahr seiner weiteren Teilung auf. Die deutsche Revolution wird vor Gefahren stehen, die die deutsche Bourgeoisie und die deutsche Sozialdemokratie geschaffen haben, indem sie Deutschland ungeheuer schwächen. Die Sache der Kommunistischen Partei Deutschlands ist es schon heute, die deutschen arbeitenden Massen im Willen zur Verteidigung des Deutschland zu erziehen, das ihnen gehören wird. Und die Sache der deutschen Revolution wird es sein, das deutsche Volk wehrhaft zu machen.

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