Karl Radek 19190000 Die Rolle der Kommunistischen Partei in der Revolution

Karl Radek: Die Rolle der Kommunistischen Partei in der Revolution

[Anhang IV der Broschüre „Karl Radek: Die Entwicklung der deutschen Revolution und die Aufgaben der Kommunistischen Partei“. Hamburg 1920]

1. Nieder mit den Bonzen!

Als sich die Hamburger Spaltungspropheten, die kurz vor der Reichskonferenz die Losung aufstellten: „Heraus mit diesen Marodeuren der Revolution (das sollte die Zentrale der Partei sein) aus den Reihen der Kommunistischen Partei!“ (Komm. Arb.-Ztg. vom 16 Okt. 1919) als sich diese Spaltungspropheten von rauer Hand außerhalb des Beratungszimmers der Partei gestellt fanden, suchten sie nach dem Banner, auf das sie schreiben konnten: Unter diesem Zeichen wirst Du siegen! Der prinzipielle Antiparlamentarismus konnte es nicht sein, denn in der gegebenen Situation will auch die Zentrale sich keineswegs für die Teilnahme an den Wahlen festlegen, wie auch diese Frage augenblicklich überhaupt nicht aktuell ist. Die Arbeiterunionen sind als Losung in großen Teilen des Reiches — so in Berlin — vollkommen unbekannt. So blieb, als Motto für die Fahnen des Propheten, als der die ganze Opposition vereinigende Ruf, als das neue: Proletarier aller Länder vereinigt Euch! — nur der Schlachtruf: „Nieder mit den Bonzen!“

Wenn das nicht zieht, nun dann ist Laufenberg, Wolffheim etc. überhaupt „nicht zu machen“. Doch das Geschrei: „Nieder mit den Bonzen“ hat auch sein Aber. Denn wie garantiert man, dass morgen nicht gegen die Laufenberg und Wolffheim dieser Ruf ausgestoßen wird, hat doch schon Laufenberg einmal die von den Rechtssozialisten gegen ihn als Vorsitzenden des Hamburger A.- und S.-Rates aufgehetzten Massen unter der Losung: „Nieder mit den Bonzen!sich sammeln sehen. Nun, auch dagegen gibt es ein Rezept. Der selige Dichter Alexejew Tolstoi sagt: „Es gibt Bauern und Bauern. Den Bauern, der die Ernte nicht vertrinkt, achte ich.“ Also, es gibt Führer und Führer. Es gibt Führer, die die Beseitigung der Führerschaft proklamieren — und die sind gut. Es gibt aber auch solche Führer, die eine solche Aufhebung der Führerschaft auf dem Papier Demagogie nennen, die der Arbeiterschaft offen sagen, dass, so lange der Kapitalismus die Volksmassen von den Quellen der Bildung fernhält, in einem Teile von ihnen die Selbständigkeit tötet, die energischsten, aufgeklärtesten Proletarier sich zur Partei zusammenschließen müssten, dass in dieser Partei wieder die energischsten, aufgeklärtesten mehr leisten, der Sache mehr dienen und darum als Führer angesehen werden; nun, diese die Sache offen bei Namen nennenden, der Masse nicht schmeichelnden Genossen, das sind — den Hamburger Propheten gemäß — die schlechten Führer.

Das Geschrei der Demagogen könnte man abtun mit dem Hinweis, dass sie doch selbst nach ihrem Ausschluss aus der Konferenz sofort zusammentraten, um, ohne ihre Organisationen zu befragen, Vorbereitungen zu treffen zur Bildung einer neuen Zentrale. (Siehe Aufruf in der Komm. Arb.-Ztg. vom 25. Okt.) dass sie sich selbst in einem Konventikel zu Führern einer noch nicht bestehenden Partei ernennen. Aber es handelt sich für uns nicht nur um die Entlarvung der Demagogen, sondern um die Aufstellung der zweifellos wichtigen Frage von dem Verhältnis der Partei zur Arbeiterklasse in der proletarischen Revolution und Räteorganisation und von dem Verhältnis der Führer zur Partei in dieser Kampfesperiode.

2. Massen und Führerfrage vor dem Kriege.

Vor der Revolution spielte die Frage von dem Verhältnis der Führer zu den Massen in der Entstehung der linksradikalen Richtung, aus der dann die Kommunistische Partei hervorging, eine große Rolle, und die Erinnerung an diese Kämpfe ist es, die sogar in geschulten Arbeiterkreisen dem demagogischen Gerede von einer Führerbewegung einen Resonanzboden verschafft. Wie haben die besten Köpfe der Linksradikalen diese Frage gestellt? Während die Reformisten den Massen sagten, der Sozialismus werde auf friedlichem Wege durch das langsame, aber siegreiche Vordringen der proletarischen Organisationen verwirklicht — das Hineinwachsen in den Sozialismus — erklärten die revolutionären Marxisten: Nein, der Sozialismus wird erst aus der Periode revolutionärer Kämpfe als Sieger über den Kapitalismus hervorgehen. Aus den Unterschieden zwischen dieser Auffassung des reformistischen und des revolutionären Flügels des Sozialismus ergaben sich die Unterschiede in der Bewertung der Rolle der Masse und der Führer. Wer den Weg zum Siege in der friedlichen Auseinandersetzung der Organisationen (Partei und Gewerkschaft) mit dem Kapitalismus sah, für den spielten die Führer die ausschlaggebende Rolle. Die Tarifverhandlungen der Gewerkschaften wurden nicht durch die Masse, sondern durch die Führer geführt. Der parlamentarische Kampf wurde nicht durch die Masse, sondern durch die Führer geleitet. Die Massen sollten im Hintergrunde ruhig stehen und gut diszipliniert warten, ob es zur Stärkung der Position der Führer nicht nötig sein würde, auf den Ruf der Führer hin in Aktion zu treten, die dann auch zu bestimmen hatten, wann die Massen abtreten sollten. Dagegen behaupteten wir Linksradikalen: Die Klassengegensätze verschärfen sich immer mehr. Wenn die Gewerkschaften an Kraft zugenommen haben, so noch mehr die Industrieverbände und Trusts. Gegen die Kassen des kartellierten Kapitals kommen die Gewerkschaften nicht auf. Durch Verhandlungen kann man immer weniger herausschlagen. Nicht Kasse gegen Kasse, sondern Klasse gegen Klasse —‚ das ist die objektive Lage. Darum kommt es schon jetzt in erster Linie nicht auf die Geriebenheit der Führer sondern auf die Schlagkraft, d. h. Selbständigkeit, Klarheit, Aufopferungsfähigkeit der Massen an. Im Parlament vereinigten sich die Vertreter des Kapitals immer mehr gegen die Arbeiterklasse. Die Führer der Arbeiterklasse können immer weniger darauf rechnen, dass es ihnen gelingen wird, die Gegensätze zwischen den Vertretern des Mittelstandes, der Agrarier und Industriekapitalisten auszunützen, weil diese Gegensätze immer mehr verschwinden. Zu Zugeständnissen kann man das Kapital nur durch den Druck der Massen zwingen, darum verliert das Parlament als Boden des Kompromisses an Bedeutung gegenüber der Massenaktion als des Mittels des proletarischen Druckes auf die Kapitalistenklasse. Und der endgültige Sieg wird ausgefochten, nicht auf dem parlamentarischen Parkett, sondern in den Massenkämpfen in den Fabriken und auf den Straßen.

So sah die Frage von Führern und Massen für uns Linksradikale vor dem Kriege aus. In der nahenden Epoche revolutionärer Kämpfe verlegten wir den Schwerpunkt des Kampfes in die Massen, die ihn auszukämpfen haben. Da sich die reformistische Führerschaft teils aus ideologischer Verbohrtheit, teils aus Interesse an der friedlichen Entwicklung, die ihr ruhiges Leben und Ansehen verbürgte, gegen die immer notwendiger werdende Verschärfung des Klassenkampfes wendete, forderten wir die Übertragung der Entscheidung über den Zeitpunkt und die Mittel des Kampfes aus dem Führerkonventikel in die Versammlung der Partei- und Gewerkschaftsmitglieder.

Wir fragen die Berliner Arbeiter, in deren Reihen Rosa Luxemburg, die Bremer, in deren Reihen Pannekoek und Radek für diesen Gedenken gekämpft haben, ob jetzt diese Fragen zur Entscheidung drängten? Wer behauptet in den Reihen der Kommunistischen Partei, dass die Entscheidungen über die Geschichte der Revolution im Parlament fallen werden, oder dass man die Kapitalisten durch Tarifverträge enteignen kann? Niemand! Was wir behaupten, ist, dass wohl nicht im Parlament, sondern auf der Straße und im Betrieb die Entscheidung fallen wird, so kann sie doch durch das Wirken von Kommunisten im Parlament vorbereitet werden. Dadurch, dass wir seine Tribüne zur Agitation ausnützen, wenn uns die Benutzung anderer Mittel durch die kapitalistische Diktatur erschwert wird. Was wir behaupten, ist: dass, obwohl man keine dauernden Erfolge durch die Gewerkschaften sichern kann, obwohl das alte Manövrieren jede Bedeutung verloren hat, die Gewerkschaften als Massenorganisationen des Proletariats für seinen revolutionären Kampf ausgenützt werden können. Diese Fragen haben mit den alten vom Verhältnis der Führer zu den Massen nichts zu tun. Sie sind Fragen, nicht vom Verhältnis der Massen und der Führer, sondern Fragen von Kampfesmitteln, deren sich die Masse während der Revolution zu bedienen hat.

3. Das Wesen der proletarischen Diktatur.

Wenn die alten Fragen von Massen und Führern, die einen der Ausgangspunkte der kommunistischen Richtungen vor dem Kriege bildeten, jetzt für jeden Revolutionär erledigt sind, so stellt die Revolution von neuem unter ganz neuen Bedingungen die Frage von dem Verhältnis der Masse und der Führer, als der Frage von Verhältnis der Kommunistischen Partei zur Arbeiterklasse.

Die Kommunistische Partei hat keine anderen Interessen als die der Arbeiterklasse, deren einziges, allgemeines Interesse die Befreiung vom kapitalistischen Joche ist. Die Kommunistische Partei erstrebt keine Eroberung irgendwelcher Vorrechte für irgendwelche Schicht, sondern allein die Niederringung des Kapitalismus, die Befreiung der Arbeiterklasse, die sozialistische Organisation der Gesellschaft. Um diese Ziele zu erreichen, ist in der Zeit des Kampfes, solange der Widerstand der Bourgeoisie nicht gebrochen ist, die Errichtung der proletarischen Diktatur nötig. Das heißt, solange die Bourgeoisie der siegreichen Arbeiterklasse Widerstand leistet um sie wieder zu knechten, muss dieser Widerstand mit allen Mitteln der Gewalt gebrochen werden. Wenn die Unabhängigen wie Hilferding und zuletzt Ledebour erklären, sie wollen die Diktatur, aber ohne Terrorismus, ohne Gewalt, so zeigen sie, dass sie eben keine Diktatur der Arbeiterklasse wollen. Wenn man sieht, wie in Deutschland die Bourgeoisie alle Schrecken des weißen Terrors gegen die um ihre Befreiung kämpfende Arbeiterklasse loslässt, wie sie in England und Amerika weiße Garden gegen die Streiks organisiert, wer zweifelt da, dass, selbst wenn es der Arbeiterklasse gelingen würde, die Macht zu erobern, die Bourgeoisie den Kampf nicht aufgibt, sondern dass sie, solange sie auch nur die geringsten Aussichten auf die Wiedereroberung der Macht haben wird, diese Aussichten mit voller Energie ausnützt. Diktatur ohne Bereitschaft zum Terrorismus ist ein Messer ohne Klinge. Diese Diktatur muss eine Arbeiterdiktatur sein, die Diktatur der Arbeiterklasse, wenn sie siegreich sein soll! Was bedeutet das? Nun, vorerst, dass sie die Interessen der Arbeiterklasse an die erste Stelle setzt und sich nur von ihnen leiten lassen kann. Zweitens, dass sie nur durch Arbeiterorganisationen durchgeführt werden kann. Würde z. B. Georg Ledebour, wie er im Januar gehofft hatte, die Regierung erobert haben, er würde mit ihr in der Luft hängen. Die Gewerkschaften waren damals in ihrer Mehrheit — nicht nur die Führer, sondern auch die Massen — gegen die proletarische Diktatur. Die Arbeiterräte ebenfalls. Um sich zu halten, müsste Ledebour eine Herrschaft einer neu zu schaffenden Unabhängigen Bürokratie aufrichten, die, weil die Stütze großer Arbeiterorganisationen entbehren, entweder in zwei Tagen zusammenbrechen oder den wildesten Terror entfalten müsste. Darum ist der Versuch der Eroberung der Macht, bevor große Massen des Proletariats, die die Hauptzweige und Zentren der Industrie beherrschen, die Diktatur erstreben, bevor sie sich Massenorganisationen geschaffen haben, ein Putsch.

4. Die kommunistische Partei und die Arbeitermassen im Kampf um die Eroberung der Macht.

Die Kommunistische Partei ist Gegnerin der Putsche, sie erstrebt keine andere Diktatur als die, hinter der die entschiedensten Massen des Proletariats stehen und die nur durch große Arbeiterorganisationen (in erster Linie durch die Arbeiterräte) ausgeübt werden kann. Aber wir wissen, dass sogar noch heute große Teile der Arbeiterklasse dem Gedanken der Diktatur ablehnend gegenüberstehen (so die christlichen, liberalen und mehrheitssozialistischen Arbeiter) oder die Bedingungen der proletarischen Diktatur nicht gut verstehen, obwohl sie sich zu ihr bekennen: so die unabhängigen Arbeiter, die dem Gerede Ledebours von der Diktatur ohne Terrorismus zustimmen. Kann die Kommunistische Partei ihre Politik den aufgeklärten Arbeitermassen unterordnen, selbst wenn sie eine Mehrheit der Massenorganisation bilden, in denen wir die zukünftigen Träger der Diktatur sehen? Nein, in keinem Fall! Die Kommunistische Partei ist die Partei der bewussten revolutionären Arbeiter. Bevor sie in den Massenorganisationen des Proletariats, in den Räten und Gewerkschaften, die Mehrheit nicht auf ihrer Seite hat, muss sie auf jeden Versuch der Machtergreifung verzichten, denn dazu ist eine Mehrheit notwendig. Sie muss Aktionen unterlassen, die ohne diese Mehrheit undurchführbar sind. Aber sonst muss sie sich nicht nur die Freiheit der besonderen Propaganda und Agitation, sondern die Freiheit der besonderen politischen Aktion bewahren. Wo die Masse in ihrer Mehrheit ihre Interessen noch unbewusst verrät, muss die Kommunistische Partei, die dieser Interessen bewusst ist, sie scharf agitatorisch hervorheben, sie durch entsprechende Aktionen unterstreichen, selbst, wenn diese Aktionen mit einer Niederlage enden. Es ist ein Putsch, wenn man als Minderheit in der Arbeiterklasse versucht, die Macht zu erobern, aber wenn z. B. angesichts der Belagerung Münchens durch Noske die Kommunisten in anderen Städten durch Teilstreiks ihre Solidarität mit dem Münchener Proletariat bekundet und versucht hätten, der Regierung die größten Schwierigkeiten zu bereiten, um die Lage der Münchener zu erleichtern, so wäre das kein Putsch, sondern ein in der Zukunft Früchte bringender Akt des proletarischen Befreiungskampfes gewesen, schon ganz abzusehen davon, dass er vielleicht das Münchener Proletariat vor dem Blutbade gerettet hätte. Die Kommunistische Partei hat nicht in der unbewussten und halbbewussten Masse des Proletariats unterzutauchen, sie hat sich durch ihre Politik von dieser Masse zu unterscheiden. Die Kommunistische Partei hat die Rolle des Führers der gesamten Arbeiterklasse zu spielen, ihr voranzugehen, vor ihr die Fahne der proletarischen Revolution zu entfalten, auch wenn ihr die Mehrheit nicht folgte. Dies zu unterstreichen ist Pflicht, angesichts der opportunistischen Tendenzen, die unter der Maske der konsequenten Vertretung des „Rätesystems“ sowohl im Lager der USP, wie auch in unserer Partei grassieren. Es wird von linken Unabhängigen und von Kommunisten der Hamburger Richtung erklärt, die Arbeiterräte bereiten den „alten“ Parteien ein Ende, Klassenorganisationen, wie die Räte, hätten Vortritt vor den Parteien usw. Wenn es sich darum handelt, wer das Organ der Macht der Arbeiterklasse sein kann, Partei oder Klassenorganisation, so sind es zweifellos die Räte. Nur sie können den Herrschaftsapparat der Arbeiterklasse auf die Dauer bilden, obwohl, wie wir es später sehen werden, die Kommunistische Partei ihre Seele bildet. Aber solange die Räte in ihrer Mehrheit noch nicht auf dem Boden der proletarischen Diktatur stehen, liegt die politische Initiative bei der Partei. Und es ist lächerlich, den Räten eine höhere „einigende“ Kraft zuzuschreiben. Sie sind der Boden, auf dem die Vertreter der Arbeiterklasse zusammentreten. Ist diese gespalten, so sind diese gespalten. Jeder Versuch, sie zu einer „reinen“ Arbeiterpolitik im Gegensatz zur kommunistischen Parteipolitik zu vereinigen, führt zum opportunistischen Vertuschen der Gegensätze, das mit einer Niederlage eben des radikalen Teiles des Proletariats endet. Das haben die Apostel des Gedankens der Priorität der Arbeiterräte in Hamburg auf eigene Faust ausprobiert.

Laufenberg hat dort nach der Novemberrevolution die „Parteiinteressen“ der „Arbeitereinheit“ gegenüber zurückzustellen versucht, indem er im Hamburger Arbeiterrat und auf dem ersten Rätekongress eine Politik hinauszuspintisieren gesucht hat, die die ganze Arbeiterklasse einigen sollte, bevor diese Masse sich der bürgerlichen Illusionen entledigt hatte. Das Resultat war, dass er durch Zurückstellung des scharfen Kampfes gegen Mehrheitssozialisten und Unabhängige diese stärkte, die, nachdem sie sich fest im Sattel fühlten, ihm mit seiner „Arbeiterpolitik“ einen Fußtritt versetzten. Und so wird es immer sein: Wer glaubt, die Entscheidung über unsere Politik aus den Händen der Kommunistischen Partei in die allgemeiner revolutionärer Arbeiterorganisationen zu legen, der legt sie in die Hände der Unaufgeklärten und deshalb unter dem Einfluss der Bourgeoisie stehenden Massen, und hemmt deren Entwicklung durch die Ausschaltung der vorwärts treibenden Kraft der Partei.

5. Kommunistische Partei und Masse nach der Eroberung der politischen Macht.

Ohne Verständnis für die Rolle der Kommunistischen Partei als der Seele des Vortrupps der Revolution ist eine konsequente kommunistische Politik, auch nach der Eroberung der politischen Macht unmöglich. Die Diktatur der Arbeiterklasse steht nicht im Gegensatz zur Diktatur der Kommunistischen Partei oder einer Koalition der Kommunistischen Partei mit anderen, die ihrer Führung folgen. Wer hier einen Gegensatz konstruiert, der hat nicht den geringsten Begriff von den Bedingungen der proletarischen Revolution. Wenn die Kommunistische Partei kein Diskussionsklub ist, sondern wirklich die Zusammenfassung der aktivsten, aufgeklärtesten Elemente des Proletariats, so wird es sich von selbst ergeben, dass dieses Proletariat zur Macht gelangt, seine Diktatur aufrichtet, die gleichzeitig die Diktatur der Kommunistischen Partei verwirklichen wird. Die wichtigsten Kampfposten wird das siegreiche Proletariat durch Kommunisten besetzen, weil sie die rücksichtslosesten Kämpfer sind, und die Kommunistische Partei wird bewusst danach streben, die wichtigsten Kampfposten der proletarischen Regierung in ihren Händen zu konzentrieren. Sie wird es tun, nicht aus besonderem Partei-, sondern aus allgemeinen proletarischen Klasseninteressen, denn sie weiß, dass sie allein und nur sie am schärfsten die Bedingungen der proletarischen Diktatur durchdacht hat und die Entschlossenheit besitzt, das Notwendige zu tun. Die Verhältnisse können die Kommunistische Partei zwingen, zusammen mit anderen Parteien, die stark in den arbeitenden Massen vertreten sind und sich auf den Boden der Diktatur der Arbeiterklasse gestellt haben, die Regierung der Diktatur zu bilden. Aber die Tatsache, dass große Teile des Proletariats nicht in der Kommunistischen Partei, sondern in anderen ihre Vertretung sehen, beweist, dass sie noch nicht vollkommen die Bedingungen des revolutionären Kampfes erfasst haben, denn diesen Kampf führt nur die Kommunistische Partei konsequent. Kommt es trotz dieses unfertigen geistigen Zustandes der Arbeiterklasse zur Machtübernahme durch sie, so ist die Kommunistische Partei gezwungen, an der proletarischen Koalitionsregierung teilzunehmen. Dann heißt es aber für sie noch mehr als sonst: Die Reihen zusammengeschlossen! Wehe ihr, wenn sie sich dem Einheitswahn hingibt, die Koalition für mehr als nur einen Übergang ansieht, wenn sie vergisst, dass in dieser Koalition nur ihre besondere Geschlossenheit die einzige Garantie bietet, dass die Koalition die Diktatur nicht in eine Komödie, eine Diktatur ohne Diktatur verwandelt. Das Exempel der ungarischen Räteregierung, in der die Kommunisten über die Koalition hinaus mit den Unabhängigen zur Einigung übergingen, ohne dass die Unabhängigen wirklich Kommunisten geworden waren, soll eine dauernde Warnung für das Proletariat bilden.

Die Kommunistische Partei wird keinesfalls nach der Eroberung der Macht in den Massen und ihren Kampfesorganen aufgehen. Sie wird ihre Mitglieder, die besten Vertreter der Diktatur, eng zusammenfassen, mit ihnen immer besprechen, welche Maßregeln in den Machtorganen des Proletariats durchzuführen sind. Die Kommunistische Partei wird als geschlossene Macht den Massen und ihren Organisationen vorangehen, um die Diktatur zu sichern. Denn die Diktatur des Proletariats wird nicht ein für allemal erobert. Sie muss bis zum endgültigen Siege täglich neu erobert werden. Die Arbeitermasse, die heute gespalten ist in Schichten, die in verschiedenen Maßstäben kampffähig sind, muss im Prozess der fortschreitenden proletarischen Revolution von allgemeiner Kampfentschiedenheit ergriffen werden, damit überhaupt die proletarische Diktatur möglich ist. Aber diese „Allgemeinheit“ ist eine relative. Immer noch werden Teile des Proletariats bei der Aufrichtung der proletarischen Diktatur feindlich oder teilnahmslos beiseite stehen. Und die Masse, die am Tage des Sieges jubeln wird, kann in den Tagen der großen Schwierigkeiten, der Niederlagen wanken, ja, am Sieg verzweifeln und an die Kapitulation denken. Die proletarische Revolution bringt keine sofortige Linderung der Not, unter Umständen kann sie vorübergehend eine Verschlechterung der Lage des Proletariats bringen. Dies nützen die Gegner des Proletariats aus, um die Arbeiterregierung zu stürzen, und da muss vor ihr eine starke, zentralisierte, die Machtmittel des Proletariats beherrschende Kommunistische Partei stehen, entschlossen, eine gewisse Zeit lang, wenn sich die Bedingungen des Kampfes nicht bessern und der Mut der Masse sich nicht hebt, sogar als Partei der revolutionären Minderheit die Macht zu behaupten. Natürlich, falls die Mehrheit der Arbeiterklasse in der trügerischen Hoffnung, dass sie selbst in den Ketten der kapitalistischen Sklaverei besser leben kann, als kämpfend für ihre Befreiung, gegen die proletarische Diktatur in einer schwierigen Lage aktiv vorgeht und ihr dauernd in den Arm fällt, so wird die Kommunistische Partei ihre Position nicht halten können. Aber solange die Hoffnung auf Besserung der Lage vorhanden ist, muss sie ausharren und versuchen, die Positionen zu halten. Dann bessern sich die Bedingungen, dann steht hinter ihr wieder die Klasse, und sie kann den Kampf führen bis zum endgültigen Siege. Die Befreiung der Arbeiterklasse kann nur ihr eigenes Werk sein, der kämpfenden Mehrheit des Proletariats. Aber in seinem Befreiungskampfe können Situationen eintreten, wo die revolutionäre Minderheit der Arbeiterklasse die ganze Last des Kampfes auf sich nehmen muss, wo sich die Arbeiterdiktatur nur als Parteidiktatur der Kommunisten vorübergehend halten kann. So war manchmal die Lage in Russland.

In der Zeit vom März bis Oktober 1917 wurden die Menschewiki von den Arbeitern Schritt um Schritt zurückgedrängt und besiegt. Im November 1917, als die Bolschewiki die Macht erobert haben, stand die Arbeiterklasse in entschiedener Mehrheit auf ihrer Seite. Als im Sommer 1918 die Lebensmittelschwierigkeiten ungeheuer waren (die Ukraine war in den Händen der Deutschen, das Wolgagebiet und Sibirien in den Händen der Tschechoslowakischen Söldner des anglo-französischen Imperialismus), die Konterrevolution organisierte überall Aufstände der Dorfbourgeoisie, da ging ein Teil der Arbeiter wieder auf die Seite der Menschewiki über und die proletarische Regierung musste mit Hilfe der kommunistischen Arbeitermassen, die straff in der Kommunistischen Partei zentralisiert sind, dagegen kämpfen, dass der wankelmütige Teil des Proletariats keine Niederlage der Arbeiterdiktatur herbeiführe. Als die Ernte kam, die Ernährung sich besserte, die deutsche Revolution den Siegesmut der Massen hob, stand die Arbeiterregierung so sehr umjubelt vom gesamten Proletariat da, dass die Menschewiki Annäherung an sie suchten. Würde es in Russland keine Kommunistische Partei geben mit ihrer straffen Zentralisation, mit ihrer Energie und Unerschrockenheit, so würde die Räteregierung vielleicht schon den Feinden erlegen sein.

Wenn die Laufenberg dagegen behaupten, das seien jakobinische Auffassungen, so beweisen sie damit zweifaches: erstens‚ dass man ganze Bibliotheken von Büchern über die Geschichte der französischen Revolution gelesen haben kann, ohne sie verstanden zu haben: zweitens, dass der Opportunismus überall und immer dieselben Argumente gebraucht, möge er sich auch in das revolutionärste Fell einhüllen. Das Jakobinerargument ist so alt wie die Einwände der Opportunisten gegen die Diktatur des Proletariats überhaupt.

Schon Bernstein hat Marx vorgeworfen, dass sein Gedanke von der Diktatur des Proletariats von Blanqui stamme, der ihn unter dem Einfluss des Buches Philippo Buonarottis über Gracchus Babeuf den Jakobinern entnommen hat. Und Martinow, der geistige Vater des Menschewismus, hat schon vor vierzehn Jahren den Bolschewiki vorgeworfen, dass sie Anhänger einer jakobinischen Parteidiktatur sind, und er hat in seiner Broschüre über die „zwei Diktaturen“, die er im vorigen Jahre neu herausgegeben hat, die Arbeiterdiktatur in Russland als eine jakobinische darzustellen versucht. Der alte menschewistische Prophet träumte ganz gewiss nicht davon, dass sein Vorwurf des Jakobinismus in den Spalten der „Kommunistischen“ (!) Arbeiterzeitung auftauchen wird. Aber dadurch, dass sich die Laufenberg und Wolffheim die Argumente der Führer des europäischen Opportunismus gegen den Kommunismus aneignen, werden diese Argumente nicht stichhaltiger. Worin bestand das Wesen der Jakobinischen Diktatur, der Keim ihres Verfalles? Sie war eine bürgerliche Diktatur: die Jakobiner standen auf dem Boden des Privateigentums. Aber sie stützten sich auf die proletarischen und halbproletarischen Massen von Paris, die durch die Kommunisten der französischen Revolution, die Enragés, geführt wurden. Die Robespierre und Saint-Just mussten sich auf diese Massen stützen, wenn sie den Krieg des bürgerlichen Republikanismus gegen die feudale Konterrevolution gewinnen wollten. Aber da sie eben bürgerliche Politiker waren, mussten sie bei allen Eingriffen in das Privateigentum, die der Krieg erforderte, auf dem Boden des Kapitalismus, des Privateigentums bleiben. Ja, sie schufen durch die Vergebung von Kriegslieferungen und durch den Verkauf von Grund und Boden, den sie allen Konterrevolutionären konfiszierten, an die Kriegslieferanten, die neue Bourgeoisie. Den proletarischen Massen gingen die Jakobiner nicht weit genug, deshalb mussten jene die Wortführer dieser Masse, die Enragés, auf die Guillotine senden, die Organisationen der Massen, die Sektionen und die Kommune von Paris bekämpfen. Und die Bourgeoisie wollte, nachdem mit Hilfe der Massen die feudale Konterrevolution besiegt war, ungestört herrschen: sie wollte gesichert sein vor dem Eingreifen der Jakobiner in das Privateigentum und in die Profitwirtschaft. Nachdem die Jakobiner durch ihren Kampf gegen die Enragés die Arbeitermassen abgestoßen hatten, fielen sie, aller Unterstützung beraubt, unter den Beilen der Thermidoristen, der Partei der bürgerlichen Spekulanten.

Das ist die historische Wahrheit über die Diktatur der Jakobiner, als der Diktatur der Bourgeoisie über die proletarischen und kleinbürgerlichen Klassen. Was ist zu sagen von angeblichen Kommunisten, die der Kommunistischen Partei Jakobinismus vorwerfen, wenn sie erklärt, dass in der proletarischen Revolution Situationen eintreten können, in denen die revolutionäre Minderheit des Proletariats, in der Kommunistischen Partei organisiert, die Arbeiterdiktatur aufrechterhalten und verteidigen muss, wenn auch vorübergehend die Mehrheit der Arbeiterklasse, die diese Diktatur aufgerichtet hat, wankt? Die Kommunisten, die das opportunistische Argument des Jakobinismus gebrauchen, sind einfach Narren und Ignoranten, die unfähig sind ihre Konfusion mit eignen Gedanken zu verteidigen und nach jedem opportunistischen Bockmist greifen müssen.

6. Die Organisation der Kommunistischen Partei.

Im Kampf gegen die kapitalistische Diktatur, den wir jetzt führen, wie im Kampf nach Durchführung der proletarischen Diktatur wird die Kommunistische Partei die Seele des kämpfenden Proletariats sein. Ihre Reife ist die Reife des Proletariats und die Stärke des revolutionären Proletariats wird ihre Stärke sein. Verbunden mit der Revolution auf Leben und Tod ist die Kommunistische Partei in ihrem Aufbau, ihren Organisationsbedingungen eine treue Widerspiegelung der Bedingungen der Entwicklung der proletarischen Revolution.

Als diese sich in den Tiefen der Gesellschaft vor dem Kriege langsam vorbereitete, vertrat die Kommunistische Richtung in der sozial-reformistischen Sozialdemokratie die größte Selbständigkeit der lokalen Partei- und Gewerkschaftsinstitutionen gegen die zentrale Partei- und Gewerkschaftsbürokratie, die die revolutionären Tendenzen des Proletariats zu unterdrücken versuchten im Interesse der friedlichen Entwicklung, d. h. des ruhigen Verdauens der Bürokratie und ihrer Kompromisse mit der Bourgeoisie. Aber selbst noch befangen in der Illusion, dass die Sozialdemokratie eine revolutionäre Partei ist und dass nur die Minderheit der Partei opportunistisch ist, verfocht die kommunistische Richtung neben der revolutionären lokalen Selbständigkeit der Massen die zentrale Bändigung und Einschnürung der opportunistischen Führer durch Parteitagsresolutionen, über deren Durchführung der Parteivorstand wachen sollte, der doch, wie es sich später zeigte, ein Knecht des Opportunismus war.

Im Kriege durch die Diktatur des Imperialismus in die unterirdischen Gänge gejagt, suchte die kommunistische Richtung im Spartakusbund sich selbst eine stramme, zentralistische Organisation zu schaffen (die sog. „Bremer Richtung“ der Kommunisten kam nicht heraus über den Charakter einer Propaganda-Abteilung, weshalb sie die Bedeutung der Zentralisation im Kampfe praktisch nicht erfasste. Darum kann noch heute der Appell an die föderalistische Selbständigkeit bei Genossen Anklang finden, die aus der Bremer Richtung hervorgegangen sind). Die zentralistische Organisation erlaubte dem Spartakusbund, seine schwachen Kräfte zusammenzuhalten, und er gebrauchte diese Kräfte, um überall die Volksmassen, wo es ging, zu selbständigen revolutionären Aktionen aufzurufen. Als mit dem Zusammenbruch des deutschen Imperialismus dem Spartakusbund die Ketten von den Händen fielen, als die Partei in ein paar Wochen mächtig in die Halme schoss, da begann sich die Kommunistische Partei erst eine Organisation zu schaffen. Aber bald schuf die Wiederaufrichtung des kapitalistischen Staates ganz eigenartige Bedingungen für ihre Existenz.

Dieser kapitalistische Staat ist nicht im ganzen Reiche gleich stark, deshalb kann er nur in manchen seiner Teile die Kommunistische Partei durch seine Verfolgungen zum unterirdischen Leben verdammen, während sie in anderen Teilen des Reiches sich verhältnismäßig frei bewegen kann. Daraus ergibt sich, dass während in einem Teil des Reiches die kommunistischen Arbeiter sich frei versammeln, über die Fragen der Organisation und Taktik frei beraten können, dies in anderen Teilen schwierig ist. Ja, in diesem unter der rücksichtslosesten Diktatur der Bourgeoisie stehenden Teile des Reiches, ist der Zutritt zur Kommunistischen Partei nicht jedem Arbeiter möglich. Dazu kommt, dass auch in Teile des Reiches, in denen die Kommunistische Partei sich heute frei bewegt, irgendein General Märker auf Geheiß der Zentralregierung einmarschieren und die Kommunistische Partei zur Illegalität verdammen kann. Daraus folgt, dass, obwohl die Kommunistische Partei keine Ziele verfolgt, die sie zu verheimlichen hätte, ihre Leitung und oft ihre Lokalorganisationen geheim bleiben müssen, damit die Agitation, Propaganda, organisatorische Verbindungen der Partei nicht bei jeder Änderung der Situation unterbunden werden können. Die geheime Parteileitung kann nicht in dem ununterbrochenen intimen Verkehr mit den Organisationen bleiben, wie es notwendig wäre. Inwieweit diese Organisationen die Freiheit genießen, wollen sie streng demokratisch über alle Fragen der Gesamtpartei in jedem Stadium entscheiden. Wie wünschenswert, der Partei bekömmlich es auch wäre, es kann nicht immer geschehen. Nicht nur, weil die illegale Stellung nicht nur der Zentrale, sondern der Mehrheit der Parteiorganisationen eine öffentliche Besprechung der organisatorischen Fragen ausschließt, sondern auch aus anderen Gründen.

Die Revolution ackert den Boden des Proletariats bis in seine tiefsten Tiefen durch. Zur Kommunistischen Partei stoßen nicht nur marxistisch geschulte Arbeiter, sondern auch solche, die gestern noch erdrückt vom Kapitalismus abseits vom Kampf standen, heute aber von ihm aufgerüttelt, mit ehrlichem Willen, aber ohne tiefere Einsicht zur Kommunistischen Partei kommen. Durch ihren mutigen Kampf angezogen, gesellen sich ihr Elemente zu, die gestern anarchistisch-syndikalistisch waren. Sie kommen, ohne ihren alten kleinbürgerlichen Aberglauben aufgegeben zu haben. Allen diesen Kämpfern muss sie, wo sie legal wirkt, ihre Reihen öffnen, ohne sie auf die Nieren prüfen zu können. In friedlicher Zeit kann sie alle umformen, verdauen, durch Propaganda langsam überzeugen: sie kann sogar ruhig zusehen, wie sie in ihren Reihen durch Fehler lernen. Das ist alles unmöglich in Zeiten des Bürgerkrieges, wo jeder Fehler Hunderte von Köpfen kosten kann. Ein Geiselmord, verübt durch unaufgeklärte Elemente in München, hat hundert kommunistischen Arbeitern den Kopf gekostet und dem weißen Terror im ganzen Reiche den besten Vorwand gegeben zu den wütendsten Verfolgungen der Partei. Die Sabotage-Propaganda von einigen übergeschnappten Leuten in Berlin, die nicht wissen, was Kommunismus ist, und ihren Anarchismus unter der Fahne der Partei propagieren, ladet der einzigen Partei des Aufbaues in Deutschland in den Augen der unaufgeklärten Massen die Verantwortung für das vom Kapitalismus verursachte Elend auf. Unter solchen Umständen muss der Kern der Kommunistischen Partei, ihre bewährten, erprobten Kämpfer viel größere Vollmachten haben, als die Kommunistische Parteileitung in „friedlichen“ Zeiten zu verlangen Ursache hätte. Unter den Bedingungen des Bürgerkrieges muss die Kommunistische Partei, die überall die Arbeitermassen zur Selbständigkeit auffordert, ihre Organisationen streng zusammenfassen. Sie muss der Zentrale das Recht geben, einzelnen Organisationen bis zur Parteikonferenz das Recht zu nehmen, im Namen der Partei zu sprechen und sie zu kompromittieren, einzelne Genossen auszuschließen, zu einzelnen Fragen selbständig Stellung zu nehmen, wenn die Einberufung einer Parteikonferenz unmöglich ist.

Wer darin einen Widerspruch mit dem Charakter der Kommunistischen Partei und der Selbständigkeit der Masse sieht, und sich auf demokratische Forderungen beruft, die wir einst in der sozialdemokratischen Partei gestellt haben, der vergisst zwei Kleinigkeiten, den Unterschied zwischen der friedlichen Epoche der Arbeiterbewegung und den Bedingungen des Bürgerkrieges, wie den Unterschied zwischen der sozialdemokratischen und kommunistischen Führerschaft. über die ersten sprachen wir schon. Über die zweiten ein paar Worte. Die sozialdemokratische Führerschaft vertrat ihr Interesse am geruhigen Leben den revolutionären Tendenzen des Proletariats gegenüber. Es winkten ihr parlamentarische Sessel und andere bürgerliche Ehren. Die Rechte der demokratischen Parteiorganisation ihr gegenüber zu vertreten, hieß die Rechte der revolutionären Bewegung den ihr feindlichen Interessen der verbürgerlichten Arbeiterbürokratie zu vertreten. Die kommunistische Führerschaft, gehetzt wie ein wildes Tier, jeden Tag gewärtig, verhaftet und niedergeschlagen zu werden, vertritt nur die Interessen der proletarischen Revolution. Ihr gegenüber die demokratische Organisationsform zu vertreten, heißt die Aufhebung der Bemühungen auf zentrale Sammlung der revolutionären Kräfte, kurz gesagt, ein Verzicht auf die Existenz der Kommunistischen Partei. Wenn wir im tiefsten Frieden gefordert haben, die Parteileitung solle bei jeder wichtigen Frage den Organisationen Zeit und Möglichkeit geben, sich durch lange Diskussionen die Meinung bilden, wenn wir eifersüchtig die Unabhängigkeit der Lokalorganisationen gegenüber der Parteileitung zu wahren suchten, so taten wir das nicht nur, weil wir alle Ursache hatten, der opportunistischen Bürokratie zu misstrauen, sondern auch, weil dieser langsame Weg möglich war. Einmal im Jahr versammelte sich gemütlich der Parteitag, man diskutierte sich Löcher in den Bauch, einige Wochen vor und einige Wochen nach ihm: Die Geschichte stellte uns nicht alle paar Wochen vor die wichtigsten taktischen Entscheidungen. Wir hatten Zeit. Wer heute fordert, dass dieselben Bedingungen bei Parteientscheidungen gewahrt werden, wie vor dem Kriege, der fordert, dass die Partei als solche gar nicht entscheidet; sie kann doch nicht ein halb Dutzend Diskussionen zur Klärung jeder Lage in jedem Ort abhalten und nicht eine Woche lang den Parteitag öffentlich tagen lassen. Dann bleiben nur die Lokalorganisationen, in denen die Genossen einander näher sind, sich leichter beeinflussen können. Dann wird jede ihren Kohl auf eigne Hand und Verantwortung bauen. Diesen Zustand haben schon die Hamburger Verteidiger der Demokratie der Partei verwirklicht, indem sie die Arbeiterunionen zu gründen begannen, bevor die Partei zu dieser Stellung sich äußern konnte. Unter der Maske der Demokratie soll die Herrschaft kleiner Konventikel lokaler Führer aufgerichtet werden, die gestützt auf persönliches Vertrauen der Mitglieder lokaler Organisationen auf eigene Faust kommunistische Politik treiben, wobei an einem Orte als kommunistische Politik das Zusammengehen mit den Mehrheitssozialisten (nicht wahr, Genosse Laufenberg?) in einem anderen der Austritt aus dem Arbeiterrat (nicht wahr, Genosse Rühle?) gelten soll. Das ist natürlich unmöglich. Die Kommunisten müssen im ganzen Reich eine Partei bilden, die eine von den Parteikonferenzen festgelegte Politik treibt, eine stramme Leitung besitzt, zu deren Pflichten es gehört, wenn die Vertreter der Lokalorganisationen sich nicht versammeln können, über die Politik der Partei und ihre Organisationsfragen zu entscheiden.

Aber das ist doch eine „Führerbewegung“, während wir Kommunisten immer für eine „Massenbewegung“ eingetreten sind, heißt es von der Wasserkante. Die bewegungslosen „Führer“, die diese hohlen Worte in die Welt schreien, haben wieder das Wichtigste nicht bemerkt. Nämlich, dass eine Partei, in der die Führer wirklich über sie entscheiden, nur dann möglich ist, wenn die Massen nicht über sie entscheiden, d. h. in der Periode der Unbeweglichkeit der Massen. Die Führer der alten deutschen Sozialdemokratie und der Gewerkschaften konnten über die Politik früher entscheiden, weil doch die Entscheidungen im Parlament und bei den Verhandlungen fielen, wo die Vertreter und nicht die Massen waren. Das, was jetzt von der Geschichte zur Entscheidung gestellt ist, ob die Massen in die großen wirtschaftlichen Kämpfe eintreten sollen oder nicht, wer die Macht im Staat haben soll, kurz und gut: die revolutionären Entscheidungen werden doch durch die Massen gefällt, die Führer der Kommunistischen Partei können sie gar nicht fällen. Die Rolle der Kommunistischen Partei und ihrer Führer besteht gar nicht in der Entscheidung für die Massen, sondern in dem Verstehen der Richtung der Entwicklung der Massen und der Aufklärung der Massen über den Sinn ihres Tuns. Selbst mit den größten Vollmachten in der Hand kann die Zentrale der Kommunistischen Partei keine „Führerbewegung“ bilden, sie kann nur die Bewegung der Massen führen, indem sie die Richtung, die diese Massen selbst unter dem Druck der Ereignisse einschlagen, schneller und klarer feststellt. Nun, die Arbeitermasse kann tastend den Weg suchen, irren; die Kommunistische Partei, ausgerüstet mit dem Ariadnefaden des historischen Materialismus, kann leichter den Weg aus dem Labyrinth finden. Sie zeigt den Massen diesen Weg. Oft sträubten sie sich, ihn zu gehen, weil ihnen die historische Erfahrung fehlt, die ihnen sagen müsste, dass die Kommunistische Partei ein guter Wegweiser ist. Aber trotzdem hat die Kommunistische Partei ihnen den Weg zu zeigen. Desto größer wird das Vertrauen zu ihr sein, wenn die Massen sich später überzeugen, dass sie im Recht war, als sie vor den Irrfahrten warnte. Damit sie das aber tun kann, muss sie, gestützt auf die Erfahrungen der ganzen bisherigen Geschichte des Klassenkampfes, ausgerüstet mit dem Scheinwerfer des Marxismus von höherer Warte dem Proletariat den Weg zeigen. Sie muss seine Vorderreihen zentralisieren, ihre Politik nicht nach dem Grade der lokalen Einsicht orientieren, sondern nach der allgemeinen Lage, sie muss eine starke, zentrale Leitung haben, die sich nicht nach jedem Winde dreht.

Es ist selbstverständlich, dass eine solche Partei mit einer solchen Leitung nicht an einem Tage entsteht. Fünfzehn Jahre des revolutionären Kampfes hatte die bolschewistische Partei als Organisation hinter sich. Ihre Führer, von denen manche dreißig Jahre im Kampfe stehen, hatten Zeit, dies Vertrauen der Organisation zu erobern, die es nicht als Milderung ihrer demokratischen Rechte empfindet, wenn sie einem Lenin im Sturme das Ruder in die Hand drückt. Die Kommunistische Partei ist ihrer alten Führer beraubt. Im Kampf, unter den schwierigsten Bedingungen schafft sie sich ihre Organisation, ihre Taktik und bildet sich die Führerschaft aus. Dieser Prozess erzeugt Reibungen und Kämpfe. Sie müssen und sie werden durchgekämpft werden. Jetzt handelt es sich darum, einen festen Kurs zu nehmen, die Klippen zu umsteuern und aufs Ziel segeln. Die Klippen sind die sektiererische Absonderung von den großen historisch entstandenen Arbeiterorganisationen, den Gewerkschaften. Der sektiererische Verzicht auf ein nützliches Kampfmittel, wie es unter Bedingungen der parlamentarische Kampf sein kann, ist organisatorischer Föderalismus. Das Gebot der Stunde ist die Zusammenfassung der klar denkenden Arbeiter in den Reihen der Kommunistischen Partei, ist die Eroberung der Massenorganisation des Proletariat, das heißt des Ruders des proletarischen Schiffes. Das ist: Zusammenfassung aller revolutionären proletarischen Kämpfe zur Eroberung der politischen Macht. Indem die Kommunistische Partei den Kurs und das Ziel fest im Auge behält, ihr Schiff nicht auf den Klippen festfahren lässt, wird sie das Vertrauen der Massen erobern und ihre wirkliche Führern werden Sie wird sich den Teufel um die Sektierer kümmern, die gegen die Vergewaltigung der Demokratie schreien, wenn die Partei es ablehnt, ihren Kurs zugunsten ihrer Irrwege zu ändern. Die Diskussionen über den Weg müssen ein Ende nehmen, es muss gesteuert, es muss gefahren werden!

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