Karl Radek 19221100 Fünf Jahre Weltrevolution — Vier Jahre Kommunistische Internationale

Karl Radek: Fünf Jahre Weltrevolution — Vier Jahre Kommunistische Internationale

[Die Kommunistische Internationale, Heft 23, November 1922, S. 3-15]

I.

Fünf Jahre der Entwicklung der Weltrevolution liegen hinter uns. So kurz die Zeit, so inhaltsschwer, so blut- und kampfreich: das Zarenreich zusammengebrochen, der hohenzollernsche Imperialismus zusammengebrochen, das Habsburger Reich zusammengebrochen; drei der ältesten Zwingburgen der Weltreaktion drei Juwelen in der Krone der Weltbourgeoisie zertrümmert. Sie waren Symbole der Erstarrung des kapitalistischen Weltsystems. Wenn Proletarier in Deutschland in ohnmächtiger Wut Sturm liefen gegen die Junkerregierung, die sie knechtete und verhöhnte, da blieben sie bald wie vor einer Wand stehen, sie wagten sich nicht weiter, und sie vertrösteten sich auf den kommenden Tag; und dieser Trost war nicht so sehr Ausdruck des Glaubens wie der Ohnmacht. Und jetzt liegen die Throne der Hohenzollern, Habsburger und Romanows wie zertretene, faule Pilze da. Die Garde stirbt, aber sie ergibt sich nicht — hieß es, aber keine Hand griff nach dem Knauf des Säbels, um die alte Pracht und Herrlichkeit zu verteidigen. Die ältesten Throne Europas wurden vom Erdboden nicht mehr und nicht weniger als ins Klosett geschleudert. Und als der Mantel gefallen war, der den Rücken der Bourgeoisie mit Purpur bedeckte, da stand sie schlotternd und nackt da, ein Krüppel auf dünnen Beinen, mit aufgedunsenem Bauch, ein Anreiz zum Prügeln. Und die Arbeiter und Bauern Russlands gingen über sie hinweg und stampften sie mit Juchtenstiefeln ein. Wie der Bauer, wenn er einen Wolf fasst, bei jedem Schlag, den er ihm austeilt, sagt: dies für die gestohlenen Gänse und das für die gestohlene Kuh, so hagelten die Schläge der Arbeiter und Bauern Russlands auf die Bourgeoisie, die, der Stütze des Zarismus beraubt, in den kleinbürgerlichen sozialistischen Parteien eine zu schwache Stütze fand und sich nicht wehren konnte. Und bei jedem Schlag hieß es: Dies, weil du mich drei Jahre lang im Schützengraben das Blut für dich, für deinen Profit vergießen ließest, dies für meine hundertjährige Knechtung; dies für meinen Hunger, den du nicht gestillt hast; dies für den Hunger meines Geistes, den du verhöhnt hast! Und erschüttert stand die kapitalistische Welt da, und wollte ihren eigenen Augen nicht trauen, Hunderte von Jahren hatte sie geherrscht, hatte sie befohlen, hatte sie geknechtet, hatte sie gehöhnt, und auf einmal hatte sich das Rad gedreht! Wie ein Schrei ging die Kunde davon durch die Welt, und es gab nichts, was die Vertreter des Kapitalismus nicht gegen die Revolution geschrieben hätten. Geschrieben hatten mit vollem Recht von ihrem Standpunkt aus, um die Arbeiter aller Länder mit Grauen zu erfüllen, gelogen, wie immer die besitzenden Klassen gelogen haben, wenn sie sich gegen eine Revolution wehrten. 2400 Jahre vor Christi Geburt, über ein Jahrtausend vor Moses wurde die Aristokratie, die im alten Ägypten herrschte, gestürzt. Und unlängst entzifferte Adolf Ermann folgenden alt-ägyptischen Text:

Die Listen sind fortgenommen, die Sackschreiber sind ausgetilgt, und jeder kann sich Korn nehmen, soviel er will. Die Büros stehen offen, die Personenlisten sind weggenommen, und Untertanen gibt es nicht mehr. In den Gerichtssälen gehen die Geringen ein und aus, und das Haus der Dreißig (der höchste Gerichtshof) ist entblößt. Jede Stadt sagt: Wir wollen die Starken aus unserer Mitte jagen, und nun dreht sich das Land wie eine Töpferscheibe es tut: die hohen Räte hungern, und die Bürger müssen an der Mühle sitzen, die Damen gehen in Lumpen, sie hungern und wagen nicht zu sprechen, die Söhne der Vornehmen sind nicht mehr zu erkennen, und ihre Kinder wirft man auf die Strasse und schlägt sie an die Mauer.

Die Sklavinnen können das große Wort führen, Raub und Mord herrschen im Lande, die Städte werden zerstört, die Gräber werden erbrochen und die Bauten verbrannt. Man wagt nicht mehr zu ackern, man baut nicht mehr, und Holz wird nicht mehr ins Land gebracht. Das Land ist wüst wie ein abgeerntetes Flachsfeld: es gibt kein Getreide mehr, und vor Hunger raubt man den Schweinen das Futter. Niemand achtet mehr auf Reinlichkeit: man lacht nicht mehr, und die Kinder sind des Lebens überdrüssig. Der Menschen werden weniger, die Geburten nehmen ab, und schließlich bleibt nur der eine Wunsch, dass doch alles zugrunde gehen möge. Die Beamten sind abgetan, sie sind verjagt, kein Amt ist mehr an seinem Platze, und das Land wird von wenigen sinnlosen Leuten des Königtums beraubt. Und nun beginnt das Reich des Pöbels, er ist obenauf und freut sich dessen in seiner Weise. Er trägt das feinste Leinen und salbt selbst seine Glatze mit Myrrhen, hat ein großes Haus und einen Speicher, dessen Korn freilich einem anderen gehört hat. Er hat Herden und Schiffe, die auch einmal einen anderen Besitzer hatten. Sonst ging er selbst als Bote, jetzt freut es ihn, andere auszuschicken. Er schlägt die Harfe, und seine Frau, die sich früher im Wasser besah, paradiert jetzt mit einem Spiegel. Auch seinem Gotte, um den er sich sonst nicht kümmerte, spendet er jetzt Weihrauch — allerdings den Weihrauch eines anderen.

Während so, die nichts hatten, reich geworden sind, liegen die einstmaligen Reichen schutzlos im Winde, ohne Bett, zerlumpt und durstig. Der nichts hatte, besitzt Schätze, und ein Fürst lobt ihn, selbst die Räte des alten Staates machen in ihrer Not den neuen Emporkömmlingen den Hof.“

Seitdem der ägyptische Aristokrat, der zuschauen mussten, wie sich sein Knecht mit seiner Salbe die Glatze einrieb, der zuschauen musste, wie ihm seine Herden konfisziert wurden, die Welt mit diesem Jammer gefüllt hat, hat sich die Natur der herrschenden Klassen nicht geändert. Sie lieben ihre Macht, sie lieben ihren Reichtum, wie sollen sie es nicht beweinen, wenn dies alles ihnen verloren geht, wie sollen sie nicht über Räuber und Mörder schimpfen, wenn sie entthront werden! Und die internationale Arbeiterklasse, obwohl nicht in all ihre Schliche und in all ihre Tücken eingeweiht, sie fühlte dumpf und instinktiv den großen Betrug der bürgerlichen Presse. Und es ging ein neuer Pulsschlag durch den Körper der proletarischen Welt, er jagte schneller das Blut in den Adern, nicht nur des Kulis in Kanton und Shanghai, des Bauern am Ganges, des bis aufs Blut gepeinigten Negers, sondern — sogar die Arbeiteraristokratie in England, sie begann, sich hinter den Ohren zu kratzen und mit misstrauischen Augen die Gentlemen zu besehen, die sie die ganze Woche lang ausbeuten und Sonntags im Zylinder in die Kirche gehen. Die Arbeiter Deutschlands und Österreichs ergriffen die im Kot der Strasse liegende Macht. Und wo vor kurzem Zucht und Ordnung die heiligsten Worte waren, dort herrschte der Arbeiter- und Soldatenrat, und ernannte die Regierung. Und als die Führer der deutschen Sozialdemokratie, die Haase, Ebert, Scheidemann, Dittmann — mit zitternden Knien und zitternden Händen sich entschlossen, das Reich zu regieren, da waren sie nicht mehr von Gottes Gnaden und nicht mehr von der Bourgeoisie Gnaden, sie waren die Herrscher Deutschlands von Gnaden des deutschen Proletariats. Und da erzitterte zum zweiten Mal die Erde in ihrem Inneren von den Tritten von 150 Millionen russischer Bauern und Arbeiter, 80 Millionen deutscher, darunter der starke Stamm deutscher industrieller Proletarier, die Kohle heben, Eisen schmieden, Brücken bauen und eiserne Stränge um die Welt zu legen wissen. Eisen, Kohle, Brot — ein Land, ein Reich der Arbeit von Wladiwostok bis zum Rhein, war dem Entstehen nahe. Und es erzitterte die kapitalistische Welt in Todesahnung. Lloyd George, einer der klügsten und einer der bewusstesten Vertreter der kapitalistischen Welt, schrieb im März 1919 in seinem geheimen Memorandum an die Grossen Vier der Versailler Konferenz:

Europa ist erfüllt von revolutionären Gedanken. Ein tiefes Gefühl, nicht von Missstimmung, sondern von Wut und Auflehnung lebt in der Brust der Arbeiterklasse gegen die Lebensbedingungen vor dem Kriege. Alle heutigen Einrichtungen auf politischem, sozialem, ökonomischem Gebiete werden von der Bevölkerung in ganz Europa misstrauisch angesehen. in einigen Ländern wie in Deutschland und in Russland drängt diese Unruhe zu offener Empörung: in anderen Ländern, in Frankreich, England, Italien macht sie sich in Streiks, in einer gewissen Unlust zur Arbeit bemerkbar: alles Zeichen dafür, dass man sich ebenso sehr nach einer sozialen und politischen Änderung wie nach einer Erhöhung der Löhne sehnt.

Ein guter Teil dieser Unruhe ist freudig zu begrüßen, wir kommen niemals zu einem Dauerfrieden, wenn wir uns das Ziel stecken, dieselben Lebensbedingungen wie 1914 zu schaffen. Damit laufen wir nur Gefahr, die Masse der Bevölkerung in Europa den Radikalen in die Arme zu treiben, deren Grundidee für die Wiedergeburt der Menschheit darin besteht, dass sie das heute bestehende soziale Gebäude vollständig niederreißen wollen. in Russland haben diese Leute den Sieg davongetragen. Aber der Preis dieses Sieges war fürchterlich. Hunderttausende von Einwohnern sind nicht mehr am Leben. Eisenbahnen, Städte, das ganze russische Staatsgebäude ist fast völlig zerstört: jedoch in mancher Beziehung ist es ihnen gelungen, die Masse des russischen Volkes in Zucht zu halten, und, was noch bezeichnender ist, es ist ihnen gelungen, ein großes Heer zu organisieren, das anscheinend gut geführt und in strenger Disziplin gehalten wird und zum größten Teil bereit ist, sein Leben für seine Ideale zu opfern. Lassen wir noch ein Jahr verstreichen, und Russland, von neuer Begeisterung beseelt, wird sein Friedensbedürfnis vergessen haben, weil ihm das einzige Heer zur Verfügung steht, das Vertrauen zu den Idealen hat, für die es kämpfen soll.

Die größte Gefahr, die ich in der jetzigen Lage erblicken kann, liegt darin, dass Deutschland imstande sein könnte, sein Schicksal in die Hand der Bolschewisten zu legen, seine Reichtümer, seinen Geist, seine großartige Organisationskraft diesen revolutionären Fanatikern zur Verfügung zu stellen, die von einer Eroberung der Welt durch den Bolschewismus träumen, und zwar mittels Waffengewalt. Diese Gefahr ist kein leeres Phantom. Die jetzige deutsche Regierung ist schwach; sie genießt keine Achtung; ihre Autorität ist gering; dennoch hält sie sich; ihr Gehen hieße den Spartakismus rufen, für den Deutschland noch nicht reif ist. Aber das Argument, das die Spartakisten ständig anzubringen wissen und das nie seine Wirkung verfehlt, ist, dass sie allein imstande wären, Deutschland von den unerträglichen Bedingungen zu befreien, in die der Krieg es stürzte. Sie erbieten sich, Deutschland von jeder Verpflichtung gegenüber den Alliierten, von jeder Verpflichtung gegen seine eigenen wohlhabenden Klassen zu befreien. Sie bieten den Deutschen vollständige Kontrolle über ihre Geschäfte an, sie eröffnen ihnen die Aussicht auf ein neues Paradies, auf eine bessere Welt, Freilich, der Preis wäre hoch. Zwei bis drei Jahre lang herrschte Anarchie, vielleicht Blutvergießen, aber zum Schlusse bliebe das Land erhalten, die Menschen, die meisten Häuser, die Fabriken, Strassen, Eisenbahnen; und Deutschland, von seinen Unterdrückern befreit, könnte einer neuen Ära entgegengehen.

Wenn sich Deutschland dem Spartakismus ergibt, ist es unvermeidlich, dass es sein Schicksal mit den russischen Bolschewisten eng verknüpft. Wenn dies geschähe, würde ganz Osteuropa in den Strudel der bolschewistischen Revolution hineingerissen und, im Verlauf von einem Jahre, fänden wir uns fast 300 Millionen Menschen gegenübergestellt, die von deutschen Generälen, von deutschen Instruktoren zu einer roten Riesenarmee geschult wären, ausgerüstet mit deutschen Kanonen, mit deutschen Maschinengewehren, jeden Augenblick bereit, den Angriff auf Westeuropa zu erneuern. Niemand kann dieser Aussicht gleichgültig entgegensehen. Gerade die gestern aus Ungarn eingetroffenen Nachrichten beweisen schon deutlich genug, dass diese Gefahr kein Phantasiegebilde ist.

Welche Gründe trieben zu dieser gewaltsamen Entscheidung? Furcht war es, nackte Furcht, dass eine große Anzahl Ungarn einer Fremdherrschaft untersteht würden. Wenn wir klug wären, böten wir Deutschland einen Frieden an, der, seiner Gerechtigkeit wegen, von allen vernünftigen Menschen dem Bolschewismus vorgezogen würde.

War das ein böser Traum der Kapitalisten? Nein. Es war eine reale Möglichkeit, es war die Zukunft, die ihren Schatten warf, eine Zukunft, die von der kleinen Gegenwart noch verraten werden sollte.

Die Arbeiter Deutschlands und Österreichs waren geknechtet und ausgebeutet, und das einzige, auf das sie stolz waren, das war ihre Kultur und ihre Bildung, die sie sich mühevoll errungen haben. Aber in der kapitalistischen Welt gibt es nur eine kapitalistische Kultur, und die Kultur, die sie sich errungen hatten, sie war das Band, das sie mit der Bourgeoisie vereinigte. Das Kapital hat um sie Bande gelegt und sie haben sie noch freiwillig verstärkt; sie waren nicht nur Sklaven des Kapitals, sie waren Sklaven aus eigener, innerer Wahl. Und als sie die Macht in die Hände bekamen, da zitterten sie: Was sollen wir mit dieser Macht tun? Sollen wir kämpfen, um die Welt in neue Bahnen zu drängen? Und sie schauten mit Angst über die Weichsel, wo hungernd und blutend die proletarische Revolution kämpfte. Kreuziget sie! — schrie die Weltbourgeoisie. Und die verbürgerlichten Führer der deutschen Arbeiterklasse schrieen: Ja, sie wird gekreuzigt, weil sie ein wahnsinniges Werk unternommen hat. Wer kann mit kühlem Verstand es wagen, die Hand zu erheben gegen die Könige über Kohle und Eisen, über Baumwolle und Brot? Es war leicht, die gekrönten Puppen davonzujagen, aber wer wird uns ernähren und kleiden, wenn wir mit den Mächtigen der Weit anbinden? Spartakus ist der Hunger, Spartakus ist der Krieg, und Wilson ist der Friede, mit ihm ist Brot und Speck. So hieß das „Hie Welf und hie Waibling“, so hieß der Weltanschauungs-Kampf, so hieß der Schlachtruf der Scheidemann und Ebert, der Haase und Dittmann. Und die Proletarier, die vier Jahre lang gehungert und geduldet haben in der Durchhaltepolitik für die Bourgeoisie, sie haben für den Sozialismus. Sie haben für ihre Zukunft nur zwei Monate durchgehalten. Liebknecht und Rosa Luxemburg wurden wie Tiere geschlachtet auf dem Altar des Kapitals, und im März wurden die kleinen kämpfenden Vorhuten des Proletariats niedergeworfen. Und die Herrschaft der deutschen Bourgeoisie wurde aufgerichtet mit Zustimmung der Mehrheit der deutschen Arbeiter.

Häuser für Helden! — schrie die bürgerliche Presse Englands, als, vom Pulverdampf beschmutzt, die Kohlenhäuer von Wales, die Eisenarbeiter von Sheffield, die irischen Kleinbauern zurückkehrten aus den flandrischen Schützengräben. Ihr habt die Demokratie gerettet, Ihr habt die Kultur gerettet, Ihr habt die Welt gerettet, — so beweihräucherte sie das Kapital, und versprach ihnen ein menschenwürdiges Leben, weil sie das Kapital gerettet hatten. Und als die Bergarbeiter darauf sagten: mein Haus, meine Werkstatt ist der tiefe Schacht, in den keine Sonne hineindringt. Ich liege auf dem Rücken mit dem Hammer und der Schaufel in der Hand und sehe tagtäglich dem Tod in die Augen. Es soll nicht mehr aus meinem Schweiß, aus meinem mit Kohlenstaub gemischten Blut, aus meiner Todesangst und meinem Todestrotz Profit machen der Herzog von Northumberland, der Nation soll die Grube gehören, wie ich ihr gehöre. Da antworteten ihnen Lloyd George und die Seinen: Jawohl, selbstverständlich, nur keine Unruhe, nur keinen Krach, denn dabei gehen die Gruben, dabei geht Ihr flöten, und es verschwindet der geröstete Speck von der Frühstückstafel, der Euch und uns redlich ernährt. Wir wollen eine Kommission ernennen, sie soll die Sache, die Frage des Wie und Wann in Ruhe studieren. Und gleichzeitig hielt Wilson Churchill Kolonialtruppen bereit, um die Arbeiter zu beruhigen, falls sie sich von der süßen Stimme des berückenden und entzückenden Lloyd George nicht bereden und betrügen lassen sollten. Und während die Soldaten scharfe Patronen erhielten, ging ein Redeturnier in des Richters yankee inquiry committee vor sich, und der alte Bob Smillie diskutierte mit dem Herzog von Northumberland, und die ganze Arbeiterklasse Englands lachte, dass ihr der Bauch wackelte, wie dumm der Kohlenherzog sei, der glaubte, dass er sie ausbeuten könne, weil seinen Ahnen ein fünfzehnjähriger König im 16. Jahrhundert ein Stück Pergament mit dem Königssiegel darauf gegeben. hatte. Die ganze Presse berichtete über das Turnier, und die sehr geehrten Führer aus der Labour Party, sie schauten mitleidig auf die russischen Arbeiter, die armen Kerle, denen keine Demokratie gegönnt war und die sich darum verführen ließen zum Kampf mit den Waffen. Unter den Fittichen der englischen Demokratie wird der Herzog von Northumberland enteignet, durch den Witz von Bob Smillie und die Klugheit des englischen Parlaments, das sich vor den Argumenten beugt.

Und es gingen Monate ins Land, es ächzten die Maschinen in Europa und Amerika, es sausten die Spindeln, und Tag und Nacht spieen die Fabrikschlote den Rauch und den Russ aus, und der Funkentelegraph übermittelte die hohen Kurse der Börsen: die kapitalistische Welt schien wieder in Ordnung zu sein. Dass Noskes weiße Garden wie einst Tillys und Wallensteins Söldner mordeten, raubten und plünderten und die Demokratie in Deutschland auf den Knochen von 15.000 Arbeitern gründeten — was macht’s? Irgend ein Fundament muss sie haben, und Blut kittet gut. Dass 60 Millionen Deutscher zu Industriesklaven des Ententekapitals gemacht werden sollten — was macht’s? Hunde sind wir ja alle, wenn man nur Essen und Trinken kriegt. Dass in Amritsar der englische General Dyer mit Maschinengewehren in eine umzingelte friedliche Masse der Hindu hineinfeuerte — was macht’s? Die Labour Party und andere ehrliche und humanitäre Engländer, sie protestierten dagegen. Kein Hindu erwachte davon aus dem Tod. Aber General Dyer bekam eine Rüge, was selten so hochgestellten Herren passiert. In Amerika wurde eine Hetze gegen Kommunisten entfacht, wie sie die Welt noch nicht gesehen hatte. Zu 20 Jahren Zuchthaus wurde ein Mädchen verurteilt, weil es einen Sowjetstern trug. Dann aber begann ein leichtes Erdbeben: Die Kurse an der fernen Börse von Tokio fielen, und die Unruhe verpflanzte sich nach Amerika und nach England. Es kamen Kräche, es kamen Bankerotte. und es begannen die Fabriken in Amerika, England, Japan, in Schweden und Holland die Arbeiter auszuspeien, es begann die große Arbeitslosigkeit. 10 Millionen Arbeiter in der Welt standen betrogen da, den Speck, für den sie das Erstgeburtsrecht der Revolution verkauft hatten, haben die Mäuse gefressen. Sie verzehrten die Ersparnisse, die sie im Krieg bei zwölfstündiger Arbeitszeit gemacht hatten, und sie dachten mit Angst an den Tag, wo diese Ersparnisse verzehrt sein würden. Und die, die in den Fabriken blieben, sie schauten mit tiefer Sorge auf die Massen, die sich dort vor dem Fabriktor sammelten. Der Fabrikherr folgt den angsterfüllten Blicken und sagt: Wollt Ihr die Arbeit nicht verlieren, nun, so lasst doch Eure Mucken, Eure Träume von der Konstitution in der Fabrik. Ihr wollt Herrenlöhne, aber diese Zeit ist vorüber. Arbeitet für einen mir genehmen Lohn, oder ich hole mir die anderen. Und die englischen Bergarbeiter müssen jetzt monatelang kämpfen für die Beibehaltung des alten Lohnes, keine Rede ist jetzt mehr von der Nationalisierung. Man fragt Bob Smillie nicht mehr, ob er den Siegellack des 15-jährigen Königs aus dem 16. Jahrhundert als genügenden Grund dafür anerkennt, dass die Bergarbeiter für den Herzog von Northumberland schuften.

Während 10 Millionen Arbeiter in der Welt arbeitslos herumlaufen, gibt es in Deutschland keine Arbeitslosen. Die deutsche Industrie hat eine neue, des deutschen Volkes würdige Basis gefunden. Deutsche Tüchtigkeit, deutsche Technik haben ihr einen Platz in der Welt geschaffen; sie behauptet sich durch eine neue Kunst, die die deutschen Arbeiter im Kriege gelernt haben, durch die Hungerkunst, durch die Kunst, ein Kulileben zu führen, durch die Kunst, so viel für nichts zu schaffen, dass man die Waren verkaufen kann sogar bei einer Weltstockung. Eine der größten Nationen der Welt, die Nation, die der Welt Goethe, Kant und Marx gegeben hat, sie schlägt jetzt alle Billigkeits-Rekorde der Ware und menschlichen Arbeitskraft. Aus der Not der deutschen Arbeiter werden nicht nur Profite gemacht, die der Bourgeoisie erlauben, ein Schmarotzerleben zu führen, die ihr erlauben, durch die Zahl der Automobile, der Spielklubs, der Schlemmerlokale aus dem ollen spießbürgerlichen Berlin ein neues Babylon zu machen, sondern siehe da: der deutsche Arbeiter reitet nicht nur seiner Bourgeoisie Vaterland, er rettet auch die Herrschaft der französischen Bourgeoisie, der er hilft, die Defizite im Budget auszufüllen. Er rettet die Herrschaft des Weltkapitals, das in seinen Grundfesten erschüttert würde, wenn die deutschen Proletarier „Genug!“ rufen würden. Die deutschen Arbeiter schuften, aber der Speck, für den sie die Novemberrevolution verraten haben, er ist nur sichtbar in den hohen Regionen der mystischen Valuta, des neuen Gottes, der die Monarchie, die Aristokratie und die Demokratie hinter den Schleiern des Börsenspiels souverän beherrscht. Die deutschen Proletarier schuften in den Fabriken, sie sind dem Bürgerkrieg entronnen. Sie führen keinen Krieg, sie schauen nur zu, wie die Konterrevolution den Krieg sogar gegen die armselige Republik von Dollars Gnaden führt. Sie haben zugeschaut, wie ihre Besten, wie die Luxemburg, Liebknecht, Jogiches, Leviné, Landauer niedergeknallt wurden. Und sie marschieren auf zum Protest, wenn der frühere imperialistische commis voyageur und spätere demokratisch-pazifistische Schieber, Seine Exzellenz Erzberger, von den Weißen erschossen wird. Und sie marschieren protestierend auf, wenn der Günstling des Kaisers, der Millionär Rathenau, erschossen wird, weil er Demokrat war, nachdem die Demokratie in Deutschland nicht mehr verboten war. Der deutsche Spießer hat in der Vergangenheit seinen Bratenrock und seinen Zylinder aus dem Schrank immer hervorgezogen, wenn er hinter einem Sarge marschierte. Die deutschen Proletarier erinnern sich an ihre revolutionären Pflichten an Särgen, dann schwören sie Rache und — gehen nach Hause. Und über dem Hause weht die schwarz-rot-goldene Fahne; sie wird von der Konterrevolution bespieen, und die Proletarier regen sich wieder auf. Und sie singen unter Herrn Eberts Leitung — der Konterrevolution zum Trotz — ihr eigenes Lied, ihr ureigenstes Lied: Deutschland, Deutschland, über alles… das so schön gesungen wird auf die Melodie: Gott erhalte, Gott beschütze unsern Kaiser und sein Reich!

Und unter der glorreichen Fahne von 1848, die von Motten zerfressen ist, und mit dem Liede der deutschen Revolution auf den Linnen haben sie sich vereinigt, die feindlichen, aber trotzdem siamesischen Brüder, die Abhängigen und Unabhängigen [Sozialdemokraten]. Und die Welt, die einst erzitterte, als sie das Bild sah, wie aus den Meereswogen. Mit langen Affenarmen, die bis unter die Knie reichen, Noske, der Hagen der deutschen Republik, der wehrhafte Recke erstand, und neben ihm Fritz Ebert, der proletarische Reichspräsident mit dem Schmerbauch, dastand in ruhigem Selbstbewusstsein: Wir von Gottes Gnaden, Proletarier a. D., sie sieht jetzt das hehre Bild Wels‘, des Schlächters vom 6. Dezember, und neben ihm Crispien, den Ehrlichen und Loyalen, der in Moskau im August des Jahres 1920 Treue schwur der Weltrevolution, schwur, den Wels auf Leben und Tod zu bekämpfen, wenn nur der Preis etwas billiger wäre, nicht 21, sondern 14 Punkte. Und sie schauen vergnügt in die Welt hinein: Wir haben uns vereinigt, was kann uns die Weltrevolution! Und der Eindruck dieser leidigen, von Sicherheit strotzenden Gestalten ist so groß, dass nicht nur alle die Clowns des Sozialismus, die Sozialisten Seiner Majestät des englischen Königs, und die Sozialisten Seiner Majestät des belgischen Königs, und die Skuhlsozialisten aus Schweden und Kopenhagen, wo die Butterbrote auf den Bäumen wachsen, und nur dem Proletariat in den Mund nicht fallen, sondern dass sogar der mutige Menschewik Martow Hosianna ruft und fordert, das russische Proletariat solle doch nach der Einigung von Crispien und Wels sich mit Herrn Lloyd George und mit dem Textilbaron Raputschinsky und mit dem Petroleumkönig Nobel einigen auf der gerechten Basis der Rückgabe der Fabriken und der Macht, die es im Oktober 1917 so unvernünftig sich angeeignet hat.

Die Weltrevolution ist zu Ende! — lispelten sie schon lange. Die Weltrevolution ist zu Ende! schreien sie jetzt sicher und überzeugt. Und: Brüder, wir können endlich Schweine sein! hallt es aus allen Landen, wo es noch ehrwürdige, im Klassenkampf erprobte Führer des Proletariats gibt. Schön ist die Welt. Lenin tritt an Urquhart ein Königreich ab und wird vor der Demokratie Kotau machen müssen. Lloyd George und Poincaré schenken Deutschland einen großen Teil der Reparationen, und der Onkel aus Amerika gibt dazu eine Anleihe, wonach es nur noch eines gibt: Wachst, blühet und vermehret Euch! Fritz Adler und Otto Bauer sind schon in die Liga der Nationen aufgenommen. Der weiße Mörder Horthy sitzt neben ihnen, und Deutschland wird bald Gelegenheit haben, seine Bankdirektoren als die Vertreter der demokratischen Republik nach Genf zu senden. Und das Proletariat macht Überschichten; und die Mark ist von 2000 — nebbich! — auf 1400 heruntergeklettert; und Stinnes hat sich mit Lubersac vermählt, was einerseits gut und andererseits schlecht ist.

In die Freudentöne schrillen Misstöne hinein. Die wilden Türken, einst die lieben Verbündeten der deutschen Sozialdemokratie im Kampf gegen den Zarismus, infiziert durch die noch wilderen Bolschewiki, haben sich nicht versöhnt mit der Versailler Sklaverei. Sie haben drei Jahre gefochten, wie die Sowjetarmee gefochten hat, hungrig und abgerissen. Und siehe da: sie haben die Heere der englischen Vasallen zu Paaren getrieben, sie stehen an den Dardanellen, und geben sie nicht nach, dann ist ein europäischer Krieg da. Lloyd George sendet die liebenswürdigsten Noten an den „unaussprechbaren Türken“, und sie werden eingeladen, in die fashionable Liga der Nationen einzutreten, als ob sie anständige Demokraten, oder wenigstens so aristokratische Leute wären, wie der blutige Horthy. Und im Lichte des Feuers von Smyrna sieht man den tiefen Riss, der durch die Grundlagen der Entente geht, den tiefen Riss, durch den das Feuer eines neuen Weltkrieges jeden Tag schlagen kann. Und Poincaré, der Napoleon in Unterhosen und Pantoffeln, er wird zum Friedensengel und zeigt hohnlächelnd seine Zähne dem David „Lloyd George la guerre“. Und der Vorwärts zittert so sehr um den Frieden der Welt, dass er sogar unruhig wird — und zu schimpfen beginnt, als die Sowjetregierung den Vertrag mit Urquhart zerriss, obwohl es doch bisher die Pflicht des vaterlandsliebenden Sozialdemokraten war, nur für die eigenen Kapitalisten einzutreten und nicht für die englischen. Die Krise im Orient ist noch nicht vorüber. Sie beginnt erst ihren Lauf, denn hinter ihr lauert der Kampf um das Petroleum, den neuen Gott. Und schon sammeln sich neue große Wolken im Westen. Der Onkel aus Amerika, der dem hungernden Europa in Hülle und Fülle Gaben spenden sollte, er will nicht nur keine Gaben bringen, keine Anleihe geben, auf sein Schuldenregister nicht verzichten, sondern er will sogar dem braven deutschen Bourgeois die einzige Möglichkeit nehmen, sich über Wasser zu halten: er erhöht seine Zölle, was es den lieben europäischen Pflegekindern unmöglich machen wird, den allmächtigen Dollar durch Warenausfuhr zu erlangen. Und der Präsident von Amerika kriegt das Recht, die Zölle um 50 % zu steigern oder zu erniedrigen, d. h. mit England, Frankreich und Deutschland zu spielen, wie die Katze mit der Maus: Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt und erhöhe die Zölle. Die Reparationsfrage, die Frage von der interalliierten Schuld, wird verschärft, die Mark fällt von 1400 Mark pro Dollar auf 3000 Mark, sodass das Moratorium, die Erholungsfrist, im wörtlichen Sinne des Wortes zur Galgenfrist wird.

In Amerika kämpfen fünf Monate lang die Berg- und Eisenbahnarbeiter gegen alle Tücken und Mucken der Trusts. Und die Administration der republikanischen Regierung steht hilflos da, sie kann ihren Sieg nicht verhindern. Ein neues Kraftgefühl geht durch die amerikanischen Massen. In Frankreich kämpfen die Arbeiter von neuem. Nach dem Kampf der Textilarbeiter im Norden folgen die Kämpfe der Hafenarbeiter in Havre. In Italien kehrt ein Teil der Arbeiterklasse nach zweijährigem Schwanken und Wanken wieder zur Truppe der Revolution, zur Kommunistischen Internationale, zurück. Durch Deutschland flutet eine Welle der Erregung. Die Kommunistische Partei, noch eine Minderheit in der Arbeiterklasse, arbeitet mit wachsendem Erfolg; und die Vereinigungstagung der Sozialdemokraten, die der Bourgeoisie das Bündnis anbietet, ballt ihre Faust gegen die Kommunisten, weil sie zur Macht werden, Sowjetrussland steht aber fest auf seinen Beinen. Es hat einen Teil seiner Kampflinien zurückgenommen. Verschanzt in den neuen Linien, gestärkt durch ein neues Bündnis mit den Bauern, lehnt die russische Arbeiterklasse alle Aufforderungen zur Kapitulation ab. Sie sagt in Den Haag und in Genua und Schantung den englischen und japanischen Kapitalisten: Wollt Ihr uns die Fabriken und die Macht entreißen, nun, dann kommt und nehmt sie mit Waffen in der Hand! Wir wollen sehen. Und ohne mit den Waffen zu rasseln, erklärt sie während der Orientkrise ruhig und selbstsicher: Ich bin da. Wenn Ihr die Fragen, die mich betreffen, ohne mich zu lösen versucht, so werdet Ihr mit mir zu tun haben.

Ein Tohuwabohu von Tatsachen, Tendenzen, sich kreuzender Bestrebungen, ein Auf und Ab ist es, was wir hier in knappen Zeilen niedergeschrieben haben. Der Hexenkessel der Weltrevolution. Auf Niederlage folgt Sieg; auf Sieg folgt Niederlage. Man stürmt vorwärts; man zieht sich zurück. Man unterschätzt den Feind, man wird geschlagen; der Feind überschätzt seine Kräfte, er renkt sich einen Fuß aus. Hungrig, zerlumpt, kriecht ein Teil der Arbeiterklasse zurück ins Joch. Frierend, hungernd, blutend verbleibt ein anderer Teil im Schützengraben. Zwischen denen, die verzagen, und denen, die kämpfen wollen, kommt es zu Zusammenstössen. Im Lager der anstürmenden Bourgeoisie entstehen Gegensätze. Die Spaltung des Proletariats stärkt die Bourgeoisie; die Haltung der Bourgeoisie stärkt das Proletariat. Das sind fünf Jahre der Weltrevolution.

II.

In Iron Heel, dem Roman von Jack London, der, vor dem Kriege geschrieben, tausendmal mehr die Konturen der Weltrevolution gefühlt und geahnt hat, als alle Theoretiker der 2. Internationale zusammengenommen, bemisst der große revolutionäre Dichter den Befreiungsweg des Proletariats auf 300 Jahre, 300 Jahre nicht des friedlichen Hineinwachsens, Hineinschlummerns und Hineinwählens in den Sozialismus, sondern 300 Jahre der schwersten Kämpfe, der Kämpfe, in denen die Arbeiterklasse heute siegreich, morgen in ihrem eigenen Blut erstickt wird, unter die eiserne Faust des Weltkapitals gerät, von ihm geteilt wird in eine ausgebeutete Masse und eine privilegierte Aristokratie der qualifizierten Arbeiter und der qualifizierten Mörder, 300 Jahre, in der sie lernt, illegal zu wirken, in alle Poren der bürgerlichen Gesellschaft einzudringen, ihr gegenüber rücksichtslos zu sein, wie sie selbst rücksichtslos behandelt wird.

Im Zeitalter der Elektrizität, des Petroleums kann man sicher überzeugt hoffen, dass der Kampf des Proletariats kürzer sein und schneller mit dem Siege enden wird, als Jack London befürchtete. Aber eins unterliegt gar keinem Zweifel: er wird lange dauern, er wird sehr mühselig sein, und nicht nur einmal, nicht nur zweimal wird das Proletariat manchen Landes unter den ehernen Fuß der Kapitalistenoligarchien geraten und von ihm zermalmt werden. Die russischen Proletarier in der Ukraine und in Sibirien haben es gelernt; die finnischen, die ungarischen und die deutschen haben daran glauben müssen. Aber die kurzen fünf Jahre haben schon gezeigt, wie unter der ehernen Faust, unter dem unerhörten Druck, unter dem Regime des Galgens die Arbeiterklasse von neuem zu kämpfen beginnt, von neuem sich wehren lernt. In Ungarn hat sich ihr Protest gegen die Herrschaft Horthys in der Stimmabgabe für die Sozialdemokraten ausgedrückt, obwohl Horthy auf ihrem Rücken zur Macht kam. In Finnland hat sie sich schon so weit aufgerafft, dass sie direkt unter kommunistischem Banner kämpft. In Russland hat sie sich nicht niederringen lassen, sie steht da, fest, kämpfend und hält die Festung des Weltproletariats. Die ältere Generation der russischen Arbeiter ist müde und erschöpft; sie zählt ihre Wunden, sie fragt sich, wie lange sie noch zu kämpfen haben wird, sie schaut mit tiefer Unruhe nach dem Westen und fragt: Wann kommt die Hilfe? Aber eine neue Generation bahnt sich schon den Weg, die erklärt: Komme, was kommen will — wir werden die Position halten! Fünf Jahre — eine Ewigkeit für die, die hungernd kämpfen und kämpfend hungern, aber ein Augenblick in der langen Geschichte der größten Umwälzung, die der Welt bevorsteht, der Entthronung des Goldenen Kalbes; ein langer Weg, der nicht nur darum notwendig ist, weil der Feind stark und rücksichtslos ist, wie es kaum die Mutigsten des Proletariats zu sein wagen, sondern auch darum, weil die Arbeiterklasse erst lernt, den Feind auch gedanklich zu überwinden. Man nehme doch die Geschichte der italienischen Arbeiterklasse im September 1920: die Bourgeoisie ohnmächtig, die Arbeiterklasse kann die Fabriken nehmen. Sie nimmt sie in ihre Hände, und sie gibt sie zurück. Sie gibt sie zurück, weil ihre reformistischen Führer ihr versprechen, ohne Kämpfe, durch Zugeständnisse ihren Aufstieg zu ermöglichen. Dieser Teil der Arbeiterklasse bricht mit der Kommunistischen Internationale, um nicht mit seinen reformistischen Führern zu brechen. Es vergehen zwei Jahre. Die Positionen, die die Arbeiterklasse verlassen hat, hat der Feind besetzt; er hat die Faschistenorganisationen gebildet, und der Bürgerkrieg, den die Arbeiterklasse vermeiden wollte, ist da. Nur ist nicht die Arbeiterklasse, sondern die Bourgeoisie bewaffnet. Und es fallen Opfer, aber nicht seitens der Bourgeoisie, sondern seitens des Proletariats. In den Dörfern, wo die Landproletarier, in den kleinen Städten, wo kleine Gruppen der Arbeiter sich nicht wehren können, schauen sie sich um, ob sie nicht ein Wunder retten kann. Und die Reformisten sagen ihnen: Ja, es kann Euch retten die Zusammenarbeit mit der Bourgeoisie. Entsendet uns in die Regierung, wir werden mit den Händen die faschistischen Truppen der Bourgeoisie entwaffnen. Und die Reformisten, die vor zwei Jahren eine Hand voll Menschen waren, sammeln um sich zirka die Hälfte der organisierten italienischen Arbeiter, die aus Angst vor dem Kampfe, dem sie sich nicht gewachsen fühlen, kapitulieren wollen vor der Bourgeoisie, Aber die Proletarier der Hauptstädte, sie fühlen sich kräftig genug, um zu kämpfen, sie sehen ein, dass sie von den Reformisten der Bourgeoisie ausgeliefert werden, und sie brechen mit den Reformisten, sie kehren in die Reihen der Kommunistischen Internationale zurück. Zwei Jahre, ein Augenblick, ein kurzer Augenblick in der Geschichte der Menschheit und der Arbeiterklasse. Und doch jeder Tag ein Lehrtag, jeder Tag ein Schicksalstag. Zwei Jahre, siebenhundertzwanzig Tage, waren notwendig, damit 50.000 Proletarier das ABC des Kommunismus erlernten, nicht aus einer Broschüre, sondern aus den Schlägen des Feindes.

Gleichzeitig schwankt und wankt die Französische Kommunistische Partei, die der Internationale beitrat, als die Serratianer aus ihr austraten, indem sie mit den offenen Reformisten brach, die aber, als sie beitrat, noch nicht endgültig mit dem reformistischen Geiste gebrochen hatte, Und indem wir das schreiben, wissen wir noch nicht, wie viele Spaltungen, Absplitterungen, wie viele Kämpfe die französische Partei erleben muss, bevor sie auch nur im Geiste dem Kampf mit der Bourgeoisie gewachsen ist.

Deutschland. 40 Jahre „Hoch die klassenbewusste, völkerbefreiende Sozialdemokratie!“ Proletarier aus allen Ländern pilgerten zu den Kongressen der deutschen Sozialdemokratie. Und sie lernten das ABC des Klassenkampfes in den Resolutionen der deutschen Sozialdemokratie. Dann kam der Krieg und die große Niederlage des internationalen Proletariats, die große Entlarvung der deutschen Sozialdemokratie. Sie wurde entwurzelt im Herzen des internationalen Proletariats. Und vier Jahre lang hat sie die Arbeiter hinter dem Wagen der Bourgeoisie von einem Schlachtfeld aufs andere geschleppt. Es gab keine Nichtswürdigkeit des deutschen Imperialismus, die sie nicht verteidigt hat. Dann waren sie im Nu Pazifisten, Demokraten und Republikaner, alles, was man wollte. Dann haben sie wieder vier Jahre lang die Arbeiter verraten im Namen des Pazifismus, des Sozialismus, des Republikanismus, des Demokratismus und aller anderen Ismen; nur einen haben sie nicht genannt. den Kapitalismus, in dessen Interesse sie das alles gemacht haben. Und heute wagen sie sogar dieses Letzte, indem sie dem Proletarier sagen: Bevor Du die fette Kuh des Kapitalismus schlachten kannst, muss sie erst unter der Obhut der Kapitalisten fett werden. Und all diesen Verrat hat die Arbeiterklasse ertragen. Heute noch ist die Sozialdemokratie die stärkste Partei des Proletariats in Deutschland. Man kann sich darüber entrüsten — man kann darüber traurig sein. Aber es ist eine Tatsache. Man kann sich dieser Tatsache unterwerfen, dann wird man — wie Levi — ein Verräter am Proletariat, und man geht vom Friedrichfelde-Hain, vom Grabe Rosa Luxemburgs, in den „Vorwärts“. Man kann sich dagegen aufbäumen mit den Waffen in der Hand, und man holt sich blutige Köpfe, wie es die deutsche Kommunistische Partei getan hat im März 1921. Und man kann gegen diese infame Tatsache kämpfen, kämpfen tagaus, tagein, Proletarier aufklärend, Proletarier mobilisierend, man kann kämpfen als Sappeur und Mineur, bevor dem Sturmtrupp kommandiert wird: In den Kampf! Und man wird die Fahne der Sozialdemokratie herunterholen und zerreißen.

Die kurze Geschichte der Kommunistischen Internationale, dieses Vortrupps der zukünftigen großen Armee der Weltrevolution, sie ist nichts anderes, als die Geschichte der Zerbröckelung der sozialdemokratischen Illusionen, der Herauskristallisierung des kommunistischen Wissens und der Anwendung dieses Wissens durch wachsende proletarische Massen im Kampfe. Die Kommunistische Internationale ist so jung wie ein Kind, verglichen mit der Organisationsgeschichte der sozialdemokratischen Parteien. Und trotzdem ist ihre Geschichte so lehrreich, dass es genügt, sie zu verstehen, um das Geheimnis des Sieges zu kennen. Sie wurde geboren im zweiten Jahr des Kampfes Sowjetrusslands. 50 Jahre der Geschichte des Sozialismus, zwei Jahre eines Heldenkampfes, wie ihn die ganze Menschheitsgeschichte nicht gesehen hat, waren nötig, um Zehntausende von Proletariern in der ganzen WeIt außerhalb Russlands um die Fahne des Kommunismus zu sammeln.

Als der 1. Kongress der Kommunistischen Internationale versammelt war, stand die Sowjetrepublik im Kampfe auf Leben und Tod. Wir hatten in Westeuropa und Amerika nur einige Zehntausende Anhänger. Als ich im Moabiter Gefängnis das Manifest des 1. Kongresses der Kommunistischen Internationale bekam, da erinnerte ich mich an die Worte Michael Beers in seiner Geschichte des englischen Sozialismus: „Die Revolutionen sind nur mit Blut geschriebene Programme für zukünftige Geschlechter.“ Und viele, viele sahen in diesem Manifest das Vermächtnis der russischen Revolution, geschrieben mit dem Blut der russischen Proletarier, bevor sie fallen im ungleichen Kampfe mit dem Weltkapital. Und wir, die wir damals jenseits der Kampfesfronten der ersten proletarischen Republik waren, wir konnten nur den Schwur leisten, zu kämpfen, was auch kommen möge. Demnach war die Arbeit des 1. Kongresses nur ein Schrei, den das neugeborene Kind ausstößt, um zu verkünden, dass es da ist. Die Arbeit des 1. Kongresses riss die demokratischen Masken der kapitalistischen Welt und die sozialpatriotischen und pazifistischen Masken der Sozialdemokratie herunter. Sie entzündete das Fanal des Endkampfes, und rief mit mächtiger Stimme den Proletariern aller Länder zu: Reisset von Banden ewig Euch los!

Es verging ein Jahr des schweren Kampfes. Sowjetrussland hat nicht nur die Weißen von seinen Grenzen verjagt, die Entente zu Friedensverhandlungen gezwungen, sondern es ist zum Gegenstoß übergegangen. Der 2. Kongress fand statt in der Zeit, als die Rote Armee gegen Warschau marschierte, Im Grossen Kongresssaal diskutierte die Kommunistische Internationale die Lehren des Vorbereitungskrieges, wie man die Gewerkschaften und mit ihnen die Arbeitermassen erobert, wie man den Parlamentarismus ausnutzt zur Durchbildung dieser Arbeitermassen, wie man aus ihrem besten Teil eine eiserne Kommunistische Partei bildet, die Stahlklammer für die Massen, wie man die revolutionäre Bauernmasse, die unter dem Joch des Imperialismus unerhört leidet, für den Kampf des Proletariats gegen das Weltkapital gewinnt. Und während in diesem großen Saale die junge Führerschaft der jungen kommunistischen Bewegung gelehrt wurde, zu visieren auf weite Sicht, die Schaufel zu gebrauchen, Drahtverhaue zu bauen, standen in den Pausen in den Wandelgängen des Kongresses Gruppen von Genossen und schauten auf die große Karte der Sowjetwestfront, auf der jeden Tag die rote Linie nach dem Westen ausgebogen wurde. Und mancher von ihnen fragte: Ist diese Sappeur- und Mineurkunst notwendig? Ist es nicht möglich, auch ohne langwierige artilleristische Vorbereitung die Schützengräben des Gegners zu nehmen? Und obwohl die Rote Armee bei Warschau geschlagen wurde, — eben weil die artilleristische Vorbereitung ungenügend war, traten die Linien der Politik der Kommunistischen Internationale nicht genug klar und eindeutig hervor. Ein Teil der Genossen, niedergedrückt durch die Niederlage, ließ die Köpfe hängen; er sah, wie auf die Niederlage der Ansturm des Feindes in allen Ländern erfolgte, er sah das Hereinbrechen der Arbeitslosigkeit, die die Kraft des Proletariats schwächte. Und sie fragten sich, ob es nicht nötig sei, überhaupt auf den Kampf zu verzichten, ob es nicht nötig sei, alles, was grell unser Gesicht den Arbeitermassen zeigt, zu verwischen, ob es nicht angezeigt sei, sich zu ducken, und so wie die anderen zu sprechen, bis bessere Zeiten kommen. Andere Genossen sagten wieder: Man muss die Geschichte zwingen zum schnelleren Lauf. Die Märztage des Jahres 1921 waren Tage großer Lehren des internationalen Proletariats. Sie zeigten der kommunistischen Vorhut zwei große Gefahren: die Gefahr des Untergehens im Sumpf der Sozialdemokratie, des Verwischens unserer Ziele, des Versteckens unserer Fahnen und damit des Verlustes unserer Werbekraft und gleichzeitig die Gefahr der Niederlage und Niederschlagung der Vorderreihen, bevor sie die Mehrheit des Proletariats wenn nicht eroberten, so wenigstens für sich mit Sympathie erfüllten.

Der 3. Kongress der Kommunistischen Internationale musste seine Linien durchführen im Kampf nach rechts und links. Er musste die liquidatorischen Tendenzen der Levi und Däumig abwehren, die, wie die Geschichte der Levigruppe praktisch bewiesen hat, nichts anderes bedeuteten, als die Tendenz zur Vereinigung mit der Sozialdemokratie. Er musste gleichzeitig seinen besten Elementen, seinem kampffähigsten Teile konkret zeigen, dass man, ohne die Mehrheit des Proletariats für sich gewonnen zu haben, sich nicht in entscheidende Kämpfe stürzen darf. Die Auseinandersetzungen des 3. Kongresses haben unseren Feinden große Freude bereitet. Das Ende der Kommunistischen Internationale! —- schrieen sie, und am lautesten schrieen die weich gekochten Eier der 2½ Internationale, die sich schon als die Einiger des ganzen Proletariats unter dem Banner des Leipziger Allerlei fühlten.

Ein neues Jahr ist vorüber. Es hat mit einer mathematischen Klarheit die Richtigkeit unserer Linie gegen rechts bewiesen. Als wir die Reformisten, die in der Kommunistischen Internationale verbleiben wollten, denunzierten, dass sie das nur tun, um sie von innen aus aufzulösen, als wir die 21 Bedingungen stellten, um sie zu zwingen, Farbe zu bekennen, da schrieen die Turati und Modigliani, die Hilferdinge und die Crispiene, die Longuets und Blums, die Macdonalds und Snowdens von „Ukasen aus Moskau“, von Splitterrichtereien, von der mangelnden Achtung vor den, freien Gedanken, ohne die es keinen Sozialismus geben kann. Und heute erklärt der ehrenwerte D‘Aragona und beschwört es auf seinen Patriarchenbart, dass er in der Kommunistischen Internationale nur bleiben wollte, um die italienische Arbeiterklasse von der Revolution zurückzuhalten. Meine Reformisten sind nicht wie die anderen — wehrte sich Serrati, als wir ihm sagten: Bruch mit den Reformisten. Heute muss er mit ihnen brechen. In Deutschland haben die Crispien, Dittmann und Hilferding nicht nur auf den Kampf um die Diktatur verzichtet, sondern sie sind zurückgekehrt bis zum Millerandismus, bis zur Koalition mit der Bourgeoisie. Die französische Languetistenpartei lebt im Solde von Vandervelde, im Solde der opportunistischen belgischen Arbeiterpartei, und sie ist die eifrigste Förderin der Einigung der 2. und 2½. Internationale. Die 2½. Internationale hat kapituliert vor der 2. Internationale. Auf dem Einigungskongress der stärksten Partei der 2. Internationale und der stärksten Partei der 2½. Internationale, auf dem Kongress in Nürnberg, saß Levi unter den Scheidemännern. Wenn unser Freund Smeral auf dem Gründungskongress der tschechoslowakischen Kommunistischen Partei im Frühjahr des vorigen Jahres ausführte, die Zentristen seien nur die sich langsam entwickelnden zukünftigen Kommunisten, so hat die Geschichte bewiesen, dass sie die sich sehr schnell entwickelnden Sozialdemokraten sind. Dieser Streit ist schon in unseren Reihen begraben und nach rechts, gegen die Parteien des proletarischen Verrates, ist eine unverrückbare Grenzlinie gezogen; nach links haben sich die Lehren der Märztage sehr fruchtbar gezeigt, und die deutsche Partei hat einen hohen Preis gezahlt im März. Aber sie ist durch ihre Erfahrungen gestärkt und gewachsen. Und wenn die Italienische Kommunistische Partei diese Lehren noch nicht voll zu verstehen scheint, so wird die Kommunistische Internationale die Möglichkeit haben, es ihr und anderen jungen Parteien auf diesem Kongress klarzumachen. Dies wird geschehen, indem wir die Fragen der Einheitsfront ausführlich debattieren. Der 3. Kongress hat schon Thesen über die Taktik der Einheitsfront festgelegt, in denen er bestimmt, dass der Weg der Mobilisierung der Arbeitermassen durch den Kampf um ihre nächsten Interessen führt. Wenn das wahr ist, und es ist zweifelsohne wahr, so ist die Frage der Einheitsfront nur die Frage, wie können wir leichter die Massen mobilisieren: wenn wir sie selbständig zum Kampfe um ihre Lebensnotwendigkeiten auffordern, ohne versucht zu haben, ihnen klar vorzudemonstrieren, dass die Sozialdemokraten diesen Kampf nicht wollen, oder ob dies nicht zehnmal besser geschehen kann, indem wir umgekehrt Schritt für Schritt die sozialdemokratischen Parteien durch Verhandlungen zwingen, ihren eigenen Mitgliedern klipp und klar zu sagen, ob sie kämpfen wollen für ein Stück Brot gegen die frech werdende Reaktion oder nicht. Der beste Beweis der Richtigkeit dieser Taktik ist das Grauen, das die Herren der 2. Internationale erfasst hat vor der Möglichkeit, mit uns an einem Tisch zu sitzen. Es wird die Sache des Kongresses sein, die ganzen Erfahrungen dieses Jahres auszuschöpfen, die Frage der Einheitsfront zu studieren im Rahmen der weltwirtschaftlichen und weltpolitischen Situation. Wird der Kongress dies ausführlich und gründlich erledigen, so wird damit der Weg zum Siege klar und konkret vor uns liegen.

Ihn in allgemeiner, d. h. theoretischer Form festzulegen, das ist die Aufgabe der Schaffung eines Programms der Kommunistischen Internationale. Wir wissen nicht, ob dieser Kongress diese Aufgabe schon erledigen wird. Sie ist sehr schwierig, weil sie die Prüfung der Lage in allen wichtigeren Ländern der Welt erfordert, die Vorzeichnung der Tätigkeitslinie für die kommunistischen Parteien, die konkret hinauswächst aus ihren speziellen Bedingungen und sie gleichzeitig in die Weltentwicklungslinie hineinpasst. Die Entwicklung der Weltrevolution schlägt sich aber in den verschiedensten Formen in den verschiedenen Ländern durch, da sie sich durch die verschiedensten sozialen Strukturen in den einzelnen Ländern durchgeschlagen hat. Die Weltrevolution bietet ein einfaches Bild von Strömen, die einem Ziele zueilen nur dann, wenn die Gewässer des revolutionären Kampfes anschwellen und in breiten Wellen vorwärts eilen. Nachdem dies bis zu Ende des Jahres 1920 der Fall war, ist die Weltrevolution in eine neue, vorbereitende, organische Phase eingetreten. Sie sammelt sich in tausend Bächen, deren Richtung nicht ohne weiteres zu erkennen ist. Darin liegt die Schwierigkeit des Programms, die Schwierigkeit, die jedoch zu lösen ist, weil die kleinen Bäche trotzdem in einer Richtung fließen. Aber es erfordert eine eingehende geistige Arbeit, ein Ausgleichen der Erfahrungen, ein theoretisches Feilen, während bisher die Praxis der kommunistischen Parteien diese Fragen erst in den gröbsten Umrissen gestellt hat. Aber sogar wenn der Kongress nur in der Lage sein wird, die Hauptthesen über den Aufbau des Programmes zu fassen, so wird er eine große Arbeit für die zukünftigen Kämpfe leisten. Der Sinn dieser Arbeit, von welchem Punkte sie auch angefasst werden wird, ist derselbe: die Bildung großer proletarischer kommunistischer Parteien zwecks Leitung des Kampfes der Arbeitermassen, der sich verschärfen wird, und der sich schon verschärft.

III.

Die Kommunistische Internationale war auf ihrem 1. Kongress nur in einem Lande eine Massenmacht: in Russland, in allen anderen war sie nur eine geistige Richtung. Auf dem 2. Kongress sahen wir große, aber noch sehr unklare Massen uns zuströmen. Und indem wir sie freudig begrüßten, mussten wir Vorkehrungen treffen, damit mit den uns zufließenden und uns stärkenden Massen nicht die reformistischen Zersetzungselemente in unsere Reihen hineinkamen. Die 21 Bedingungen waren die Barrieren für den Reformismus, Zwischen dem 2. und 3. Kongress haben die Reformisten eine offene Kampfposition gegen uns eingenommen. Und halbreformistische Elemente, die trotz aller Barrieren in unser Lager eingedrungen sind, haben sich aus unseren Reihen zurückgezogen oder wurden von uns ausgeschlossen. Zwischen dem 3. und 4. Kongress liegt die Bildung einer Reihe proletarischer kommunistischer Massenparteien und ihre teilweise Erprobung. Wir haben jetzt Massenparteien außer in Russland: in Deutschland, der Tschechoslowakei, Frankreich, Norwegen, und wir werden sie haben in Italien.

In allen diesen Parteien wirkt sich erst die politische Linie der Kommunistischen Internationale aus. Die Aufgabe des Kongresses wird sein, ihren Konsolidierungsprozess zu beschleunigen, ihre Werbekraft zu erhöhen und die Werbekraft der ganzen Internationale zu steigern. Die Einigung der 2. und 2½. Internationale wird ein klares Blachfeld schaffen und wird die Werbekraft der Kommunistischen Internationale erhöhen. Indem wir unser Kampfprogramm für die nächsten Zeiten vorbereiten, wird diese Werbekraft noch mehr gesteigert; Der 4. Kongress wird eine mühselige Arbeit leisten, eine Arbeit, die geleistet wird im Gefühl der wachsenden Kraft, im Gefühl der Sicherheit, dass wir auf gutem Wege sind, im Gefühl, dass wir eine Arbeit leisten, die von der größten Bedeutung für die zukünftigen entscheidenden Kämpfe ist.

Sowjetrussland feiert jetzt den fünften Jahrestag seines Bestehens; und jeder von uns versteht: Sowjetrussland ist und wird sein, nur weil ihm seine Geschichte jahrelange Kämpfe und eine starke und große kommunistische Partei gegeben haben. Und indem wir auf dem 4. Kongress weitere Fortschritte machen werden in der Ausbildung starker kommunistischer Parteien in den anderen Ländern, werden wir weitere Fundamente legen für die zukünftigen Sowjetrepubliken Westeuropas.

Karl Radek.

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