G. Sinowjew 19240112 Die Lehren der deutschen Ereignisse

G. Sinowjew: Die Lehren der deutschen Ereignisse

(Rede in der Sitzung der EKKI, gefolgt von Kommission und Beschlussfassung)


In der Sitzung des Präsidiums des EKKI, am 12. 1., fand eine Diskussion statt, in der nach ein paar kürzeren Äußerungen anderer Genossen Sinowjew folgende Rede hielt:

Genossen, zunächst müssen wir uns vergegenwärtigen, in welcher Lage wir überhaupt diese Diskussion angefangen haben.

Wir sind darin einig, dass wir eine schwere Niederlage erlitten haben, eine schwere Schlappe; ich glaube, es ist übertrieben, zu sagen, einen Zusammenbruch, aber doch eine ernste Niederlage. Und das ist nach unserer Erfahrung der wichtigste Prüfstein für jede revolutionäre Partei und für jede Richtung in der Partei. Gerade während der Niederlage haben wir dieses Examen zu bestehen. Wenn wir in Stimmungen verfallen, die alles schwarz färben, so können diese die Partei am Ende wirklich zugrunde bringen. Jetzt während der Niederlage muss jeder der deutschen Genossen beweisen, was er leistet. Ja, wenn man gesiegt hat, ist es leicht. Es handelt sich aber darum, jetzt, wo wir in einer schwierigen Lage sind, der Partei Treue zu bezeugen.

Bevor ich materiell auf die Dinge eingehe, einige Worte. Es ist hier gesagt worden, eine Spaltung der deutschen Kommunistischen Partei bedeutet den Untergang der deutschen Revolution oder, wenigstens, bedeutet, dass wir für 5 Jahre die Revolution verschieben. Das ist absolut richtig. Darum, glaube ich, müssen wir in die materielle Diskussion mit einer Stimmung eintreten, dass, mag es sein, wer es will, wer aus Fraktionsgeist — aus Überzeugung selbstverständlich — die Einigkeit gerade in diesem Stadium beeinträchtigt, ein Verbrecher an der deutschen Arbeiterklasse ist. Es gibt Lagen, in denen man eine Spaltung vornehmen muss. Und das haben wir gemacht. Aber es gibt auch solche Lagen. wo man alles schlucken muss und keine Spaltung zulassen darf. Nun, ich behaupte, jetzt haben wir in Deutschland eben diese zweite Lage. Mag sein, wer das will, wer jetzt in diesem Momente zu einer Spaltung hintreiben will, — wenn auch aus Überzeugung — er ist dennoch objektiv derjenige, der den Sozialdemokraten und der Bourgeoisie und nicht der deutschen Arbeiterklasse hilft.

Nun materiell zur Diskussion.

Zunächst einige Dokumente. Man versucht, hier zu sagen: ja, nicht im Oktober ist der Fehler gemacht worden, wir haben nicht im Oktober unterschätzt, sondern schon früher, im Anfang der Ruhrkrise, daher diese ganze Lage.

Selbstverständlich, wenn wir beim Eintritt der Ruhrkrise angefangen hätten, uns vorzubereiten, so wären wir eben besser vorbereitet gewesen, wenn noch früher, so noch besser. Das ist doch eine Kette, die man weiter ziehen kann. Das ist Sophismus, um den richtigen Fehler dort zu verdecken, wo man ihn gemacht hat. Und wir müssen ehrlich sein gegen uns, dann werden wir den Fehler finden.

Das Bild, das Genosse König hier von dem Vorfall zwischen den deutschen Frauen und den französischen Soldaten malte, war interessant. Wirklich war die Ruhrlage der Ausgangspunkt für die ganze Sache.

Ich habe hier die Instruktionen der Exekutive für die kommunistischen Delegierten auf der Frankfurter Konferenz vom 17. März 1923. Lesen Sie diese Instruktionen. Was sagten wir?

Die Konferenz von Essen war in erster Linie eine Demonstrationskonferenz. Die Konferenz vom 17. März muss eine Arbeitskonferenz werden.

Bei den Verhältnissen unter denen die Essener Konferenz stattgefunden hat, war schon eine bloße Demonstration ein großes politisches Ereignis. Die mehr oder weniger gelungene Koordination der Tätigkeit der französischen und der deutschen Kommunistischen Partei im Zusammenhang mit der Ruhrokkupation soll nicht unterschätzt werden. Jetzt aber Essen einfach zu wiederholen, wäre ein großer Schritt nach rückwärts. Die Konferenz vom 17. März und die Vorkonferenz (besonders die Vorkonferenz) haben zweierlei Aufgaben zu erfüllen:

a) Ein wirkliches, gemeinsames, klares, festes, konzentriertes Agitationsprogramm für die wichtigsten in Frage kommenden Sektionen auszuarbeiten.

b) Eine Anzahl von Maßnahmen organisatorischer und teilweise konspirativer Natur auszuarbeiten und sie auch wirklich durchzuführen.”

Weiter ein ganzes Kapitel über die Aufgaben der französischen Partei.

Also die Exekutive hat die Aufgaben gesehen, hat Sie der Konferenz gezeigt. Dass das sehr schwach ausgeführt worden ist, obwohl die Jugend in Frankreich jetzt sehr gut gearbeitet hat, — wenn sie wollen, kann man das feststellen Wir haben das schon genügend getan. Aber man soll das nicht zu einer Sophistik machen: weil wir damals nicht die Frage des bewaffneten Aufstandes gestellt haben, so seien wir damals im Unrecht gewesen.

Nein, der Fehler im Oktober lag bei der deutschen Partei und teilweise bei der Exekutive.

In der Frage der Terminsetzung schrieb Trotzki einen Artikel, in dem er die Frage eines Kalendariums aufstellte.

Das war ein Fehler. Radek, ich muss gestehen, war dagegen. (Brandler: Ich auch.)

Brandler auch. Wir haben beschlossen, dass der Termin nur zur Orientierung sein und in Deutschland selbst bestimmt werden soll.

Also in der Frage des Termins war kein Fehler auf Seiten der Exekutive, kein Fehler bei der russischen Partei. Wir haben so bestimmt, wie es richtig war.

Ein weiteres Dokument: unser Telegramm vom 1. Oktober 1923 über Sachsen:

Da wir die Lage so einschätzen, dass der entscheidende Moment nicht später als in vier — fünf — sechs Wochen kommt, so halten wir es für notwendig, jede Position, die unmittelbar nutzen kann, sofort zu besetzen. Auf Grund der Lage muss man die Frage unseres Eintretens in die sächsische Regierung praktisch stellen. Unter der Bedingung, dass die Zeigner-Leute bereit sind, Sachsen wirklich gegen Bayern und die Faschisten zu verteidigen, müssen wir eintreten. Sofort Bewaffnung von 50—60.000 wirklich durchführen, den General Müller ignorieren. Dasselbe in Thüringen.”

Das ist ein Telegramm, das wir in Anwesenheit Brandlers beschlossen haben. War das richtig oder unrichtig? Das war absolut richtig. Wenn wirklich die Zeigner Leute gegen die Faschisten kämpfen und 50—60.000 Arbeiter bewaffnen wollten.

(Warski: ein großer Fehler, nicht im Bilde.)

Der Vertreter der deutschen Partei hat uns diese Ziffer angegeben:

50—60.000.

(Pieck: Diese Bedingung hat die Partei nie kennen gelernt.)

Dieses Telegramm ist beschlossen worden in Anwesenheit dreier deutscher und dreier russischer Genossen.

Also wie haben wir uns die Sache vorgestellt? Als eine Episode im Bürgerkrieg. Und wir haben ihnen das im Text mitgeteilt.

Drittens will ich noch zitieren zur Frage unseres Verhaltens zur linken Sozialdemokratie, zur Sozialdemokratie überhaupt. Wir haben hier in Anwesenheit der deutschen Vertreter beschlossen: Der Hauptfeind ist die linke Sozialdemokratie, wir müssen verstehen, dass wir den Kampf führen müssen nicht nur ohne, sondern gegen die linken Sozialdemokraten.

Diese Dokumente genügen, um sich ein bisschen ins Gedächtnis zurückzurufen, was die Exekutive hier beschlossen hat.

Diese Dokumente sollt ihr euch in die Erinnerung zurückrufen, dann werdet ihr schon ein bisschen verstehen, wie die Exekutive eingestellt war, und dass die Genossen dem zugestimmt haben.

(Brandler: Dem Telegramm habe ich nicht zugestimmt.)

Genossen, ich muss zugeben, für den Eintritt in die sächsische Regierung trage ich und die anderen Genossen am meisten die Verantwortung. Brandler war hierin schwankender. Er sagte: ich weiß nicht, ob das vorbereitet ist, aber er hat nachgegeben. Ich will die Verantwortung nicht von mir abwälzen, ich trage sie, so wie wir die allgemeine Auffassung gesehen haben, die wir doch mit euch nach Verhandlungen auch mit der französischen, der polnischen, der tschechoslowakischen Partei beschlossen haben. Wir sagten, wenn es sich wirklich um eine Frage von Wochen handelt, müssen wir das im Fall des Bürgerkrieges ausnutzen.

Also so war die allgemeine Einstellung.

Jetzt, Genossen, wie war die Ausführung? Das ist doch die wichtigste Sache. Zunächst in Sachsen. Genosse Remmele sagte gestern: ja, was die Minister versäumt haben, ist das wirklich so wichtig, jetzt ihnen das entgegenzuhalten? Ist das nicht ein gewisser Opportunismus? Was kann man von den Ministern erwarten?

Was ist in diesen Worten Richtiges? Gewiss, ist das Wichtigste, was die Massen machen. Aber für uns ist das ein Symptom der faulen Einstellung der Partei. Die Hauptfrage ist selbstverständlich, warum der Bürgerkrieg nicht gekommen ist, die Masse nicht mobilisiert werden konnte. Aber sie müssen verstehen, warum wir soviel Gewicht auf das Auftreten der kommunistischen Minister legen; weil das ein Symptom der unrichtigen Einstellung unserer Partei ist. Wer waren die Minister? Die besten Genossen, die führenden, Brandler, Heckert, Böttcher. Für uns ist ihr Auftreten eine Erscheinung der Fäulnis.

(Thälmann: Sehr richtig.),

Vergleichen sie die Gedanken unseres Telegramms mit dem Stil des Auftretens dieser Minister. Das sind die Erscheinungen zweier Einstellungen. Gewiss, das Wichtigste ist, warum die Masse nicht auftrat, aber das Verhalten der Minister signalisiert etwas, signalisiert eine unrichtige Einstellung.

Genossin Fischer hat gestern sicher sehr übertrieben, als sie sagte, bei Brandler war das ein bewusstes unrichtiges Spiel. Das ist eben der große Mangel der sonst sehr guten Rede der Genossin Fischer, die Übertreibungen. Dadurch wird vieles zur Karikatur. Das st überhaupt der Hauptfehler unserer Linken, was wir schon manchmal unserer bolschewistischen Linken gesagt haben. Es ist unmöglich, dass Brandler die Sache so bewusst gemacht hat.

(Walcher: Das war das einzige Argument.)

Aber sie gab sonst viele gute Argumente, denen man zustimmen muss. Warum wir das Auftreten der kommunistischen Minister so beachten, entspringt daraus weil es eine Erscheinung der unrichtigen Politik war; dadurch ist die Sache zu einem banalen Kuddelmuddel mit der Sozialdemokratie geworden.

Schön, man hat unrichtig eingeschätzt, man konnte nicht 60.0000 bewaffnen, sogar nicht 60; es hat sich herausgestellt, dass man die Lage überschätzt hat. Aber warum mussten wir dort als Sozialdemokraten auftreten? Warum mussten wir mit dem Gerede über den verfassungsmäßigen Boden kommen, auf dem wir stehen? Warum damit kommen, dass wir nur dem Landtag gegenüber verantwortlich sind? Das ist eine altmodische, im besten Falle eine Bebelsche Stellungnahme aus den neunziger Jahren. In seinen besten Zeiten hat Bebel das gesagt. Damals war das richtig. Jetzt musste man appellieren an die direkten revolutionären Kräfte der Arbeiterschaft, musste sagen, die linke Sozialdemokratie, das ist der Hauptfeind, die Linke geht mit den Rechten, die Rechten mit Seeckt, Seeckt mit Ludendorff, — aber nicht sagen: wir stehen auf dem Boden der Verfassung.

Darum war die Ausführung unerhört schlecht und signalisiert größere Gefahren in unserer Partei, als jemand von uns das vermutet hat. Darum haben wir den Brief an die deutsche Zentrale mit der Kritik einstimmig beschlossen. Das soll man auch nicht vergessen. Ich liebe nicht, die Verantwortung auf andere Genossen abzuschieben; ich habe den Brief geschrieben, aber es war keineswegs ein persönlicher Brief von mir, wie man das in Deutschland dar gestellt hat: ja, das ist einer der berühmten Briefe. Es war eine Kommission eingesetzt worden, an der Genosse Kolarow und auch Genossin Zetkin teilgenommen hat, die manche Änderungen beantragt hat, die ich fast alle angenommen habe.

(Zetkin: Bitte, ich bemerke, der Brief wurde geschrieben, ehe wir ausführliche Berichte hatten, — als wir nichts hatten.)

Gewiss waren wir noch nicht so informiert wie jetzt. Ich bin bereit, zu sagen, ich sehe jetzt in Details auch anders als früher, aber in der Hauptsache hatten wir recht. Dann sollen wir zur II. Internationale gehen, wenn wir die Sache in Deutschland, in Sachsen verteidigen. Man braucht nicht eine kautschukartige Formel, sondern man muss aussprechen, was ist. Und nebenbei hat man schon viel ausgesprochen in den Thesen der gegenwärtigen Mehrheit der Zentrale.

Das Verhalten zur Sozialdemokratie überhaupt. Es wurde hier beschlossen, dass der Hauptfeind die linke Sozialdemokratie ist, dass wir kämpfen müssen trotz und ohne und gegen die Sozialdemokratie. Ich muss gestehen, ich habe das in einem Artikel geschrieben, als in Berlin Mitte Oktober ein Teil unserer Genossen eine Woche mit diesen Schuften zusammen gesessen und ein Programm ausgearbeitet hat und man am anderen Tage sagte: verschieben auf zwei Tage, wir werden mit einem neuen Programm kommen.

(Pieck: Walcher hat der Berliner Bezirksleitung geholfen, dass sie aus dem Dreck herauskam.)

Schön, die Berliner tragen auch dafür die Verantwortung.

(Walcher: Nein, ausschließlich.)

(Hesse: Übernehmen wir.)

Aber so kann man die Sozialdemokratie bei der gegebenen Lage nicht behandeln.

Nun, Genossen, die Frage der Einheitsfront. Generell gesprochen hatten wir in diesem Moment in der Kommunistischen Internationale Meinungsverschiedenheiten in dieser Frage? Ja, Schattierungen hatten wir, Nuancen. Wir haben sie nicht durchgekämpft. Jetzt müssen sie durchgekämpft werden bis zum Ende.

Worin bestand mein Fehler, als ich in der Erweiterten Exekutive auftrat und sagte, die Arbeiterregierung ist ein Pseudonym der Diktatur des Proletariats? Man hat mich angegriffen, ein Vertreter der Mehrheit hat es getan. Man sagte: Ihr schadet uns in der Agitation, man kann nicht mit dieser Bezeichnung kommen. Ich habe nachgegeben, weil ich mir sagte, in der praktischen Agitation soll man wirklich nicht alles ausplaudern. Aber es ist jetzt klar, es waren nicht Rücksichten der praktischen Agitation, sondern prinzipielle Fehler. Aber absolut ist die Arbeiterregierung nichts anderes als ein Pseudonym der proletarischen Diktatur, oder sie ist sozialdemokratische Opposition.

Radek wird bestätigen, dass ich sofort nach Leipzig sagte: hier liegt entweder eine große stilistische Entgleisung oder eine große politische Entgleisung vor. Bald, ich glaube, eine Woche danach. fand der tschechoslowakische Parteitag statt: Dieselben Formulierungen der Demokratie; es war schon klar, dass Brandler sich mit denen vereinigt hat.

Mein Fehler besteht darin, dass ich die Sache nicht ausgekämpft habe. Man sagte sich: abwerten, ist noch neu, kann vielleicht auf friedlichem Wege ausgekämpft werden.

Also der Schrei über das “Pseudonym”, die Leipziger Beschlüsse, dann die Beschlüsse in der Tschechoslowakei, das waren opportunistische Entgleisungen. Das muss man offen sehen und gutmachen. Anders werden wir die Partei verderben.

Was ist die Einheitsfront? In den Thesen, die das Politbüro unserer russischen Partei beantragt, sagen wir: Die Einheitsfront ist eine Methode der Revolution, nicht der Evolution, eine Methode der Agitation und Mobilisierung der Massen in der gegebenen Epoche gegen die Sozialdemokratie, nicht mehr. Wer da glaubt, sie ist etwas mehr, der gibt sofort schon einen Finger dem Teufel. Sie ist nichts mehr und hat nicht mehr zu sein. Wer aber anders glaubt, der macht sofort der konterrevolutionären Sozialdemokratie eine Konzession. Das muss jetzt bis zu Ende ausgekämpft werden.

Nun, Genossen, jetzt müssen wir die Frage auskämpfen, nicht national, sondern international. Ich stehe vollkommen auf dem Boden des 4. Kongresses, vollkommen. Was sagte er? Nicht jede Arbeiterregierung ist eine proletarische Regierung. Sehen Sie die Lage, wie sie jetzt ist. In ein paar Tagen werden wir in England eine Regierung Macdonald haben. Das ist eine Arbeiterregierung.

(Zwischenrufe: Nein!)

Doch, oder Sie sind gegen die Beschlüsse des 4. Kongresses. Wir haben auf dem 4. Kongress sogar den Fall Australien zitiert. Vergleichen Sie Sachsen und Macdonald. Sachsen ist eine Kleinigkeit dagegen, aber am Vorabend der proletarischen Revolution in Deutschland ist das eine große Episode. Vergleichen Sie beides. Was zeigt sich? Entweder ist die Arbeiterregierung ein Pseudonym der proletarischen Diktatur, oder sie ist das, was die Macdonald Regierung sein wird, die eine Scheidemann-Regierung in englischer Übersetzung sein wird. Es ist trotzdem ein großes historisches Ereignis. Der englische Arbeiter fühlt sich so, als ob er an die Macht geht, und dennoch wird das eine Scheidemann-Regierung in englischer Übersetzung sein. In Sachsen, was war da? Es war, objektiv gesprochen, ein Versuch der Kommunisten, zusammen mit den Sozialdemokraten zu marschieren, und objektiv ist das zu einem banalen Kuddelmuddel geworden.

Gestern hat Genossin Fischer vollkommen mit Recht daran erinnert, wie während des 4. Kongresses die Mitteilung vom Eintritt von Kommunisten in die sächsische Regierung kam.

(Zwischenruf: Wurde abgelehnt.)

Schön, in Deutschland abgelehnt. Die autoritative Vertretung der Partei war in Moskau, etwa 20 Genossen, darunter Thalheimer, Meyer usw. Sie waren für den Eintritt, das ist Tatsache. Wir haben einen Abend mit ihnen kämpfen müssen und haben in der russischen Parteileitung damals, Lenin und Trotzki und alle anderen, einstimmig beschlossen, wir können das nicht, das wird Opportunismus sein. Warum? Ich war und bin der Meinung; in dem Moment, wo wir in diese Regierung eintreten, verlieren wir nicht nur die praktische Möglichkeit. die Losung agitatorisch auszunutzen; wir nehmen das als Pseudonym der proletarischen Diktatur, aber in dem Moment, wo es zustande kommt, ist es ein Schlag sogar gegen die agitatorische Ausnutzung der Losung.

Das war auch bei der Einheitsfront so. Sie werden sich erinnern, als wir die Einheitsfront beschlossen haben, — es kam die Idee der Exekutiven der drei Internationalen. Ich war der Meinung, dass wir das möglichst verschieben sollten, weil in dem Moment, wo wir zusammenkommen, das schon ein Schlag gegen die Einheitsfront ist. Nichts kommt heraus; entweder werden wir Konzessionen an die Sozialdemokratie machen, oder nichts wird herauskommen. Dann ist der Anziehungspunkt der Einheitsfront schon verloren. Denn sie ist nichts mehr als eine Agitationsmethode. Man muss verstehen, sie in den verschiedenen Stadien verschieden anzuwenden. Wer da etwas mehr erwartet, steht auf dem Boden der Sozialdemokratie. Genosse Brandler sagte gestern etwas für mich sehr Interessantes: Man muss zugeben, dass sich im Resultat der Anwendung der Einheitsfronttaktik bei der großen Masse die Psychologie herausgebildet hat, die sozusagen eine evolutionistische Theorie ist: Erst kommt die bürgerliche Koalition, dann die sozialdemokratische Regierung mit Unterstützung der Kommunisten, allmählich geht das dann weiter. Ist das wahr, dass sich eine solche Stimmung bei den Massen wirklich herausgebildet hat, dann ist das ein großes Argument gegen die Anwendung der Einheitsfronttaktik bei euch, Genossen.

(Hesse: Brandlers Artikel.)

Es handelt sich hier um etwas Wichtigeres als um den Artikel; nicht nur um die Schuld Brandlers oder der Zentrale; sondern um eine wichtige Tatsache, die wir zu prüfen verstehen müssen.

(Koenen: Solche Stimmung ist nicht da.)

(Thälmann: Sie ist doch da, besonders in Sachsen.)

Brandler hat das als erster festgestellt. An seiner Äußerung ist darum besonders gelegen, weil er doch der Vater der Einheitsfronttaktik in Deutschland war, was nicht ein Vorwurf gegen ihn ist. Wir haben das alle zusammen gemacht. Wenn er jetzt sagt, objektiv, ist das so gekommen, dass die Masse das so verstanden hat, dass sich allmählich eine Regierung aus der anderen entwickelt, wenn das Tatsache ist, so müssen wir zwanzigmal überlegen, wo der Grundfehler war. Ich glaube, nicht bei der Einheitsfronttaktik als solcher, sondern wieder einmal bei der Durchführung. Und das soll man nicht übersehen. Also, man kann hier die Sache nicht so leicht nehmen. Das ist eine Tatsache, die mehr wiegt als alles andere;

So steht, Genossen; die Frage mit der Einheitsfront. Ich glaube, es besteht kein Anlass, sie im Grund zu revidieren. Sie war richtig im Grund und wird richtig bleiben. Es ist dieselbe Sache wie mit dem revolutionären Parlamentarismus. Wir stehen mit beiden Füßen auf seinem Boden. Wie hat man ihn bekämpft! Man kommt und sagt, Bombacci ist ein Narr; in Deutschland ist die Parlamentsfraktion so schwach, in Frankreich auch. Das ist aber keine prinzipielle Stellungnahme. Man muss verstehen, für eine gute Ausführung der Idee zu kämpfen. Sie ist bestimmt dadurch, dass wir eine Minderheit in dar Arbeiterklasse sind und die Sozialdemokratie noch in der Mehrheit ist, dass wir noch im Allgemeinen in der Defensive und nicht in der Offensive sind. Der Kapitalismus ist in der Offensive. Sie ist also zeitlich bestimmt für einige Jahre durch die ganze Lage der kommunistischen Arbeiterbewegung. Aber um diese Idee zu schützen, muss man die schlechte Durchführung dieser Idee schonungslos bekämpfen. Denn, Genossen, der einfache Arbeiter wird sich wirklich die Sache so vorstellen: was ist das für eine Sache, in Frankreich ist sie schlecht gemacht worden, in der Tschechoslowakei, in Deutschland, wo die beste Partei ist, auch. Mancher Arbeiter wird sagen: was ist das für ein schönes Ding, die Einheitsfront, wenn sie in der Wirklichkeit gar nicht schön ist? Darum sagen wir, die Einheitsfront kann nicht eine schöne Idee ohne Fleisch und Blut sein.

Bei diesen Formulierungen, die sich jetzt gegenüberstehen, ist das wichtigste, die Sache jetzt ehrlich bis zu Ende durchzudenken. Ich für meine Partei, die einstimmig im Polit-Büro beschlossen hat, stelle den Antrag: Die Einheitsfront ist nichts anderes als die Methode der Agitation und der Mobilisation der proletarischen Kräfte in dem Zeitabschnitt, in dem wir uns jetzt befinden. Alles andere ist sozialdemokratisch. Und, Genossen, da muss man Farbe bekennen. Es wäre ja nicht so schwer, so eine gummiartige Formel zu finden, da sind wir ja alle Meister drin; einerseits, nicht nur, sondern. Wir machen das nicht mit. Wenn wir eine Minderheit in der Exekutive sind, schön, wir werden allmählich kämpfen, um eine Mehrheit zu werden. Hoffentlich werden wir nicht eine Minderheit sein. Wir müssen die Sache krass aussprechen. Eine Etappe der so genannten Demokratie in Koalition mit den Sozialdemokraten, — ausgeschlossen, wer das mitmachen will, der ist schon mit einem Fuß im Lager der Sozialdemokratie oder vielleicht schon mit beiden Füßen. Um so besser. Wer glaubt, es sei ein politisches Bündnis der Kommunisten mit den Sozialdemokraten möglich, der steht auf dem Standpunkt der Sozialdemokratie, der ist ein wirklicher Zentrist.

Also, Genossen, wir hatten ziemlich schlimme Erfahrungen in Deutschland. Die einzige gute Sache wird sein, dass wir in dieser Sache jetzt Klarheit schaffen werden.

Nun, Genossen, komme ich ein bisschen zur Frage der Sozialdemokratie in Deutschland und im Zusammenhang damit zur Frage des Faschismus, wer gesiegt hat usw.

Gestern sagte Radek, und mit Recht sagte er das, die erste Frage die sich ein Politiker stellt, ist: Wer herrscht in dem und dem Lande, wer herrscht in Deutschland? Aber man soll die Frage auch nicht zu einfach stellen. Er antwortet: Die Faschisten. Ich frage: Wer ist der Mitherrscher in Deutschland? Ich antworte:

Die Sozialdemokratie.

(Brandler: Sehr richtig!)

Ach, das ist sehr richtig? Wir werden sofort die Konsequenzen ziehen.

Seit 1918 herrscht in Deutschland ein Block. Es ist nicht so einfach: es herrscht der Faschismus. Es herrscht ein Block. Die bürgerliche Revolution ist gegen den Willen der Sozialdemokratie gekommen. Die letztere war bis zum letzten Moment für die Monarchie. Die bürgerliche Revolution in Deutschland hat stattgefunden trotz der Sozialdemokratie und gegen sie. Das kenne ich z. B. aus dem Buch von Scheidemann, in dem er sagt: “Als ich von der Revolution gehört habe, war ich nass, und mein Kragen war weich.” Ich habe :ihn für klüger gehalten, als dass er das ausplauderte. Die Sozialdemokratie war gegen die bürgerliche Revolution. Es kam die bürgerliche Revolution. Deutschland hat sich eine sozialistische Republik genannt. Jetzt wollen Sie das Wort Novemberrepublik einbürgern. Ich fragte schon die deutschen Genossen: Ist das Wort wirklich so verbreitet? Ich glaube, wir sind daran interessiert, die alte Terminologie des Marxismus hier anzuwenden. Wo wir sprechen über wissenschaftliche Definitionen, sollen wir die Terminologie des Marxismus nehmen.

Was hatten wir in Deutschland? Eine bürgerliche Demokratie. Sie unterscheidet sich sehr von der französischen, der amerikanischen, der schweizerischen, aber der Typus ist derselbe. Während fünf Jahren dieser bürgerlichen Demokratie hat die Sozialdemokratie alles getan, um allmählich die ganze Macht oder den größten Teil der Macht der Bourgeoisie zu übergehen. Es regierte in Deutschland ein Block. In diesem hat sich jetzt ein bisschen das Kräfteverhältnis geändert. Das ist eine Tatsache. Ein bisschen, Genossen. Ach, wie Sie so leicht vergessen. Sie sagen, jetzt ist es etwas ganz anderes, man verbietet die Kommunistische Partei, und Noske hat die Kommunistische Partei nicht verboten.

(Walcher: Das ist ja jetzt viel besser.)

Schön. Man muss unter die Lupe nehmen, wer der Mitherrscher in Deutschland ist. Die Sozialdemokratie. Ist Severing nicht Minister? Severing ist Mithelfer.

Was bedeutet das? Auch jetzt haben wir dort einen Block. Ebert ist Präsident, aber das ist nicht so wichtig. Wir wissen, dass Tausende und Zehntausende Sozialdemokraten ein Amt haben. Sie sitzen im Apparat, sie haben etwas zu verteidigen. Um ganz genau zu sprechen: es ist nicht so einfach, dass der Faschismus herrscht, sondern die Sozialdemokratie ist Mitherrscher. Es ist ein Block. Und darum fällt diese ganze Formel, dass der Faschismus die Novemberrepublik besiegt habe. Nichts ist daran richtig. Wenn man sie unter die Lupe nimmt, dann zerfließt sie. Erstens, ist Novemberrepublik richtig. Wenn Sie Marxist sind, müssen Sie sagen: bürgerliche Demokratie. Haben wir jetzt ein prinzipiell anderes System? Nein, die bürgerliche Demokratie herrscht, es ist ungefähr dasselbe wie in Frankreich. Glauben Sie, dass in Frankreich nicht die Generale herrschen? Zweitens, man kann nicht die Republik besiegen, ohne die Arbeiterklasse zu besiegen. Das ist eine literarische Floskel oder ein Opportunismus, wieder mal wie in Leipzig; besser schon, wenn das eine literarische Floskel wäre.

Warum ist das politisch schädlich? Daraus entfließt eine unrichtige Einschätzung der Sozialdemokratie, die doch die wichtigste Frage bei uns ist, wird eine neue Entgleisung bei uns jetzt kommen. Wenn es richtig ist, dass die Sozialdemokratie jetzt besiegt ist, so folgt daraus eine Annäherung an die Sozialdemokratie. Genosse Arvid schrieb in einem Briefe mit der Geste der Naivität: Warum benutzen wir diese Formel? Darum, weil man nur aus dieser Formel herausziehen kann, warum wir jetzt auf Teillosungen und Teilkämpfe verzichten. Aber, Genossen, hier ist doch alles auf den Kopf gestellt. Um es sich bequem zu machen, auf die Teilforderungen zu verzichten, konstruiert. man eine unrichtige Terminologie. Niemand kann das widerlegen: wenn es richtig ist, dass die Sozialdemokratie besiegt ist, dann folgt daraus eine Annäherung an die Sozialdemokratie. Das hat uns Marx gelehrt noch im Kommunistischen Manifest: wenn hier Reaktion, hier Kleinbürgertum, das schwankt, so müssen wir mit dem letzteren gehen. Aber in Deutschland ist tatsächlich die Lage anders: Es herrscht die Reaktion und es herrscht mit die Sozialdemokratie. Beide müssen wir bekämpfen. Aus Ihrer Terminologie fließt aber eine ganz andere.

Man fordert von dem berühmten Sieg des Faschismus alles, ohne wirklich marxistisch die Frage zu stellen: wer ist an der Macht, welchen Block von Kräften haben wir, und wie ist die Rolle der Sozialdemokratie? Man stellte die Sache so dar, als ob jetzt wirklich eine ganze Änderung der Sozialdemokratie eingetreten ist, der Sozialdemokratie, die seit 1920 immer wieder denselben Eiertanz durchgemacht hat. Die Leute sind zu elastisch, nicht im persönlichen Sinne des Wortes, sondern vom Klassenkampfstandpunkt aus. Sie sind eben das Kleinbürgertum, und das Wesen dessen besteht eben darin, dass es schwankt, bald so, bald so. Zwanzigmal noch wird eine Umstellung kommen, und objektiv ist das doch ein Block der Sozialdemokratie und des Faschismus.

So ist die Lage. Wir müssen die Nuancierung der Taktik in Deutschland fordern, weil die Sozialdemokratie, das ist jetzt schon vollkommen klar, ein faschistischer Flügel geworden ist. Es ist eine faschistische Sozialdemokratie. Daraus folgt die Modifizierung unserer Taktik.

(Walcher: Das haben wir gesagt.)

Nein, das habt Ihr nicht gesagt. Ihr schimpft auf sie, aber sie der Arbeiterschaft marxistisch zu erklären, das versteht Ihr noch nicht. Beschimpfen ist doch sehr leicht: “Handlanger der Bourgeoisie”, “von dieser in den Sattel gesetzt” usw. Die Sozialdemokratie war gar nicht besiegt, sie ist ein Bestandteil dieser Sache, und die ganze internationale Sozialdemokratie entwickelt sich so auf diesem Wege. Wir sehen das. Was sind Pilsudski und die anderen? Faschistische Sozialdemokraten, Waren sie das vor zehn Jahren? Nein. Selbst verständlich in nuce waren sie schon damals faschistisch. Aber eben, weil wir in der Epoche der Revolution leben, werden sie jetzt zu Faschisten. Was ist die italienische Sozialdemokratie? Es ist ein Flügel der Faschisten. Turati ist ein faschistischer Sozialdemokrat. Konnte man das vor 5 Jahren behaupten. Nein. Erinnern Sie sich der Gruppe der Akademiker, die sich allmählich zu einer bürgerlichen Kraft entwickelt haben. Die italienische Sozialdemokratie ist jetzt eine faschistische Sozialdemokratie. Nehmen Sie Turati, d'Aragona oder die jetzigen bulgarischen Regierungs-Sozialisten. Es waren Opportunisten, aber konnte man vor zehn Jahren sagen, dass sie faschistische Sozialdemokraten seien? Nein, das wäre damals dumm gewesen. Jetzt sind sie es. Sie sagen aber noch immer: wir sind von der II. Internationale, wir sind Sozialdemokraten. Man muss doch verstehen, zu begreifen, was vor sich geht, nicht nur, die Sozialdemokratie beschimpfen. Einerseits Macdonald, Vorsitzender der II. Internationale, geht an die Macht; die englische Bourgeoisie bittet ihn: bitte schön, du sollst regieren. Gewiss, es ist ein Beweis der Schwäche der Bourgeoisie, die Arbeiterschaft wächst, ist ein Faktor geworden; aber es ist auch ein Beweis, was die Sozialdemokratie geworden ist. Die englische Bourgeoisie setzt jetzt den Präsidenten der II. Internationale in den Sattel.

Man kann Macdonald beschimpfen: Du bist ein Verräter, ein Handlanger der Bourgeoisie. Aber man soll doch verstehen, in welchem Zeitabschnitt wir leben. Die internationale Sozialdemokratie ist jetzt zu einem Flügel des Faschismus geworden. Das soll man den deutschen Arbeitern erklären. Das ist doch eine ganz andere Auffassung. In der Politik und Agitation wird das ein ganz anderer Ausgangspunkt sein, durch solche Lichtstrahlen wird das ganz anders beleuchtet. Wenn Sie kommen und sagen, das ist ein Sieg des Faschismus über die Novemberrepublik, ohne ein Sieg über die Arbeiterklasse zu sein, so ist das entweder Unsinn oder Opportunismus, weiter nichts. Das ist ein Opportunismus, und man hilft sich nicht damit, dass man auf drei Seiten die Leute beschimpft. Nein, nicht das braucht die Arbeiterklasse. Das, was sie braucht,. habt Ihr nicht getan, das habt Ihr versäumt. Darum ist die Resolution des Reichsausschusses absolut unrichtig. Es war der. erste Weg, den Weg zu tasten. Wir wären Formalisten, wenn wir jetzt sagen würden: einen Strick um den Hals der Zentrale, sie hat eine unrichtige Resolution angenommen. Es war der erste Versuch, zu tasten, was geschehen war.

Da müssen wir schon klar eine andere Auffassung geben. Diese erste Auffassung war unrichtig. Ihr werdet sie niemals vor der Internationale verteidigen können. Die Internationale, wenn sie objektiv sich an die Arbeit setzt, und objektiv diese Resolution unter die Lupe nimmt, wird sagen: unrichtig. Es ist ein Artikel von Radek und nicht eine Resolution der Partei.

Ich schrieb einen Artikel über Koltschak, der, wie ich glaube. viel richtiger ist als der Artikel Radeks, den Sie zum Beschluss erhoben haben.

(Scholem: Wir haben ihn verbreitet.)

Ich danke Ihnen, Walcher sagt, das charakterisiert den Artikel. Ich fürchte das absolut nicht. Die Genossen sind ein Teil der Internationale,

(Maslow: Und kein schlechter!)

und nicht der schlechteste; sie machen Fehler und übertreiben, aber sie haben im Kerne recht. Also ich schäme mich gar nicht, dass die Berliner Arbeiter und Genossen den Artikel verbreitet haben.

Aber was hat die Redaktion Eures Zentralorgans gemacht? Sie hat eine Anmerkung der Redaktion veröffentlicht, die in der Tat ein neuer Artikel von Radek ist. Ihr habt das Recht dazu, aber dann habt Ihr nicht das Recht, zu sagen: Wo ist die Rechte, wo sind die Nuancen? Die Rechte ist diejenige, die diese Anmerkung geschrieben hat, verbreitet hat.

Sie ist aber eine Minderheit, Nachdem die Internationale beschließen wird; wird sie wahrscheinlich noch eine kleinere Minderheit werden. Wir sind fest überzeugt, dass wir doch zusammen gehören. Aber die rechte Tendenz gibt es bei Euch. Wenn Sie die Leipziger Beschlüsse, das Geschrei über das Pseudonym, diese Resolution des Reichsausschusses, die Ausführung in Sachsen, den Radekschen Artikel, der bei Euch als Anmerkung der Redaktion abgedruckt ist, nehmen, so ist das für jeden Politiker genug, um zu sagen, es ist ein unrichtiges System.

(Radek: System jedenfalls, aber ob unrichtig? …)

Dieses System ist menschewistisch.

Was ist Menschewismus, Oft sagt man, Radek ist ein Menschewik. Nein, keinesfalls. Er ist selbstverständlich ein, Bolschewik. Aber er macht manchmal Fehler menschewistischer Natur. Wäre er ein Menschewik und ich ein Bolschewik, so hätten wir uns sicher ganz anders bekämpft. So, Genossen, ist die Sache, Radek sagt, Sinowjew hätte Recht, wenn es wirklich in Deutschland auch so wäre, wie damals in Russland. Nun, Genossen, Ihr als Ausländer seid nicht verpflichtet, alle diese Politiker zu kennen. Aber Radek sollte doch dazu verpflichtet sein. Nicht nur um die Menschewiki handelt es sich; außer diesen gab es noch Puriskewitsch. Es war der russische Hitler. Es war eine große Bewegung, stockreaktionär, Schwarze Hunderte, wie wir sie damals nannten, es war eigentlich der russische Faschismus, mit großer sozialer Demagogie. Die Schwarzen Hunderte sind von dieser Partei gebildet worden. Sie war eine Stütze der Monarchie. Und sie hatte Abteilungen fast in jedem Dorf, — wissen Sie das, Genosse Radek? — in jeder Stadt.

(Piatnizki: Und auch Arbeiter.)

Die kleinen Leute, z. B. die Hauswächter, Frauen aus der Arbeitermasse, das war alles bei diesen Leuten. Teilweise nutzten sie die Religion aus. Es war gewissermaßen eine revolutionäre Volksbewegung mit großer Demagogie gegen die Juden. Es war eine große Bewegung, die nicht nur Grundbesitzer hatte, nicht nur den Adel, sondern Zehntausende von den Massen. Sie hatte die kleinen Leute, hatte im Dorfe, in der Stadt überall ihre Leute. Also wenn Sie schon diesen Vergleich ziehen wollen, so dürfen Sie nicht diese dritte Richtung übersehen. Und das haben Sie übersehen.

(Radek: In Bezug auf das Kleinbürgertum stehe ich vollkommen auf dem Boden dessen, was Sinowjew zitiert hat.)

Radek hat Recht, dass er die Bedeutung des Kleinbürgertums unterstrichen hat. Wir müssen dem Kleinbürgertum helfen. Wir sind Radek darin gefolgt. Das ist gewiss eine der wichtigsten Aufgaben. Eure Versammlungen mit diesen Kleinhändlern, das war gut, das beweist, dass Ihr wirklich Verbindung mit dem Volke habt. Gewiss, diese Aufgabe besteht weiter, und wir müssen verstehen, die kleinbürgerlichen Teile zu gewinnen. Ich habe nicht gehört, dass die Linke dagegen ist, niemals.

(Niemals.)

Aber wenn man in der Resolution des Reichsausschusses einen großen Unterschied zwischen Wittelsbachern und Hohenzollern konstruieren will, so sagen wir, das ist ein Opportunismus. Wenn man auf diese Sache die Politik der Arbeiterklasse aufbauen will, wenn man das mitzählen will als einen der großen, Faktoren in der Revolution, so ist das ein Irrtum.

Worüber stritt sich Lenin mit Martow? Nicht darüber, dass man nicht die Nuancen ausnutzen soll, sondern eben darum, dass Martow, geblendet durch diese feine Untersuchung jeder dieser kleinen Nuancen, die Hauptsache vergessen hat: die Dreiteilung jedes Volkes: Bourgeoisie, Kleinbürgertum, Proletariat. Er war eben Menschewik und sein Beispiel soll abschreckend sein. Man soll das nicht übersehen.

Und dann die Stellungnahme Radeks: Entweder kommunistische Agitationspartei oder kämpfende Partei, rein agitatorische Linie, Sekte oder Massenpartei. Das ist eine sehr schlechte Stellungnahme. Ich sage nicht, dass Radek jetzt auf demselben Boden steht wie Levi. Aber es ist im Allgemeinen derselbe Fehler, derselbe Ausgangspunkt. Der Streit geht eben darum, ob wir eine gute Agitationspartei sein sollen, ob eine kommunistische Agitation oder eine zentristische. Mit diesem Sektengespenst soll man uns nicht kommen. Wir kennen das schon übergenug, Wir sind in Russland eine Massenpartei. Was unseren Parteien fehlt, ist, dass sie nicht eine kommunistische Agitation zu führen verstehen. Nehmen Sie die englische Partei, die französische, die tschechische und die deutsche. Sie verstehen noch nicht, kommunistische, aufrüttelnde Volksagitation zu treiben. Sie fühlen sich noch nicht als Volkstribun. Warum hat uns so das Auftreten unserer besten Leute, wie Heckert, gekränkt? Wir lieben ihn als aufrichtigen Kerl, wir wissen, dass er zur Kommunistischen Internationale aufrichtig steht, mit ihr stirbt. Um so mehr hat es uns gekränkt, dass er sich nicht als Volkstribun gefühlt hat,

(Haben Sie eine seiner Reden gelesen?)

Alles, was möglich war, habe ich gelesen, ich glaube, nicht weniger als Walcher. Wir haben uns nicht kleinsinnig dieses Urteil zusammengestellt. Als wir den Brief abgefasst haben, waren wir alle einstimmig. Und wir haben Dutzende, Berichte gelesen.

(Walcher: Alle haben gesagt: Eine gute kommunistische Rede.)

Vielleicht in normalen Zeiten wäre das eine gute Rede. Aber er hat sich nicht gefühlt als derjenige, den die revolutionäre Welle auf die Schultern der arbeitenden Massen gehoben hat. Nein, das kann man nicht mit dieser Stellungnahme: ich bin dem Landtag verantwortlich, ich stehe auf dem Boden der Verfassung.

(Die Welle fehlte.)

Nein, die Welle war in Leipzig in dem Moment nicht da, aber in Deutschland war sie da im Oktober. Remmele hat erzählt, wie die Massen die ganze Nacht auf der Straße blieben, Lastautomobile beschlagnahmten, wie die Stimmung bei den Frauen war. Genossen, das ist für uns das Wichtigste, wichtiger als Bände von Thesen, die man zusammenschreibt. Dieses Gefühl für die Masse muss man haben. Das Bild, das Remmele nebenbei gibt, das König gibt, das Thälmann oft widerspiegelt, das ist das Wichtigste, das in Deutschland war. Das war am 25, Oktober in Leipzig nicht, aber in Deutschland war es. Wart Ihr das Sprachrohr dieser Stimmung?

Die Massen handeln spontan, aber die Mitglieder des ZK, wie Heckert, handeln nicht spontan. Wenn er Führer ist, muss er fühlen, was jetzt in der Masse ist. Was Thälmann, Remmele, König widerspiegeln, hat man in diesen Ministerreden nicht gefühlt, und das ist für uns das Erschreckende, das Symptom. Wir wollen hier nicht auftreten als Shylocks; Warum habt ihr in 9 Tagen nicht die Waffen gehabt? Das konnte man nicht, das sollte man schnell einsehen. Also die Beschuldigung ist nicht richtig: warum habt ihr in 9 Tagen nicht Revolution nicht gemacht, die Waffen nicht gehabt. Ihr konntet das nicht. Aber warum sich nicht zum leidenschaftlichen Sprachrohr des Volkes machen? Das verstehen wir nicht, das ist ein schlechtes Symptom.

Wir halten dafür, dass der Rückzug während der Chemnitzer Konferenz unvermeidlich war. Es lohnt sich nicht, darüber jetzt zu streiten. Das war wahrscheinlich unvermeidlich, so wie die Lage war. Aber dass man während der sächsischen Sache so gehandelt hat, ist ein Beweis, dass halb bewusste rechte Tendenzen in der Partei herrschen, und dass sie bisher keine genügend organisierte Opposition in der Partei gefunden haben. Wir haben dem nicht genügend opponiert und wir werden dem jetzt mehr opponieren.

Ich komme jetzt zur Parteilage. Offen gesprochen, brauchten wir zehn solcher Leute wie Remmele und Thälmann. Das wäre eine Zentrale, die sollte andere politische und organisatorische Kräfte heranziehen, die ihnen helfen sollen. Das wäre eine Zentrale. Das ist das Beste und Kostbarste, was man in der deutschen Partei hat. Gewiss, ich werde hier nicht die Theorie der schwieligen Faust vortragen. Aber, Genossen, das ist das wichtigste Material, das wir haben. Und der größte Vorwurf gegen die Zentrale besteht darin, dass sie nicht versteht, dieses — sozusagen — Gold der Arbeiterklasse zu verwenden, sondern man streitet sich über Thesen, und jeden Artikel Radeks wird man sofort zum Beschluss erhoben. Ein bisschen zu horchen auf diese Gruppen der Arbeiterschaft, die hier gekennzeichnet werden, das versteht Ihr nicht. Das soll keinesfalls besagen, dass wir ohne Intellektuelle auskommen können. Das wäre Demagogie. Wir brauchen auch alle Genossen aus der Intelligenz. Sie müssen da arbeiten usw. Aber man muss einmal auf eine feste Grundlage kommen.

Was soll jetzt kommen? Es soll eine Umstellung in der Führung kommen. Welche? Dass die gegenwärtige Mehrheit der Zentrale mit der Linken der Partei die Partei regieren soll, mit der Unterstützung und Revision der Kommunistischen Internationale, das ist der Rat, den wir Ihnen geben. Die Polen sagen, wir haben in der deutschen Frage immer eine Mitte gesucht. Die polnische Partei hat niemals einen anderen Vorschlag gemacht. Ihr könnt doch zu jeder Zeit Anträge stellen. Ich glaube nicht, dass es einer solchen Partei wie der polnischen zukommt, wo eine Niederlage eingetreten ist, einfach mit Tränen zu kommen.

(Warski: Nicht mit Tränen.)

Ihr habt den Brief an die KPR beschlossen, ohne uns zu hören. Also Sie nennen das salomonische Politik, ohne etwas vorzuschlagen. Hoffentlich werdet Ihr hier etwas vorschlagen. Der Vorschlag in Ihrem Briefe besteht darin, dass niemand sich streiten soll.

Wir glauben, Genossen, dass wir im Allgemeinen bisher richtig gehandelt haben. Ihr. sagt oft, Maslow und Fischer sind schlecht, Thälmann ist gut. Genossen, ich kenne schon auch die Sachen in unserer Partei. Es gelingt sehr selten auf solche Weise. Ich kenne auch die Arbeiter nicht schlechter als Ihr, sie reagieren am heftigsten gegen solche Trennungsversuche. Es gibt Nuancen zwischen Thälmann und Maslow, politische und auch persönliche. Das ist klar. Thälmann kommt heraus aus dem Herzen der Arbeiterklasse, Maslow kommt von der Intelligenz.

(Walcher: Thälmann hat versucht, in der Zentrale sein Bestes zu geben.)

(Pieck: Er hat versucht, mitzuarbeiten.)

Aber Genossen, wenn Sie glauben, dass man hier so einfach trennen kann, das wird niemandem gelingen. Sie haben Fehler, Maslow und Fischer, wir haben gesagt, man muss hier ein bisschen Geduld haben:

(Pieck: Bis die Partei zersetzt ist.)

Die Partei ist nicht zersetzt und wird nicht zersetzt werden. Radek läuft herum hier in den Studentenversammlungen, die in Moskau diskutieren, — .

(Radek: Rote Professoren.)

ja, schöne rote Professoren —

(Radek Bessere haben wir nicht.)

Genossen, erinnern Sie sich ein bisschen an die Jungen in Deutschland in den neunziger Jahren. Es waren auch Professoren, aber keine roten. — Also in den Studentenversammlungen sagt Radek, die Exekutive und ich speziell haben die deutsche Partei verdorben, zerrissen usw. Ich fürchte diese Beschuldigungen nicht. Eine schöne deutsche Partei wäre das, wenn ich sie von Moskau aus verderben könnte.

(Radek: Ich habe das auch gar nicht behauptet, ich habe gesagt: Sie haben die Zentrale zerschlagen.)

Eine gute Zentrale, die sich zerschlagen lässt,

(Radek: Ja, wenn sie die russische wäre.)

Ich habe niemals die Zentrale zerschlagen.

Es ist eine Tatsache, dass einige Tage nach der Abreise des Vertreters der KI aus Deutschland die Mehrheit der Zentrale eine ziemlich richtige selbständige Linie gefunden hat. Wie habe ich sie zerschlagen? Ich kann konstatieren, ich habe weder ein einziges Wort an Remmele noch an jemand sonst geschrieben, was mein Recht gewesen wäre. Aber es ist eine Tatsache, dass die Zentrale, die man von Moskau aus zerschlagen hat, ungefähr die richtige Linie schon gefunden hat, ohne unser Zutun. Was fehlt dieser Mehrheit der Zentrale noch? Unter uns als Freunden gesagt: Es fehlt ihr die Entschiedenheit, der Wille zur Macht in der Partei. Das muss man haben, um eine Partei zu regieren. Man muss die Auffassung haben: ich habe recht, ich werde meine Partei führen, ich werde sie überzeugen. Die Mehrheit ist noch ein bisschen blutleer. Sie sucht noch in Worten nach solchen Formeln, dass sie Jakob Walcher passen. Er ist uns lieb, selbstverständlich. Wir werden mit ihm zusammen marschieren, aber die revolutionäre Politik der Partei ist uns noch lieber als der Jakob; und für ihn wird es noch gut sein, zu verstehen, dass man nicht so verklausulierte Formeln gebrauchen darf “einerseits, andererseits”. Die Zeit ist vorbei.

Ich glaube. Genossen, wir haben diese Mehrheit der Zentrale. Im Allgemeinen marschieren wir mit ihr. Es muss ein anderes Verhältnis zur Linken geschaffen werden, als Radek und Brandler geschaffen haben. Im Allgemeinen war Radeks Einstellung gegenüber der Linken in der letzten Zeit unrichtig. Er hat sich hier ein bisschen durch sein Temperament leiten lassen und am meisten durch eine falsche Einstellung,

Ihr sagt, die Linke ist nur ein Viertel. Aber man kann ohne dieses Viertel nicht die Partei führen. Ihr sagt: die schlechten Leute in Berlin, die Funktionäre usw. — Genossen, ich stehe an der Spitze der Petersburger Organisation, ich weiß schon, was das heißt, 25—35.000 Arbeiter zu leiten. Das macht man nicht mechanisch, man kann ihnen das nicht aufzwingen.

(Pieck: Maslow.)

Mag Maslow noch so fehlerhaft sein, aber es gibt noch Zehntausende Arbeiter. Ich bin 20 Jahre mit den Petersburger Arbeitern verbunden, aber wenn ich sie zwingen wollte — was glauben Sie, wegen unserer schönen Augen machen sie die große Sache? Das ist nicht ein Zufall, da muss man verstehen, sich abzufinden. Ihr seid im Besitz der Zeitungen und des gesamten Apparats, warum habt Ihr Berlin und Hamburg nicht gewonnen?

Zweitens überschätzen Sie die Rolle der Personen in der Geschichte,

(Radek: Sehr richtig,)

(Pieck: Sie setzen doch immer auf Personen in Deutschland.)

Keinesfalls. Gewiss, wegen der Politik im Oktober; wir glaubten, Brandler verkörpert das am richtigsten; wir waren allgemein der Ansicht: wer wird das machen? Brandler wird das machen. Jetzt glauben wir nicht, dass Brandler nichts mehr machen wird; wir glauben, er wird viel Gutes machen. Wir wissen schon ganz gut, dass man 20 Niederlagen erleidet, bevor man einen Sieg erringt. So schlecht ist die Weltgeschichte eingerichtet. Wir sagen: du hast große Fehler gemacht, zusammen mit uns, auch wir haben Fehler gemacht.

(Brandler: Ich habe Fehler gemacht, aber andere, als Sie meinen.)

Das, was Sie gestern gesagt haben, dass die Masse die Einheitsfronttaktik als evolutionistische Taktik auffasst, weist auf Ihre Entgleisungen hin.

(Brandler: Gibt es eine Taktik ohne Gefahren und Entgleisungen?)

Wissen Sie, was Lenin einmal geschrieben hat? Der Führer ist verantwortlich nicht nur dafür, was er tut, sondern auch dafür, was die Massen tun, die unter seiner Führung stehen. Wenn man nach zwei Jahren jetzt kommt und sagt, die Masse hat diese Stimmung, so ist das für mich ein Beweis dafür, dass da etwas Faules in der Durchführung war.

Der Schluss ist der: Wir müssen eine Umstellung in der Führung haben. Keinesfalls wollen wir einen Kreuzzug gegen die so genannten Rechten anfangen. Wenn man sagt: KAG-Geist, so ist das übertrieben. Übertreibung ist der größte Feind der Genossin Ruth Fischer. Man steht dicht an der Wahrheit, aber die Übertreibung ist schon unwahr.

Die KAGisten-Krise, das gibt zu denken; das muss ich sagen. Als wir alle Euern Brief gelesen haben, wie Ihr tagelang die Sache disputiert habt, die Leute kommen zu Euch mit Petitionen: wie kann man in der Zentrale sozusagen darüber diskutieren, ob man die Partei preisgeben soll oder nicht? Das war auch das Gefühl von Radek.

(Radek: Bis heute.)

Aber die Zentrale hat wochenlang diskutiert, ob man die Partei preisgeben soll. Bis heute hat auch Radek den Eindruck, dass da rechte Tendenzen in der Partei waren. Und jetzt, wenn ich Ihnen den Resolutionsentwurf der russischen Partei vorlese, fragen Sie: Wo sind die rechten Tendenzen? Ist das Brandler, Pieck? Wozu brauchen wir die Namen? Die Tendenzen sind da. Das ist eine Tatsache.

(Pieck: Die liegt an der Entwicklung der Partei; eine Massenpartei, zusammengeheiratet.)

Aber ich spreche nicht von der gesamten Partei, sondern von der Zentrale. In der KAGisten-Krise hat sich die Partei viel besser gehalten als die Zentrale. Die letztere hat beraten, ob sie die Partei preisgeben soll. Das ist für uns ein Beweis, dass nicht alles gesund ist. Wir glauben, dass große sozialdemokratische Überlieferungen da sind, nicht nur in der deutschen Partei, sondern auch in der ganzen Kommunistischen Internationale, weil sie aus der Mitte der II. Internationale gekommen ist. Genossen, unter uns gesprochen, ich sagte einmal zu Lenin vor Jahren: Wenn ich manchmal die Kommunistische Internationale ansehe, so wie sie ist, kann ich noch nicht ganz gewiss sagen, ob wir einmal ohne Krise eine wirkliche Kommunistische Internationale zusammenstellen können. Man hat manchmal das Gefühl, dass es in unseren Reihen noch große Überreste der Sozialdemokratie gibt. Sind wir die Leitung der Kl., um diese Schwäche nicht zu sehen? Auch in unserer Partei hat diese Diskussion gezeigt, dass Überreste der Sozialdemokratie vorhanden sind.

(Radek: Sehr richtig.)

Nicht auf unserer Seite, sondern auf Eurer. Das geht nicht anders. Wir lieben alle die Kommunistische Partei. Ich verstehe schon, das Pieck und Walcher sich aufbäumen und sagen: Unsere Partei soll eine sozialdemokratische sein! Niemals hatten wir, die Russen, das Gefühl, Ihr seid eine sozialdemokratische Partei. Ihr seid eine der besten Sektionen der Kl. trotz alledem.

(Radek: Nicht eine der besten, die beste.)

Aber Überlieferungen sind da.

Noch ein Geheimnis werde ich verraten. Manche der jüngeren Elemente bei Euch, z. B. wie Maslow, haben den Vorteil, dass sie nicht gehemmt sind, durch sozialdemokratische Tradition. Das ist andererseits eine Schwäche, sie sind nicht verwachsen mit den Arbeitern. Maslow persönlich kennt sie gut. Das ist ein Minus, dass sie nicht so gut verwachsen sind, aber gleichzeitig haben sie ein Plus, weil sie nicht mit dem sozialdemokratischen Nachlass kommen.

Ich glaube, wir müssen jetzt im Auge haben: die Partei ist in schwieriger Lage, der Fraktionsgeist muss aufhören; den Sieg zu erreichen, muss man eine einheitliche Führung haben, denn sonst ist der Sieg wirklich unmöglich. Man muss die Lage sehen, wie sie ist. Also, wenn man für die Revolution kämpfen, die Partei retten will, so muss man mit dem Geiste der Passivität, dem Fraktionsgeist usw. aufhören. Wir müssen hier eine Reihe von Fragen prüfen, wie die Gewerkschaftsfrage, die Organisationsfrage, und objektiv entscheiden, und wir müssen wahrscheinlich auch die Abhaltung eines Parteitages beschließen. Ich sage Ihnen ganz offen: wir, die Exekutive und die russische Partei, können jetzt nicht die Verantwortung übernehmen, eine neue Kombination der Parteileitung der KPD zu schaffen. Manchmal kann man das, aber jetzt ist die Lage zu verwickelt. Die Partei muss ihr Gesicht zeigen, so, wie sie ist, welche Führung sie will. Die Kommunistische Internationale kann später intervenieren, aber die Partei muss sprechen. Wenn das zustande kommen soll, darüber müssen wir verhandeln vom Standpunkt der Interessen der Partei aus. Wir sind dafür, dass es ohne fraktionelle Kämpfe geschieht. Wir glauben, die politische Vorbereitung des Parteitags fängt jetzt in Moskau schon an.

Ich glaube, wenn jetzt ein gewisses Zusammenarbeiten der gegenwärtigen Mehrheit der Zentrale mit der Linken auf einer gewissen politischen Marschroute ausgearbeitet wird, so wird das 99 Prozent der Partei hinter sich haben.

(Pieck: Sie haben die Mehrheitsmassen der Partei noch nicht gehört.)

Ihr vertretet sie ja. In dieser Frage des Kräfteverhältnisses der Partei kann man sich am leichtesten irren, das gebe ich zu.

Es gibt jetzt in der Zentrale drei Richtungen: die Mehrheit, die Thesen hier mitgebracht hat, die von Remmele und Koenen vertreten werden, etwas schwach vertreten werden; es gibt hier eine Linke, die Sie kennen, es gibt hier eine Minderheit, die Sie gehört haben.

(Brandler: Wo bleiben Pieck und Walcher?) (Zetkin: Und wo reihen Sie mich ein?)

Seien Sie mir nicht böse. Zu schwierig ist mir der Fall der Genossin Zetkin. Ich brauche kein Wort darüber zu verlieren, dass wir persönlich an ihr hängen. Sie wissen, sie hat den Brief der Exekutive unterzeichnet. Wenn sie auf diesem Boden steht, so — ich liebe und achte sie, aber was kann ich tun, wenn sie für eine andere Linie ist? Ich hoffe, dass Genossin Zetkin mit dieser Mehrheit sein wird.

Genossen, die Zentrale hat einen Entwurf angenommen, der Ihnen bekannt ist. Dann haben wir uns mit der Mehrheit der Delegation zusammengesetzt und haben versucht, einen Entwurf auszuarbeiten. Die Genossen haben mein Projekt umgearbeitet, verbessert, im Allgemeinen ist es derselbe Geist. Die Arbeit in dieser kleinen Kommission — es waren dabei Pieck, Koenen, Remmele — hat gezeigt, dass wir auch mit Pieck zu 99 Prozent zusammen marschieren können. Er war nicht bei der Abstimmung in der Zentrale. Es hat sich dort, etwas Neues ereignet, während ganz kurzer Zeit neue Ereignisse. Pieck war währenddessen hier, und die Arbeit, die wir in den letzten Tagen hier mit ihm zusammen ausgeführt haben, zeigt, dass wir uns mit ihm verständigen können. Wenn trotzdem Schwierigkeiten zwischen ihm und der Linken entstehen, — es ist möglich, Pieck ist leidenschaftlich, wie wir alle, im Kampfe mit den Berlinern lässt er sich manchmal zu Fehlern hinreißen, die ich nicht gutheißen kann.

Ich glaube, unsere Aufgabe besteht darin, hier nicht Strategie zu treiben, nicht mit einem Manöver innerhalb unserer eigenen Partei zu kommen, sondern zu sagen: das ist der Fehler. Wenn Sie sagen: also ist die russische Partei mit den Berliner — nein. Sie ist der Meinung, dass die Einstellung der neuen Mehrheit im Allgemeinen richtig ist. Sie muss eine ehrliche Kooperation mit der Linken schaffen. Der “Bürgerkrieg” muss aufhören, das Ausschleudern dieser Drohungen muss aufhören, die Genossen müssen mit dem Fraktionsgeist aufhören, wenn sie wirklich die Partei retten wollen. Gut (zu der Linken), Ihr habt auch gewaltige Fehler gemacht, das wisst Ihr ja auch. Manchmal sagt man, die Mehrheit vertritt den rückständigen Teil der Arbeiter, und die Mehrheit sagt, die Linke vertritt den ungeduldigen Teil der Arbeiter. Kann man die Revolution ganz ohne diesen rückständigen Teil machen? Und die Rechte sagt: Ungeduld. Es kommt aber der Moment, wo diese Ungeduld das wichtigste ist, was man braucht. Nehmen Sie Thälmann. Nun, offen gesprochen, alle unsere Genossen, die ihn sprechen hören, sagen, wenn man ihn sieht, so hat man das Gefühl, die deutsche Revolution wird einmal kommen. Genossen, also das müssen wir doch haben. Das gehört zueinander, das müssen wir also vereinigen auf der Marschroute, die wir Ihnen vorschlagen.

Was wird die Minderheit machen? Manche, sagen, eine neue Fraktion. Brandler wird wahrscheinlich nicht eine neue Fraktion machen, sondern wird ein bisschen abwarten. Und das wird das Beste sein, was er tun kann, abwarten. Jeder von uns weiß den Genossen Brandler persönlich zu schätzen. Er wird noch große Arbeit in der Partei leisten. Wenn man jetzt kommt und sagt: absägen, abschlachten, und wie alle diese Worte heißen — es ist leichtfertig, es ist nicht das Rechte. Abschlachten brauchen wir nicht.

Ich möchte noch auf die zwei Perspektiven hinweisen. Ich glaube aber, da sind wir jetzt schon fast einig. Wir wissen nicht, wie die Sache weiter gehen wird. Im ersten Entwurf haben wir gesagt, man muss jetzt beide Aussichten haben. In der Frage des Tempos haben wir uns geirrt. Es ist ein Trost, dass Lenin und Marx sich darin auch manchmal geirrt haben. Aber die Einschätzung bleibt richtig. Wenn man sagt: in drei Monaten wird alles kommen — nun, abwarten, ich bin jetzt noch skeptisch. Aber alles hängt doch ab von der Stoßkraft unserer Partei. Wir sagen: wir sind bereit als Kommunistische Internationale, alles Gut und Blut, das wir haben, mit Euch einzusetzen, um die Entwicklung der Dinge möglichst zu beschleunigen. Weitere Ausrüstung, weitere illegale Organisation, weitere Orientierung aller unserer Brudersektionen, der französischen usw. Wir haben einen Brief an die französische Partei abgefasst. Genossin Zetkin, die Mitglied der Kommission war, wird bezeugen, dass die Perspektive in der deutschen Frage die alte ist, d. h. die einer neuen Revolution. Dasselbe werden wir in anderen Sektionen jetzt sagen, auch. hier in Russland alles einsetzen für eine schnelle Entscheidung. Aber als Führer der Partei müssen wir schon jetzt sehen, dass die Gefahr vorhanden ist; dass es langsamer gehen wird. Das müssen wir nach den gemachten Erfahrungen sehen. Wir haben 1905 erst nach anderthalb Jahren klar sagen können, wohin die Reise geht. Lenin hat 1906 dreimal den Aufstand bestimmt, zunächst im Frühling, dann im Spätsommer, nachdem die Bauern die Ernte eingebracht haben usw. Die Menschewisten haben ihn ausgelacht. Aber, das war nicht zum Lachen. Man hat sich geirrt im Tempo; nach anderthalb Jahren sah man, es wird länger dauern. Jetzt hat man die Pflicht, zu visieren, wie die Dinge jetzt liegen, für den Frühling, dann für den Sommer — wir werden sehen, für kurze Zeit.

Wenn wir wirklich einverstanden ‚sind in dieser Sache, wird der heiße Kampf nicht umsonst gewesen sein. Wir haben viele Illusionen verloren und viel realistischen Verstand gewonnen.

Kommission und Beschlussfassung.

Nach der Rede des Gen. Sinowjew wurde in der Sitzung vom 12. Januar vorgeschlagen, von einer weiteren Diskussion im Plenum des Präsidiums abzusehen und eine Kommission zu bilden. Genosse Sinowjew schlug vor, diese Kommission aus Vertretern der Mehrheit (Zentrum) mit der Linken der KPD und einem Vertreter der KI zusammenzusetzen. Diese Kommission sollte danach streben, zu einem gemeinsamen Resolutionsentwurf zu gelangen und auf diese Weise den ersten Versuch einer Zusammenarbeit der Mehrheit und der hinken darstellen.

Um diesen Antrag entspann sich eine Debatte, in der die Genossen Radek, Pieck und Klara Zetkin verlangten, dass auch Vertreter der Rechten und Genosse Radek an der Kommission teil nehmen sollten.

Bei der Abstimmung wurde der Antrag des Genossen Sinowjew mit allen Stimmen gegen die Stimmen der Genossen Radek und Zetkin angenommen. Zu Mitgliedern der Kommission wurden gewählt: Kuusinen, Pieck, Remmele, Koenen, Maslow, Thälmann.

Das Präsidium bestimmte ferner eine Organisations- und eine Gewerkschaftskommission. Der Gewerkschaftskommission gehörten folgende Genossen an: Kolarow, Remmele, Koenen, Fischer, König, Walcher, Tomski, Anzelowitsch. —‚

Der Organisationskommission gehörten als Mitglieder der Organisations-Abteilung des EKKI die Genossen Mitzkewitsch Kapsukas, Piatnitzki und Kuusinen und von den deutschen Genossen Remmele, Koenen, Fischer und Thälmann an.

Die erste Kommission gelangte am 17. Januar zu einem gemeinsamen Entwurf, der der Sitzung des Präsidiums vom 19. Januar vorgelegt wurde. (Siehe die Resolution in der Beilage.).

Bei der Abstimmung über die Resolution als Grundlage stimmten nur die Genossen Radek und Zetkin gegen die Resolution, von den deutschen Genossen noch Brandler und Walcher, der Stimme enthielt sich Pieck.

In der Detailbehandlung machte Genosse Pieck zwei Ergänzungsvorschläge zum Resolutionsentwurf der Kommission. — Erstens sollte folgender Satz hinzugefügt werden:

Die aufgezählten Fehler und Mängel der Partei erklären zur Genüge, warum die KPD im Oktober die Mehrheit der Arbeiterklasse noch nicht fest in der Hand hatte. Unter diesen Umständen war es richtig, dass die KPD dem bewaffneten, entscheidenden Machtkampfe auswich.”

Der Antrag wurde vom Präsidium mit Stimmenmehrheit abgelehnt. Für die Abänderung des Genossen Pieck stimmten vom Präsidium Radek und Klara Zetkin, von der Gesamtzahl der Anwesenden stimmten 11 dafür und 18 dagegen.

Der zweite Ergänzungsvorschlag des Genossen Pieck lautete folgendermaßen:

Die in der KPD vorhandene Opposition hat durch ihre Tätigkeit zweifellos die Aufmerksamkeit für die opportunistischen Gefahren geschärft, sie war jedoch nicht imstande, der Partei eine Politik vorzuschlagen, durch die besser als bisher breite Arbeitermassen für den Kommunismus gewonnen und in revolutionäre Massenkämpfe geführt werden konnten.”

Auch dieser Antrag wurde abgelehnt gegen die Stimmen der Genossen Radek und Zetkin (von der Gesamtzahl der Anwesenden waren 10 dafür, die übrigen dagegen).

Ein Zusatzantrag des Genossen Warski über die Einheitsfront wurde abgelehnt.

Bei der Abstimmung über die gesamte Resolution wurde diese vom Präsidium gegen die Stimmen der Genossen Radek und Zetkin angenommen. Der Vertreter der Kommunistischen Jugend Internationale stimmte dafür. Von den deutschen Genossen stimmten dafür: Remmele, Koenen, Fischer, Maslow, Hesse, Thälmann, König; dagegen: Brandler, Pieck, Walcher, Jannack, Hammer, Eisenberger. Zu seiner Schlusssitzung versammelte sich das Präsidium am 21. Januar. Die vorgelegte Organisationsresolution und die Thesen zur Gewerkschaftsfrage wurden einstimmig angenommen. Nur Genosse Hesse enthielt sich der Stimme zu den Gewerkschaftsthesen.

Bei der Abstimmung über die Instruktion für die Organisation der Betriebszellen in Deutschland stimmten die Genossen Maslow, Fischer, Hesse, König und Thälmann zuerst gegen den 4. Punkt, aber in der Gesamtabstimmung wurden auch diese Instruktionen einstimmig angenommen.

Hierauf nahm Genosse Sinowjew das Wort zu einer Schlusserklärung. Ihm folgten Erklärungen einer Reihe anderer Genossen.

Genosse Sinowjew: Genossen, wir sind am Ende der ganzen Sache. Vielleicht wäre es zweckmäßig, jetzt, wo wir die Gesamtarbeit vor uns haben also nicht nur die politische Resolution, sondern auch die Gewerkschafts-, die organisatorische Resolution-‚ noch eine summarische Abstimmung vorzunehmen, das ganze Ergebnis der Beratungen zur Abstimmung zu stellen. Ich bin der Meinung, dass das zweckmäßig wäre. Ich möchte nur noch vorher ganz kurz einige Worte sagen.

Ich glaube, Genossen, die wichtigste Frage ist, ob wir vor einer absteigenden Welle stehen oder. vor einer aufsteigenden. Gewiss, es ist noch unklar, niemand wird Prophet sein wollen in dieser Lage. Man kann sich dabei leicht irren. Vorbereiten müssen wir uns auf die schlechte Perspektive. Und ich glaube, all unsere Beschlüsse sind eben darum richtig, weil wir auch diese Perspektive im Auge gehabt haben.

Die Resolution hat in manchen Fragen schon volle Klarheit geschaffen, in manchen noch nicht ganz. Z. B. in der Frage der Einheitsfront glaube ich, dass wir schon genügend Klarheit durch sie geschaffen haben. In anderen Fragen, speziell in der Frage der Oktoberkrise, konnten wir noch keine volle Klarheit schaffen. Man sieht jetzt klarer als vor einem Monat, in drei Monaten wird man noch klarer sehen. Die Geister sind aufeinander geplatzt in der Frage, ob der Rückzug absolut notwendig war oder nicht, ob er sich ergab aus der wirklichen Lage, oder ob er eine Schuld war.

Ich verstehe schon, dass in der gegebenen Lage hier die Geister aufeinanderprallen müssen. Aber ich glaube, in unserer Resolution ist auch schon klar gesagt, was zu sagen war. Nicht nur infolge von Fehlern und Schwächen der Partei, sondern auch infolge der Schwäche der Arbeiterklasse war der Rückzug absolut notwendig. Selbstverständlich wird es eine Anzahl von Arbeitern geben, die immer sagen werden: man hat den Moment verpasst.

Was den Fraktionskampf anbetrifft‚ ganz ehrlich gesprochen. weiß ich nicht, ob wir ihn beigelegt haben, oder ob jetzt ein neuer Brand auflodern wird. Ich habe in unserer Parteileitung oft gesehen: man beschließt einstimmig eine Resolution, und dann fängt es an, erst wirklich zu kriseln, und es beginnen Fraktionskämpfe. Ich wünsche aufrichtig, dass das in diesem Falle nicht geschehen möge. Alle Richtungen haben zugelernt, auch die Linke hat manches zuzulernen und manches zugelernt. Was ihre starke Seite war hat man hier erkannt. Ich glaube nicht, dass die Linke sich so einstellen wird. Wenn, jetzt ein Fraktionskampf wirklich kommt, glaube ich, wird in der Lage, die wir jetzt in Deutschland haben, keine Fraktion davon Nutzen haben. Die Arbeitermassen — und wir sind doch eine Massenpartei — wollen jetzt keinen Fraktionskampf haben. Sie sind zu deprimiert durch diesen Rückschlag, die Lage ist zu schwer. Was man jetzt wünscht, ist, nach Anerkennung der Fehler aller Richtungen das, was wir hier als Internationale herausgefunden haben, möglichst schnell im praktischen Leben zu verwerten.

Also will ich nicht prophezeien, ob der Kampf wirklich bei gelegt ist. Nur eins ist klar. Die Fraktion, die ihn jetzt anfängt, wird auch vom fraktionellen Standpunkt aus keinen Vorteil haben.

(Sehr richtig!)

Wir haben hier eine Umstellung gegen rechts vorgenommen, gegen Überreste der Sozialdemokratie in der deutschen Partei. Wir suchen auf diese Weise die Partei zusammenzureißen, wie Ihr es nennt. Nun von den Worten zu den Taten. Wir werden die Sache aufmerksam verfolgen, werden glücklich sein, wenn wir keine Notwendigkeit haben, vor dem Parteitag einzugreifen. Besonders in der Zusammensetzung der Zentrale möchten wir wirklich sehen, was die Partei selbst beschließt. Sie soll sich einmal selbst eine Zentrale geben. Das Material für eine ganz gute Zentrale habt Ihr. Aber selbstverständlich, wenn es nicht geht, so zwar ungern, aber eingreifen werden wir schon. Die ganze Verantwortung werden wir übernehmen, um der Arbeiterklasse Deutschlands einen Richtungskampf zu ersparen. Die Sozialdemokratie ist historisch verloren, ich glaube, das ist ganz klar, in ganz kurzer Zeit. Aber wenn es bei uns wirklich noch einmal anfängt zu kriseln, so würden wir ihr frisches Blut zuführen.

Also, Genossen, wenn Sie es für nützlich halten, so werde ich eine summarische Abstimmung vornehmen.

Bei der Publizierung der politischen Resolution werde ich mir erlauben, eine ganz kurze Einleitung zu schreiben.

Genossin Zetkin: Ich habe im Namen aller Mitglieder der Mehrheitsdelegation eine Erklärung abzugeben.

Wenn eine Abstimmung über die Gesamtarbeit der Kommission hier erfolgt, so sind wir bereit, den drei Thesen zusammen als Ganzes unsere Zustimmung zu geben. Bestimmend für uns ist die Tatsache, dass in den beiden Resolutionen zur Gewerkschaftsfrage und zur Organisationsfrage unsere Auffassung, der Standpunkt der Mehrheit der Partei durchaus zum Ausdruck gekommen ist. Ferner die Erklärung, die Genosse Sinowjew hier abgegeben hat, eine Einleitung zu den Thesen schreiben zu wollen, in der zum Ausdruck kommen soll, wie seiner Meinung nach die Situation ist. Nach seiner Erklärung würde diese Einleitung unserer Auffassung in zwei wichtigen Punkten entgegenkommen. Nämlich durch die Feststellung, dass nach Gen. Sinowjews wiederholt geäußerter Meinung der Rückzug notwendig war, zweitens, dass auch auf der Seite der sog. linken Opposition Fehler begangen worden und große Mängel vorhanden sind. Aus den angeführten Gründen sind wir, wie gesagt, bereit, bei der Gesamtabstimmung dem Gesamtwerk der Kommission zuzustimmen. Selbstverständlich aber, indem wir betreffs der politischen Thesen alle unsere Bedenken aufrechterhalten.

Weshalb haben wir gegen die politische Resolution gestimmt und lehnen sie heute noch ab? Wir sind von der Auffassung geleitet, dass die scharfen Kämpfe, denen die Kommunistische Partei entgegengeht, nicht nur die vollste geschlossene Einheit der Partei verlangen, sondern auch ihre größte Einheitlichkeit und Festigkeit in der Durchführung einer einheitlichen politischen Linie. Wir sind der Ansicht, dass die politischen Thesen nicht die Voraussetzung solcher Festigkeit und Einheitlichkeit schaffen. Und das aus diesem Grunde. In sehr wichtigen Streitfragen, die durch die. Oktoberereignisse aufgerollt worden sind, werden die Meinungen durch die Thesen nicht geklärt, sondern nur durch allgemeine Redewendungen und Phrasen verschleiert. Daher haben wir Bedenken, diesen Thesen zuzustimmen.

Einige Punkte, auf die sich unsere Wertung der Thesen im Einzelnen stützt, will ich hier kurz hervorheben.

Unserer Auffassung nach sind die Ursachen, die den Rückzug herbeigeführt haben, nicht vollständig genug und zum Teil auch nicht richtig und klar angegeben. Das “sächsische Experiment” ist nicht genügend klar herausgestellt worden, nicht nur nach all den Ursachen, die es von vornherein zu einem Fehlschlag machen mussten, sondern auch betreffs der wirklichen Fehler, die dabei vorgekommen sind, und betreffs der Auswirkungen des Experiments als Ganzes nach allen Seiten hin. Wir bemängeln an den Thesen weiter, wie schon durch die von uns gestellten Verbesserungsanträge hervorgehoben worden ist, dass die Thesen von dem Rückzug nur nach dem Muster alter Chronisten sagen: “Es ergab sich”. Genau so, wie in Chroniken erzählt wird: “Es ergab sich einmal, dass ein Mann zwischen Mittag und Morgen und so weiter”.

Aber die Thesen schweigen sich aus über das Wichtigste, die große Streitfrage: war der Rückzug im Interesse der Partei nötig, oder hätte unter allen Umständen der Kampf aufgenommen werden müssen? Diese Frage berühren sie nicht einmal. Wir beanstanden ferner, dass die Thesen sich nicht über die Art der Massenaktionen aussprechen, die meiner persönlichen Meinung nach nicht nur möglich, sondern notwendig gewesen wären. Weiter bemängeln wir an den Thesen, dass in der Frage der Einheitsfront zwar jene scharfe Orientierung gegeben worden ist, die schon der Zentralausschuss in seiner Resolution sehr klar formuliert hat. Nämlich Einheitsfront von unten auf, ohne jedes Verhandeln mit den rechten wie linken Führern der Sozialdemokratie. Jedoch in der vorliegenden Formulierung finden wir eine gewisse Enge und Starrheit, die bewirken kann, dass wir nicht allen konkreten Umständen gerecht werden. Wir wenden uns ebenfalls dagegen, dass in den Thesen nicht ein einziges kritisches Wort über die Fehler, die falschen Einstellungen der so genannten linken Opposition geäußert wird.

Warum bemängeln wir das alles?

Weil unserer Auffassung nach in der Folge die politischen Thesen zwei schwere Gefahrenquellen bilden. Einmal, dass die Parteidiskussion über die umstrittenen Fragen durch die Annahme der Thesen nicht beendet wird, sondern weitergeht; zweitens weil die verschiedenen Sektionen der Kommunistischen Internationale durch diese Thesen kein vollständiges und kein ganz richtiges Bild über die Oktoberereignisse erhalten, über ihre Auswirkungen nach allen Seiten hin und ihre Lehren. Wir erwarten deshalb, Genossen und Genossinnen, ich spreche das offen aus, dass die Sitzung der Er weiterten Exekutive sich mit diesem wichtigen Problem befassen wird, das ja kein anderes ist als die Vorbereitung, Organisation und Durchführung des bewaffneten Aufstandes und wichtiger einzelner Maßnahmen dafür. Wir nehmen als sicher an, dass die Sitzung der Erweiterten Exekutive sich mit dieser bedeutsamen Frage beschäftigen wird, die eine Frage aller kommunistischen Sektionen unserer Internationale ist. Wir hoffen, dass sie die politischen Thesen in manchen Punkten revidieren wird, was ihr nach der weiteren Klärung der Situation und der Streitfragen viel leichter fallen wird als unserer gegenwärtigen Tagung.

Genossen und Genossinnen, obgleich wir unsere Bedenken gegen die politischen Thesen voll aufrecht halten und in einer schriftlichen Erklärung, wie wir schon mitgeteilt haben, begründen werden, weshalb wir die politischen Thesen abgelehnt haben, werden wir doch bei der Gesamtabstimmung alle Thesen als Ganzes annehmen. Das aus der Überzeugung heraus, wie außerordentlich notwendig es ist, dass die Partei ideologisch und organisatorisch ein fest gefügter starker Block sei, ein Block von Granit, an dem sich unsere Gegner die Zähne ausbeißen. Wir brauchen Einheit, Einheitlichkeit und Geschlossenheit. Ich kann versichern, trotz unserer abweichenden Meinungen in einzelnen Fragen sind wir unsererseits bereit, die strengste Disziplin zu halten und die Zentrale bei allen Bemühungen zu unterstützen, die Partei einheitlich und geschlossen auf eine klare politische Linie zu stellen. Wir halten es für unerlässlich, dass die Kommunistische Partei in der Agitation, der Propaganda und bei ihren Aktionen das schärfste, klarste Gesicht als Kommunistische Partei zeigt. Gewiss, es ist notwendig, dass wir jede Spaltung, jede Differenz innerhalb, des bürgerlichen Lagers ausnützen, nicht nur, um uns Bundesgenossen zu schaffen, sondern auch um Gärung, Zersplitterung in die Reihen der Feinde zu tragen und den staatlichen Machtapparat um so schneller zu zerrütten und zu schwächen. Wir sind daher von der Überzeugung erfüllt, dass die Kommunistische Partei als Volkstribun unter den Massen aller Bevölkerungsschichten stehen muss, deren Interessen in steigenden Gegensatz zu der Bourgeoisie und ihren Staat geraten, aber dass sie nun und nimmer zur Volkspartei im üblen und üblichen Sinne des Wortes werden darf. Je mehr sie unter den Massen steht, um so mehr muss sie organisatorisch und ideologisch eine fest gefügte, streng Kommunistische Partei sein. Wenn sie sich verleiten lassen würde, ihr kommunistisches herbes und vielleicht für bürgerliche Schichten abstoßendes Angesicht zu verschleiern, zu schminken, es mit reformistischem Puder zu übertünchen, so würde sie immer mehr von ihrer Kraft verlieren, die Massen zu wecken, zu sammeln und vertrauensvoll unter ihrer Führung zum Kampfe zu bringen.

Weil wir der Ansicht sind, dass mehr wie je im Kampfe die Losung gelten muss: die Massen werden es schaffen, nicht Parteiaktionen allein so wertvoll, so unentbehrlich sie auch sind ‚ sie können niemals Massenaktionen ersetzen, weil wir durchdrungen sind vom Bewusstsein der gewaltigen, welterschütternden und welterneuernden Macht der Massenaktionen, Massenaktionen, befeuert durch die höchste Aktivität der Partei als der Führer der Massen aus diesem Grunde, zu diesem Ziel geben wir bei der Gesamtabstimmung unsere Stimme für die Gesamtarbeit der Sitzung ab.

Gen. Lauer (Polen): Wir werden für die ganzen Resolutionen stimmen. Wir werden später eine schriftliche Erklärung zu Protokoll geben.

Gen. Maslow: Aus der Rede der Genossin Zetkin ist mir manches klar und manches unklar geworden. Es ergab sich, dass einmal ein Mann zwischen Mittag und Morgen gegen die Resolution stimmte und aus bestimmten Gründen jetzt für die Resolution stimmt. Das kommt vor. Als Gründe gibt Genossin Zetkin an: neue Tatbestände. Sind gar keine vorhanden, die Resolution ist genau die, wie sie war. Zweiter Grund: es wurde gesagt, Genosse Sinowjew würde eine Vorrede zu dem Material schreiben, und dieser halb würde man für die Resolution stimmen. Ich nehme das zur Kenntnis, möchte aber den Genossen Sinowjew fragen, ob es den Genossen gestattet ist, prinzipiell für eine Resolution zu stimmen, die sie abgelehnt haben.

Gen. Remmele: Die Genossen in Deutschland, die mich und Koenen entsandt haben, sind der Meinung, dass der Entwurf des Genossen Sinowjew in der Frage‚ der Einheitsfront eine so klare und eindeutige Linie gezogen hat, dass er unter allen Umständen in dieser Frage aufrechterhalten werden muss. Sie wenden sich dagegen, dass in den späteren Thesen, die unter unserer Mitarbeit zustande gekommen sind, diese klare Linie nicht mehr so bestand.

Diese Genossen in Deutschland haben sich mit zwei Problemen beschäftigt, mit dem russischen und mit dem deutschen, und sie sind zu der Auffassung gekommen, dass sowohl in dem russischen wie in dem deutschen die Einstellung des russischen ZK richtig war, und sie unterstützen diese. Aus diesem Grunde wurde Genosse G. herübergeschickt, diese Linie ganz wesentlich zu unterstützen und zu unterstreichen.

Das, was hier als Grundlage angenommen worden ist, als Linie sowohl vom russischen ZK wie von der Exekutive, diese Wendung nach links, werden wir mit aller Kraft nunmehr durch die Betätigung, die wir bereits eingeleitet haben, durch die Parteidiskussion, durch vollständige Klärung mit allen Kräften in Deutschland durchführen.

Gen. Radek: Wir sind als Exekutive nach außen immer einig aufgetreten. Darum stimme ich bei der Gesamtabstimmung en bloc für die Beschlüsse der Exekutive. Genosse Sinowjew hat gesagt, in drei Monaten sehen wir vielleicht die Dinge anders. Das nehme ich für mich in Anspruch. Nach außen halte ich es für eine Pflicht, in den deutschen Dingen die Arbeit der Partei nicht zu erschweren. Und darum stimme ich en bloc dafür.

Gen. O.: Ich muss offen sagen, dass in der Partei jetzt sehr ernst zu allen diesen Fragen Stellung genommen wird. Und zwar nicht nur unter den Funktionären, man nimmt Stellung in den Mitgliederkreisen. Und als wir gestern in der Kommission über die Frage des Parteitags gesprochen haben, haben wir uns das nicht so vor gestellt, dass man etwa die Diskussion abwürgen soll. Es ist zweifellos, dass die deutsche Partei nur dann in der Revolution siegen kann, wenn sie rücksichtslos alle Fragen klärt. Aber es ist auch eine Tatsache, dass heute noch eine Gefahr besteht, dass trotz aller Beschlüsse und trotz der sehr nützlichen Auseinandersetzungen wir in Deutschland doch solche Auseinandersetzungen bekommen, welche uns nicht vorwärts, sondern zurück führen. Die Differenzen in der Partei sind geblieben. Die große Mehrheit der Partei steht auf dem Standpunkt dessen, was man hier Zentrum nennt. Das Zentrum ist unlängst entstanden. Die Genossen hier sind oft und manchmal von ihrem Standpunkt abgewichen. Sie haben sich kristallisiert im Laufe der letzten Wochen. Und es ist kein Zufall, dass in Deutschland alle Genossen der Zentrale, alle Oberleiter, welche auf diesem Standpunkt stehen, viel konsequenter Stellung zu den Thesen genommen haben, als es der Fall in Moskau war. Es ist eine Tatsache, dass keine Schwankung in dieser. Frage war. Die Thesen Radeks und Brandlers wurden abgelehnt. Wir haben die Resolutionen Sinowjews geprüft. Wir hatten Bedenken in drei Punkten; sie sind sachlicher, aber nicht grundsätzlicher Natur.

Die erste Frage war die Frage der Oktoberereignisse. Sie steht in Deutschland viel schärfer als hier. Das ist dort die unmittelbare Frage, die man erklären muss. Wir können nicht jedem Funktionär erklären, wie Genosse Sinowjew es heute hier getan hat: wir können in drei Monaten mehr und in sechs Monaten noch mehr wissen und sagen. Der Funktionär will das heule hören. Der zweite Punkt: wir wollten, in der sächsischen Frage soll gesagt werden, was als parlamentarische Geschichte sich aus der bisherigen Einstellung ergeben hat.

Drittens: die Gewerkschaftsfrage in Verbindung mit der Einheitsfront. Hier ist angenommen, was wir im Wesentlichen wollten.

Das sind die Fragen, die zur Diskussion standen.

In allen anderen Fragen waren wir einverstanden. Den Teil über die SPD fanden wir sehr gut. Es ist doch ganz klar, dass die Mehrheit der Partei diese Stellung zur SPD teilte ohne jede Schwenkung, und dass nicht von diesem Standpunkt aus Gefahren bestehen.

Wenn alle drei Gruppen nach Deutschland gehen mit dem guten Willen und Verstand, dass die deutsche Partei wie Brot und Luft eine Linksschwenkung haben muss.

(Radek: Sehr richtig!)

(Brandler: Sehr richtig!)

(Radek: Brandler sagt, sehr richtig!)

Dass die Thesen bei Sinowjew korrekt formuliert und eine Grundlage zum Kampf sind, wenn sie nicht als Fraktion, Schattierungen und Gruppierungen handeln, wenn alle Gruppierungen bereit sind, auf Grund neuer Tatsachen neue Einstellungen anzunehmen, und wenn wir wirklich verstehen, die Partei politisch zur Höhe zu heben, dann, glaube ich, werden die Ergebnisse der Moskauer Beratungen uns vorwärts bringen.

Die nun durchgeführte Gesamtabstimmung über alle Resolutionen ergab Einstimmigkeit dafür, ohne Gegenstimme und Enthaltungen.

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