Nachwort

Nachwort.

Die Ereignisse jagen einander mit so schwindelerregender Schnelligkeit, dass, ehe noch die Tinte des Manuskriptes getrocknet ist, man bereits neue Tatsachen von ungeheurer Wichtigkeit bewerten muss. Wir können in unserer Broschüre einige sehr wichtige Lehren der letzten Wochen nicht unerwähnt lassen.

Die sächsische Erfahrung. Der Eintritt der Kommunisten in die sächsische Regierung war gedacht als militärisch-politische Episode, mit dem Zweck, für die kämpfende proletarische Avantgarde einen Stützpunkt zu schaffen. Dieses Ziel ist nicht erreicht worden. Die ganze Episode begann einer banalen parlamentarischen Zusammenarbeit der Kommunisten mit den so genannten „linken“ Sozialdemokraten zu ähneln. Um diesen Versuch erfolgreich zu gestalten, hätte man sofort einige Zehntausende Arbeiter bewaffnen müssen. Man hätte die Frage der Nationalisierung der Großindustrie auf die Tagesordnung setzen müssen. Man hätte die Fabrikanten verhaften müssen, die die Arbeiter aussperren. Man hätte sofort die Schaffung von Arbeiterräten in Angriff nehmen müssen. Sofern aber die so genannte „linke“ Sozialdemokratie sich dem widersetzte, hätten wir von den ersten Schritten unserer Tätigkeit an, diese charakterlosen Schmocks erbarmungslos an den Pranger stellen müssen. Das alles geschah nicht. Und darin besteht der große Fehler der Partei. Es bleibt jetzt nur noch übrig, den sächsischen Versuch dazu auszunützen, das währe Wesen der linken Sozialdemokratie endgültig zu entlarven.

Die Taktik der Einheitsfront. Sie ist offenkundig in eine neue Phase eingetreten. Auf diesem Gebiete einfach alte Binsenwahrheiten wiederholen, hieße die Partei in neue politische Niederlagen hineinzerren. Es ist die Zeit gekommen, da unsere Partei offen erklären muss: wir verzichten auf jegliche Verhandlungen mit dem Zentralkomitee der Deutschen Sozialdemokratie und mit der Zentralleitung der Deutschen Gewerkschaften. Wir haben mit den Vertretern der Bourgeoisie über nichts zu reden. Die Herren Ebert, Wels, Severing, Leipart sind ja nichts anderes als Vertreter der konterrevolutionären Bourgeoisie. Einheit von unten herauf — das ist unsere Losung. Die Einheitsfront ist bereits in bedeutendem Maße von unten herauf verwirklicht und lässt sich auch nur gegen die genannten Herren verwirklichen.

Das Verhältnis zu den „linken“ Sozialdemokraten. Wenn Genosse Lenin gegenwärtig in Deutschland tätig wäre, so würde er zweifellos sagen, dass die Hauptfeinde der proletarischen Revolution im gegenwärtigen Entwicklungsstadium gerade die Führer der „linken“ Sozialdemokraten sind. Wie in den Jahren der Krise des Sozialismus (1914-1918) das Kautskyanertum der Hauptfeind des revolutionären Marxismus war, so ist auch gegenwärtig der Hauptfeind der Revolution in Deutschland die „linke“ Sozialdemokratie, die die schmähliche Geschichte der Unabhängigen wiederholt. Die rechten Sozialdemokraten sind offenkundige Verräter. Die Arbeiterklasse ist von ihnen abgerückt und wird von ihnen endgültig abrücken. Die „linken“ Sozialdemokraten dagegen decken durch ihre Phrasen nur die konterrevolutionäre Arbeit der Ebert, Noske und Severing. Unsere Partei muss kategorisch erklären, dass sie auf jegliche Verhandlungen mit den Führern der „linken“ Sozialdemokraten verzichte, solange diese Helden nicht wenigstens den Mut finden, mit der konterrevolutionären Clique der Ebert und Co. zu brechen.

Lokale Verhandlungen sind möglich und notwendig, denn in den örtlichen sozialdemokratischen Organisationen sehen wir einen gewissen Teil ehrlicher Arbeiter, die gegen die Bourgeoisie kämpfen wollen. Wir sind für eine ehrliche Koalition mit jenen Arbeitern, die einen Bruch mit der konterrevolutionären Sozialdemokratie wollen.

Die Hamburger Erfahrung. Ihre Schattenseite besteht darin, dass sie die — organisatorischen Mängel unserer Partei erbarmungslos aufdeckte und deutlich hervorhob, dass vorläufig noch eine elementare technische Ausbildung nicht vorhanden ist. Zugleich hat Hamburg gezeigt, wie reif die Situation für entschiedene Aktionen geworden ist. Hamburg hat gezeigt, dass die Sympathie bedeutender Schichten der Kleinbourgeoisie für das revolutionäre Proletariat gesichert ist. Hamburg hat gezeigt, dass die kommunistischen Arbeiter wie Löwen zu kämpfen verstehen und dass bei entsprechender politischer und technischer Ausbildung der Erfolg keinem Zweifel unterliegen kann.

Die Losung der Schaffung von Arbeiterräten. Auf traurige Gedanken bringt uns die Tatsache, dass in den Tagen des Bestehens der Arbeiterregierung in Sachsen niemand von den Kommunisten an die Schaffung von Räten auch nur gedacht hat. Auch in Hamburg hat vor der Aktion niemand an die Schaffung von Räten gedacht. Wir sehen keine Propaganda des Rätegedankens. Dieses Versäumnis birgt Niederlagen in sich. Es ist Zeit, es ist längst Zeit, eine umfassende Propaganda für die Schaffung von Räten in die Wege zu leiten. Das bedeutet nicht, dass jeder beliebige Moment praktisch für die Schaffung von Räten geeignet sei. Es ist nur dann angebracht, Räte zu schaffen, wenn die Bewegung ihren Höhepunkt erreicht hat. Doch ist es ganz unumgänglich, eine ebenso umfassende Propaganda des Rätegedankens zu beginnen, wie wir sie für die Idee des Generalstreiks begonnen haben. Die Diktatur des Proletariats in Form der Rätemacht ist das A und O unserer Agitation für die nächste und entscheidende Periode.

Die Einheit der Partei. Die proletarische Revolution ist in Deutschland unvermeidlich. Die Hauptfaktoren, die Deutschland vor die Unvermeidlichkeit dieser Revolution gestellt haben, wirken fort. Wenn selbst die Faschisten in ganz Deutschland die Macht ergreifen werden, so werden sie sich nur sehr kurze Zeit mit Hilfe des Weißen Terrors halten. Die übrig bleibende Zeit muss für fieberhafte technische und politische Ausbildung ausgenutzt werden. Nur eines könnte der deutschen Revolution zum Verderben gereichen — Uneinigkeit in den Reihen der Kommunistischen Partei. Teilweise Misserfolge und Niederlagen vergrößern unvermeidlich die Reibungen in den Reihen der Partei. Aber wirklich charakterfeste Revolutionäre und bewusste Kommunisten werden einen solchen Moment niemals als geeignet betrachten, um innerhalb der Partei abzurechnen. Die Einheit innerhalb der KPD muss unter allen Umständen gesichert werden. Alles Übrige wird sich von selbst ergeben.

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