IV. DAS VERMÄCHTNIS VON MARX UND ENGELS UND DIE “NEUE METHODE” DER SOZIALCHAUVINISTEN.

IV. DAS VERMÄCHTNIS VON MARX UND ENGELS UND DIE “NEUE METHODE” DER SOZIALCHAUVINISTEN.

Wie die Sozialchauvinisten auf beiden Seiten die Anschauungen von Marx und Engels auslegen.

Im Zusammenhang mit dem Krieg und dem Zusammenbruch der zweiten Internationale ist auf allen Seiten Interesse geweckt worden für die Anschauungen von Marx und Engels über die internationale Politik im allgemeinen und über das Verhalten der deutschen Sozialdemokraten während des preußisch-französischen Krieges im besonderen. Wer “deutet” jetzt nicht alles die Anschauungen von Marx und Engels! Hier findet man die Auguren der “großen” europäischen Presse; die Philosophen des echt russischen Nationalliberalismus à la Peter Struve; die französischen Sozialisten und Anarchisten (Guillaume, Hervé usw.), die, je schamloser ihr eigenes Verhalten, um so eifriger die Verantwortung für die jetzige Haltung der deutschen Hervés auf den Marxismus und Marx abwälzen; die russischen Marxkritiker mit Gardenin an der Spitze, die unbedingt “beweisen” müssen, dass Marx, wie sie ja “immer behauptet haben” — im Grunde genommen Chauvinist gewesen; endlich auch die extremen Sozialchauvinisten aller Länder (Plechanow, David, Lensch, Quark), die, den Sinn der Ereignisse vollkommen verdrehend, alle Kraft anstrengen, um das verehrte Publikum zu überzeugen, dass sie, wenn sie Südekums und Scheidemanns Ratschläge befolgen, im Grunde genommen nur dem Geist der Marxschen und Engelsschen Traditionen treu bleiben.

Die Deutung der Stellungnahme Marx‘ und Engels‘ in chauvinistischem Sinne ist heute ein Werkzeug des politischen Kampfes geworden. Das ist ein eigenartiger Tribut, der von Seiten der Sozialchauvinisten sans phrases dem Marxismus gezahlt wird. Denn wenn der Marxismus auf die Massen nicht einen so großen Einfluss ausüben würde, dann hätten diese Herrschaften es nicht nötig, an Marx und Engels zu appellieren.

Die Chauvinisten beider Lager betreiben die “Bearbeitung” der Anschauungen von Marx und Engels mit außerordentlichem Eifer.

In der “Frankfurter Zeitung”, einem Blatt von europäischer Bedeutung, behaupteten irgendwelche bezahlte Schreiber auf Grund einzelner aus dem Text herausgerissener Sätze aus Briefen von Marx und Engels, dass diese, obgleich sie nicht in allen Beziehungen “gute Deutsche” waren, doch während des Krieges 1870/71 als echte “Patrioten” und Franzosenfeinde aufgetreten seien.

Diese Version der bürgerlichen Chauvinisten Deutschlands wird von den bürgerlichen Chauvinisten Frankreichs mit Freude aufgegriffen. Die Zeitung “Matin” veröffentlicht eine ganze Artikelserie des nicht unbekannten Herrn Laskim, der sehr ausführlich zu beweisen sucht, dass Marx und Engels sich im Jahre 1870/71 ganz genau so verhielten wie Heine und Südekum jetzt. Und dies ist begreiflich: eine solche Auslegung ist dem deutschen wie dem französischen Bourgeois sehr bequem. Dem Deutschen, um seine Arbeiter im Namen des “Marxismus” zu betrügen und sie auf das französische Proletariat zu hetzen. Dem französischen. um seine Arbeiter zu betrügen und ihren Hass zu schüren gegen die Deutschen, da ja selbst solche “Deutsche” wie Marx und Engels Chauvinisten und Franzosenfresser waren!

Und genau so tun es die Anarchisten, Syndikalisten, Revisionisten, die russischen “Kritiker”, überhaupt alle Gegner des Marxismus die sich Sozialisten nennen.

Den Anarchisten — besonders den patriotischen deutschfeindlichen Anarchisten — ist es sehr erwünscht, die Sache so darzustellen, als ob das jetzige Verhalten der Sozialchauvinisten die logische Folge des Marxismus sei. Der alte Gegner von Marx, James Guillaume, beeilte sich, ein ganzes Buch unter dem Titel “Karl Marx, der Pangermanist” zu veröffentlichen. Indem er Auszüge aus Briefen von Marx und Engels gewissenlos fälscht, ist dieser Anarchochauvinist bemüht, Marx als “Bismarckianer” hinzustellen. Er stellt sich zur Aufgabe — “allen die Augen über diesen Menschen zu öffnen, den nur Blinde als den Begründer der “Internationale” betrachten können”1 Der Kopenhagener Anarchist Schreyer behauptet in seinem Büchlein “Die Sozialdemokratie und der Krieg” das gleiche. Das, was die offizielle deutsche Sozialdemokratie jetzt getan hat, ist — wenn man es noch nicht wissen sollte —‚ die Folge des Marxismus: “in Bezug auf ihre eigenen Prinzipien hat die Sozialdemokratie ehrlich gehandelt”.2 Der russische Sozialrevolutionär Gardenin (Tschernow) veröffentlicht eine Reihe von Artikeln, in denen er behauptet, dass das Verhalten Südekums vollkommen mit dem übereinstimmt, was seinerzeit Marx und Engels verteidigt haben. Und unseren russischen Sozialchauvinisten passt es in den Kram, diese Version Gardenins als richtig zu akzeptieren. “Gardenin hat vollkommen recht, wenn er den Standpunkt Plechanows (Und Südekums! — D. Verf.) über den Krieg als eine konsequente Durchführung der Marxschen Lehren betrachtet,” — schreibt ein Mitarbeiter der Plechanowschen Zeitschrift “Wojna”.3 Dieselbe Auslegung beanspruchen für ihre Zwecke David, Scheidemann und alle deutschen Sozialchauvinisten.

Den zwanzigsten Todestag von Friedrich Engels haben die deutschen Sozialchauvinisten ausgenutzt, um den deutschen Arbeitern wiederum zu versichern, dass kein anderer als dieser große Lehrer der Arbeiterklasse und Mitarbeiter von Karl Marx der Vorkämpfer der jetzigen Kriegspolitik Kolb — Südekum — Scheidemann gewesen sei. (Vergl. z. B. den Artikel des früheren Marxisten Heinrich Cunow “Friedrich Engels‘‘ im chauvinistischen “Hamburger Echo” Nr. 81 vom 5. August 1915.) Wahrlich, nichts mehr ist diesen Dienern der Bourgeoisie heilig, die sich unter einer sozialistischen Maske verbergen. Selbst großen Gräbern gegenüber kennen sie keine Ehrfurcht.

Die sozialchauvinistischen Literaten und Marodeure tun das ihre. Jeder von ihnen “bearbeitet” die Lehren von Marx und Engels so, wie er es für seine Zwecke braucht.

Das Eigenartige besteht darin, dass den Opportunisten und Sozialchauvinisten aller Länder eine solche Auslegung des Marxschen und Engelsschen Standpunkts außerordentlich bequem ist. Sie alle ohne Unterschied der Sprache und der geographischen Lage ihres “Vaterlandes” unterstützen gern die Legende, als seien auch die Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus “ein wenig” Chauvinisten gewesen. Es ist so gekommen, dass nicht nur Plechanow und Cuno, sondern selbst so kleine Renegaten wie Haenisch und Lensch oder so berüchtigte Bourgeois im Sozialistenmantel wie Heine, Quark und Südekum — Leute, die im Kampf gegen den Marxismus Karriere gemacht haben — an allen Straßenecken verkünden, dass sie mit der Politik des 4. August den Traditionen von Marx und Engels treu geblieben. Es ist ein ganzes System ungeheuren Betrugs der Arbeiterklasse alter Länder. Wie die Bourgeoisie mit Betrug arbeitet, indem sie dem Krieg eine “Befreiungsmission” andichtet, ihn einen Kampf für “Kultur” und “Zivilisation” nennt, so üben die Herren “Oboronsy” (die für die Verteidigung des Vaterlandes eintretenden Sozialisten in Russland, D. Ü.) ebenfalls Betrug, indem sie den Marxismus, die Namen von Marx und Engels missbrauchen.

Würden die Marxisten diesen Betrug unaufgedeckt lassen, so würden sie den Verrätern am Sozialismus ihre Sache wesentlich erleichtern Aus diesem Grunde muss hier auf die wirklichen Anschauungen von Marx und Engels ausführlich eingegangen werden. Die Fälschungen, für die die internationalen Führer der Sozialchauvinisten keine Zeit und Mühe scheuen, müssen richtig gestellt werden.

Von besonderer Bedeutung sind die Ansichten von Marx und Engels, die diese während des Krieges 1870/71 äußerten. Aber zuerst müssen wir uns mit einer früheren Epoche beschäftigen.

Der Standpunkt von Marx und Engels im Jahre 1848 und der “Kampf gegen den Zarismus” 1914/16.

Von Beginn seiner politischen Tätigkeit an legte Marx den Fragen der auswärtigen Politik eine ungeheure Bedeutung bei. Seit dem Jahre 1848 betonte er den Demokraten und Sozialisten gegenüber immer wieder, dass sie die Fragen der internationalen Politik gründlich studieren müssten. Die Geschichte der französischen Revolution hatte Marx gelehrt, wie innig die innere und äußere Politik miteinander verbunden sind. Um revolutionäre Errungenschaften zu sichern, muss dem alten Regime seine letzte Waffe — die internationale Politik — entrissen werden. In diesem Sinne trieb Marx Propaganda unter seinen Anhängern.

Die Revolution 1848 betrachtete Marx von Anfang an vom Standpunkte der internationalen, europäischen Umwälzung. Die “Neue Rheinische Zeitung” — das politische Kampforgan, das Marx unmittelbar leitete — tritt daher vor die deutsche Demokratie mit einem umfangreichen Programm der internationalen Politik, mit einem grandiosen Plan einer Neugestaltung Europas.

Dieses Programm forderte ein freies Polen, ein freies Deutschland, ein freies Ungarn. Gleichzeitig lehnte es den Panslavismus ganz entschieden ab, — sogar in der revolutionären Ausdrucksweise, die Bakunin ihm zu geben bemüht war. Im Panslawismus sah Marx mit Recht bewusste oder unbewusste reaktionäre Bestrebungen, die objektiv gegen die freiheitlichen Bestrebungen der europäischen Völker gerichtet waren, und die — was die Hauptsache war — von den Regierungen zu reaktionären Zwecken ausgenutzt wurden. Das einzige der slawischen Völker, das um jener Zeit von revolutionärem Geist berührt war — die Polen — stand dem Panslawismus feindlich gegenüber. Dies betonte die “Neue Rheinische Zeitung” immer wieder.

Die Zeitung griff die Slawen leidenschaftlich an, weil sie an der revolutionären Bewegung des Jahres 1848 nirgends ernsten Anteil nahmen. Während die Franzosen, Deutschen, Italiener, Polen, Ungarn das Banner der Revolution erhoben, stellten sich die Slawen fast überall unter die Fahne der Konterrevolution. Allen voran — die Südslaven, die schon vor vielen Jahren ihre konterrevolutionären Bestrebungen gegen die Ungarn verteidigt hatten, dann die Tschechen und hinter ihnen in Kriegsausrüstung, bereit, im entscheidenden Moment auf dem Schlachtfelde zu erscheinen — die Russen.

Als im Juni 1848 in Prag der Aufstand ausbrach, da stellte — sich die “Neue Rheinische Zeitung” sofort auf die Seite der Tschechen in Böhmen — ebenso wie sie für die Polen in Posen und die Italiener in der Lombardei Partei ergriffen hatte. Aber gegen das damalige Russland, die Hauptstütze der internationalen Reaktion, führte das Blatt einen hartnäckigen Kampf. Marx forderte direkt den Angriffskrieg gegen Russland, da er der Ansicht war, dass ein solcher Angriffskrieg — im diplomatischen Sinne — im historischen Sinne ein gerechter Verteidigungskrieg gewesen wäre.

Die deutsche Demokratie war fest überzeugt, dass es unbedingt zu einem Kriege mit Russland kommen würde — die “Neue Rheinische Zeitung” erinnerte dauernd an die Gefahren, die der deutschen Demokratie von Seiten der russischen Regierung drohten. Im Juni 1848 ertönte der Ruf: “Russland steht vor den Toren Thorns!” Und wirklich, wie es nach drei Jahrzehnten bekannt wurde, hatte Nikolaus I. zu jener Zeit der preußischen Reaktion die Hilfe der russischen Armee zur Unterdrückung der deutschen Revolution angeboten. Und kaum ein Jahr nach diesen Ereignissen, während der ungarischen Revolution, erdreistete sich bekanntlich der russische Zar, zur Niederringung der Revolutionäre seine Regimenter nach Ungarn zu schicken.

Die Traditionen der französischen Revolution fortsetzend, schlagen Marx und die “Neue Rheinische Zeitung” für Deutschland dasselbe Programm der “revolutionären Propaganda” vor, das die französische Demokratie in der revolutionären Periode des Krieges aufgestellt hat. Zur Sicherung der französischen Republik war es notwendig, das Banner der Rebellion in allen monarchistischen Ländern Europas zu erheben, um die Befreiung der Völker und Niederringung der tyrannischen Regierungen zu fördern, — selbst wenn dazu ein Krieg erforderlich war.

Marx hatte die feste Überzeugung — und dies mit vollem Grund — dass, wenn in Deutschland die Revolution siegte, man unbedingt mit einem Überfall von Seiten des reaktionären Russland rechnen musste, und dass es ihr nicht gelungen wäre, ihre Siege innerhalb des Landes zu sichern, ohne gegen Russland Krieg zu führen. Aus diesem Grunde schlug er der deutschen Demokratie die “französische” Methode vor — natürlich den eigenen Verhältnissen angepasst.

Nur der Krieg mit Russland ist ein Krieg des revolutionären Deutschland,” schrieb Marx in der “Neuen Rheinischen Zeitung”, — “ein Krieg, worin es die Sünden der Vergangenheit abwaschen, worin es sich ermannen, worin es seine eigenen Autokraten besiegen kann, worin es, wie einem die Ketten langer träger Sklaverei abschüttelnden Volke geziemt, die Propaganda der Zivilisation mit dem Opfer seiner Söhne erkauft und sich nach innen freimacht, indem es nach außen befreit …” Die auswärtige Politik des Blattes sei — nach Engels — einfach gewesen … “Eintreten für jedes revolutionäre Volk. Aufruf zum allgemeinen Kriege des revolutionären Europa gegen den großen Rückhalt der europäischen Reaktion in Russland ... Es war uns klar, dass die Revolution nur einen wirklich furchtbaren Feind hatte — Russland … Gelang es, Deutschland zum Kriege gegen Russland zu bringen, so war es aus mit Habsburg und Hohenzollern, und die Revolution siegte auf der ganzen Linie.”

Es ist klar, dass dies der Standpunkt eines Revolutionärs war, ein Standpunkt, der sich aus den ganzen Verhältnissen jener Zeit ergab. Er enthielt nicht den Schein eines antirussischen oder antislawischen Chauvinismus. Marx hasste die Reaktion im eigenen Land ebenso leidenschaftlich wie die russische Reaktion. Die notwendige Vorbedingung für einen äußeren Krieg gegen die russische Reaktion sah er in der Niederringung der deutschen Reaktion, im Bürgerkriege im eigenen Vaterland. Denn Marx sprach immer vom revolutionären Krieg des revolutionären Deutschland gegen das Russland der Leibeigenschaft, wo das Volk schlief, wo kein Freiheitslüftlein zu verspüren war. Marx anerkannte diesen Krieg als das Recht das eines Deutschland, das seine Tyrannen gestürzt, seine Reaktion besiegt hatte.

Nur die Feder des Herrn Peter Struve konnte über die Stellungnahme von Marx folgende wirklich schamlose Zeilen zustande bringen: “Jeder, der die Tätigkeit von Marx kennt, weiß, dass jede deutsche Angriffspolitik gegenüber dem Slawentum nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch in der Zeit, in der Marx lebte, dessen Anerkennung fand und von ihm gutgeheißen wurde. Die kleinen slawischen Völker (die Tschechen mit einbegriffen) mussten nach seiner Ansicht zum Germanentum absorbiert werden … Die antirussische Politik und, noch mehr, die Feindschaft gegen das Slawentum, dessen freie Vereinigung als “Panslawismus” dargestellt wird, muss als historische Tradition der deutschen Sozialdemokratie betrachtet werden ... Im Jahre 1848/49 wünschte und verlangte Marx den Krieg gegen Russland: er glaubte, dass das revolutionäre Deutschland im Bündnis mit dem revolutionären Polen diesen Krieg führen würde ... 1848/49 wünschte Marx den europäischen Krieg, weil er als Folge davon die soziale Revolution erwartete, ebenso wie Jules Guesde im Jahre 1885 den englisch-russischen Krieg vom gleichen Standpunkte betrachtete … Der prinzipielle Pazifismus lag der Sozialdemokratie stets fern, soweit sie sich auf den orthodoxen Marxismus stützte.”4

In dieser ganzen Tirade ist nur der letzte Satz richtig. -- Ja, es stimmt: Marx und dem Marxismus lag jeder prinzipielle Pazifismus fern. Der Marxismus ist keine pazifistische, sondern eine revolutionäre Lehre. Sie “anerkennt” den Krieg, der den Charakter eines Befreiungskrieges trägt. Die Sozialisten lehnen nicht unbedingt jeden Krieg ab. Schon der große russische Sozialist und Demokrat N. G. Tschernyschewski schrieb seinerzeit, dass solch absolute Urteile unhaltbar seien, er behauptete z. B., dass die Schlacht bei Marathon ein außerordentlich günstiges Ereignis in der Geschichte der Menschheitsentwicklung gewesen sei. Der Marxismus stand “gerechten” nationalen Kriegen, die den Zweck hatten, die feudale Fremdherrschaft und die nationale Zersplitterung zu beseitigen mit Sympathie gegenüber, der Marxismus wird unbedingt Sympathie haben gegenüber dem Krieg eines Landes, in dem der Sozialismus gesiegt hat, wenn zur Sicherung dieses Sieges dieser oder jener äußere Krieg notwendig ist gegen ein Land, das den Kapitalismus erhalten und das sozialistische Regime stürzen will. Marx urteilte im Jahre 1848 nicht als Pazifist, das stimmt, aber er urteilte auch nicht als Chauvinist, nicht als Hasser des Slawentums, nicht wie jemand, der Länder sucht, die “der Germanismus verschlucken könnte”. Marx urteilte als Revolutionär und konsequenter Demokrat.

Die heutigen deutschen Sozialchauvinisten — die geistigen Brüder Struves — haben die eben angeführten Erklärungen von Marx ebenfalls “ausgenutzt”, nur im umgekehrten Sinne. Sie tun so, als wäre Marx tatsächlich deswegen ein Gegner Russlands gewesen. weil er für das “Germanentum”, für die “deutsche Menschheit” eingetreten sei. Bitte sehr: Marx selbst hat ja zum Kriege gegen Russland aufgefordert, im Jahre 1848 hat er diesen Krieg direkt verlangt! “Wir” setzen nur die Tradition von Marx fort, wenn wir jetzt den Krieg gegen das “reaktionäre Russland”, gegen die “russischen Barbaren” unterstützen — so sprechen heute Südekum, Scheidemann & Co. Diese Herren wissen genau, dass im besten Teil des deutschen Proletariats der Hass gegen die russische Reaktion lebendig ist, und diesen edlen Hass des revolutionären Proletariats nutzen sie aus für die Zwecke der Hohenzollernmonarchie. Dazu brauchten sie den Betrug, als würden sie, indem sie nach bestem Wissen und Gewissen den Hohenzollern dienen, damit Marxens Traditionen fortsetzen. Diese Falschmünzer “vergessen nur eine Kleinigkeit: Marx predigte den Krieg des revolutionären Deutschland gegen das reaktionäre Russland, in dem noch die Leibeigenschaft herrschte. Die Vorbedingung für diesen Krieg sah er im Sieg der deutschen Revolution über den deutschen Absolutismus und Halbabsolutismus. Die heutige offizielle deutsche Sozialdemokratie aber unterstützt den Krieg des reaktionären imperialistischen Deutschland, in dem die Junker herrschen, einen Krieg, der die Konterrevolution in Deutschland für lange Jahre hinaus stärken muss.

Die heutige offizielle deutsche Sozialdemokratie sieht Marx ungefähr ebenso ähnlich, wie, sagen wir Napoleon III, den revolutionären Mitgliedern des Konvents. Napoleon führte ebenso wie die Mitglieder des Konvents seine Kriege im Namen des französischen Volkes, mit dem Unterschied aber, dass die Mitglieder des Konvents den Krieg betrachteten als Verteidigung des revolutionären Regimes, als Mittel zur Sicherung der Errungenschaften der Revolution gegen reaktionäre Angriffe von Seiten monarchistischer Nachbarstaaten. Napoleon III. dagegen führte Kriege, um sich fremde Völker zu unterwerfen, um den Ruhm des Eroberers zu ernten und dadurch innerhalb des Landes das niedrigste reaktionäre Regime, den Bonapartismus, aufrechtzuerhalten.

Zu welchen Fälschungen der marxistischen Anschauungen die deutschen Sozialchauvinisten nicht gegriffen haben! Einer von ihnen, der gelehrte Herr Cunow, behauptet z. B., dass Marx im Jahre 1848 das Selbstbestimmungsrecht der Völker, d. h. das Recht jedes Volkes auf politische Selbständigkeit abgelehnt hätte.5

Diese Behauptung begründet Cunow mit Marx‘ ablehnender Haltung dem “demokratischen Panslawismus” Bakunins gegenüber. Aber selbst der neue Kautsky hat Herrn Cunow auseinandergesetzt, dass dies mit einer prinzipiellen Ablehnung des Selbstbestimmungsrechts nichts zu tun habe, und dass, wenn Marx — im Eifer seiner revolutionären Empörung — dem damaligen gegenrevolutionären “Slawentum” und dem pseudorevolutionären Panslawismus viel bittere Wahrheiten entgegengeschlendert hatte, dies nicht gleichbedeutend sei mit einer prinzipiellen Ablehnung der politischen Selbständigkeit irgendeines — darunter auch slawischen — Volkes.

Die Wiedergeburt des freien Polen war das Hauptsymbol des Glaubensbekenntnisses der “Neuen Rheinischen Zeitung”. “Solange wir … Polen unterdrücken helfen, solange wir einen Teil von Polen an Deutschland schmieden, solange bleiben wir an Russland und die russische Politik geschmiedet, solange können wir den patriarchalisch-feudalen Absolutismus bei uns selbst nicht gründlich brechen”, schrieb die Marxsche Zeitung. Wie ähnlich klingt das dem, was heute die Herren Südekum und Scheidemann sagen — nicht wahr?

Marx blieb auch hier ein Revolutionär bis in die Fingerspitzen. Die Wiedergeburt Polens war eine unbedingte Notwendigkeit für die Interessen der deutschen Revolution, in deren Entwicklung das russische Ungetüm natürlich ein Hindernis bildete. Im Kampfe gegen Russland musste der polnische Aufstand naturgemäß als erwünschter Verbündeter begrüßt werden. Das revolutionäre Deutschland, der unmittelbare Nachbar Russlands, war an der Befreiung Polens besonders interessiert, und zwar um so mehr, als die preußische Reaktion dadurch gestützt wurde, dass sie einen großen Teil Polens beherrschte.

Auf England setzte Marx im Jahre 1848 — trotz der liberalen Tradition — gar keine Hoffnung. Im Gegenteil, er schrieb von England: “Das Land, das ganze Nationen in seine Proletarier verwandelt, das mit seinen Riesenarmen die ganze Welt umspannt hält, das mit seinem Geld schon einmal die Kosten der europäischen Restauration bestritten hat, in dessen eigenem Schoße die Klassengegensätze sich zur ausgeprägtesten, schamlosesten Form fortgetrieben haben — England scheint der Fels, an dem die Revolutionswogen scheitern, das die neue Gesellschaft schon im Mutterschoße aushungert. England beherrscht den Weltmarkt. Eine Umwälzung der nationalökonomischen Verhältnisse in jedem Lande des europäischen Kontinents, auf dem gesamten europäischen Kontinent ohne England, ist der Sturm in einem Glase Wasser.”

Wollte man Struves Logik anwenden, so müsste man Marx wegen dieser Worte auch einen englandfeindlichen Chauvinisten nennen. (Das tun auch die deutschen Sozialchauvinisten Lensch & Co.) Hat doch Marx gegen die englische Bourgeoisie die gleichen Worte revolutionären Hasses gefunden wie gegen die russischen Reaktionäre!

Marx glaubte, dass jede europäische revolutionäre Bewegung, die vom Geist des französischen Sozialismus erfüllt ist, unbedingt auf die Weltherrschaft Englands stoßen müsse. Eine solche sozialistische Bewegung war aber damals — nach Marxens Ansicht — eine Frage, die auf der Tagesordnung stand. Marx hatte verstanden, dass die Juniniedertage des Pariser Proletariats einen Wendepunkt in der Revolution 1848 bedeutete: Es entstand eine Gefahr, die für alle bürgerlichen Revolutionen in Europa und für alle Nationen, die im Jahre 1848 um ihre Befreiung kämpften, verhängnisvoll werden konnte. Alle Erfolge • der ungarischen Revolution konnten keine Bedeutung haben, wenn der Aufstand des französischen Proletariats sie nicht — unterstützte. Ein siegreicher Aufstand des französischen Proletariats musste aber vor allem den Weltkrieg hervorrufen. In diesem Kriege würde das alte England eine Niederlage erleiden, die chartistische Partei aber die Möglichkeit haben, die Macht zu ergreifen. “Die Chartisten an der Spitze der englischen Regierung — erst mit diesem Augenblicke tritt die soziale Revolution aus dem Reiche der Utopie in das Reich der Wirklichkeit.”

Das ist es, wozu Marx im Jahre 1848 das Proletariat aufrief. Das war das Ziel, das er verfolgte.

Das französische Proletariat besaß aber nicht die Kraft zu einem siegreichen Aufstand und die ungarische Revolution wurde durch slawische Regimenter unterdrückt. In Wien und in Berlin versandete die Bewegung immer mehr. Die deutsche Konterrevolution triumphierte auf der ganzen Linie.

Die revolutionären Hoffnungen von Karl Marx sollten nicht in Erfüllung gehen. Nüchterne Schlauberger hatten die Möglichkeit, über die “revolutionäre Romantik” und die nicht in Erfüllung gegangenen Prophezeiungen von Marx zu hohnlächeln. Aber das, was Marx in jener historischen Zeit predigte, blieb für immer ein unvergessliches Muster der Taktik des großen Revolutionärs und Sehers. Die Profanierung dieser Taktik durch die heutigen sozialchauvinistischen Fälscher der Marxschen Lehren verringert nicht um das mindeste die historischen Verdienste von Karl Marx.

Der Standpunkt von Marx und Engels in den Jahren 1854-1859. Dürfen Marxisten im jetzigen Zeitalter für diese oder jene Mächtekoalition Partei ergreifen?

Der Krimkrieg 1854-1856 hatte die Fragen der Weltpolitik von neuem und mit großer Schärfe auf die Tagesordnung gestellt. Die “Heilige Allianz” der reaktionären Regierungen Russlands, Preußens und Österreichs fiel auseinander. Auf Seiten der Türkei und gegen Russland standen Frankreich und England. Preußen blieb Russland treu, Österreich dagegen wurde untreu und zahlte mit schwarzem Undank für die Hilfe der russischen Regimenter, als es darum gegangen, die ungarische Revolution zu unterdrücken.

Wie standen Marx und Engels zu diesem Krieg? “Gegen das reaktionäre Russland!” — diese Parole stand für Marx unweigerlich fest. Russland war der gefährlichste Gegner einer jeden revolutionären Bewegung in Europa. Das Russland der Leibeigenschaft war der Hauptfeind der internationalen Demokratie.

Marx und Engels und auch Lassalle setzten auf den Krimkrieg die Hoffnung, dass er eine Belebung der revolutionären Bewegungen in Europa hervorrufen würde — eine Hoffnung, die bekanntlich nicht unmittelbar in Erfüllung ging. Aber zwischen Marx und Engels einerseits und Lassalle andererseits zeigten sich hier schon die ersten Meinungsverschiedenheiten. Lassalle glaubte, der Krieg würde zum Auseinanderfallen der Türkei und damit auch Österreichs führen, das Resultat des Auseinanderfallens von Österreich aber würde die Herstellung der deutschen Einheit sein. Lassalle beurteilte die Ereignisse unter dem Gesichtswinkel der nationalen deutschen Interessen. Wird Österreich geschlagen, so wird das Wetteifern zwischen Österreich und Preußen aufhören, und die deutsche nationale Einigung wird erleichtert werden. Marx und Engels dagegen betrachteten die Dinge wie immer vom Standpunkt der allgemeinen internationalen Interessen der europäischen Revolution. Als den Hauptfeind der internationalen Demokratie betrachteten sie das reaktionäre Russland, und darum wünschten sie ihm im Interesse der Freiheit der europäischen Völker die Niederlage. Daraus erklärt sich auch Marx Hass gegen diejenigen Vertreter der europäischen Bourgeoisie, die mit Russland sympathisierten, z. B. Palmerston, in dem Marx einen “russischen Agenten” sah.

Die Meinungsverschiedenheiten zwischen Marx und Lassalle im Jahre 1854 beschränkten sich auf Privatbriefe.6 Anders stand es im Jahre 1859 während des österreich-italienisch-französischen Krieges. Im Grunde genommen waren es dieselben Meinungsverschiedenheiten wie 1854, nur auf einer breiteren Basis und unter komplizierteren Bedingungen.

Wie lagen die Dinge während des Krieges 1859?

Italien war zersplittert und befand sich teilweise unter dem barbarischen Joch des halbabsolutistischen Österreich. Piemont, der Hauptmittelpunkt der damaligen italienischen Bestrebungen, rüstete, indem er sich auf eine breite national-revolutionäre Bewegung in verschiedenen Gegenden des Landes stützte, zum Kriege gegen Österreich, der den Zweck einer Einigung des ganzen italienischen Vaterlandes haben sollte.

Italien kämpfte für eine gerechte und fortschrittliche Sache. Aber es war zu schwach, um allein mit Österreich fertig zu werden, daher war es gezwungen, sich nach Verbündeten umzusehen.

Diese fand Italien in den reaktionären Regierungen Europas, im bonapartistischen Frankreich und in Russland. Neben Napoleon — Gortschakow. Sie beide — Napoleon III. und Gortschakow — wurden geleitet durch eigennützige reaktionäre Motive. Die Befreiung Italiens war für sie nur ein Vorwand. Die russische Diplomatie hatte ihre eigenen Ziele: sie wollte Österreich schwächen, um sich für den während des Krimkrieges geübten Verrat zu rächen. Napoleon III. beabsichtigte, Savoyen und Nizza zu rauben, um sein Prestige innerhalb Frankreichs zu retten.

Dazu kam die Frage der deutschen nationalen Einheit. Die Verbündeten Italiens, Russland und Frankreich, die angeblich bereit waren, für die nationale Einheit Italiens zu kämpfen, führten selber Jahre hindurch einen hartnäckigen Kampf gegen die nationale Einigung Deutschlands. Frankreich und Russland unterdrückten Deutschland Jahrzehnte hindurch und unterstützten seine nationale Zersplitterung mit allen Mitteln. Die Unterstützung dieser Zersplitterung war das Wesen der Politik Napoleons III. Indem er Deutschland in dem hilflosen Zustand halbfeudaler Zersplitterung erhielt, erledigte Napoleon III zwei Fliegen mit einem Schlag: einerseits unterdrückte er die Deutschen, andererseits festigte er sein bonapartistisches Regime innerhalb Frankreichs. Und indem er beides tat, wurde Napoleon zu einer Säule der internationalen Reaktion.

Außerdem zeigte Napoleon III. ganz offen seine Absicht, einen Krieg gegen Deutschland zu unternehmen, sobald er mit Österreich fertig war, nun die Länder am Rhein zu erobern. So entstand die Lage, die sich in folgenden Worten resümierte: Der Rhein muss am Po verteidigt werden.7 (Das Po-Tal war das Hauptschlachtfeld im Kriege der Italiener und Österreicher.) Es war klar, dass ein Krieg zwischen Preußen und Napoleon III. nicht zu umgehen war, was sich später im Jahre 1870 zeigte. Und nun stand die Frage: war es gut, dass im Kriege 1859 Napoleon siegte, dass der Bonapartismus sich mit Ruhmeslorbeer schmückte und damit sich auch die Lage Russlands indirekt besserte? War es nicht besser, Deutschland mischte sich gleich ein?

Lassalle beurteilte die Ereignisse wiederum vom nationalen deutschen Standpunkt. Für ihn war die Frage einfach und leicht lösbar. Für die Deutschen wird die Schwächung Österreichs von Nutzen sein. Mag Österreich geschlagen werden, damit wird eines der Haupthindernisse zur Einigung Deutschlands beseitigt werden. In seiner Broschüre “Der italienische Krieg” schrieb Lassalle: “Und Österreich? Russland ist ein naturwüchsig barbarisches Land, welches von seiner despotischen Regierung soweit zu zivilisieren gesucht wird, als mit ihren despotischen Interessen verträglich ist. Die Barbarei hat hier die Entschuldigung, dass sie nationales Element ist. Ganz anders mit Osterreich Hier vertritt im Gegensatz zu seinen Völkern die Regierung das barbarische Prinzip, künstlich und gewaltsam seine Kulturvölker unter dasselbe beugend … Österreich ist ein reaktionäres Prinzip, in sich selbst fest und konsequent. Darum ist es seit seiner Existenz der gefährlichste Feind aller Freiheitsideen gewesen. Louis Bonaparte ist persönlich ein Despot, ein Tyrann. Aber die Prinzipien, auf die er sein Regiment stützt, die er immer und immer wieder proklamieren muss, sind demokratische…”8

Österreich ist der Feind” — so lautete die Parole Lassalles. Er motiviert seine Haltung auch noch auf andere Weise; er weist darauf hin, dass Italien den gerechtesten und heiligsten Krieg führe, den je ein Volk im Kampfe um seine nationale Unabhängigkeit und seine Existenz geführt hat.

Aber entscheidend ist für ihn das deutsche nationale Element.

Sieht man denn nicht,” schrieb Lassalle, “dass die praktisch-politischen Folgen niemand in höherem, niemand fast in demselben Grade zugute kommen, als eben — Deutschland? Sieht man denn nicht, dass Napoleon … durch diesen Krieg nichts anderes vollbringt, als … die Beseitigung der Schwierigkeiten, an denen die deutsche Revolution von 1848, an denen die deutschen Einheitsbestrebungen zugrunde gingen?

Wenn es irgendeine feststehende Tatsache gibt. so ist es die, dass die deutsche Einheit bisher durch nichts anderes verhindert wurde, als durch den Dualismus von Preußen und Österreich… Die selbständige Weltstellung, welche Österreich, gestützt auf seine außerordentlichen Besitzungen einnimmt, — das ist die notwendige, die durch kein Palliativmittel zu beseitigende Ursache des deutschen Dualismus und der Unmöglichkeit der deutschen Einheit. Mit der Zerstückelung von Österreich fällt das besondere Preußen von selbst … an diesem Tage ist die deutsche Einheit erst durch die reale Machtstellung der Staaten realiter möglich gemacht und damit unvermeidlich geworden.”9

Wir sehen: in Lassalles Stellung spielte der “deutsche” Standpunkt die Hauptrolle. Daraus erklärt sich auch sein unaufrichtiges Wohlwollen Napoleon III. und Russland gegenüber, für das er im “nationalen” Charakter seines Barbarentums eine Rechtfertigung findet. Daraus erklärt sich auch sein Gefühl für Preußen, jenes Mitgefühl, für das Marx die Lassalleaner mit Recht die ‚‚Königlich Preußischen Sozialdemokraten‘‘ nannte.10

So verhielt sich Lassalle.

Anders Marx und Engels. Sie konnten sich nicht auf die Parole “Deutsche Einigung — wenn auch unter Preußens

Führung” beschränken. Der Parole “Für eine großdeutsche Einigung” fügten sie drei andere hinzu: 1. für die revolutionäre Lösung der Frage dieser Einigung und darum — 2. auf jeden Fall - gegen Russland; 3. gegen das Reich Bonapartes.

Die Meinungsverschiedenheiten zwischen Marx und Engels einerseits und Lassalle andererseits lassen sich kurz in zwei Formeln fassen: Gegen Österreich (Lassalle) — gegen Russland (Marx und Engels).

Dabei ist — vom internationalen Standpunkt aus betrachtet das Recht natürlich auf Seiten von Marx und Engels.

Selbstverständlich wünschten auch Marx und Engels von ganzem Herzen die Befreiung und nationale Einigung Italiens. Und aus diesem Grunde war für sie die Wahl der Taktik in einer so außerordentlich komplizierten Situation besonders schwierig. Sie wünschten die Befreiung und Einigung Italiens, aber sie glaubten nicht, dass eine solche Einigung mit Napoleons und Russlands Beistand durchführbar sei. Sie fürchteten, Italien würde vom Regen in die Traufe kommen, aus Österreichs Joch unter das Napoleons. Bekomme Napoleon III. Savoyen, so besitze er den Schlüssel von Italien, schrieb Engels in seiner zweiten Broschüre (1860) “Savoyen, Nizza und der Rhein”. “Savoyen, in der Hand Frankreichs, ist Italien gegenüber ein ausschließlich offensives Werkzeug”.11 Mehr als das! “Die Forderung der Annexion Savoyens an Frankreich‘‘, behauptet Engels, “schließt die Forderung der Annexion der Französischen Schweiz in sich.”12

Marx und Engels fürchteten, dass Italien bei einem Siege Napoleons III. über Österreichs anstatt der Freiheit neue Ketten gewinnen werde, und dass selbst ein Teil der Schweiz vom bonapartistischen Frankreich geraubt werden könne. Und ihre Befürchtungen waren absolut gerechtfertigt. Wäre Napoleon nicht zehn Jahre später von Preußen besiegt worden, so hätte alles eine andere Wendung genommen. Die tatsächliche Einigung Italiens wurde erst möglich nach dem Kriege 1870, als Napoleon III. durch Bismarck besiegt und in Frankreich die Republik erklärt worden war.

Andererseits befürchteten Marx und Engels, wie schon gesagt, dass Napoleon, sobald er Österreich erledigt und Savoyen und Nizza geraubt hätte, seine Regimenter an den Rhein führen, die nationale Einigung Deutschlands für ewige Zeiten unmöglich machen und sein eigenes Regime in Frankreich stärken werde. Daher auch der Zusammenhang, den Engels in seiner Broschüre zwischen Savoyen und Nizza einerseits und dem Rhein andererseits herstellte.

Welches Programm empfahlen also Marx und Engels? Ein unbedingt viel Komplizierteres als das Lassalles, dafür aber ein Programm, durchdrungen von revolutionärem Geist. Sie waren überzeugt, dass auch in Deutschland eine starke national-revolutionäre Bewegung im Anwachsen begriffen war, die Napoleon durch seine Drohungen noch mehr entfachen werde. Sie empfahlen den Revolutionären und Demokraten jener Zeit, diese deutsche nationale Bewegung in die Hände zu nehmen, ihr einen konsequent revolutionären Charakter zu geben, die Reaktion zu beseitigen, so in Preußen wie in Österreich, eine einige großdeutsche Republik zu schaffen, einen Krieg gegen Napoleon III. zu unternehmen (späterhin auch gegen das reaktionäre Russland) den Bonapartismus zu stürzen, dem französischen Volke zu helfen, die Republik zu errichten und auf diese Weise Deutschland und Italien zu befreien und ihnen zur wahrhaften nationalen Einheit zu verhelfen.

Ohne den Sturz Napoleons kann es weder eine nationale Einigung Deutschlands noch Italiens für die Dauer gehen”, sagten Marx und Engels. Und sie hatten Recht; das zeigte der weitere Verlauf der Dinge. Erst nach dem französisch-preußischen Kriege konnte die Einigung Deutschlands erzielt und die Einigung Italiens gesichert werden. Nicht in Erfüllung gegangen sind ihre Hoffnungen auf die Möglichkeit einer mächtigen nationalen Bewegung des deutschen Volkes gegen die russisch-französische Koalition, einer Bewegung, von der sie soviel erhofften, vor allen Dingen für den revolutionären Aufschwung in ganz Europa. Und als sie sahen, dass die Umwälzung, die sie erstrebten, nicht vor sich ging, da nahmen sie die Arbeit auf, die “die Revolution von oben” für sie mit sich brachte. Marx schrieb damals an Engels, dass es lächerlich und dumm wäre, wollte man das Rad der Geschichte zurückdrehen und die italienische Einigung nicht anerkennen, nur weil sie mit Napoleons Hilfe erkämpft worden ist. Lächerlich und dumm wäre es, sagten später Marx und Engels, die deutsche Einigung nicht anerkennen zu wollen, nur weil sie das Werk Bismarcks ist. Aber — solange noch die geringste Hoffnung auf die Möglichkeit einer internationalen revolutionären Lösung der nationalen Frage bestand, forderten Marx und Engels die Arbeiter auf, diesen Weg zu beschreiten, sie lehnten den deutsch-nationalen Standpunkt Lassalles ab, der den Weg des geringsten Widerstandes einschlug.

Es entsprach vollkommen ihrer Haltung, dass Marx und Engels im Jahre 1859 Deutschland aufforderten, sich in den Krieg einzumischen und gegen Napoleon III. zu gehen. Diese Einmischung hätte die Einmischung Russlands hervorgerufen, das mit Napoleon III. Hand in Hand gegangen wäre. Dies gerade wünschten Marx und Engels, denn sie strebten danach, den Krieg 1859 in einen revolutionären Krieg gegen die reaktionäre russisch-französische Koalition umzuwandeln.

Indem sie diesen Krieg propagierten, mussten Marx und Engels die national-revolutionären Leidenschaften entfachen. In seinen Broschüren “Po und Rhein‘‘ und “Savoyen, Nizza und der Rhein” zeichnete Engels13 in grellen Farben die Gefahren, die dem deutschen Volke drohten, wenn es Napoleon III. gelang, seine Regimenter am Rhein aufmarschieren zu lassen und Deutschland noch mehr zu zersplittern. Er entzündete den revolutionären Hass gegen die französisch -russische Koalition und lehrte die deutschen Demokraten, dass man sich verteidigen müsse, wenn man überfallen werde, er weckte in ihnen den revolutionären Stolz und stellte die Behauptung auf, “‚unser Genie‘ wird wieder sein ‚zu attackieren‘”.14

Diese Engelsschen Broschüren werden jetzt von den Sozialchauvinisten besonders ausgenutzt. Wie Diebe kehren sie diese beiden Broschüren von Engels nach allen Seiten um, um diesen oder jenen Satz aus dem historischen Zusammenhang herauszureißen und dann zu sagen: Seht, selbst Engels sagt, man muss sich verteidigen, wenn man überfallen wird usw.

Besonders schamlos benehmen sich in dieser Beziehung die deutschen Sozialchauvinisten Indem sie den revolutionären Charakter dieser Broschüren sorgfältig verhüllen, greifen sie einzelne scharfe Bemerkungen gegen die damalige französisch-russische Koalition aus dem Text heraus und sagen zu den Arbeitern: Ihr seht, Genossen, wie wir die Lehren von Marx und Engels beherzigen, wenn wir euch auffordern, unseren Kaiser gegen das französisch-russische Bündnis zu unterstützen…

Wie schon bemerkt worden ist, haben die deutschen Sozialchauvinisten den Hass gegen die russische Reaktion, der im besten Teil des deutschen Proletariats noch lebt, vollkommen bewusst ausgenutzt. Dazu mussten sie sich aber auf Marx und Engels berufen können.

Diese Betrüger ziehen nur — nur! — das nicht in Betracht, dass der Kampf gegen die französisch-russische Koalition 1859/60 für Marx und Engels nur eine Episode des internationalen revolutionären Kampfes bedeutete, eines Kampfes, der den Absolutismus nicht nur in Frankreich, sondern auch in Deutschland und anderen Ländern niederwerfen sollte. Sie “vergessen”, dass Engels vom bonapartistischen Frankreich und von Russland, in dem noch die Leibeigenschaft herrschte, sprach, von Russland, in dem es nicht nur keine proletarische sondern überhaupt noch keine freiheitliche Massenbewegung gab.15 Sie vergessen, dass das einer Zeit geschrieben wurde. wo von den richtigen Arbeiterparteien, die es 1914 gab, noch keine Rede sein konnte.

Die niedrigen Machenschaften der deutschen Sozialchauvinisten, die mit kühler Berechnung die Namen von Marx und Engels schänden, haben sogar den Zorn Eduard Bernsteins hervorgerufen.16 Als einer der schamlosesten Sozialchauvinisten, der Frankfurter “sozialdemokratische‘‘ Abgeordnete, Herr Quarck, sich auch auf Marx und Engels berief, da antwortete darauf Bernstein mit seinem Artikel “Verfehlte Ausschlachtung der Klassiker des Sozialismus!” Er ist bemüht, seinen Freunden, den Herren Revisionisten und Sozialchauvinisten, ihre Schande vor Augen zu führen und ihnen sehr ausführlich nachzuweisen, dass es ebenso unzulässig sei, einzelne Sätze aus den Werken von Marx und Engels herauszugreifen und ihren Sinn ins Chauvinistische zu drehen, wie es eine Schande ist, aus fremden Taschen Taschentücher zu stehlen … “Man kann in den Schriften unserer Altmeister Wendungen in großer Zahl finden, die, buchstäblich auf die Gegenwart angewandt, sie zu Alldeutschen, Antisemiten und der Himmel weiß was noch stempeln würden. Unter anderen Verhältnissen geschrieben, hatten sie grundverschiedenen Zweck und Sinn.” (Bernstein kann sich — wohl ans Zensurgründen — nicht klarer ausdrücken: er kann das Wichtigste nicht sagen, — dass Marx und Engels zum revolutionären Krieg aufriefen und vor allem dazu aufforderten, die deutsche Reaktion zu stürzen.17

Diesen Standpunkt nahmen 1859/60 Marx und Engels ein, und so wird er von deutschen Pseudo-Marxisten ausgelegt! Und nicht nur von den deutschen. Ihre russischen Brüder machen es nicht anders, z. B. Plechanow, Potressow u. a.

Marx und Engels traten für die Unterstützung “gerechter” nationaler Kriege ein zu einer Zeit, da die Frage der Bildung einheitlicher national-kapitalistischer Staaten und deren Kampf gegen Feudalismus, Absolutismus und Fremdherrschaft auf der Tagesordnung stand. Und damit rechtfertigt der russische Südekum 55 Jahre später den typisch imperialistischen Krieg, in dem von nationaler Befreiung keine Rede sein kann und der auf die direkte Unterdrückung der internationalen Arbeiterbewegung gerichtet ist!

In der Epoche, in der die Frage der Machteroberung durch die Bourgeoisie, der Sieg der Bourgeoisie über die Überlieferungen des Feudalismus auf der Tagesordnung stand, traten Marx und Engels während der Kriege für den Sieg dieser oder jener Bourgeoisie ein, je nachdem, welcher Sieg für Demokratie und Sozialismus am günstigsten war. Darum — ist Herr Potressow der Ansicht, dass die Sozialdemokraten jetzt, nach 55 Jahren, zu einer Zeit, da in den Ländern bereits von der Eroberung der Macht durch das Proletariat. vom Siege der Arbeiterklasse über die Bourgeoisie die Rede ist, — sich ebenfalls für den Sieg dieser oder jener Bourgeoisie erklären, für diese oder jene Koalition Partei ergreifen müssen.

Indem die Sozialchauvinisten versuchen, sich mit den Namen von Marx und Engels zu decken, beweisen sie nur eins: dass ihnen selbst manchmal zu Bewusstsein kommt, was für eine unrechte Sache sie verteidigen. Sie sehen Marx und Engels ebenso wenig ähnlich wie die armseligen Schwätzer des deutschen Liberalismus von 1848/49 den großen bürgerlichen Revolutionären der Epoche 1789/93.

Die klassenbewussten Proletarier aller Länder werden diese Verhöhnung unserer toten Lehrer, die sich die patriotischen Auch-Sozialisten geleistet haben, richtig einschätzen. Will man die Ansichten, die Marx und Engels in den Jahren 1848 und 1859/60 vertraten, auf die jetzige Zeit anwenden, so muss man die Taktik der Sozialchauvinisten ablehnen und eine Linie verfolgen, die der durch die Sozialpatrioten vorgeschlagenen direkt entgegengesetzt ist…

Aber betrachten wir den Standpunkt von Marx und Engels während des Krieges 1870/71. Diesen müssen wir mit allen Einzelheiten analysieren.

Wie Marx und Engels den Krieg 1870/71 betrachteten.

Der Krieg 1870/71 trug einen ganz anderen Charakter als z.B. der Krieg 1914/15. Seine sozialökonomische und politische Bedeutung war von der des jetzigen Krieges grundverschieden

Wir sagten schon, dass man den Krieg 1870/71 in einem gewissen Sinne als den letzten der großen nationalen Kriege bezeichnen kann, während wir heute einen typisch imperialistischen Krieg erleben, einen Krieg, der als Beginn des Untergangs der kapitalistischen Weltordnung bezeichnet werden kann. Dies bedeutet nicht, dass nicht auch im Kriege 1870/71 der Kapitalismus die treibende Kraft gewesen ist. Die Entwicklung der Produktivkräfte spielte letzten Endes auch damals schon eine entscheidende Rolle. Aber — die Phase des Kapitalismus war eine andere.

1870/71 ging die erste Phase des Kapitalismus zu Ende; 1914/15 beginnt das Ende seiner letzten Phase. Damals erlebten wir das Ende des Anfangs — jetzt den Anfang des Endes. Damals hatte der Sozialismus noch keine Macht hinter sich, — im besten Fall ein paar Zehntausende oder Hunderttausende organisierter Arbeiter, während jetzt die zweite Internationale, bevor sie zugrunde ging, sich gut auf zehn Millionen organisierte Arbeiter stützen konnte.

Der Krieg 1914/15 — ist ein anderen als der 1870/71.18 Darum sind auch die Aufgaben, die er an die Sozialisten stellt, andere. Man kann lange nicht alles, was Marx und Engels in Bezug auf den Krieg 1870/71 predigten, auch auf den Krieg 1914 beziehen. Die Taktik der Sozialisten muss jetzt eine wesentlich andere sein, gerade um dem Geist des Marxismus treu zu bleiben.

Aber in welcher Richtung muss die Taktik einer Änderung unterzogen werden? Vor allem müssen rein sozialistische Aufgaben in den Vordergrund gestellt werden; von irgendwelchen nationalen Aufgaben, die in Gemeinschaft mit der Bourgeoisie zu erfüllen sind, kann jetzt keine Rede sein; der Internationalismus des Proletariats muss zur Tatsache werden und einen praktischen möglichst einschneidenden Einfluss auf den Gang der Ereignisse ausüben. Konnte damals der Krieg den Arbeitern die Lösung der Frage der nationalen Einigung und damit die Schaffung von günstigen Verhältnissen für die Entwicklung ihres Klassenkampfes bringen, so kann davon jetzt keine Rede sein. Jetzt kann die Losung der Arbeiterklasse nur sein: Umwandlung des imperialistischen Krieges in den Beginn eines Zeitalters ganz anderer Kriege

Den Standpunkt von Marx und Engels zum Kriege 1870/71 war ungefähr folgender: Der unmittelbare Angriff geht in jenem Augenblick vom bonapartistischen Frankreich aus. Siegt Frankreich, so werden die Folgen in zweierlei Beziehung verhängnisvoll sein. Erstens wird sich das Reich Bonapartes dann für lange Zeit in Frankreich festsetzen, es wird wie bisher und noch intensiver das eigene französische Volk bedrücken und gleichzeitig jede demokratische Regung in Europa im Keime ersticken. Zweitens wird die nationale Einigung Deutschlands noch länger hinausgeschoben, die Zersplitterung noch größer werden. Die Aufmerksamkeit des ganzen Volkes, darunter auch der Arbeiter, wird noch mehr auf nationale Fragen gelenkt wenden, worunter die Entwicklung den Arbeiterbewegung und des Sozialismus leiden wird. Dagegen wird die Niederlage des bonapartistischen Frankreich den Sieg der französischen Arbeiterklasse, den Sieg der französischen Demokratie bedeuten. Den Sieg Preußens wird indirekt auch der Sieg des deutschen Proletariats sein, denn er wird diesem die Bedingungen für seine erfolgreiche Entwicklung schaffen. Das deutsche Proletariat wird diesen Sieg ausnutzen, um einen zentralisierten Kampf zu organisieren, der dazu führen muss, die preußischen Junker zu stürzen und die Demokratie herzustellen Die deutschen Arbeiter, die deutsche Demokratie waren bisher nicht stark genug, um auf revolutionärem Wege, von unten herauf, die nationale Frage zu lösen, die Einigung Deutschlands herbeizuführen und damit die Hindernisse zur erfolgreichen Entwicklung des ganzen öffentlichen Lebens Deutschlands zu beseitigen. Die Umstände haben es mit sich gebracht, dass Bismarck die Lösung dieser Aufgabe auf sich nahm. Natürlich wird er sie auf seine Art lösen, so wie es den Junkern passen wird. Das darf nicht vergessen werden. Doch die Sozialisten und Demokraten, die den Krieg 1870/71 erleben, müssen im Auge behalten, dass als objektives Resultat des Krieges doch die Einigung Deutschlands herbeigeführt werden kann, was im Interesse der deutschen und internationalen Demokratie notwendig ist. Das bedeutet nicht, dass die deutschen Arbeiter zu Anhängern Bismarcks werden müssen. Das bedeutet nicht, dass die deutschen Sozialisten Bismarck die Kriegskredite bewilligen müssen. Von den deutschen Sozialisten stehen andere Aufgaben. Sie müssen einen anderen Weg suchen, um die nationalen Fragen zu lösen — nicht den Bismarcks, sondern einen revolutionär-demokratischen; die Kräfteverhältnisse innerhalb Deutschlands müssen sie zu ändern suchen. Sie können Bismarck nicht bekämpfen, indem sie es ablehnen, auf einer Grundlage zu arbeiten, die der Krieg geschaffen hat, nur weil Bismarcks Schwert diesen Krieg führt. Aber noch weniger können sie jetzt zu Anhängern Bismarcks werden, mit ihm seine Siege feiern und die eigenen revolutionär-demokratischen Aufgaben vergessen. Sie dürfen es absolut nicht zulassen, dass irgendein Stück französischen Bodens annektiert wird, dagegen muss bis zur letzten Konsequenz gekämpft werden. Der ganze Krieg 1870/71 ist vom Standpunkt des internationalen Proletariats und nur von diesem Standpunkt zu betrachten. Und gerade vom Standpunkt der Interessen des ganzen internationalen Proletariats muss die Niederlage des bonapartistischen Frankreich als wünschenswert anerkannt werden. Die Aufgabe der Sozialisten aller Länder ist in erster Linie: trotz den Schrecken des Krieges und des Orgien feiernden Chauvinismus für die Prinzipien des Internationalismus zu kämpfen, die geringsten Anzeichen der internationalen Verbrüderung wahrzunehmen und zu fördern und danach zu streben, dass — über die Köpfe den Generalstäbe hinweg und trotz des allgemein herrschenden Chauvinismus — die deutschen Arbeiter dem französischen Proletariat die Bruderhand entgegenstrecken.

Dies war der Standpunkt von Marx und Engels.

War er richtig? In der Hauptsache unbedingt.

Marx und Engels behaupteten, dass der Krieg 1870/71 von Seiten der Deutschen (der Deutschen, nicht Preußens) als Verteidigungskrieg angesehen werden musste. Im historischen Sinn war es auch so. Wir sahen, dass das deutsche Volk viele Jahrzehnte hindurch von Frankreich und Russland bedrückt wurde, dass seine Einigung immer wieder verhindert, sein Boden einfach aufgeteilt wurde. Zuerst nach dem Frieden von Tilsit im Jahre 1807 (auch schon früher), dann 1814/15. 1815-1848, 1849-1859 usw. hat Frankreich das deutsche Volk ständig unterdrückt und es in ewigen Angst vor neuen Aufteilungen und neuen Annexionen gehalten. Noch kurz vor dem französisch-preußischen Kriege besaß Napoleon III. die Unverschämtheit, von Bismarck einen Teil des Rheinlandes zu verlangen.

Im historischen Sinne bedeutete das Bestreben des deutschen Volkes nach nationaler Einigung (selbst auf dem von Bismarck eingeschlagenen Weg) einen Fortschritt, das Bestreben Napoleons und Russlands dagegen, die Einigung zu verhindern, war unbedingt reaktionär.

Die Einigung Deutschlands war ohne einen Krieg gegen Napoleon III. absolut undenkbar. Hätte innerhalb Deutschlands der revolutionäre Weg der Einigung, der Weg von unten gesiegt, so wäre auch einem revolutionären Deutschland den Krieg gegen Napoleon nicht erspart geblieben. Denn für das bonapartistische Frankreich bedeutete die Zersplitterung Deutschlands eine Frage von Leben oder Tod. Der Krieg Deutschlands war darum — im weiten historischen Sinne des Wortes ein Verteidigungskrieg. Deutschland kämpfte für die für den Fortschritt notwendige Sache der nationalen Einigung, Deutschland verteidigte sich gegen das bonapartistische Frankreich und das reaktionäre Russland, die es viele Jahre hindurch unterdrückt hatten.

Wie die diplomatische Vorgeschichte des Krieges 1870/71 auch gewesen, wer als erster den Krieg auch erklärt haben mochte, historisch war Deutschland den sich verteidigende Teil, Napoleon III. der Angreifer. Dieser grundlegende Gesichtspunkt war entscheidend für Marx und Engels, dadurch war ihr Verhältnis zum Kriege 1870/71 gegeben. Historisch genommen führte Deutschland einen Verteidigungskrieg, darin hatten Marx und Engels vollkommen Recht.

Aber es gab noch eine zweite Frage — wenn auch nur eine ganz nebensächliche. Das war die Frage, von welcher Seite den Krieg im gegebenen Moment unmittelbar hervorgerufen war, mit anderen Worten, welche Seite war vom diplomatischen Standpunkt aus die angreifende, d. h. wer wollte den Krieg zu der Zeit, wer hatte ihn in jenem Moment provoziert?

Und hierin haben sich Marx und Engels geirrt — ebenso wie alle deutschen und französischen Sozialisten jener Zeit; denn zu Beginn des Krieges glaubten sie alle, Napoleon III. sei der Angreifer gewesen. Daraus entstanden keine bösen Folgen, denn nicht das war für Marx und Engels maßgebend für die Taktik den Arbeiter in Bezug auf den Krieg. Und sehr bald — viel früher als irgendein anderer ihrer Zeitgenossen — haben sie das ganze Lügen- und Intrigennetz aufgedeckt, das Bismarck gesponnen hatte, um die Sache so darzustellen, als hätte er den Krieg nicht gewollt, als sei er ihm durch Napoleon III. aufgezwungen worden. Schon im ersten Aufruf der Internationale, gleich zu Beginn des Krieges, betonte Marx die Schuld Bismarcks.

Bis zur Schlacht bei Sedan, bis zum Sturz Bonapartes und der Ausrufung der französischen Republik betrachteten Marx und Engels den Krieg als einen Verteidigungskrieg von Seiten Deutschlands. Nach Sedan, als Bismarck nicht mehr um die Einigung Deutschlands, sondern um Elsass-Lothringen kämpfte, da wurde der Krieg — vom Standpunkt von Marx und- Engels aus — zu einem Angriffskrieg. Und hierin hatten sie vollkommen Recht.

Aber in der Frage der unmittelbaren Schuld am Kriege, vom diplomatischen Standpunkt aus, teilten Marx und Engels — wir wiederholen es — das Schicksal der damaligen Sozialisten: sie waren der Ansicht, Napoleon III. hätte den Krieg begonnen. Dies geht klar hervor aus dem Briefwechsel von Marx und Engels, aus Marx‘ Briefen an Kugelmann, aus seinen Briefen an Sorge, aus Erklärungen von Bebel und Liebknecht, von Mitgliedern des Braunschweiger Ausschusses usw. Wie konnte es kommen, dass Politiker wie Marx und Engels das Spiel Bismarcks nicht sofort erkannten?

Um diese Frage zu beantworten, muss man sich in die damalige Situation zurückversetzen. Jetzt, wo die Tatsache des preußischen Sieges gegeben ist, wo wir durch Bismarck selbst von der Fälschung der Emser Depesche wissen, wo wir von jenen Ereignissen durch ein halbes Jahrhundert entfernt sind, und wo überhaupt die ganze Rolle Bismarcks klar umrissen vor uns liegt — jetzt können wir nicht begreifen, wie man damals all das nicht sehen konnte. Man darf eben das Gegenwärtige nicht auf das Vergangene übertragen.

Bismarck musste damals — so sagen wir jetzt — den Krieg gegen Frankreich wollen Aber auch Napoleon III. musste ihn wünschen. Denken wir doch an dessen Lage. Das zweite Kaiserreich konnte sich nur halten, solange Louis Napoleon die Möglichkeit hatte, Frankreich mit Hoffnungen auf Erfolge seinen äußeren Politik zu füttern, solange er dem Volke versprechen konnte, alle verlorenen Länder wieder zurückzuerobern und eine “Großmachtpolitik” mit Erfolg durchzuführen. Für Louis Napoleon bedeutete es eine Existenzfrage. Und wer stand ihm in dieser Beziehung am meisten im Wege? Preußen, Bismarck! Besonders nach dem österreichisch-preußischen Kriege 1866.

Es unterliegt keinem Zweifel, dass vor dem österreichisch-preußischen Krieg zwischen Napoleon III. und Bismarck eine geheime Abmachung getroffen worden war, Bismarck “Kompensationen‘‘ versprochen für Frankreichs Neutralitätserklärung im Kriege zwischen Österreich und Preußen. Bismarck hat nun diesen Krieg siegreich durchgeführt, und nachdem er dies Ziel erreicht hatte, sein Louis Napoleon gegebenes Versprechen einfach nicht eingehalten. Im Jahre 1867 versucht Napoleon sich an Luxemburg schadlos zu halten, aber auch das gelingt ihm nicht. Zu einem Kriege kommt es nicht. Luxemburg wird neutral erklärt. Seitdem ist Napoleon ganz erfüllt vom Revanchegedanken. Ohne Revanche kann er auch seine inneren zerrütteten Verhältnisse nicht in Ordnung bringen. lm bonapartistischen Lager beginnt eine Demoralisierung. Die Misserfolge in der äußeren Politik drohen Napoleon mit völliger Isolierung. Selbst seine nächste Umgehung gerät ins Schwanken. Bonaparte fühlt immer deutlicher: jetzt oder nie. Entweder er verbessert seine Lage durch die äußere Politik oder der Zusammenbruch ist nicht zu umgehen.

Die internationale Situation schien Napoleon in jenem Moment besonders günstig. Während er sich zum Kriege gegen Preußen vorbereitete, rechnete er bekanntlich auf die Möglichkeit einer Koalition mit Dänemark, Österreich und sogar Italien. Dänemark musste Schleswig-Holsteins wegen einen Hass gegen Preußen haben; Österreich war soeben durch Preußen besiegt worden. Und hätte nicht Russland gedroht, so wären möglicherweise Österreich und Dänemark tatsächlich Frankreich im Kriege 1870/71 zu Hilfe gekommen.

All diese Umstände waren damals bekannt. Bonaparte sucht einen Krieg gegen Preußen. Bonaparte trifft Vorbereitungen zu diesem Krieg. So sah es aus im Jahre 1870. Und da die ganzen äußeren Umstände des Krieges solche waren, dass Napoleon als Urheber gelten konnte, da Frankreich zuerst den Krieg erklärt hatte, sah es eben so aus, als wäre Frankreich auch der angreifende Teil gewesen.

Diese Ansicht teilten auch Marx und Engels. Zwei Jahrzehnte nach dem Kriege schrieb Engels: “Dass der Friede mit Österreich den Krieg mit Frankreich im Schoße trug, wusste Bismarck nicht nur, er wollte es auch … Schon vor dem österreichischen Kriege, interpelliert von einem mittelstaatlichen Minister wegen seiner demagogischen deutschen Politik, antwortete Bismarck diesem, er werde trotz aller Phrasen Österreich aus Deutschland hinauswerfen und den Bund sprengen.‘‘ — “Und die Mittelstaaten, glauben Sie, dass die dabei ruhig zusehen werden?” — “Ihr Mittelstaaten, ihr werdet gar nichts tun.” -- “Und was soll denn aus den Deutschen wenden?” — “Dann führe ich sie nach Paris und mache sie dort einig.”19

Alles dies wurde späterhin vollständig klar. Aber unmittelbar vor dem Kriege 1870 waren die Pläne Bismarcks lange nicht so offensichtlich.

In demselben Artikel erzählt Engels, dass, als die ersten Gerüchte auftauchten über die Möglichkeit der Kandidatur des Hohenzollernprinzen Leopold für den spanischen Thron, der französische Gesandte Benedetti schon am 11. Mai 1869 mit Bismarck deswegen eine Auseinandersetzung hatte. Bismarck verhielt sich zunächst vollkommen gleichgültig dieser Kandidatur gegenüber. Bei der Zusammenkunft am 11. Mai 1869 hat Benedetti — so erzählt Engels — von Bismarck absolut nichts über dessen Absichten erfahren “Wohl aber erfuhr Bismarck von Benedetti, was er wissen wollte: dass die Aufstellung der Kandidatur Leopolds den sofortigen Krieg mit Frankreich bedeute. Hiermit war es in Bismarcks Hand gegeben, den Krieg ausbrechen zu lassen, wann es ihm gefiel.”20

Noch in den neunziger Jahren behauptete Engels, dass es für Frankreich — vom Standpunkt des Kampfes gegen Preußen — sehr erwünscht gewesen wäre, wenn der Hohenzollernprinz den spanischen Thron bestiegen hätte. Kann man sich eine schlimmere Rache für Sadowa vorstellen, als diese Thronbesteigung? Daraus wären für Preußen große Schwierigkeiten entstanden, es hätte sich ja die inneren Angelegenheiten Spaniens verwickeln lassen müssen. Es hätte sogar ein Krieg daraus entstehen können, und als Folge — die Niederlage der preußischen Flotte. Jedenfalls wäre Preußen in eine sehr unangenehme Situation hineingeraten. Trotzdem aber haben Louis Napoleon und seine Clique eben die Frage dieser Thronkandidatur als Casus belli benutzt.

Die Situation war sehr kompliziert. Tatsächlich wollten beide Teile den Krieg. Und beide Teile trafen energische Vorbereitungen — soweit es die inneren und äußeren Umstände zuließen. Erst später wurde es klar, dass zwar beide Seiten gerüstet hatten, dass aber Preußen früher und besser vorbereitet war. Aus Jaurès‘ Schilderungen dieser Ereignisse in seinem drei Jahrzehnte später erschienenen Buche über den französisch-preußischen Krieg geht klar hervor, wie schwer es im Moment des Kriegsausbruches gewesen sein muss, mit Genauigkeit festzustellen, wer der unmittelbare Angreifer war, ob das Verhalten der bonapartistischen Generale oder das Bismarcks den Krieg herausgefordert hatte. Was Wunder, dass Marx und Engels — wie alle Sozialisten jener Zeit — im Ansturm der Ereignisse die Ansicht vertraten, Napoleon III. habe den Krieg begonnen?

Diese ganze Geschichte zeigt nur eins klar und deutlich: die Frage nach der unmittelbaren Schuld am Kriege vom diplomatischen Standpunkt aus (zum Unterschied vom tieferen historischen Sinn dieses Begriffs) konnte für Sozialisten selbst im Zeitalter der nationalen Kriege keine Rolle spielen.

Für Marx und Engels war nicht das diplomatische Kriterium maßgebend, für sie war maßgebend der historische Standpunkt.

Der erste Aufruf der internationalen Arbeiterassoziation über den französisch-preußischen Krieg. Gegen den “Burgfrieden”.

Der vor kurzem veröffentlichte Briefwechsel zwischen Marx und Engels (vier starke Bände) liefert sehr wertvolles Material zur Beurteilung ihrer wahren Ansichten über die Aufgabe der Sozialisten während des französisch-preußischen Krieges. Aber üben diese Ansichten kann man nicht urteilen, wenn man bloß von diesem Briefwechsel ausgeht.

Der Briefwechsel zwischen Marx und Engels trug einen sehr intimen Charakter, darum sind alle Tagesfragen darin mit absoluter Offenheit behandelt. Aber gerade dank dieser Intimität findet man in dem Briefwechsel auch den Austausch noch nicht absolut gefestigter Ansichten, denn die Freunde machten einander auch Mitteilung, wenn sie in irgendwelchen wichtigen Fragen noch schwankten, wenn ihnen irgendwelche noch unfertigen Gedanken durch den Kopf gingen, wenn ein “für” oder “gegen” noch nicht klar überlegt war. Daher würde man die Anschauungen der Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus verzerren, wollte man eine einzelne Steile aus dem Briefwechsel herausgreifen und außer Betracht lassen, welches Bekenntnis Marx und Engels öffentlich ablegten, wenn sie die Streitfrage bereits gelöst hatten.

Die Briefe, die Marx und Engels während des Krieges austauschten, besitzen ein tiefes Interesse. Aber man darf nicht vergessen, dass, während sie geschrieben wurden, die Anschauungen der beiden Freunde sich erst herausbildeten. Für uns aber ist es nicht nur wichtig zu wissen, wie diese Anschauungen entstanden sind, sondern auch, wie sie in ihrer endgültigen Form aussahen. Dazu ist es notwendig, die öffentlichen Bekenntnisse von Marx und Engels einer Untersuchung zu unterziehen.

Eine ungeheure Bedeutung haben da in erster Linie die beiden ersten Aufrufe der Internationalen Arbeiterassoziation über den deutsch-französischen Krieg. Beide Aufrufe stammen — nach Friedrich Engels Aussage — aus der Feder von Karl Marx.21

Der erste Aufruf des Generalrats trägt das Datum vom 23. Juli 1870, ist also gleich nach dem Kriegsausbruch verfasst. Darin werden zunächst frühere Meinungsäußerungen der Internationalen Arbeiterassoziation zu den Fragen der äußeren Politik kurz geschildert.22 Dann geht Marx über zur Charakterisierung der Lage in Frankreich einerseits, in Deutschland andererseits. Mit scharfen Strichen wird die reaktionäre Rolle des Bonapartismus gekennzeichnet, dem Marx hier den sicheren Untergang prophezeit. “Was immer auch der Verlauf des Krieges Louis Bonapartes mit Preußen sein möge, die Totenglocke des zweiten Kaiserreiches hat bereits in Paris geläutet. Es wird enden, wie es begonnen: mit einer Parodie …” schreibt Marx.23

In Bezug auf Deutschland finden wir im ersten Aufruf folgende Worte: “Von deutscher Seite ist der Krieg ein Verteidigungskrieg. Aber wer brachte Deutschland in den Zwang, sich verteidigen zu müssen? Wer ermöglichte Louis Bonaparte, den Krieg gegen Deutschland zu führen? Preußen! Bismarck war es, der mit demselben Bonaparte konspirierte, um eine volkstümliche Opposition zu Hause niederzuschlagen und Deutschland an die Hohenzollerndynastie zu annektieren. Wäre die Schlacht bei Sadowa verloren worden anstatt gewonnen, französische Bataillone hätten Deutschland überschwemmt als Verbündete Preußens. Hat Preußen nach dem Siege auch nur für einen Augenblick geträumt, dem versklavten Frankreich ein freies Deutschland gegenüberzustellen? Gerade das Gegenteil! Es hielt ängstlich die angeborenen Schönheiten seines alten Systems aufrecht und fügte obendrein alle Kniffe des zweiten Kaiserreichs hinzu, seinen wirklichen Despotismus und seine Scheindemokratie, seine politischen Blendwerke und seine finanziellen Schwindeleien, seine hochtrabenden Phrasen und seine gemeinen Taschenspielerkünste. Das bonapartistische Regime, das bisher nur auf einer Seite des Rheins blühte, hatte damit auf der andern sein Gegenstück erhalten. Und standen die Dinge so, was anders konnte daraus folgen als der Krieg?”

Marx — und nicht er allein, sondern mit ihm der ganze Generalrat, in dem ja auch Engländer und Franzosen vertreten waren — hielten damals Bonaparte für den unmittelbaren Angreifer. Und trotzdem sie Preußen den Verteidigungskrieg zubilligten, mit welchen Worten gedenkt er desselben Preußen! Er brandmarkt Preußen als den Doppelgänger Bonapartes, er erklärt offen, dass das Preußen der Junker auf gleicher Stufe stehe mit dem Reich Napoleons, dass die Verantwortung für den Krieg in gleicher Weise auch Preußen träfe, das sich die schlimmsten Eigenschaften Frankreichs zu eigen gemacht habe.

Erlaubt die deutsche Arbeiterklasse,” setzt Marx fort, “dem gegenwärtigen Krieg, seinen streng defensiven Charakter aufzugeben und in einen Krieg gegen das französische Volk auszuarten, so wird Sieg oder Niederlage gleich unheilvoll. Alles Glück, das auf Deutschland fiel nach den so genannten Befreiungskriegen, wird wieder aufleben mit verstärkter Heftigkeit.”

Gleich in den ersten Tagen nach Ausbruch des Krieges hält es Marx für seine Pflicht, die deutschen Arbeiter aufzufordern, sich dagegen zu wehren, dass dieser Krieg gegen das französische. Volk geführt werde.

Mit Begeisterung zitiert Marx die ersten Antworten der sozialistischen Arbeiter Deutschlands, die vom internationalen Geiste durchdrungen waren. Er macht Mitteilung von den dem Leser bereits bekannten Resolution von Bebel und Liebknecht, die in Chemnitz von der Versammlung der Bevollmächtigten, die 50.000 sächsische Arbeiter vertraten, angenommen wurde. Aus der Braunschweiger Resolution führt Marx diejenigen Stellen an die vom internationalen Geist am meisten durchdrungen sind. Mit besonderer Freude begrüßt er, dass die “Berliner Sektion der Internationale” mit einem mutigen, im internationalen Geist abgefassten Manifest hervorgetreten war. In diesem Manifest hieß es: “Wir stimmen mit Herz und Hand in Euren Protest ein ... geloben feierlich, dass weder Trompetenschall noch Kanonendonner, weder Sieg noch Niederlage uns abwenden soll von unserm gemeinsamen Werk der Vereinigung der Arbeiter in allen Ländern!”

In diesem ersten Aufruf des Generalrats veröffentlicht Marx den französischen Aufruf der Pariser Mitglieder der Internationale, und er ist stolz auf den Heroismus der französischen Arbeiter und stellt sie den sozialistischen Arbeitern aller Länder als Vorbild hin.24

Während seiner ganzen sozialistischen Tätigkeit vertrat Marx die Ansicht, dass Russland der gefährlichste Feind des internationalen Sozialismus und der Demokratie sei. Gegen Russland führte Marx den rücksichtslosesten Kampf. Die Grundlage für die internationale sozialistische Politik war für ihn die Losung — gegen den Zarismus! Im ersten Aufruf der Internationale lenkt Marx die Aufmerksamkeit der deutschen Arbeiter auf die große Gefahr, die ihnen drohe, wenn Preußen im Kampf gegen Frankreich die Hilfe der russischen Kosaken anrufe. In diesem Moment sieht er in einem etwaigen Bündnis zwischen Preußen und Russland eine große Gefahr. Wir werden sehen, dass sofort nachdem die Kriegshage für Deutschland günstig geworden war, Marx mit Prophetenblick eine zweite Gefahr voraussieht: durch seine Gewalttätigkeit Frankreich gegenüber, durch die Annexion von Elsass-Lothringen, durch Kontributionen usw., stößt Preußen Frankreich in Russlands Arme. Marx schlägt als Erster Alarm gegen die reaktionäre Bedeutung dieses neuen Bündnisses, in das Bismarck Frankreich hineinzwingt…

Gegen den Chauvinismus — das ist der Grundgedanke dieses ersten Aufrufs “Während das offizielle Frankreich und das offizielle Deutschland sich in einen brudermörderischen Kampf stürzen, senden die Arbeiter einander Botschaften des Friedens und der Freundschaft. Diese einzige große Tatsache, ohne Gleichen in der Geschichte der Vergangenheit, eröffnet die Aussicht auf eine hellere Zukunft. Sie beweist, dass im Gegensatz zur alten Gesellschaft mit ihrem ökonomischen Elend und ihrem politischen Wahnwitz eine neue Gesellschaft entsteht So schreibt Marx, indem er die Arbeiter zum Internationalismus aufruft. Er tut dies — vergessen wir das nicht — in einem Moment, wo der Chauvinismus in Deutschland seinen Höhepunkt erreicht hat, wo alle und alles überschäumt vor Patriotismus. Und er tut dies — obgleich er der Ansicht ist, dass Deutschland sich nur verteidigt. Nicht die Losung der “Vaterlandsverteidigung” im vulgär-patriotischen Sinne, sondern die Losung den “Verbrüderung der Arbeiter aller Länder” — das ist das Banner, das Karl Marx hoch empor hält.

Der zweite Aufruf der Internationalen Arbeiterassoziation. Die Prophezeiungen von Marx gehen in Erfüllung.

Noch viel wichtiger und reicher an politischem Inhalt ist der zweite Aufruf des Generalrats, der ebenfalls aus Marx‘ Feder stammt. Er ist vom 9. September 1870 datiert, also nach der Schlacht von Sedan und Nacht Proklamierung der Republik in Frankreich

Dieser Aufruf zerfällt in zwei Teile. Der eine ist Frankreich gewidmet, der andere Deutschland. Mit Begeisterung stellt Marx den von ihm zu Beginn des Krieges vorausgesagten Untergang des zweiten Kaiserreichs fest. “Der Verteidigungskrieg endet in der Tat mit der Ergebung Louis Napoleons, der Kapitulation von Sedan und der Proklamation der Republik in Paris.” Aber die inneren Angelegenheiten Frankreichs lassen Marx keine Ruhe. Ist die Demokratie in Frankreich fest genug zusammengefügt? Wird die Republik von Dauer sein, die nicht durch einen Ansturm von unten, sondern hauptsächlich als Resultat eines von außen kommenden Schlages zustande gekommen ist? “Diese Republik hat nicht den Thron umgeworfen, sondern nur seinen leeren Platz eingenommen. Sie ist nicht als eine soziale Errungenschaft proklamiert worden, sondern als eine nationale Verteidigungsmaßregel … Sie ist in den Händen einer provisorischen Regierung, zusammengesetzt teils aus notorischen Orleanisten, teils aus Bourgeoisrepublikanern; und unter diesen sind einige, denen die Juniinsurrektion von 1848 ihr unauslöschliches Brandmal hinterlassen hat. Die Teilung der Arbeit unter den Mitgliedern jener Regierung scheint wenig Gutes zu versprechen. Die Orleanisten haben sich der starken Stellung bemächtigt — der Armee und der Polizei — während den angeblichen Republikanern die Schwatzposten zugeteilt sind.”

Marx ist sich vollkommen bewusst, welch ungeheure Schwierigkeiten der französischen Arbeiterklasse harren. Einerseits steht der äußere Feind vor der Tür. Bismarck und der preußische König hatten zu Beginn des Krieges behauptet, sie kämpften nur gegen Bonaparte, nicht aber gegen das französische Volk. Natürlich logen sie. Als Bonaparte bereits ihr Gefangener war, setzten sie den Krieg dennoch fort, und ihre Regimenter rückten gegen Paris, das Herz Frankreichs, vor. Andererseits konnten die französischen Arbeiter der neuen “republikanischen” Regierung kein Vertrauen schenken.

Während Marx den zweiten Aufruf verfasste, gärte es bereits gewaltig unten den französischen Arbeitern. Fünf bis sechs Wochen später, am 31. Oktober 1870, sehen wir in Paris bereits den ersten Versuch eines Aufstands und der Ausrufung einer neuen provisorischen Regierung, bestehend aus neun Personen, darunter Blanqui, Pyat, Victor Hugo. Der Aufstand endete mit einem Misserfolg, Blanqui, Flourens, Pyat u. a. wurden ins Gefängnis geworfen. Marx und überhaupt der ganze Generalrat der Internationale müssen von dieser Gärung unter den Pariser Arbeitern und von den Vorbereitungen zum Aufstand gewusst haben. Vor Marx musste die Frage stehen: wie verhält man sich zu einem solchen Aufstand der französischen Arbeiter in einem Moment, da die Preußen vor den Toren von Paris stehen?

Es kann nicht daran gezweifelt werden, dass die Unzufriedenheit der französischen Arbeiter mit der neuen Regierung, die Napoleon abgelöst hatte, Marx außerordentlich sympathisch war. Aber er fürchtete eins: wie, wenn die Aufruhrbewegung der Arbeiter in Frankreich gerade in einem solchen Moment den Preußen zu Hilfe kam, den Preußen, die nach dem Untergang des zweiten Kaiserreichs — von Marx‘ Standpunkt aus — zum schlimmsten Feind geworden waren? Außerdem befürchtete er, dass die Wiederholung der nationalen Traditionen von 1792 der regierenden Clique Frankreichs helfen könnte, die Arbeiter zu betrügen.

Einige übereifrige Marxkritiker (J. Gardenin) machten es Marx zum Vorwurf, dass er die französischen Arbeiter zunächst vor Aufständen gewarnt hat und sie erst unterstützte, als die Aufruhrbewegung zur Tatsache geworden war. In diesem Verhalten von Marx will man ebenfalls Unentschlossenheit und sogar Bismarckschwärmerei sehen. Indessen ist genau das Gegenteil der Fall: Marx fürchtete, dass verfrühte Aufstände innerhalb Frankreichs Bismarck helfen könnten, Frankreich endgültig abzuwürgen. Die französischen Arbeiter auf diese Gefahr aufmerksam zu machen. betrachtete Marx als direkte Pflicht eines internationalen Sozialisten, der nicht vom spezifisch “deutschen” Standpunkt urteilte.

Dies erklärt uns, warum Marx im zweiten Aufruf schrieb: “So findet sich die französische Arbeiterklasse in äußerst schwierige Umstände versetzt. Jeder Versuch, die neue Regierung zu stürzen, wo der Feind fast schon an die Tore von Paris pocht, wäre eine verzweifelte Torheit. Die französischen Arbeiter müssen ihre Pflicht als Bürger tun; aber sie dürfen sich nicht beherrschen lassen durch die nationalen Erinnerungen von 1792, wie die französischen Bauern sich trügen ließen durch die nationalen Erinnerungen des ersten Kaiserreichs. Sie haben nicht die Vergangenheit zu wiederholen, sondern die Zukunft aufzubauen. Mögen sie ruhig und entschlossen die Mittel ausnützen, die ihnen die republikanische Freiheit gibt, um die Organisation ihrer eigenen Klasse gründlich durchzuführen. Das wird ihnen neue herkulische Kräfte gehen für die Wiedergeburt Frankreichs und für unsere gemeinsame Aufgabe — die Befreiung des Proletariats. Von ihrer Kraft und Weisheit hängt ab das Schicksal der Republik”

So schrieb Marx in Bezug auf Frankreich. Wie aber fiel er über Deutschland her, wie griff er die Regierung seines eigenen ‚‚Vaterlandes‘‘ an, mit welch leidenschaftlich aufpeitschenden Worten brandmarkte er ihr Bestreben, Raub an Frankreich zu üben und Elsass-Lothringen zu annektieren!

“…Die preußische Militärkamarilla entschloss sich zur Eroberung ... Die Bühnenregisseure (Bismarck und König Wilhelm) mussten ihn (den Krieg) darstellen, als gebe er (der König) widerwillig einem unwiderstehlichen Gebot der deutschen Nation nach; der liberalen deutschen Mittelklasse mit ihren Professoren, ihren Kapitalisten ihren Stadtverordneten, ihren Zeitungsmännern, gaben sie sofort das Stichwort. Diese Mittelklasse, welche in ihren Kämpfen für die bürgerliche Freiheit von 1846-1870 ein nie da gewesenes Schauspiel von Unschlüssigkeit, Unfähigkeit und Feigheit gegeben hat, war natürlich höchlichst entzückt, die europäische Bühne als brüllender Löwe des deutschen Patriotismus zu beschreiten.

Sie (die Bühnenregisseure) wagen nicht zu behaupten, dass sich das Volk von Elsass-Lothringen nach deutscher Umarmung sehne. Grade das Gegenteil. Um seinen französischen Patriotismus zu züchtigen, wurde Straßburg … zwecklos und barbarisch mit “deutschen” Explosivgeschossen bombardiert, in Brand gesetzt, und eine große Anzahl verteidigungsloser Einwohner getötet…”

Um die Annexion vor den Augen der weniger chauvinistisch gesinnten deutschen Bevölkerung zu rechtfertigen, wurde von den “Regisseuren den Komödie” die Version verbreitet, der Besitz Von Elsass-Lothringen sei für Deutschland eine strategische Notwendigkeit. Ohne diese beiden Provinzen sollte die militärische Verteidigung Deutschlands angeblich unmöglich sein, denn Frankreich würde immer die Möglichkeit haben, einen Einfall in Deutschland zu versuchen.

Auch mit dieser Argumentation beschäftigt sich Marx.

“…Die schlauen Patrioten verlangen Elsass und Deutsch-Lothringen als eine “materielle Garantie” gegen französische Überfälle. Da dieser verächtliche Vorwand viele schwachsinnige Leute verwirrt gemacht hat, fühlen wir uns verpflichtet, näher darauf einzugehen.” Und weiter folgte eine genaue Untersuchung vom strategischen Standpunkt.25 Den Schlussakkord dieses Teils der Adresse bildet die kategorische Behauptung: “Wenn der jetzige Feldzug etwas gezeigt hat, so die Leichtigkeit, Frankreich von Deutschland aus anzugreifen.”

Marx setzt fort: “Die Geschichte wird ihre Vergeltung bemessen nicht nach der Ausdehnung der von Frankreich abgerissenen Quadratmeilen, sondern nach der Größe des Verbrechens, dass man in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert die Politik der Eroberungen aufs neue ins Leben gerufen hat.”

Man rede nicht davon,” fährt Marx fort, “dass Deutschland Elsass-Lothringen nur annektieren wolle, um Ruhe zu haben und um neue Kriege zu verhindern. Man gebrauche keine heuchlerischen Phrasen, um zu beweisen, dass die Deutschen “ein wesentlich friedliebendes Volk” seien. Natürlich war es nicht Deutschland, welches 1792 in Frankreich einfiel mit dem erhabenen Ziel, die Revolution des 18. Jahrhunderts mit Bajonetten niederzumachen! War es nicht Deutschland, welches seine Hände bei der Unterjochung Italiens, der Unterdrückung Ungarns und der Zerstückelung Polens besudelte?”

Und weiter weist Marx — wie immer — auf die von russischer Seite aus drohende Gefahr hin “Ganz wie 1865 zwischen Louis Bonaparte und Bismarck Versprechungen ausgewechselt wurden, ebenso 1870 zwischen Gortschakow und Bismarck. Ganz wie Louis Napoleon sich schmeichelte, dass der Krieg 1866 durch gegenseitige Erschöpfung Österreichs und Preußens ihn zum obersten Schiedsrichter über Deutschland machen werde, ebenso schmeichelte sich Alexander, der Krieg von 1870 werde ihn durch gegenseitige Erschöpfung Deutschlands und Frankreichs zum obersten Schiedsrichter des europäischen Westens erheben.”

Die Annexion von Elsass-Lothringen muss unbedingt Frankreich in Russlands Arme treiben”, — wiederholt Marx immer wieder. Und er prophezeite damit das, was jetzt — nach 44 Jahren — wirklich in Erfüllung gegangen ist: wenn Deutschland Frankreich ausplünderte und vergewaltigte, musste es unvermeidlich zu einem Konflikt zwischen Deutschland einerseits und den vereinigten slawischen und romanischen Rassen andererseits kommen.

Glauben die Deutschtümler wirklich, dass Freiheit und Frieden Deutschlands gesichert sei, wenn sie Frankreich in die Arme Russlands hineinzwingen? Wenn das Glück der Waffen, der Übermut des Erfolgs und dynastische Intrigen Deutschland zu einem Raub an französischem Gebiet verleiten, bleiben ihm nur zwei Wege offen. Entweder muss es, was auch immer darauf folgt, der offenkundige Knecht russischer Vergrößerung werden, oder aber es muss sich nach kurzer Rast für einen neuen “defensiven” Krieg rüsten, nicht für einen jener neu gebackenen lokalisierten” Kriege, sondern zu einem Rassenkrieg gegen die verbündeten Rassen der Slawen und Romanen.”

Mit grenzenloser Sympathie spricht Marx von den Protesten der deutschen Arbeiter gegen die Annexion Elsass-Lothringens. Jetzt sind es nicht nur Bebel und Liebknecht und ihre Anhänger, die mit scharfen Protesten gegen die Politik des offiziellen Preußen auftreten. Auch die Braunschweiger haben sich ihnen nun beigesellt, fest entschlossen gegen die Annexion Protest zu erheben. “Die deutschen Arbeiter,” schreibt Marx, “verlangen nun ihrerseits ‚Garantien‘, Garantien, dass ihre ungeheuren Opfer nicht umsonst gebracht worden, dass sie die Freiheit erobert haben, dass die Siege, die sie über die bonapartistischen Armeen errungen nicht in eine Niederlage des deutschen Volkes verwandelt werden wie im Jahre 1815. Und als erste dieser Garantien verlangen sie “einen ehrenvollen Frieden für Frankreich”, und “die Anerkennung der französischen Republik”.

Der Aufruf schließt mit einer an das ganze internationale Proletariat gerichteten Aufforderung, sich in aktivster Weise in die Ereignisse einzumischen, sofort im Sinne der sozialistischen Verbrüderung im Sinne des konsequenten Internationalismus aufzutreten.

Mögen die Sektionen der Internationalen Arbeiterassoziation in allen Ländern die Arbeiterklasse zu tätiger Bewegung aufrufen. Vergessen die Arbeiter ihre Pflicht, bleiben sie passiv, so wird der jetzige furchtbare Krieg nur der Vorläufer noch furchtbarerer internationaler Kämpfe sein, und wird in jedem Lande führen zu neuen Niederlagen der Arbeiter durch die Herren vom Degen, vom Grundbesitz und vorn Kapital.”

Beide Aufrufe sind von wärmster Sympathie für das heldenmütig kämpfende französische Proletariat erfüllt. Und als ein halbes Jahr später in Paris die Kommune entstand, um sehr bald unter den Schlägen des rücksichtslosen Feindes zusammenzubrechen, — da widmete ihr Marx sein unsterbliches Werk “Der Bürgerkrieg in Frankreich”. Vor diesem genialen Werk verblasst alles, was über die große heroische Bewegung des französischen Proletariats im Jahre 1871 geschrieben wurde.

Der Briefwechsel zwischen Marx und Engels. Wie Gardenin ‚‚nachweist‘‘, dass Südekum Marx‘ Lehren richtig erfasst hat.

Um die Anschauung von Marx und Engels besser zu verstehen, wollen wir uns jetzt eingehender mit dem Briefwechsel zwischen Marx und Engels beschäftigen, der aus der Zeit des Krieges 1870/11 stammt. Gleichzeitig wollen wir die Auslegung dieser Briefe beleuchten, die sich für ihre Zwecke die Vertreter der verschiedenen dem Marxismus feindlich gegenüberstehenden politischen Parteien leisten.

Der erste hierfür in Betracht kommende Brief von Marx ist vom 20. Juli 1870 datiert. Marx schreibt: “…Einliegend Brief von Kugelmann, der Dich bedeutend über die politischen Mysterien des gegenwärtigen Krieges aufklären wird. Er hat recht mit seiner Kritik des Aufrufs der Braunschweiger Versammlung.”26

Schon dieser erste Satz erfordert. die größte Aufmerksamkeit. Viele Sozialchauvinisten (darunter, wie wir sahen, Plechanow) behaupten, dass im Kampf zwischen dem Braunschweiger Ausschuss, der zu Beginn des Krieges von Patriotismus angesteckt war, und Bebel und Liebknecht, die vom Anfang an einen energischen Kampf gegen jeden Patriotismus führten, Marx und Engels auf Seiten des Braunschweiger Ausschusses standen. Wir haben gesehen, dass das absolut nicht zutrifft. Im vorigen Kapitel zitierten wir einen Brief von Bebel, in dem direkt und kategorisch erklärt wird, dass Marx auf Seiten Liebknechts und Bebels stelle. Weiter zitierten wir die Erklärung Brackes, in der es heißt, dass der ausführliche Brief von Marx Anfang September 1870, ihn, Bracke, endgültig überzeugt hätte. Und endlich haben wir jetzt die direkte Erklärung von Marx, dass die Kritik der Braunschweiger Resolution (Versammlung und Resolution, von denen Marx spricht, waren das Werk der Braunschweiger) vollkommen berechtigt sei. Marx trat den Braunschweigern erst näher, nachdem diese ihre Haltung geändert und ihr Standpunkt sich dem Liebknecht-Bebelschen genähert hatte. Dies geschah bekanntlich im zweiten Kriegsstadium, nach den ersten großen Siegen der preußischen Waffen. Und es ist schon kein zufälliger Umstand, dass diese Annäherung erst zustande kam, als die Braunschweiger sich gegen die Annexion von Elsass-Lothringen erklärt hatten und dafür ins Gefängnis geworfen wurden, und nicht zu der Zeit, da sie dem preußischen Patriotismus verfallen waren.

Aber kehren wir zum Brief von Marx zurück. Derselbe Brief vom 20. Juli 1870 enthält folgende Zeilen, die jetzt nach allen Richtungen hin gedeutet werden: “Die Franzosen brauchen Prügel. Siegen die Preußen, so wird die Zentralisation der state power der Zentralisation der deutschen Arbeiterklasse zum Nutzen gereichen. Das deutsche

Übergewicht wird ferner den Schwerpunkt der westeuropäischen Arbeiterbewegung von Frankreich nach Deutschland verlegen, und man hat bloß die Bewegung von 1866 bis jetzt in beiden Ländern zu vergleichen, um zu sehen, dass die deutsche Arbeiterklasse theoretisch und organisatorisch der französischen überlegen ist. Ihr Übergewicht auf dem Welttheater über die französische wäre zugleich das Übergewicht unserer Theorien über die Proudhons usw.”

Diese Worte haben einigen französischen “revolutionären” Syndikalisten Anlass zu großem Geschrei gegeben. Ihnen schloss sich der russische Sozialrevolutionär Gardenin an: Wie, Marx hat in einem intimen Brief geäußert, dass die Franzosen Prügel brauchten? Ist es denn nicht klar, dass Marx ein Chauvinist war, ein ganz vulgärer Franzosenhasser, ein bürgerlicher Patriot und dergleichen mehr? Wie, Marx wünschte den Sieg Deutschlands um der ideellen Hegemonie des deutschen Proletariats willen? Wie unterscheidet er sich dann aber von Südekum? Ist es denn nicht klar, dass die Erbsünde nicht bei Südekum zu suchen ist, sondern bei seinen Urvätern, Marx und Engels?

Der Sinn der Marxschen Worte ist vollkommen klar. Für das französische Volk, für die französischen Bauern und Arbeiter wird es nutzbringend sein, wenn das offizielle bonapartistische Frankreich “Prügel” gekriegt hat, wenn sich Bonaparte gerade an der auswärtigen Politik das Genick bricht, die bisher seine einzige Rettung war. Und das soll franzosenfeindlicher Chauvinismus sein! Und hierin soll Marx eine Ähnlichkeit mit Südekum haben.

Marx sagte: prüft man die Sachlage von allen Seiten, sind zieht man die Interessen des internationalen Proletariats in Betracht, so müssen nach meiner Ansicht wir alle, die deutschen, die französischen, die englischen Sozialisten zur Schlussfolgerung gelangen, dass für uns die Niederlage Bonapartes und der Sieg Preußens der angenehmste Kriegsausgang wäre. Denn dieser Ausgang würde Frankreich von der Schande des zweiten Kaiserreichs befreien, in Deutschland aber die Einigung herbeiführen. Haben wir Glück, so kommt eine revolutionäre “großdeutsche” republikanische Einigung zustande; sonst — eine Einigung von oben, von Bismarcks Gnaden, trotzdem aber ein Schritt vorwärts. Die Interessen des deutschen und des französischen Proletariats stehen hier in keinem Gegensatz zueinander; im Gegenteil, sie fallen zusammen.

Nun fragt es sich: hatte Marx Recht mit seiner konkreten Beurteilung der Situation oder nicht? Man kann anderer Meinung sein als er, man kann eine andere Prognose stellen, andere Ansichten äußern Aber wie kann man ihn des Chauvinismus anklagen? Wo und wann hat er das deutsche Vaterland in den Himmel gehoben, wo sich für Losreißung französischer Gebiete ausgesprochen, wo Hass gegen die Franzosen gesät, wo den “Burgfrieden im eigenen Lande” gepredigt? Nur wenn er das getan hätte, könnte man Marx mit Südekum vergleichen. In dem Umstand, dass Marx im Namen der Interessen des Proletariats die Niederlage des bonapartistischen Frankreich als wünschenswert empfand, liegt absolut nichts Chauvinistisches.

Vor Sedan war nicht nur Marx für die Niederlage Frankreichs, das heißt Napoleons, sondern viele französische Sozialisten standen auf dein gleichen Standpunkt “Wenn,” so schrieb Hervé, “die napoleonische Armee bei Metz und Sedan keine Niederlage erlitten hätte, sondern siegreich in Berlin eingezogen wäre, so würde ein großer Teil des Volkes, das einst die große Revolution gemacht hat, jetzt zu Füßen des Nachfolgers Napoleons III. liegen.”27 Und Hervé hatte Recht. Ohne die Niederlage Frankreichs 1870 hätte das französische Volk Louis Napoleon nicht gestürzt.

Marx urteilte nicht als “deutscher” Sozialist. Wie Lassalle sagte, sprach er von sich immer als von einem “Weltbürger”. Und auch hier sprach er als solcher. Bekanntlich äußerten sich Marx und Engels öfters für einen Angriffskrieg gegen das alte Russland. Es ist weiter bekannt, dass die Sozialisten der ganzen Welt die Niederlage des zaristischen Russland während des russisch-japanischen Krieges wünschten. Lag etwa auch darin ein antirussischer Chauvinismus, den man vergleichen könnte mit dem heuchlerischen “Kampf” Südekums und seinesgleichen “gegen den russischen Zarismus”?

Marx und Engels ist der Bonapartismus ebenso verhasst wie das reaktionäre Regime Bismarcks. — “Die Marseillaise im Maul der Thérèse, das ist das Bild des leibhaftigen Bonapartismus. Pfui Teufel!” — schreibt Engels am 22. Juli.28 — “Jesus meine Zuversicht, gesungen von Wilhelm I., Bismarck zur Rechten und Stieber zur Linken, ist die deutsche Marseillaise!” antwortete ihm Marx am 28. Juli.

In demselben Brief setzt Marx fort: “Der deutsche Philister scheint förmlich entzückt, dass er seiner eingeborenen Servilität jetzt ungeniert Luft machen kann. Wer hätte es für möglich halten sollen, dass 22 Jahre nach 1848 ein Nationalkrieg in Deutschland solchen theoretischen Ausdruck besitzen würde.

Glücklicherweise geht diese ganze Demonstration von der Mittelklasse aus. Die Arbeiterklasse, mit Ausnahme der direkten Anhänger Schweitzers, nimmt keinen Teil daran. Glücklicherweise ist der war of classes (Klassenkampf) in beiden Ländern, Frankreich und Deutschland, so weit entwickelt, dass kein Krieg abroad (auswärts) das Rad der Geschichte ernsthaft rückwälzen kann.‘‘29

Die von uns unterschriebenen Worte aus einem der ersten Briefe von Marx, die sich auf den Krieg beziehen, sind von großer Wichtigkeit. Eine patriotische Haltung, die man mit der heutigen Haltung der sozialdemokratischen Mehrheit in Deutschland vergleichen könnte, nahm damals, wie wir bereits nachgewiesen haben, Schweitzer ein. Marx lehnte diese Haltung entschieden ab. Er sagte, dass die Arbeiter, mit Ausnahme der Anhänger Schweitzers, glücklicherweise den Weg des Patriotismus nicht beschritten haben. (Hierdurch äußerte Marx wieder eine Ansicht, die der der Braunschweiger entgegengesetzt war, denn im ersten Kriegsstadium standen diese in ihren Anschauungen Schweitzer sehr nahe.)

Weiter sagt Marx, dass der Klassenkampf in beiden kriegführenden Ländern glücklicherweise genügend entwickelt sei, so dass kein äußerer Krieg, das heißt kein Chauvinismus, kein “Burgfrieden” mit der Bourgeoisie des eigenen Landes ihn aufzuhalten imstande wäre. Hiermit fordert er die Arbeiter aller Länder auf, den Klassenkampf fortzusetzen, das heißt gegen den Chauvinismus anzukämpfen auf dem Boden der internationalen Klassensolidarität zu bleiben. Aber die “Kritiker” von Marx wagen es, mit “unerwarteten Eröffnungen” aufzutreten und nachzuweisen, dass Marx und Südekum geistesverwandt seien!

Indem uns Gardenin dies eröffnet, sagt er selbst: “Ähnliche Behauptungen sehen, das weiß ich, auf den ersten Blick ganz unglaubwürdig aus. Ich würde mich nicht wundern, wenn man sie als böswillige Verleumdungen gegen die Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus bezeichnen würde.” Gardenin hat sich nicht getäuscht, eine Verleumdung muss als solche bezeichnet werden

Die Anschauungen von Marx und Engels zu verdrehen, ist zu einer üblichen Angewohnheit mancher “Marxkritiker” geworden. Und jetzt ist die Anfechtung besonders groß. Überall herrscht ein Durcheinander, überall kriselt es, und allgemein und groß ist die Empörung gegen die deutschen Sozialdemokraten, die das Banner des Marxismus verraten haben. Wie sollte es da ein alter Sozialrevolutionär nicht versuchen, die Sache so darzustellen, als habe die Sozialdemokratie den Weg Südekums nicht deswegen beschritten, weil sie das Banner von Marx und Engels verraten hat, sondern gerade weil sie diesem Banner treu geblieben ist?

Jahrzehnte hindurch haben diese “Kritiker” nichts anderes getan, als die Weisheit der Revisionisten in sich aufzunehmen — auf dem Gebiet der Philosophie, in der Agrarfrage, in der Taktik und überhaupt in der “Revision” des Marxismus. Und jetzt wo ihre Lehrer, die Revisionisten, im bürgerlichen Sumpf stehen, da beeilen sich die Jünger Davids und Bernsteins, die Sache so dar zustellen, als habe nicht der Revisionismus versagt, sondern gerade der Marxismus.

Wenn er Marx und Engels zu “preußischen Patrioten” und geheimen Anhängern Bismarcks stempelt, glaubt Gardenin wenigstens in diesem Schwindel originell zu sein. Er irrt. Diese Anklage gegen die Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus ist schon vor 40-45 Jahren erhoben worden, und zwar von den vulgärsten Anarchisten, die “nachgewiesen” haben, dass Marx im Grund genommen die ganze Internationale zu einem Werkzeug Bismarcks gemacht hat

Nach einmal Briefwechsel zwischen Marx und Engels, Plechanow, Bismarckismus und “Reaktionismus”.

Am 31. Juli 1870 schreibt Engels an Marx: “Es wird [allerdings] immer blamabler für uns, unter Wilhelm Krieg zu führen. Aber doch gut, dass er sich so gräulich lächerlich macht mit seiner göttlichen Mission und seinem Stieber, ohne den nun einmal die deutsche Einheit nicht fertig wird. Die Adresse der Internationale (Es handelt sich um den ersten Aufruf des Generalrats, den wir oben kennen gelernt haben. — d. Verf.) … wird dem populus aller Klassen lehren, dass jetzt nur noch die Arbeiter eine wirkliche foreign policy (auswärtige Politik) haben.”30

Und Marx bemerkt in seinem Brief vom 1 August: ‚‚Die hiesige (das heißt die Londoner) Oligarchie wünscht englischen Krieg für Preußen. Nachdem sie 18 Jahre vor Bonaparte gekrochen und ihn als saviour of rents and profits (Retter der Renten und Profite) gehörig vernutzt haben, denken sie nun in dem soliden gottesfürchtig monarchistischen Preußen a more respectable and safer policeman of the Continent (einen respektableren und zuverlässigeren Polizisten des Festlands) zu finden. Doch sollen sich die Kerls in Acht nehmen. Hier (das heißt in London) unter dem Volk ist schon die Parole allgemein: That damned German dynasty of ours wants for its family purposes to involve us in the continental war! (Diese verdammte deutsche Dynastie, die wir haben, will uns für ihre Familienzwecke in einen kontinentalen Krieg verwickeln.) … Bismarck seinerseits hat gehörig aufgekauft unter der Londoner Presse.”31

Nicht wahr, was für heiße “Patrioten”, was für Bismarckschwärmer waren diese beiden Menschen, die während des Krieges solche Briefe austauschten? Herr Gardenin hat wirklich einen außerordentlichen Scharfsinn bewiesen. Südekum reist während des Krieges 1914/16 als Agent der Regierung nach Italien und Rumänien, um mit Hilfe der dortigen Arbeiter diese Länder für Deutschland zu gewinnen. Marx aber spricht während des Krieges 1870 mit Empörung von der englischen Oligarchie, die England in den Krieg hineinzerren will, und zwar in den Krieg für Preußen. Nun, — haben die “Kritiker” nicht recht, wenn sie Südekum als den konsequentesten Schüler von Karl Marx bezeichnen?

Im Brief vom 8. August, nach den ersten Siegen Preußens. schreibt Marx an Engels: “L‘Empire est fait (das Kaiserreich ist gemacht), d.h. das deutsche Kaisertum. By hook and crook (so oder so) weder auf dem beabsichtigten Wege noch in der vorgestellten Weise, scheint es, dass alle Mogeleien seit dem zweiten Kaiserreich schließlich dahin geführt haben, die “nationalen” Zwecke von 1848 auszuführen — Ungarn, Italien, Deutschland! Mir scheint diese Sorte Bewegung erst zu Ende gebracht, sobald es zur Keilerei zwischen den Preußen und Russen kommt. Dies keineswegs unwahrscheinlich…

Was mich in diesem Augenblick ängstet, ist der Stand der Dinge in Frankreich selbst. Die nächste große Schlacht kann wohl kaum anders als gegen die Franzosen ausfallen. Und dann?

Wirft sich die geschlagene Armee nach Paris unter Boustrapas (Napoleons) Leitung, so kommt es zu einem Frieden demütigendster Art für Frankreich, vielleicht mit Restauration (Wiederherstellung) der Orleans. Bricht eine Revolution in Paris aus, so fragt es sich, ob sie die Mittel und Führer haben, den Preußen ernsthaften Widerstand zu leisten? Man kann sich nicht verbergen, dass die zwanzigjährige bonapartistische Farce enorm demoralisiert hat. Man ist kaum berechtigt, auf revolutionären Heroismus zu rechnen. Was denkst Du davon?”32

Wie ähnlich sieht dies wieder einem preußischen Patriotismus, nicht wahr? Man erwartet — bebend vor Aufregung — die französische Revolution, die das Kaiserreich stürzen soll. Ihn “quält” nur eine Frage, wird das revolutionäre Frankreich ausreichende Kräfte besitzen, um die Herren Preußen zurückzuschlagen, ist die bonapartistische Demoralisierung nicht zu weit vorgeschritten, wird sie einer revolutionären Umwälzung in Frankreich nicht hemmend entgegenstehen?

Engels antwortet in seinem Brief vom 10. August: “Ich glaube, die Orleanisten sind — ohne die Armee — nicht stark genug, eine Restauration sofort riskieren zu können … Ich glaube, einer Republik gegenüber verstehen sich die Preußen zu einem im ganzen ehrenhaften Frieden. Es kann ihnen nicht konvenieren, 1793 und 1794 wieder heraufzubeschwören … Etwas Land wird Frankreich wohl lassen müssen. Und dass der élan von 1793 sich reproduziere, und zwar wirksam, dazu gehören auch die Feinde von 1793 … Ich vermute übrigens, dass die Preußen schon mit den Orleans Verhandlungen gehabt haben…”33

Engels‘ Optimismus, dass Preußen mit einer Republik einen für Frankreich mehr oder weniger annehmbaren Frieden abschließen würde, ging nicht in Erfüllung. Nur die “kritische” Feder Gardenins konnte es riskieren, auf Grund der angeführten Zeilen Friedrich Engels des Chauvinismus zu beschuldigen, da er mit den Worten: “Etwas Land wird Frankreich wohl lassen müssen” angeblich die Annexion Elsass-Lothringens gutgeheißen habe.

Besonders klar äußert Engels seine Ansichten über den Krieg 1870/71 in seinem Brief vom 15. August. Wir führen hier die wichtigsten Stellen aus diesem Brief an, obgleich das viel Platz in Anspruch nehmen wird.

Mir scheint der Kasus so zu liegen: Deutschland ist durch Badinguet (Spottname für Napoleon III. — d. Verf.) in einen Krieg um seine nationale Existenz hineingeritten. Unterliegt es: gegen Badinguet, so ist der Bonapartismus auf Jahre gefestigt und Deutschland auf Jahre, vielleicht auf Generationen, kaputt. Von einer selbständigen deutschen Arbeiterbewegung ist dann auch keine Rede mehr, der Kampf um Herstellung der nationalen Existenz absorbiert dann alles, und bestenfalls geraten die deutschen Arbeiter ins Schlepptau der französischen. Siegt Deutschland, so ist der französische Bonapartismus jedenfalls kaputt, der ewige Krakeel wegen der Herstellung der deutschen Einheit endlich beseitigt, die deutschen Arbeiter können sich auf ganz anderem nationalen Maßstab als bisher organisieren. und die französischen, was auch für eine Regierung dort folgen mag, werden schon ein freieres Feld haben als unter dem Bonapartismus … Dass eine deutsche politische Partei unter diesen Umständen à la Wilhelm (Liebknecht) die totale Obstruktion predigen, und allerhand Nebenrücksichten über die Hauptrücksicht setzen (kann), scheint mir unmöglich …

Dass — und jetzt kommen die Nebenrücksichten — dieser Krieg von Lehmann, Bismarck & Co. kommandiert wird, und ihnen zur augenblicklichen Glorie dienen muss, falls sie ihn glücklich durchführen, das verdanken wir der Misere der deutschen Bourgeoisie. Es ist allerdings sehr eklig, aber nicht zu ändern. Darum aber den Antibismarckismus zum allein leitenden Prinzip erheben, wäre absurd … Überhaupt à la Liebknecht die ganze Geschichte seit 1800 rückgängig machen zu wollen, weil sie ihm nicht gefällt, ist Blödsinn.

Ich meine, die Leute (Die deutsche Sozialdemokratie — D. Verf.) können:

1. sich der nationalen Bewegung anschließen — wie stark sie ist, siehst du aus Kugelmanns Brief —‚ so weit und solange sie sich auf Verteidigung Deutschlands beschränkt (was die Offensive bis zum Frieden unter Umständen nicht ausschließt)

2. den Unterschied zwischen den deutschnationalen Interessen und den dynastisch-preußischen dabei betonen:

Und Im selben Brief fügt Engels hinzu: “Du (d. h. Marx)34 bist natürlich [auch] auf Wilhelms (d. h. Liebknechts) Seite.”

Bevor wir dazu übergehen, die Behauptungen dieser Marodeure zu widerlegen, wollen wir noch die Antwort von Marx auf diesen Brief von Engels kennen lernen. Am 17. August schreibt Marx:

Liebknecht schließt seine Übereinstimmung mit mir

1. aus der Adresse der Internationale;

2. aus dem Umstand, dass ich seine und Bebels Erklärung im Reichstag gebilligt habe.35 Das war ein ‚Moment‘, wo die Prinzipienreiterei un acte de courage (eine mutige Tat) war, woraus aber keineswegs folgt, dass dieser Moment fortdauert, und noch viel weniger, dass die Stellung des deutschen Proletariats in einem Krieg, der national geworden ist, sich in Wilhelms Antipathie gegen die Preußen zusammenfasst. Es wäre gerade so, als wenn wir, weil wir im passenden Moment unsere Stimme gegen die “bonapartistische” Befreiung Italiens erhoben, die relative Unabhängigkeit, die Italien infolge dieses Krieges erhalten hat, redressieren wollten.

Das Elsass-Lothringen-Gelüst scheint in zwei Kreisen vorzuherrschen, in der preußischen Kamarilla und im süddeutschen Bierpatriotismus. Es wäre das größte Unglück, welches Europa und ganz spezifisch Deutschland treffen könnte. Du wirst gesehen haben, dass die meisten russischen Blätter bereits von der Notwendigkeit europäisch-diplomatischer Intervention sprechen, um das europäische Gleichgewicht zu erhalten.

Kugelmann verwechselt einen defensiven Krieg mit defensiven militärischen Operationen. Also, wenn ein Kerl mich auf der Straße überfällt, so darf ich nur seine Hiebe parieren, aber nicht ihn knock down (niederschlagen), weil ich mich damit in einen Angreifer verwandeln würde! Der want (Mangel) an Dialektik guckt allen diesen Leuten aus jedem Wort heraus.”36

Das wären diese beiden Briefe.

Marx und Engels sind immer noch der Ansicht, dass Frankreich der unmittelbar angreifende Teil im Kriege gewesen ist (“Deutschland ist durch Badinguet in einen Krieg hineingeritten”, schreibt Engels). Diese Anschauungen teilten mit ihnen nicht nur alle deutschen, sondern auch viele französische Sozialisten. Worin das begründet lag, haben wir oben bereits nachgewiesen. Aber diese Ansichten haben trotzdem keine irgendwie einschneidende Bedeutung für ihr Verhalten dem Kriege gegenüber gehabt.

Bebels und Liebknechts Ablehnung der Kriegskredite wurde von Marx gebilligt. Was die weiteren Abstimmungen bei erneuten Beratungen über Kriegskredite anbetrifft, so ist es selbstverständlich, dass Marx und Engels ihre unbedingte Ablehnung forderten. (Zu der Zeit stimmte sogar Schweitzer schon dagegen.) Der Sieg Preußens steht außerhalb jeden Zweifels. Die Annexion Elsass-Lothringens steht auf der Tagesordnung — eine Annexion, die Marx und Engels als das größte Unglück für ganz Europa, besonders für Deutschland betrachten.

Worin gingen nun Marx und Engels mit Liebknecht tatsächlich auseinander?

Marx und besonders Engels lehnten sich gegen Liebknecht auf, als er in seiner politischen Agitation und in seiner Polemik gegen Schweitzer den Kampf gegen Bismarck zu seinem ausschließlichen Losungswort machte. Darin hatten sie vollkommen recht, und Liebknecht hatte unrecht, als er die Tatsache nicht anerkennen wollte, dass der Krieg 1866 zuungunsten Österreichs ausgelaufen war, als seine Opposition gegen Bismarck in Schwärmerei für Österreich und in sentimentale Sympathiekundgebungen für die kleinen deutschen Staaten ausartete. Aber während des Krieges 1870/71 sündigte Liebknecht darin nicht mehr so sehr, wie in den vorhergehenden Jahren. Zu dieser Zeit nahm ihn Marx öfters Engels gegenüber in Schutz.

Während des Krieges 1870/71 war Liebknecht sogar, wie uns scheint, absolut frei von dieser Sünde. Wenigstens finden wir in keiner seiner öffentlichen Kundgebungen (immer zusammen mit Bebel) eine Spur dieser Einseitigkeit. Alle Kritiker Liebknechts — darunter auch Marx und Engels — bringen für diese Epoche keine konkreten Beweise gegen Liebknecht, mit Ausnahme einiger kleiner misslungener Bemerkungen im “Volksstaat”. Woher kommt also Engels‘ Unzufriedenheit mit Liebknechts Kampf gegen Bismarck? Sie stammt aus früherer Zeit, z. B. aus der berühmten (als Broschüre erschienenen) Rede Liebknechts aus dem Jahre 1869 “Über die politische Stellung der Sozialdemokratie, insbesondere mit Bezug auf den Reichstag.”

Diese Broschüre wurde bekanntlich später von Anarchisten ausgenutzt, und Liebknecht selber hielt es für notwendig, viele Übertreibungen zurückzuziehen, die er sich dort hatte zuschulden kommen lassen. Liebknecht bestand auf einer Boykottierung des Norddeutschen Reichstags. Er schlug vor, seine Existenz zu negieren, ebenso wie alle Ereignisse des Jahres 1866. In dieser Frage trat Liebknecht oft als Gefühlssozialist auf.

Solche Stimmungen waren es, die Marx und Engels auch im Jahre 1870 befürchteten. Das führte dazu, dass Engels diese Gefahr stark übertrieb und oft starke Ausdrücke dafür fand. Als Marx und Engels behaupteten, dass der Krieg 1870 ein “nationaler” geworden sei, dass man sich auf ein bloß neutrales Verhalten nicht beschränken könne, so meinten sie damit nicht etwa, dass nun die sozialistischen Arbeiter patriotisch werden und auf den Klassenkampf verzichten müssten. Sie wollten eins: dass den Arbeitern die wahre Bedeutung dieses Krieges klar gemacht würde, dass die Arbeiter wissen sollen, dass dieser Krieg die Einigung Deutschlands mit sich bringen könne. Marx und Engels wollten, dass die Agitation der deutschen Sozialdemokraten gegen Krieg ebenso weit entfernt wäre von der vulgären Bismarckschwärmerei Schweitzers wie von dem vereinfachten, einseitig übertriebenen Kampf gegen Bismarck, der die falsche Vorstellung wachrief, als sei eine Lösung der nationalen Frage durch Bismarck unmöglich, ja vollkommen ausgeschlossen.

Die Bemerkung von Engels über den “Antibismarckismus” hat einer der hervorragendsten russischen Vertreter des “neuen” Kurses, Plechanow, mit Freuden aufgegriffen. Er bringt es fertig, aus dieser Bemerkung Schlussfolgerungen zu ziehen, dass auch die russischen Sozialisten dem “Anti-Reaktionismus” nicht zu sehr anhängen dürften. “Einige von unseren Genossen”, wirft uns Plechanow vor, “machen sich jetzt den Antireaktionismus (d. h. den Kampf gegen den Zarismus) zum allein bedeutenden Prinzip.”37

Plechanow lässt eine “Kleinigkeit” außer Acht. Der Antibismarckismus in Deutschland wäre nur dann mit dem “Antireaktionismus” in Russland zu vergleichen, wenn unser Reaktionismus mit dem Bismarckismus verglichen werden könnte. Will Plechanow dies etwa behaupten? Er sage es doch offen und klar!

Im Brief vom 15. August 1870 sagt Engels: “Bismarck tut jetzt ein Stück von unserer Arbeit, in seiner Weise und ohne es zu wollen, aber er tut es doch.” Und das war in der Tat so. Wird aber Plechanow behaupten können, dass die russische Reaktion im Jahre 1914 ebenfalls ein Stück von unserer Arbeit getan hat? Wenn ja, welches ist dann diese unsere Arbeit? Oder soll etwa die imperialistische Politik unserer Reaktionäre in unserm Interesse sein? Brauchen wir etwa das Programm Bobrinskis und Struves, das sich auf Galizien bezieht?

Bismarck hat 1870/71, ohne es zu wollen, “geholfen”, das zweite Kaiserreich zu stürzen. Bismarck hat 1870/71 in “seiner Weise” aber immerhin die Einigung Deutschlands herbeigeführt Der russische Zarismus aber??

Ist es denn nicht klar, dass Plechanow Wasser auf die Mühlen des Zarismus gießt, indem er gegen die Anti-Zaristen Protest erhebt? Mag dies tun, wem es Spaß macht, doch Marx und Engels müssen dabei aus dem Spiel gelassen werden.

Und noch einmal der Briefwechsel zwischen Marx und Engels. Das Zeugnis von Vaillant und Lafargue.

Die weiteren Briefe von Marx und Engels liefern nur einige kleine Ergänzungen zur Charakterisierung ihres Verhaltens im Jahre 1870/71.

Am 20. August schreibt Engels: “Ich glaube, die Annexation der Deutsch-Franzosen ist jetzt beschlossene Sache. Hätte sich noch vorige Woche in Paris eine revolutionäre Regierung gebildet, so wäre noch etwas zu machen gewesen, jetzt kommt sie zu spät … Die Annexion ist ein großes Pech, aber sie scheint mir unvermeidlich. Wenn Deutschland ein Staat wäre wie Frankreich, so wäre die Sache noch eher zu entschuldigen …”38

Und am 2. September schreibt Marx zu demselben Thema: “Die Preußen hätten doch aus ihrer eigenen Geschichte lernen sollen, dass man ‚ewige‘ Sicherheit gegen den geschlagenen Gegner nicht durch Gebietsabtrennung usw. erreicht. Und selbst nach Verlust von Elsass und Lothringen ist Frankreich noch bei weitem nicht so vermöbelt wie Preußen es wurde durch Napoleons Tilsiter Pferdekur. Und was half das dem Napoleon I.?

Ich glaube nicht, dass Russland in diesem Kriege schon aktiv interveniert, ich glaube nicht, dass es dafür vorbereitet ist. Aber es ist ein diplomatischer Meistercoup, sich schon jetzt als Retter Frankreichs anzukündigen.”39

Am 7. September bemerkt Engels: “Dem deutschen Philister ist durch die unverhofften und durch ihn auch unverdienten Siege der Chauvinismus gräulich in die Krone gefahren, und es ist sehr Zeit, dass was dagegen geschieht.”40

Am 12. September schreibt Engels: “Es wäre scheußlich, wenn die deutschen Armeen als letzten Kriegsakt einen Barrikadenkampf gegen die Pariser Arbeiter auszufechten hätten. Es würde uns um 50 Jahre zurückwerfen.”41

Am 14. September schreibt Marx: “Bismarck ist bei alledem Esel. Weil ihm alles gelang, solange er das Instrument der deutschen Einheitsbestrebungen war, hat er den Kopf so weit verloren, dass er nun glaubt, ohne Scham und Gram spezifisch preußische Politik treiben zu können, nach außen nicht nur, sondern auch nach innen.”42

Wir haben den ganzen Briefwechsel von Marx und Engels, der sich auf den Krieg bezieht, zitiert. Wir haben ihn so ausführlich behandelt, weil er eine ungeheure historische Bedeutung hat für die Klärung der Anschauungen der Begründer des theoretischen Sozialismus über die Aufgaben des Proletariats in der auswärtigen Politik.

Nachdem der Leser die wahren Ansichten von Marx und Engels kennen gelernt hat, kann er nun lächeln über die Beschuldigungen Gardenins, “es sei ‚ihre‘ (Marx und Engels) Opposition gegen die Annexion von Elsass-Lothringen eine nur platonische und sehr ruhige gewesen.” Wir haben gesehen, wie Marx in beiden Aufrufen des Generalrats die Annexionisten angriff. Wir haben aus dem privaten Briefwechsel ersehen, dass Marx und Engels diese Annexion als das größte Unglück für ganz Europa und besonders für Deutschland betrachteten. und wir werden auch weiter unten sehen, mit welch scharfen Worten Engels über diesen Akt brutaler Vergewaltigung 17 Jahre nach der Annexion noch sprach.

Die Versuche der Anarchisten, Syndikalisten, Revisionisten, der “Kritiker” und der “klug gewordenen” Marxisten, die Sache so darzustellen, als wären Marx und Engels 1870/71 im Grunde genommen als gewöhnliche Sozialchauvinisten aufgetreten, platzen wie Seifenblasen, sobald man bloß die Tatsachen analysiert. Dass Marx und Engels sich im Kriege 1870/71 als konsequente internationale Sozialisten zeigten, ist übrigens auch daraus ersichtlich, dass die französischen Sozialisten ihnen die wärmsten Gefühle bewahrt haben.

Der Artikel von Vaillant, den die “Humanité” am 14. Dezember 1914 veröffentlicht hat, ist in dieser Beziehung ein Dokument von ungeheurer historischer Bedeutung. Vaillant steht 1914/15 an der Spitze der französischen Sozialchauvinisten. Aus ganzer Seele hasst er alles Deutsche. Die deutschen Sozialisten beschuldigt er der größten Verbrechen, solcher, die sie wirklich begangen haben und auch solcher, die nur eine Fiktion sind. Er ist bereit, jeden einzelnen des Franzosenhasses, des franzosen-feindlichen Chauvinismus anzuklagen. Und dieser selbe Vaillant tritt in einem Moment, wo alle chauvinistischen Leidenschaften entfacht sind, wo er selbst allem Deutschen flucht, mit einem Artikel hervor, in dem er erklärt: “die einzigen, die im Jahre 1870/71 wahre Internationalisten geblieben sind, waren Marx und Engels.” Vaillant hat aber selbst den Krieg miterlebt, er nahm aktiv und in hervorragender Weise an den Ereignissen teil, er war damals schon Sozialist und Arbeiterführer, so vor der Kommune wie auch während der Zeit ihres Bestehens.

Das Dokument ist so wertvoll und vielsagend, dass wir es ganz abdrucken. Nur für zwei Deutsche ist noch Platz im Herzen Vaillants. Er schreibt:

In Angelegenheit Karl Marx.

Während einer vor kurzem unternommenen Reise erfuhr ich zufällig, dass ein Pressorgan Karl Marx antifranzösischer Gefühle beschuldigt hat. Diese Behauptung ist absolut unwahr. Wahr ist das Gegenteil.

Meine Feststellung dieser Tatsache würde sicher genügen. Aber folgendes wird noch überzeugender auf alle diejenigen wirken, die wissen, welche innige Übereinstimmung zwischen Marx und Engels herrschte, wie nah sich die beiden standen.

Da sie ebenso entschiedene Republikaner und Sozialisten wie Anti-Imperialisten waren, wünschten sie, wie die Sozialisten und Republikaner aller Länder, den Sieg der französischen Republik über den imperialistischen Militarismus Preußens — von dem Augenblick an, als am 4. September die Republik erklärt war.

Engels beschäftigte sich viel mit Kriegswissenschaften und verfügte über große Kenntnisse auf diesem Gebiet. Im intimen Freundeskreis wurde er darum zum Scherz “der General” genannt.

Da er eine vollkommen klare Ansicht über die militärische Lage und über diejenigen Schritte, die er im Interesse der französischen Republik für notwendig hielt, gewonnen hatte — schrieb er an die Regierung der Nationalen Verteidigung und stellte sich ihr zur Verfügung.

Auf diesen Brief erhielt er keine Antwort.

Eduard Vaillant”43

Fügen wir noch hinzu, dass ein zweiter französischer Sozialist, Paul Lafargue, lange vor dem Krieg 1914 in seinen Memoiren erzählt, dass nach Sedan Engels nur einen Wunsch und eine Hoffnung hegte: den Triumph der französischen Republik.44

Wie groß die Sympathie von Marx für das republikanische Frankreich war, das Louis Napoleon davongejagt hatte, sieht man auch aus seinen Briefen an Kugelmann. In seinem Brief vom 13. Dezember 1870 schreibt Marx an Kugelmann:

Hier in England war die öffentliche Meinung bei Beginn des Krieges ultra-preußisch, sie ist jetzt in das Gegenteil umgeschlagen… Abgesehen von der entschiedenen Sympathie der Volksmassen für die Republik und dem Ärger der respectability über das nun sonnenklare Bündnis zwischen Preußen und Russland und dem unverschämten Ton der preußischen Diplomatie seit den militärischen Erfolgen, hat die Weise der Kriegsführung, das System der Requisitionen, Niederbrennen der Dörfer, Erschießen der Franktireurs, Bürgen nehmen und ähnliche Rekapitulationen aus dem dreißigjährigen Krieg, die allgemeine Entrüstung hervorgerufen.”

Und Marx setzt fort “Indes ist noch nicht aller Tage Abend … die jetzige Zerstreuung der deutschen Kräfte hat keinen anderen Erfolg als die Defensivkraft auf allen Punkten ins Leben zu rufen und die Offensivkraft zu schwächen…

Wie aber der Krieg immer ende, er hat das französische Proletariat in den Waffen geübt, und das ist die beste Garantie der Zukunft.”45

Noch am 4. Februar gibt Marx in einem Brief an Kugelmann der Hoffnung Ausdruck, dass das revolutionäre Frankreich über das Preußen Bismarcks siegen werde. Er schreibt:

Wenn Frankreich aushält, den Waffenstillstand zur Reorganisation seiner Armee benutzt und endlich dem Krieg einen wirklich revolutionären Charakter gibt — und der pfiffige Bismarck tut sein möglichstes to this end —- kann das neudeutsche borussische Kaisertum noch eine ganz unerwartete Prügeltaufe erhalten.”46

Vom Beginn des Krieges an beurteilt Marx die Ereignisse nicht vom “deutschen” Standpunkt, sondern vom Gesichtswinkel der internationalen Interessen des Proletariats — unter anderem auch vom Standpunkt einer Revolution in Russland aus.

So schreibt Marx z. B. in einem Brief an Sorge vom 1. September 1870: “Der jetzige Krieg führt, was die preußischen Esel nicht sehen, ebenso notwendig zum Krieg zwischen Deutschland und Russland, wie der Krieg von 1866 zum Krieg zwischen Preußen und Frankreich. Das ist das beste Resultat, das ich von ihm für Deutschland erwarte. Das spezifische “Preußentum” hat nie anders existiert und kann nie anders existieren, außer in Alliance mit und in Untertänigkeit gegen Russland. Auch wird solcher Krieg Nr. II als Hebamme der unvermeidlichen sozialen Revolution in Russland wirken.”47

Die deutschen Marodeure bringen es fertig, selbst diese Marxschen Worte für ihre jetzige “patriotische” Haltung auszunutzen. Marx habe den Krieg zwischen Deutschland und Russland vorausgesagt und von einem solchen Krieg revolutionäre Resultate erwartet. Jetzt hat dieser Krieg begonnen, und die deutsche Sozialdemokratie steht auf der Seite der preußischen Gegenrevolution. Geht daraus nicht klar hervor, dass die deutschen Sozialchauvinisten die Marxschen Lehren befolgen, wenn sie Hand in Hand mit den preußischen Imperialisten — gegen die “russischen Barbaren” kämpfen? Eine solche Ansicht verteidigt wenigstens das einflussreichste Organ des “marxistischen” Sozialchauvinismus in Deutschland, das “Hamburger Echo”. In einem Artikel ‚‚Marxismus und Krieg”48 behauptet der noch unbekannte Max Grunwald mit vollkommenstem Ernst, dass die offizielle deutsche Sozialdemokratie sich die oben angeführten Worte von Marx aus dem Brief an Sorge zum Motto für die Begründung ihres Verhaltens in diesem Kriege nehmen müsse.

Nun, Papier ist geduldig! Hätte Marx diese “Marxisten” gesehen, so würde er unbedingt gesagt haben, er sei kein Marxist…

Engels über die Annexion Elsass-Lothringens. Die Prophezeiungen von Engels gehen in Erfüllung.

Auch Engels besaß einen außerordentlich weiten Blick über die Weltlage. Wir haben besonders drei seiner Arbeiten aus späterer Zeit im Auge: 1. Ein unvollendetes Werk, das im Jahre 1888 geschrieben ist und im Jahre 1896 in der “Neuen Zeit” als Artikelserie (fünf große. Artikel) unter dem Titel “Gewalt und Ökonomie bei der Herstellung des neuen Deutschen Reiches” veröffentlicht wurde; 2. seinen Artikel ‚‚Der Sozialismus in Deutschland”, gedruckt im Jahre 1891; 3. seinen berühmten Artikel “Die auswärtige Politik des russischen Zarentums”, geschrieben im Jahre 1890. Die beiden letzten Artikel sind ungefähr zur selben Zeit geschrieben worden.

Mit welch großer Bitterkeit spricht Engels noch 1888 von der Annexion Elsass-Lothringens! “Die Heimat der Marseillaise, Straßburg deutsch machen wollen, das war ein ebensolcher Widersinn wie der, die Heimat Garibaldis, Nizza, französisch zu machen. … [man] vollzog […] den Gewaltstreich einfach kraft der Gewalt. Es war ein Stück Rache an der französischen Revolution, man riss eines der Stücke ab, die gerade durch die Revolution mit Frankreich in eins geschweißt worden. … der natürlichste Bundesgenosse (Frankreichs) gegen Deutschland ist Russland. Wenn die beiden größten und stärksten Nationen des westlichen Kontinents sich gegenseitig durch Feindseligkeit neutralisieren … so hat den Vorteil davon nur Russland und wenn trotzdem der Friede siebzehn Jahre erhalten worden, woher anders kommt das, als daher, dass das in Frankreich und Russland eingeführte Landwehrsystem mindestens sechzehn, ja nach neuester deutscher Verbesserung sogar fünfundzwanzig Jahre braucht, um die volle Zahl eingeübter Mannschafts-Jahrgänge zu liefern.”49 Immer und immer wieder zum Elsass-lothringischen Problem, das nach 1870 im Mittelpunkt der Weltpolitik stand, zurückkehrend, fragt Engels: “Und ist etwa den Elsässern die Vereinigung mit Deutschland seit 1871 mundgerecht gemacht worden? Im Gegenteil, man hat sie unter Diktatur gestellt, während nebenan in Frankreich die Republik herrschte… Wenn nun die Elsässer sind wie sie sind, haben wir ein Recht, uns darüber zu erbosen? Keineswegs. Ihr Widerwille gegen die Annexion ist eine geschichtliche Tatsache, die nicht heruntergerissen, sondern erklärt sein will. Und da müssen wir uns fragen: wie viele und wie kolossale geschichtliche Sünden musste Deutschland begehen, bis diese Gesinnung im Elsass möglich wurde? Und wie muss unser neues Deutsches Reich sich von außen her ausnehmen, wenn nach siebzehn Jahren des Wiederverdeutschungsversuchs die Elsässer uns einstimmig zurufen: verschont uns damit! Haben wir das Recht, uns einzubilden, dass zwei glückliche Feldzüge und siebzehn Jahre Bismarckscher Diktatur genügen, um die sämtlichen Wirkungen einer dreihundertjährigen schmachvollen Geschichte auszulöschen?”50

Welch edle Leidenschaft, welch tiefe Erkenntnis der revolutionären Pflichten spricht aus diesen Worten von Friedrich Engels! Und die armseligen Sozialchauvinisten unserer Zeit haben den Mut, ihr eigenes patriotisches Gerede damit zu vergleichen, wozu sich der große Mitstreiter von Karl Marx, Friedrich Engels, einst bekannte! Und die heutige offizielle deutsche Sozialdemokratie, die schon die Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts für Elsass-Lothringen als Verbrechen ansieht, vergleicht ihre Politik mit der eines Friedrich Engels!

Besonders eifrig und besonders gewissenlos wird von den deutschen Sozialchauvinisten der Artikel von Engels “Der Sozialismus in Deutschland” ausgenutzt. In diesem Artikel tritt Engels mit leidenschaftlichen Worten für einen revolutionären Krieg Deutschlands gegen das reaktionäre Russland ein. Diese Ansicht verteidigte Marx, wie wir bereits gesehen haben, schon im Jahre 1848 in der “Neuen Rheinischen Zeitung”.

Und diese Idee des revolutionären Krieges eines revolutionären Deutschland gegen das alte Russland haben die Herren Revisionisten jetzt auf den angeblichen Kampf gegen den Zarismus übertragen, einen Kampf, den die Revolutionäre Wilhelm II. und Hindenburg führen!

Zu Beginn des Krieges veröffentlichte Eduard Bernstein im “Vorwärts” eine Reihe von Artikeln, in denen er, alles beiseite lassend, was Engels von einer Revolution innerhalb Deutschlands sagt, nachweist, dass Engels für den Kampf gegen das reaktionäre Russland eingetreten ist, für den jetzt der Generalstab der deutschen Armee den Herren Sozialchauvinisten den Segen gab. In einer Zeitung erschien vor kurzem die Notiz, dass Bernstein sich jetzt (besser spät als nie!) seiner Fälschungen schäme und dass er in einer Versammlung erklärt habe, dass er den Tag, an dem er jenen Artikel schrieb, als den unglücklichsten seines Lebens betrachte. Wir wissen nicht, ob das zutrifft. Aber Bernsteins Reue wäre wirklich sehr verständlich.

Der Artikel “Der Sozialismus in Deutschland” ist im Jahre 1886 geschrieben, d. h. unter dem Eindruck des eben zustande gekommenen französisch-russischen Bündnisses, der Feierlichkeiten in Kronstadt, zur Zeit, als der französische Kriegsminister Boulanger beinahe einen Krieg gegen Deutschland hervorgerufen hatte. Ein Krieg zwischen Deutschland einerseits und Frankreich und Russland andererseits schien unvermeidlich. Zu der Zeit schrieb Engels:

Durch die gewaltsame Annexion von Elsass-Lothringen hat die deutsche Regierung … Russland zum Schiedsrichter von Europa gemacht…

Kein Zweifel, gegenüber diesem deutschen Reich vertritt auch die heutige französische Republik die Revolution — allerdings nur die bürgerliche Revolution — aber immerhin die Revolution. Sowie aber diese Republik sich unter die Befehle des russischen Zaren stellt, ist das anders.”51

Was geschieht, wenn Deutschland gegen Frankreich und Russland kämpfen muss? fragt Engels. Wie wird das auf das Schicksal der deutschen sozialistischen Bewegung einwirken?

Und er antwortet: “Soviel ist sicher, weder der Zar, noch die französischen Bourgeoisierepublikaner, noch die deutsche Regierung selbst würden eine so schöne Gelegenheit vorübergehen lassen zur Erdrückung der einzigen Partei (der Sozialdemokratie), die für sie alle der Feind ist.”52

Was sollen in einem solchen Fall die deutschen Sozialisten tun? Sie sollen die Initiative eines revolutionären Krieges gegen den russischen “Reaktionismus” auf sich nehmen und — im Bündnis mit den französischen Arbeitern — Frankreich zwingen, diesem die Unterstützung zu versagen, antwortet Engels.

Ein Krieg, wo Russland und Frankreich in Deutschland einbrächen, wäre für dieses ein Kampf auf Tod und Leben, worin es seine nationale Existenz nur sichern könnte durch Anwendung der revolutionärsten Maßnahmen. Die jetzige Regierung, falls sie nicht gezwungen wird, entfesselt die Revolution sicher nicht. Aber wir haben eine starke Partei, die sie dazu zwingen oder im Notfall sie ersetzen kann, die sozialdemokratische Partei.

Und wir haben das großartige Beispiel nicht vergessen, das Frankreich uns 1793 gab. Das hundert jährige Jubiläum von 1793 naht heran…” Es gilt zu beweisen, “dass die deutschen Proletarier von heute der französischen Sansculotten von vor hundert Jahren nicht unwürdig sind, und dass 1893 sich sehen lassen kann neben 1793.”53

Im Falle eines solchen Krieges muss die Arbeiterklasse Deutschlands zu den revolutionärsten Mitteln greifen, sie muss die Macht ergreifen und einen revolutionären Krieg gegen die reaktionären Mächte Europas führen, in ähnlicher Weise wie im Jahre 1793 die französische Revolution den absolutistischen Monarchen in ganz Europa den Krieg erklärt hat. Die deutsche Arbeiterklasse muss das tun — im Namen des Sozialismus, im Namen der Aufgaben des Proletariats. Denn — “gegenüber dem deutschen Kaisertum kann die französische Republik möglicherweise die bürgerliche Revolution repräsentieren. Aber gegenüber der Republik eines Constant, eines Rouvier und selbst eines Clemenceau, besonders aber gegenüber der Republik im Dienste des russischen Zaren, repräsentiert der deutsche Sozialismus unbedingt die proletarische Revolution.”54

Wir sehen: auch in diesem Artikel tritt Engels als Sozialist und Revolutionär auf, und nicht als Sozialchauvinist. Er appelliert nicht an die revolutionären Mächte innerhalb Russlands, weil zu der Zeit die Massenbewegung dort erst im Entstehen begriffen war. Aber bemerkenswert ist folgendes: Als im Jahre 1891 in Russland der Hunger ausbricht und im Zusammenhang damit die ersten Anzeichen einer Gärung im Volke hervortreten, da beeilt sich Engels, seinem Artikel einen Zusatz hinzuzufügen, und zwar meint er darin, die Lage würde sich wesentlich ändern, wenn der Sozialismus innerhalb Russlands einen Verbündeten bekäme, wenn die russische Demokratie das Schicksal der auswärtigen Politik ihres Landes in die eigenen Hände nähme und damit der Boden verschwände für ein französisch-russisches Bündnis, das eine reaktionär-chauvinistische Politik betreibe.

Die gleichen Ideen entwickelt Engels in seinem Artikel “Die auswärtige Politik des russischen Zarentums”. In diesem Artikel55 macht Engels eine ganze Reihe von bemerkenswerten Prophezeiungen. In vielen Punkten schildert er die zukünftige Lage genau so, wie sie sich jetzt gestaltet hat. “Nur solche Kriege können ihr (der russischen Diplomatie) passen, wo die Alliierten Russlands die Hauptlast zu tragen, ihr Gebiet der Verwüstung des Kriegsschauplatzes preiszugeben haben … Kein Länderraub, keine Gewalttat, keine Unterdrückung von Seiten des Zarentums, die nicht vollbracht wurde unter dem Vorwande der Aufklärung, des Liberalismus, der Völkerbefreiung…”56

Die heutige europäische Lage wird beherrscht von drei Tatsachen: Erstens der Annexion von Elsass-Lothringen an Deutschland, zweitens dem Drang des zaristischen Russland nach Konstantinopel, drittens dem in allen Ländern immer heißer entbrennenden Kampf zwischen Proletariat und Bourgeoisie … Die ersten beiden bedingen die heutige Gruppierung Europas in zwei große Heerlager. Die deutsche Annexion macht Frankreich zum Bundesgenossen von Russland gegen Deutschland, die zaristische Bedrohung Konstantinopels macht Österreich, selbst Italien zu Bundesgenossen Deutschlands. Beide Lager rüsten für einen Entscheidungskampf, für einen Krieg, wie die Welt noch keinen gesehen, wo zehn bis fünfzehn Millionen Kämpfer einander in Waffen gegenüberstehen werden. Nur zwei Umstände”, sagt Engels, “haben bis heute den Ausbruch dieses furchtbaren Krieges verhindert: Erstens der unerhört rasche Fortschritt der Waffentechnik, der jedes neu erfundene Gewehrmodell durch neue Erfindungen überflügelt, ehe es nur bei einer Armee angewendet werden kann, und zweitens die absolute Unberechenbarkeit der Chancen, die totale Ungewissheit, wer aus diesem Riesenkampf schließlich als Sieger hervorgehen wird.”57

Nur eine siegreiche Revolution in Russland, die das Schicksal des Landes in die Hände des Volkes legen wird, ist imstande, den drohenden Weltkrieg zu verhindern. Dann wird sich das demokratische Russland mit dem revolutionären Frankreich verbünden, und der deutsche Block wird auseinander fallen. Nur eine siegreiche Revolution kann die Menschheit vor dem Weltkrieg bewahren.”

Frankreich selbst würde durch die Beseitigung der Reaktion und den Sieg der Demokratie in Russland viel gewinnen. Denn “in einem Krieg an der Seite des Zaren wäre es Frankreich verboten, im Falle einer Niederlage sein großes, einzig wirksames Rettungsmittel anzuwenden, das Heilmittel von 1793, die Revolution, die Aufbietung aller Volkskräfte durch den Schrecken und die revolutionäre Propaganda in Feindesland; in diesem Fall würde der Zar sofort mit den Feinden Frankreichs sich vereinigen, da die Zeiten seit 1848 sich bedeutend geändert haben, und der Zar seitdem auch in Russland den Terror aus eigener Anschauung kennen gelernt hat.”58

Eine siegreiche Bewegung innerhalb Russlands muss den sozialistischen Prozess im Westen beschleunigen. Der Kampf würde zwischen Proletariat und Bourgeoisie ausgefochten werden, Und nicht zwischen dieser und jener Nation.

Die reaktionären Regierungen Europas wissen das genau. Daher können “trotz aller Zänkereien mit dem Zaren wegen Konstantinopels usw. … Augenblicke kommen, wo sie ihm Konstantinopel, Bosporus, Dardanellen und alles was er sonst noch verlangt, in den Schoß werfen, wenn er sie nur gegen die Revolution schützt.”59

Europa gleitet wie auf einer schiefen Ebene mit wachsender Geschwindigkeit abwärts dem Abgrund eines Weltkriegs von bisher unerhörter Ausdehnung und Heftigkeit entgegen. Nur eins kann hier Halt gebieten: Ein Systemwechsel in Russland.”60

Diese Perspektiven entwarf Engels, die Arbeit fortsetzend, die er gemeinsam mit seinem großen Freunde Marx begonnen hatte.

Marx und Engels haben, wie wir sehen, von Anfang an ihre theoretische und politische Tätigkeit der auswärtigen Politik besondere Beachtung geschenkt. Gleich in den ersten Jahren seines Emigrantenaufenthalts in London vertieft sich Marx “in die Mysterien der auswärtigen Politik”. Er begann damit, dass er die englischen Blaubücher aus einem halben Jahrhundert durchstudierte.61 Und in allen weiteren Jahren ihrer gemeinsamen Tätigkeit haben Marx und Engels den Fragen der auswärtigen Politik immer ihre besondere Aufmerksamkeit gewidmet.

Marx und die irische Frage. Das Selbstbestimmungsrecht der Völker. Ein Schlüssel zum Verhalten des Marxismus in der nationalen Frage.

Mit größter Aufmerksamkeit und wärmster Sympathie verfolgten Marx und Engels die nationalen Bewegungen der Italiener, Ungarn, Polen, Irländer usw. In vielen Artikeln und noch viel mehr Briefen an ihre Freunde findet man ein reichhaltiges Material, das Aufschluss gibt über das Verhalten von Marx und Engels zu diesen nationalen Strömungen. Eine jede dieser Bewegungen verstehen sie vom historisch-materialistischen Standpunkt zu erklären, ihre sozial-ökonomischen Ursachen aufzudecken. Besonders eifrig verfolgte Marx, als er in England lebte, die Bewegung der Irländer. Und zur Zeit der I. Internationale und nachher ist er bemüht, die irische Bewegung mit allen Kräften zu unterstützen, indem er den englischen Arbeitern immer von neuem beweist, dass die Unabhängigkeit Irlands ihre ureigenste Sache, dass ohne sie eine proletarische Revolution in England undenkbar sei.

In seinem Brief an Siegfried Mayer vom 9. April 1870 schrieb Marx: “Irland ist das Bollwerk der englischen Grundaristokratie. Die Ausbeutung dieses Landes ist nicht nur eine Hauptquelle ihres nationalen Reichtums, sie ist ihre größte moralische Macht. Sie repräsentieren in fact die Herrschaft Englands über Irland. Irland ist daher das grand moyen (mächtige Mittel), wodurch die englische Aristokratie ihre Herrschaft in England selbst erhält.

Andererseits: Zieht morgen die englische Armee und Polizei aus Irland fort, und ihr habt sofort eine agrarische Revolution in Irland. Der Sturz der englischen Aristokratie in Irland bedingt aber und hat notwendig zur Folge ihren Sturz in England. Damit wäre die Vorbedingung der proletarischen Revolution in England erfüllt…

Was die englische Bourgeoisie angeht, so hat sie d‘abord mit der englischen Aristokratie das Interesse gemein, Irland in ein bloßes Weideland zu verwandeln, das für den englischen Markt Fleisch und Wohle zu den möglichst billigen Preisen liefert … Aber die englische Bourgeoisie hat noch viel wichtigere Interessen an der jetzigen irischen Wirtschaft. Irland liefert durch die beständig zunehmende Konzentration der Pachten beständig ein Surplus für den englischen Arbeitsmarkt und drückt dadurch Lohne sowie die materielle und moralische Position der englischen Arbeiterklasse herab. Und das Wichtigste! Alle industriellen und kommerziellen Zentren Englands besitzen jetzt eine Arbeiterschaft, die in zwei feindliche Lager gespalten ist, englische Proletarier und irische Proletarier. Der gewöhnliche englische Arbeiter hasst den irischen Arbeiter als einen Konkurrenten, der den standard of life herabdrückt. Er fühlt sich ihm gegenüber als Glied der herrschenden Nation, und macht sich eben deswegen zum Werkzeug der Aristokraten und Kapitalisten gegen Irland, befestigt damit deren Herrschaft über sich selbst. Er hegt religiöse, soziale und nationale Vorurteile gegen ihn. Er verhält sich ungefähr zu wie die Weißen zu den Niggers in den ehemaligen Sklavenstaaten der Union. Der Irländer zahlt ihm mit Zinsen in der eigenen Münze. Er sieht in dem englischen Arbeiter zugleich den Mitschuldigen und das stupide Werkzeug der englischen Herrschaft über Irland. Dieser Antagonismus wird künstlich wach gehalten durch die Presse, die Kanzel, die Witzblätter, kurz alle den herrschenden Klassen zu Gebote stehenden Mitteln. Dieser Antagonismus ist das Geheimnis der Ohnmacht der englischen Arbeiterklasse trotz ihrer Organisation. Er ist das Geheimnis der Machtentfaltung der Kapitalistenklasse. Diese ist sich dessen völlig bewusst.

Das Übel hört hier nicht auf, es wälzt sich über den Ozean fort. Der Antagonismus zwischen Engländern und Irländern ist die geheime Grundlage des Konflikts zwischen England und den Vereinigten Staaten. Er macht jede ernsthafte und aufrichtige Kooperation zwischen den Arbeiterklassen beider Länder unmöglich. Er erlaubt den Regierungen beider Länder, sobald sie es für gut halten, dem sozialen Konflikt die Spitze abzubrechen durch gegenseitiges Lärmen und im Notfall durch Krieg zwischen beiden Ländern.

England als Metropole des Kapitals, als bis jetzt den Weltmarkt beherrschende Macht ist einstweilen das wichtigste Land für die Arbeiterrevolution, dazu das einzige Land, wo die materiellen Bedingungen der Revolution bis zu einem gewissen Reifegrad entwickelt sind. Die soziale Revolution in England zu beschleunigen ist daher der wichtigste Gegenstand der Internationalen Arbeiterassoziation. Das einzige Mittel, sie zu beschleunigen, ist Irland unabhängig zu machen. Daher Aufgabe der Internationalen, überall den Konflikt zwischen England und Irland in den Vordergrund zu stellen, überall offen Partei für Irland zu nehmen. Es ist die spezielle Aufgabe des Generalrats in London, in der englischen Arbeiterklasse das Bewusstsein wachzurufen, dass die nationale Emanzipation Irlands für sie keine Frage abstrakter Gerechtigkeit und menschlicher Gefühle ist, sondern die erste Bedingung ihrer eigenen, sozialen Emanzipation.”62

Diese ausgezeichneten Worte von Marx haben eine tiefe, geradezu historische Bedeutung. Sie gehen Aufschluss über das ganze Verhalten des Marxismus zur nationalen Frage. Für alle Sozialisten, die jetzt in ihrem Verhalten schwanken und keinen richtigen Weg finden können, empfiehlt es sich, diese Marxschen Worte zu studieren.

Der Arbeiter einer Großmacht bleibt der Diener seiner Bourgeoisie und schmiedet sich seine eigenen Ketten, wenn er nicht für die Freiheit und Unabhängigkeit der unterdrückten Völker kämpft, wenn er nicht auf dem Recht der politischen Unabhängigkeit, d. h. auf dem Selbstbestimmungsrecht für Nationen beharrt, von seiner Bourgeoisie unterjocht werden. (Marx gebraucht nicht den Ausdruck “Selbstbestimmungsrecht”, aber dieser Begriff ist es, den er umschreibt.) Ohne Beseitigung des Zwiespalts zwischen den Arbeitern der unterdrückenden und der unterdrückten Völker ist ein erfolgreicher Kampf für den Sozialismus nicht möglich. Die Bourgeoisie weiß genau, dass das beste Mittel, die kapitalistische Unterjochung weiter aufrechtzuerhalten, darin besteht, Konflikte zwischen den Arbeitern der verschiedenen Länder, besonders zwischen den Arbeitern einer herrschenden und den Arbeitern einer unterdrückten Nation hervorzurufen. Und das beste Mittel, diesen Konflikt zu schüren und ihn zu einem langwierigen zu gestalten, ist, bei den Arbeitern der unterdrückten Nation den Verdacht zu säen, als versagten die Arbeiter der herrschenden Nation ihnen und ihrem Volke die Freiheit, Unabhängigkeit und Gleichberechtigung. Um Verhältnisse zu schaffen, in denen der Arbeiter einer unterdrückten Nation ohne Bedenken mit dem Proletarier der herrschenden Nation zusammengeht — muss dieser seiner eigenen Bourgeoisie gegenüber restlos für das Selbstbestimmungsrecht aller Nationen eintreten. Gerade diejenigen Proletarier, die zu einer herrschenden Nation gehören, müssen für dieses Recht kämpfen. Tun sie das nicht, so werden sie zu blinden Werkzeugen der bürgerlichen Chauvinisten, so helfen sie der Bourgeoisie verschiedener Länder, soziale Konflikte in den Hintergrund schieben und sie durch nationale ersetzen. Die Bourgeoisie hat dann die Möglichkeit, Kriege hervorzurufen, wann es ihr passt, und die Arbeiter werden gezwungen, Bruder gegen Bruder zu kämpfen.

In einer öffentlichen Rede in einer Versammlung, die die Gesellschaft “Fraternal Democrats” am 29. November 1847 als Gedenkfeier für den polnischen Aufstand 1830 veranstaltete, sagte Engels: “Eine Nation kann nicht frei werden und zugleich fortfahren, andere Nationen zu unterdrücken. Die Befreiung Deutschlands kann also nicht zustande kommen, ohne dass die Befreiung Polens von der Unterdrückung durch Deutsche zustande kommt.”63

Die von uns unterstrichenen Worte enthalten ein sehr wichtiges marxistisches Prinzip in der nationalen Frage. In wenigen Worten haben wir hier den Inhalt der ganzen Politik von Marx und Engels auf dem Gebiet der nationalen Fragen geschildert. Die Arbeiterklasse einer beherrschenden Nation, die die Notwendigkeit des Kampfes gegen die Privilegien der Herrschaft und für das Selbstbestimmungsrecht der Völker noch nicht erkannt hat, kann auch ihre “eigene” Bourgeoisie nicht stürzen. Sie bleibt selbst die Sklavin dieser Bourgeoisie.

Nur wenn die Arbeiterklasse für das Selbstbestimmungsrecht der Völker eintritt, nimmt sie der Bourgeoisie der herrschenden und der unterdrückten Nationen das Heft aus der Hand und schafft die Bedingungen, unter denen sie das Recht hat, die Verschmelzung der Arbeiterklasse aller Völker, der unterdrückten und der sie beherrschenden, zu fordern und durchzuführen. Jetzt, wo fünf bis sechs Großmächte Hunderte Millionen von Angehörigen unterdrückter Völkerschaften unter ihr Joch zwingen, ist es besonders Pflicht der Arbeiter der Großmächte, das Selbstbestimmungsrecht der Völker zu fordern. Das ist das einzige Mittel eines konsequenten Kampfes gegen den Chauvinismus der “eigenen” Bourgeoisie. Nur dieser Kampf vermag bei den Arbeitern des unterdrückten Volkes das Misstrauen gegen die Arbeiter des herrschenden Volkes zu verscheuchen, und nur dieser Kampf wird der Bourgeoisie die Möglichkeit nehmen, die Arbeiter gegeneinander aufzuhetzen, sie zu zersplittern und damit den Kampf für den Sozialismus aufzuhalten.

Die angeführten Worte von Marx haben nicht nur für die Lösung der irischen Frage Bedeutung. Sie tragen einen viel allgemeineren Charakter. Nicht nur für die Herren Sozialchauvinisten empfiehlt es sich, sich in sie zu vertiefen, sondern auch für diejenigen Sozialisten, die zwar auf dem Boden des internationalen Sozialismus stehen, es aber trotzdem für unnötig und sogar schädlich erachten, das Selbstbestimmungsrecht der Völker in das Programm der Marxisten aufzunehmen.

Der Schatten Schweitzers. Marx‘ Kritik des Gothaer Programms.

Der Einfluss Lassalles hat in der Frage der “nationalen” Politik der Arbeiterklasse eine tiefe Spur im deutschen Sozialismus hinterlassen. Lassalle wusste natürlich, dass die Arbeiter der verschiedenen Länder durch gemeinsame Interessen verbunden sind. Die Ansicht Bismarcks, dass Lassalle in der Tiefe seiner Seele eher ein guter Monarchist als ein überzeugter Republikaner gewesen sei, war natürlich falsch. Doch in Lassalles Ansichten über die Aufgaben der Arbeiterklassen hat es zweifellos Elemente nationaler Begrenztheit gegeben, die die Folge seiner Beurteilung der Lage Deutschlands war. Schweitzer und andere Anhänger Lassalles gingen wohl in ihrem Patriotismus weiter, als es Lassalle je getan hätte. Aber prinzipiell sind sie doch nur den Traditionen Lassalles treu geblieben.

Betrachtet man aufmerksam all das, was Schweitzer und seine Anhänger während des Krieges 1870/71 getan haben, und vergleicht man damit, was die deutsche Sozialdemokratie jetzt predigt, so wird man den Gedanken nicht los: Wie revanchiert sich jetzt Schweitzer für all die Niederlagen, die ihm seinerzeit Bebel und Liebknecht beigebracht haben! Die Ideologie der jetzigen sozialdemokratischen Mehrheit in Deutschland gleicht dem Patriotismus Schweitzers wie ein Tropfen dem andern — sie hat sich nur den neuen Verhältnissen angepasst.

Marx und Engels haben gegen die patriotischen Elemente in Schweitzers Politik einen erbitterten Kampf geführt. Bekanntlich hat sich Marx im Jahre 1875 gegen die Vereinigung der Eisenacher mit den Lassalleanern ausgesprochen. Er wollte nur zulassen, dass in einzelnen Tagesfragen zwischen den beiden Parteien praktische Verständigung erzielt werde.

Als der erste Entwurf des gemeinsamen Programms (der später mit einigen Änderungen auf dem Parteitag in Gotha angenommen worden ist) bekannt wurde, da unterzog ihn Marx in einem vertraulichen Brief an die Eisenacher der rücksichtslosesten und schärfsten Kritik. Besonders grausam behandelte Marx den Absatz des Programmentwurfs, der den nationalen und internationalen Aufgaben der proletarischen Politik gewidmet war.

Dieser Absatz lautete folgendermaßen:

Die Arbeiterklasse wirkt für ihre Befreiung zunächst im Rahmen des heutigen nationalen Staates, sich bewusst, dass das notwendige Ergebnis dieses Strebens, welches den Arbeitern aller Kulturländer gemeinsam ist, die internationale Völkerverbrüderung sein wird.”

Diese Stelle kritisierend, bemerkt Marx:

Lassalle hatte im Gegensatz zum Kommunistischen Manifest und zu allem frühern Sozialismus die Arbeiterbewegung vom engsten nationalen Standpunkt gefasst. Man folgt ihm darin, und dies nach dem Wirken der Internationale!

Es versteht sich ganz von selbst, dass, um überhaupt kämpfen zu können, die Arbeiterklasse sich bei sich zu Haus organisieren muss als Klasse, und dass das Inland der unmittelbare Schauplatz ihres Kampfes ist. Insofern ist ihr Klassenkampf, nicht dem Inhalt, sondern, wie das Kommunistische Manifest sagt, der Form nach, national. Aber der ‚Rahmen des heutigen nationalen Staates‘, z. B. des Deutschen Reiches, steht selbst wieder ökonomisch ‚im Rahmen‘ des Weltmarkts, politisch ‚im Rahmen‘ des Staatensystems. Der erste beste Kaufmann weiß, dass der deutsche Handel zugleich ausländischer Handel ist, und die Größe des Herrn Bismarck besteht ja eben in einer Art internationaler Politik.

Und worauf reduziert die deutsche Arbeiterpartei ihren Internationalismus? Auf das Bewusstsein, dass das Ergebnis ihres Strebens, ‚die internationale Völkerverbrüderung sein wird‘ — eine dem bürgerlichen Freiheits- und Friedensbund entlehnte Phrase, die als Äquivalent passieren soll für die internationale Verbrüderung der Arbeiterklassen im gemeinschaftlichen Kampf gegen die herrschenden Klassen und ihre Regierungen. Von internationalen Funktionen der deutschen Arbeiterklasse also kein Wort! Und so soll sie ihrer eigenen, mit den Bourgeois aller andern Länder bereits gegen sie verbrüderten Bourgeoisie und Herrn Bismarcks internationaler Verschwörungspolitik das Paroli bieten! In der Tat steht das internationale Bekenntnis des Programms noch unendlich tief unter der Freihandelspartei. Auch sie behauptet, das Ergebnis ihres Strebens sei: ‚die internationale Völkerverbrüderung‘. Sie tat aber auch etwas, um den Handel international zu machen und begnügt sich keineswegs bei dem Bewusstsein — dass alle Völker bei sich zu Haus Handel treiben. Die internationale Tätigkeit der Arbeiterklassen hängt in keiner Art von der Existenz der ‚Internationalen Arbeiterassoziation‘ ab. Diese war nur der erste Versuch jener Tätigkeit, ein Zentralorgan zu schaffen; ein Versuch, der durch den Anstoß, welchen er gab, von bleibendem Erfolg, aber, in seiner ersten historischen Form nach dem Fall der Pariser Kommune nicht länger durchführbar war. Bismarcks ‚Norddeutsche‘ war vollständig im Recht, wenn sie zur Zufriedenheit ihres Meisters verkündete, die deutsche Arbeiterpartei habe in dem neuen Programm den Internationalismus abgeschworen.”64
So scharf kritisierte Marx die geringste Unklarheit in der Formulierung der internationalen Aufgaben der Arbeiterklasse. Es gab für ihn hier nicht die geringsten Kompromisse, hier existierte für Marx nur
entweder Proletarier und überzeugter Internationalist oder bürgerlicher Nationalist.

Liest man die wundervollen und so gut gezielten Ausführungen von Marx in dieser Frage, so überlegt man sich, was wohl Marx zur nationalen Politik der heutigen deutschen Sozialdemokratie sagen, welch vernichtende Ironie er für sie finden, mit welch tödlichem Sarkasmus er den bürgerlichen Patriotismus unserer Tage brandmarken würde!

Ja, der Schatten Schweitzers kann einen Sieg feiern. Seine Ideen sind im deutschen Sozialismus lebendiger, als man es je erwartet hätte.

Bemerkenswert ist, dass die Führer des deutschen Sozialchauvinismus offen zugeben, dass die Ideen Schweitzers in ihnen ihre Wiedergeburt feiern. So z. B. Eduard David in seinem Buch “Die Sozialdemokratie im Weltkrieg”.

Wie stellt er die Frage? “Man sagt uns, dass Bebel und Liebknecht im Jahre 1870 die Kriegskredite demonstrativ ablehnten. Gut! Wie aber handelten die übrigen sozialdemokratischen Abgeordneten? Neben Bebel und Liebknecht saßen noch drei andere Sozialdemokraten im Norddeutschen Reichstag: Fritzsche, Hasenclever und v. Schweitzer; diese aber stimmten der Vorlage zu. Die nächste historische Tatsache ist also, dass auch bei der Abstimmung am 19. Juli 1870 die Mehrheit der sozialdemokratischen Vertreter für die Kriegskredite stimmte.65

Selbst ein Mann wie Wilhelm Liebknecht hat es nicht verstanden, die Marxsche Kritik des Gothaer Programms genügend zu würdigen. Er war der Ansicht, dass es sich hier nur um gelehrte abstrakt-theoretische Meinungsverschiedenheiten handle. Noch im Jahre 1891 sagte Liebknecht auf dein Parteitag zu Erfurt in Bezug auf diese Kritik: “Theorie und Praxis sind aber zweierlei, und so unbedingt ich dem Urteil von Marx in. der Theorie vertraute, in der Praxis ging ich meine eigenen Wege … Hoch steht mir Marx, aber höher steht mir die Partei.”66

Und wer behielt Recht, Marx oder Liebknecht? Die von Marx vor 45 Jahren geübte theoretische Kritik des Sozial-Nationalismus, der sich im Gothaer Programm äußerte, hat auch heute noch eine wichtige praktische Bedeutung.

Aber die heutige Mehrheit der deutschen Sozialdemokratie appelliert an Schweitzer. Und das ist vollkommen logisch, denn der Königlich Preußische Sozialdemokrat Schweitzer ist wirklich ihr Prophet. Ja, der Schatten Schweitzers kann Siege feiern …

Hat die Erfahrung dieses Krieges nicht gelehrt, dass Marx Recht hatte, als er vor 40 Jahren ein so entschiedener Gegner der Vereinigung mit den Lassalleanern war? Ohne Zweifel hat die Vereinigung die Arbeiterbewegung in Deutschland gefördert, die Arbeiter zusammengeschweißt und ihnen ihren Kampf erleichtert. Aber — wer weiß — wären die prinzipiellen Meinungsverschiedenheiten damals nicht verwischt, wäre der Streit um den “Patriotismus” nicht unterdrückt, sondern im offenen Kampf zweier Richtungen von den Massen selber ausgetragen worden, vielleicht wäre der deutschen Sozialdemokratie der bittere Kelch der Schande, den sie jetzt in diesem Kriege bis zur Neige leeren musste, erspart geblieben.

Die Arbeiter haben kein Vaterland.”

lm Kommunistischen Manifest und in dessen ursprünglichem Entwurf, der von Engels stammt, sind Bemerkungen enthalten, die das hier behauptete Thema betreffen, und die auch heute noch von großer Bedeutung sind.

Im Jahre 1914 veröffentlichte Eduard Bernstein (den Engels zu seinem Testamentsvollstrecker gemacht hatte, bevor Bernstein zum Revisionismus abgeschwenkt war) den ursprünglichen Entwurf des “Kommunistischen Manifests”‚67 der in Form von Frage und Antwort geschrieben war.

Die 22. Frage lautet: “Wie wird die kommunistische Organisation sich zu den bestehenden Nationalitäten verhalten?”

Leider fehlt in den Aufzeichnungen die Antwort, die Engels darauf gibt; anstatt dessen antwortet Bernstein selber — auf Grund des endgültig veröffentlichten Textes des “Kommunistischen Manifests”.

Doch auch die 19. Frage berührt dies Thema sehr nah:

Wird diese kommunistische Revolution in einem einzigen Lande allein vor sich gehen können?”

Auf diese Frage antwortet Engels:

‚‚Nein, die große Industrie hat schon dadurch, dass sie den Weltmarkt geschaffen hat, alle Völker der Erde und namentlich die zivilisierten in eine solche Verbindung miteinander gebracht, dass jedes einzelne Volk davon abhängig ist, was bei einem andern geschieht. Sie hat ferner in allen zivilisierten Ländern die gesellschaftliche Entwicklung soweit gleichgemacht. dass in allen diesen Ländern Bourgeoisie und Proletariat, die beiden entscheidenden Klassen der Gesellschaft, der Kampf zwischen beiden der Hauptkampf des Tages geworden. Die kommunistische Revolution wird daher keine bloß nationale, sie wird eine in allen zivilisierten Ländern, d. h. wenigstens in England, Amerika, Frankreich und Deutschland gleichzeitig vor sich gehende Revolution sein. Sie wird sich in jedem dieser Länder rascher oder langsamer entwickeln, je nachdem das eine oder andere Land eine ausgebildetere Industrie, einen größeren Reichtum, eine bedeutendere Masse von Produktivkräften besitzt. Sie wird daher in Deutschland am langsamsten und schwierigsten, in England am raschesten und leichtesten durchzuführen sein. Sie wird auf die übrigen Länder der Welt ebenfalls eine bedeutende Rückwirkung ausüben und ihre bisherige Entwicklungsweise gänzlich verändern und sehr beschleunigen. Sie ist eine universelle Revolution und wird daher auch ein universelles Terrain haben.”68

Die historischen Worte im endgültigen Text des “Kommunistischen Manifests” “Die Arbeiter haben kein Vaterland, man kann ihnen nicht nehmen, was sie nicht haben” stimmen vollkommen mit den eben angeführten Ausführungen von Engels im ursprünglichen Entwurf des “Kommunistischen Manifests” überein.

Der Revisionismus gab dem Sozialismus — vom ersten Moment des Bestehens an — eine nationalistische Färbung. Dazu musste vor allem der Grundgedanke. “Die Arbeiter haben kein Vaterland” als falsch gestempelt werden; so geschah es auch. In seinem für den theoretischen Revisionismus grundlegenden Buch “Die Voraussetzungen des Sozialismus” bekämpft Bernstein diese Ansicht von Marx und Engels auf das Entschiedenste.69 Die Bernsteinsche “Philosophie” geht auf Folgendes hinaus: Die Arbeiter haben kein Vaterland, das war vielleicht in gewissem Sinne richtig im Jahre 1847, als die Arbeiter rechtlos waren, als in den großen europäischen Ländern unbeschränkter Absolutismus herrschte. Damals war ein solcher Ausspruch — zum Zwecke der Agitation — vollkommen berechtigt. Aber jetzt, jetzt, wo die Arbeiter das allgemeine Wahlrecht haben, wo sie teilnehmen an den kulturellen Errungenschaften, wo sie in allen gesetzgebenden Körperschaften durch zahllose Abgeordnete vertreten sind usw. — jetzt haben die Arbeiter ein Vaterland, jetzt kann man nicht sagen, dass sie nichts zu verlieren haben als ihre Ketten.

So stehen zu dieser Frage alle Sozialchauvinisten und Opportunisten unserer Zeit. Alle, die David, Kolb, Heine, Winnig, wiederholen nur Bernsteins Ausführungen in seinen “Voraussetzungen”, dieser Bibel der Revisionisten aller Länder.

In Wirklichkeit ist aber das Gegenteil wahr.

Noch nie waren Marx‘ und Engels‘ Worte, “Die Arbeiter haben kein Vaterland”, so berechtigt, wie gerade in der jetzigen Epoche.

Marx und Engels glaubten im Jahre 1847, dass die sozialistische Umwälzung in Europa Sache der allernächsten Zukunft sei Sie schrieben ihre historischen Worte von den Arbeitern, die kein Vaterland haben, gerade für die Epoche unmittelbar vor der sozialistischen Revolution. Nach 1847 musste das europäische Proletariat eine ganze Reihe nationaler Kriege durchmachen. Jetzt herrscht seit Jahrzehnten der Imperialismus, das jetzige Zeitalter ist das der imperialistischen Kriege. Auf seinem Triumphzug vernichtet der Imperialismus viele “Vaterländer”, die deutschen und die anderen Imperialisten handeln mit Vaterländern wie mit gemeiner Ware. Über alle Vaterländer herrscht der Wille eines kleinen Häufleins von Magnaten des Finanzkapitals. Millionen von deutschen und anderen Arbeitern und Bauern sterben auf den Schlachtfeldern — weil dies kleine Häuflein es so will. Ist das keine Sklaverei? Sind etwa die Arbeiter heute nicht ebenso entrechtete Sklaven, trotz der angeblichen gleichen politischen Rechte, mit deren Hilfe die Bourgeoisie der höchstentwickelten Länder ihre Arbeiter betrügt?

Die Arbeiter haben kein Vaterland.” Dies ist jetzt mehr als irgendwann zur historischen Tatsache geworden.

Auf dem Gebiet der nationalen Fragen wie auch der internationalen proletarischen Politik haben die großen Lehrer der Arbeiterklasse Marx und Engels uns ein glänzendes, unvergleichliches Beispiel historischen Scharfblicks gegeben. Sie sind der Internationale treu geblieben.

Die Sozialisten des Landes, das Marx‘ und Engels‘ Heimat war, sind diesen Prinzipien jetzt untreu geworden. Die Prinzipien selber aber sind nicht tot, sie können nicht sterben. Wenn eine dritte Internationale ins Leben gerufen wird, so wird sie auch in diesen Fragen den Weg beschreiten, den die Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus — Karl Marx und Friedrich Engels — ihr gebahnt haben.

1 James Guillaume, Karl Marx Pangermaniste, Paris 1915. Litr. Arrnand Colin, S. 86.

2 Paul Schreyer, Kopenhagen: “Die Sozialdemokratie und der Krieg, Seite 13

3 “Wojna” (Der Krieg), Paris 1915, S. 79.

4 Zeitschrift “Russkaja Myslj”, X. 1914, S. 159 f, 166.

5 H. Cunow, “Parteizusammenbruch”, 1915, S. 33 f.

6 Vergl. die Darstellung dieser Meinungsverschiedenheiten in Kautskys Broschüre “Die Internationale und der Krieg”, ebenso in Mehrings “Geschichte der deutschen Sozialdemokratie”.

7 Siehe die Broschüre von Friedrich Engels “Po und Rhein”, die zuerst im Jahre 1859 erschien und im Jahre 1915 von Bernstein neu verlegt wurde. S. 4 der neuen Ausgabe. Daher der Name der Broschüre “Po und Rhein”. [Marx Engels Werke, Band 13, S. 225-268, hier S. 227]

8 Reden und Schriften Lassalles, herausgegeben von Bernstein, Bd. 1, S. 306, 310.

9 a.a.O., S. 320, 325

10 Einer der hervorragendsten Anhänger Lassalles, Schweitzer, führte die Haltung Lassalles zu ihrem logischen Ende, als er im Jahre 1864 während dem Krieges zwischen Preußen und Österreich um Schleswig-Holstein sich direkt einen Bismarckianer nannte. In einer seiner damaligen Reden führte Schweitzer aus: “Österreich, meine Herren, Österreich ist es erhört, dass das Recht und die Freiheit bei Österreich sein sollen? Lügner und Betrüger sind es, die Ihnen vorsagen, bei Österreich sei das Recht und sei die Freiheit. … Wenn es uns aber gelingt, die preußische Regierung weiter zu treiben auf dem Wege der Konzessionen an uns — wenn die Dinge sich so gestalten, dass in Preußen allein unsere Operationsbasis sein kann, während in Österreich uns wie bisher die Hände gebunden bleiben, dann, meine Herren, ja dann werden wir Partei ergreifen, nicht, wie Lügner und einfältige Schwätzer sagen, gegen das Recht und die Freiheit der Nation, wohl aber gegen die österreichische Regierung und die Bundeswirtschaft, dann werden wir hoffen und wünschen dann werden wir, soviel wir können, das Unsere tun, dass der Sieg nicht bei den Fahnen Benedeks, sondern bei den Fahnen Bismarcks und Garibaldis sei.” (S. politische Aufsätze und Reden v. Schweitzer: herausgegeben von Mehring, S. 155, zitiert in Kautsky “Die internationale und der Krieg‘‘.) Zur selben Zeit sprach sich Engels — wie Bebel und Liebknecht — für eine Niederlage Preußens aus. Im Brief vom 2. April 1866 schrieb er an Marx: “Was sagst Du zu Bismarck? Es hat jetzt fast den Anschein, dass er es zum Krieg treibt und dadurch dem Louis Bonaparte die schönste Gelegenheit bietet, sich ohne Mühe ein Stück linkes Rheinufer zu erwerben und damit sich à vie (auf Lebenszeit) festzusetzen. Wenn nun auch jeder, der an diesem Krieg — wenn es dazu kommt — mit schuld ist, gehangen zu werden verdient und ich mit gleicher Unparteilichkeit dies auf die Österreicher auch ausgedehnt wünsche, so ist doch mein Hauptwunsch, dass die Preußen heillose Prügel besehen mögen.” (Briefwechsel zwischen Marx und Engels, Bd. III, S. 306. [Marx Engels Werke, Band 31, S. 200)

11 “Savoyen, Nizza und der Rhein”, Neue Auflage 1915, S. 22. [Marx Engels Werke, Band 13, S. 571-612, hier S. 589]

12 a.a.O., S. 15 [a.a.O., S. 583]

13 Ebenso Marx, denn Marx war mit diesen Broschüren einverstanden und lobte sie sehr, was aus seinem Briefwechsel mit Engels hervorgeht. In seinem Pamphlet “Herr Vogt” (1860) verteidigt Marx denselben Standpunkt. [Marx Engels Werke, Band 14, S. 381-686, v.a. S. 472f.]

14 “Po und Rhein”, S. 55. [a.a.O., S. 268]

15 “Inzwischen haben wir einen Bundesgenossen bekommen an den russischen Leibeigenen”, schreibt hocherfreut Engels im Jahre 1860, da die Bauernunruhen in Russland anfingen, sich bemerkbar zu machen. S. Savoyen. Nizza und der Rhein”, S. 97. [a.a.O., S. 611]

16 In Klammern bemerken wir, dass Bernstein selber zu Beginn des Krieges in dieser Beziehung nicht ohne Fehl war. Doch davon weiter unten.

17 “Verfehlte Ausschlachtung der Klassiker des Sozialismus”, von Eduard Bernstein, “Vorwärts” vom 15. VII. 1915.

18 Sogar der heutige “neue” Kautsky weiß, “dass die Verhältnisse heute ganz anders liegen als 1870”, und dass “die Marx-Engels'schen Briefe aus jener Zeit heute vielfach zur Lösung der Probleme des jetzigen Krieges herangezogen werden, ohne dass man die Verschiedenheiten der Situation in Betracht zieht. — “Neue Zeit”, 27. November 1914, S. 234.

19 Erzählt nach einer Mitteilung des Pariser Korrespondenten des “Manchester Guardian” in einer unvollendeten Arbeit von Engels “Gewalt und Ökonomie bei der Herstellung des neuen deutschen Reiches”. — “Neue Zeit”, XIV, Bd. 1, S. 740. [a.a.O., S. 435, 436 Fußnote]

20 a.a.O., S.744. [a.a.O., S. 439]

21 Siehe sein Vorwort zur deutschen Ausgabe des “Bürgerkriegs in Frankreich” 1891. [Marx Engels Werke, Band 22, S. 188-199, hier S. 188]

22 In der Inauguraladresse — vom Jahre 1864 — schrieb Marx: “Wenn die Emanzipation der arbeitenden Klassen deren gegenseitigen brüderlichen Beistand erfordert, wie können sie diese große Mission erfüllen, wenn die auswärtige Politik der Regierungen strafbare Pläne verfolgt, nationale Vorurteile in Bewegung setzt und in Raubzügen das Blut und den Schatz des Volkes vergeudet? Nicht die Weisheit der herrschenden Klassen, sondern der heldenmütige Widerstand der arbeitenden Klassen von England war es, was den Westen von Europa verhinderte, sich über Hals und Kopf in einen Kreuzzug zur Verewigung und Fortpflanzung der Sklaverei auf dem jenseitigen Ufer des atlantischen Ozeans zu stürzen. Der schamlose Beifall, die nur scheinbare Sympathie oder der beschränkte Gleichmut, mit welchem die oberen Klassen Europas die Bergfestung des Kaukasus Russland zur Beute fallen und das heldenmütige Polen durch Russland haben vernichten sehen, die unwiderstandenen Übergriffe dieser barbarischen Macht, deren Haupt in St. Petersburg, deren Hände in allen Kabinetten Europas sind, haben den arbeitenden Klassen die Pflicht gelehrt, selber die Mysterien der internationalen Staatskunst zu bemeistern, die diplomatischen Streiche ihrer Regierungen zu überwachen, ihnen nötigenfalls mit aller ihnen zu Gebote stehenden Macht entgegen zu arbeiten, und, wenn außer Stande den Streich zu verhindern, sich zu gleichzeitiger öffentlicher Anklage zu verbinden und die einfachen Gesetze der Moral und des Rechts zu proklamieren, welche ebenso wohl die Beziehungen Einzelner regeln, als auch die obersten Gesetze des Verkehrs der Nationen sein sollten…” [Marx Engels Werke, Band 16, S. 5-13, hier S. 13]

23 “Der Bürgerkrieg in Frankreich.” [Marx Engels Werke, Band 17, S. 3-8, hier S. 5]

24 Dies ist übrigens wieder ein Beweis dafür, dass der Briefwechsel zwischen Marx und Engels allein keinen Maßstab gibt für deren Beurteilung der politischen Ereignisse. Im Briefwechsel finden wir z. B. einige höhnende Worte über das Manifest der französischen Sozialisten. Der Stil des Aufrufs schien Marx und Engels manchmal phrasenhaft und teilweise naiv. Einige alte Gegner des Marxismus (z. B. Gardenin) nutzen jetzt diese Bemerkungen von Marx und Engels aus, um den Begründern des theoretischen Sozialismus ihren Nationalismus nachzuweisen. Seht nur, sie verhöhnen die Aufrufe der französischen Arbeiter gegen den Krieg! Eine solche Methode verfügt nicht über allzu große Korrektheit. Indem Marx das französische Manifest im ersten Aufruf der Internationale abdruckt, zeigt er, dass er den Wert dieses ausgezeichneten Aufrufs der französischen Arbeiter richtig erkannt hat. Aber das nahm Marx und Engels nicht das Recht, in einem intimen Meinungsaustausch die schwachen Seiten des französischen Aufrufs, die für die Franzosen charakteristisch waren, zu kennzeichnen.

25 Aus dem Briefwechsel zwischen Marx und Engels ist jetzt bekannt, dass dieser Teil des Aufrufs auf Grund von Tatsachenmaterial geschrieben wurde, das Marx von Engels zugeschickt wurde. Engels beschäftigte sich bekanntlich viel mit militärischen Fragen und schrieb immer für Marx alles, was sich auf dieses Gebiet bezog, auf.

26 Der Briefwechsel zwischen Marx und Engels, Stuttgart 1913, Bd. 4, S. 296. [Marx Engels Werke, Band 33, S. 5-7, hier S. 5]

27 Gustave Hervé, “Leur patrie”, S. 78f.

28 [Marx Engels Werke, Band 33, S. 8-10, hier S. 10]

29 Briefwechsel, IV, S. 301. [Marx Engels Werke, Band 33, S. 11-13, hier S. 11f.]

30 [Marx Engels Werke, Band 33, S. 15-19, hier S. 15]

31 a.a.O., S. 305, 306. [Marx Engels Werke, Band 33, S. 20-22, hier S. 20]

32 [Marx Engels Werke, Band 33, S. 31-33, hier S. 31, 32

33 [Marx Engels Werke, Band 33, S. 34f., hier S. 34]

34 Briefwechsel, Bd. IV, 5. 319-320. [a.a.O., S. 42]

35 Marx sagt direkt, dass er die Erklärung Bebels und Liebknechts, infolgedessen auch ihre Abstimmung, gebilligt habe. Das löst ein für allemal die Frage, auf wessen Seite Marx stand, auf Seiten der Braunschweiger oder auf Seiten Liebknechts und Bebels. Der Streit zwischen diesen und jenen entstand ja gerade infolge der Erklärung von Liebknecht und Betel in der Reichstagssitzung.

36 Briefwechsel, Bd. IV, 8. 322, 323. [Marx Engels Werke, Band 33, S. 43f.]

37 Plechanow “Über den Krieg”.

38 Briefwechsel, S. 324. [Marx Engels Werke, Band 33, S. 45f., hier S. 45]

39 a.a.O., S. 327. [Marx Engels Werke, Band 33, S. 49f.]

40 [Marx Engels Werke, Band 33, S. 56-58, hier S. 56]

41 [Marx Engels Werke, Band 33, S. 61f., her S. 62]

42 a.a.O., S. 338 [Marx Engels Werke, Band 33, S. 64f.]

43 L‘Humanité, Paris, Dezember 1914. Ohne irgendeine tatsächliche Grundlage dafür zu haben, erklärt Gardenin diese Erzählung Vaillants, der an jenen Ereignissen teilgenommen hat, für eine Legende. Was Vaillant erzählt, widerspricht nämlich Gardenins Legende vom antifranzösischen Chauvinismus Marx‘ und Engels‘.

44 “Neue Zeit”, XXIII, S. 561.

45 Karl Marx: Briefe an Kugelmann. Elementarbücher des Kommunismus, Bd. 4, S.78, 79. Viva, Berlin 1924. [Marx Engels Werke, Band 33, S. 162-165, hier S. 163f., Hervorhebung von Sinowjew]

46 Karl Marx: Briefe an Kugelmann. Elementarbücher des Kommunismus, Bd. 4, S. 83. Viva, Berlin 1924. [Marx Engels Werke, Band 33, S. 180-183, hier S. 183]

47 Briefe an Sorge, S. 17. [Marx Engels Werke, Band 33, S. 139f., hier S. 140]

48 “Hamburger Echo” Nr. 302, vom 29. Dezember 1914.

49 Gewalt und Ökonomie, Nr. 7, 1896, 1, S. 774f. [Marx Engels Werke, Band 21, a.a.O., S. 446f.]

50 a.a.O., S. 776 [a.a.O., S. 448f.]

54 “Neue Zeit”, 1892, S. 584 ff. [a.a.O., S. 255]

55 Dieser Artikel ‚‚Die auswärtige Politik des Zarentums‘‘ ist auf Wunsch der russischen Sozialdemokratie geschrieben und in der Zeitschrift “Der Sozialdemokrat” und gleichzeitig in der “Neuen Zeit” 1891 (7. Jahrgang) veröffentlicht worden. “Der Sozialdemokrat” wurde unter der Redaktion von Plechanow, Axelrod und anderen herausgegeben. [Marx Engels Werke, Band 22, S. 11-48]

57 “Neue Zeit”, 1891, S. 199-202 [a.a.O., S. 45]

61 Siehe N. Rjasanow “Marx über den Ursprung der Vorherrschaft Russlands in Europa”, Ergänzungsheft der “Neuen Zeit”.

62 Neue Beiträge zur Biographie von Marx und Engels, ‚Neue Zeit” 1907, Bd. II, Seite 227/28. (Veröffentlicht von Franz Mehring.) [Marx Engels Werke, Band 32, S. 665-670, hier S. 667-669]

63 “Karl Marx und Friedrich Engels über die Polenfrage”, von N. Rjasanow, im “Archiv für die Geschichte des Sozialismus und der Arbeiterbewegung” von Dr. K. Grünberg, 1915, Bd. 1, S. 179f. [Marx Engels Werke, Band 4, S. 417f., hier S. 417] Aus Raummangel können wir hier auf den Standpunkt von Marx und Engels nicht näher eingehen.

64 “Neue Zeit”, 1881, Bd. 1, S. 569/70. [Marx Engels Werke, Band 19, S. 11-32, hier S. 23f.]

65 “Die Sozialdemokratie im Weltkrieg”, von Ed. David, 1915, S. 26

66 Protokoll des Erfurter Parteitags, S. 327.

67 Grundsätze des Kommunismus. Eine gemeinverständliche Darlegung von Friedrich Engels. Aus dessen Nachlass herausgegeben von Eduard Bernstein, Berlin 1914. [Marx Engels Werke, Band 4, S. 361-380, hier S. 374f.]

68 Fr. Engels Grundsätze des Kommunismus, S. 26, 27.

69 Im dritten Teil unserer Arbeit sprechen wir ausführlicher darüber.

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