VORWORT FÜR DIE DEUTSCHE AUSGABE.

VORWORT FÜR DIE DEUTSCHE AUSGABE.

Das jetzt dem deutschen Leser vorliegende Buch wurde 1915/17, in den Jahren des imperialistischen Krieges geschrieben. Die grundlegenden Schlussfolgerungen des Autors waren bereits lange vor Beendigung des Krieges gezogen, woraus sich ergibt, dass der Autor dazumal manches nicht voraussehen konnte. Eine Reihe von Zahlen — zumal in jenen Kapiteln, die der Lage der Weltwirtschaft gewidmet sind — bieten heute nur ein historisches Interesse. Genosse Varga war uns behilflich, einzelne Kapitel durch Heranziehung einer Reihe von, bis auf die letzten Jahre reichenden Ergänzungszahlen zu vervollständigen. Das Manuskript des ersten Teiles der ganzen Arbeit ist von W. I. Lenin durchgesehen worden, dessen Ansichten einen entscheidenden Einfluss auf diese Arbeit ausgeübt haben.

Bis zum Anfang des Krieges 1914 bildete die deutsche Sozialdemokratie bekanntlich die wichtigste Partei der II. Internationale. Die deutsche Partei genoss lange Zeit das uneingeschränkte Vertrauen von Seiten aller übrigen Sektionen der Internationale. Ihre Popularität war ganz besonders groß bei den russischen Revolutionären, die lange Jahre zu ihr aufsahen und sie als ihren Lehrmeister betrachteten.

Die Spuren dieser „Verliebtheit“ in die deutsche Sozialdemokratie wird der Leser besonders in den ersten Kapiteln des ersten Bandes der vorliegenden Arbeit finden. Es ist, als wenn der Verfasser sich seine Anhänglichkeit an die deutsche Sozialdemokratie, deren Arbeit für uns alle lange Jahre hindurch als mustergültig galt, mit Überwindung aus dem Herzen reißen musste.

Im zweiten Teil der Arbeit sind einige Kapitel unvollendet, und manche überhaupt ungeschrieben geblieben: die Revolution in Russland hat es „verhindert“.

Die Arbeit wurde zur Zeit des Bestehens des Zarismus in russischer Sprache geschrieben. Der Verfasser hegte gewisse Hoffnungen, dass das Buch auch unter der zaristischen Zensur erscheinen könnte. Das hatte zur Folge, dass eine Reihe von Stellen sehr gemäßigt gehalten sind: um nicht dem roten Zensorstift zu verfallen. Der Leser der deutschen Ausgabe wird diesen Umstand berücksichtigen müssen.

Zu jener Zeit, als dieses Buch geschrieben wurde, war die III. Internationale nur eine Parole. Gegenwärtig ist die Kommunistische Internationale zu einem mächtigen Faktor der neuesten politischen Geschichte geworden. Die letzten Ereignisse in allen wichtigsten Ländern Europas haben gezeigt, dass der Sozialismus schon jetzt unbesiegbar wäre, wenn die so genannten „Arbeiter“-Parteien (wir haben vor allem die Arbeiterpartei Englands im Auge) sich entschlossen hätten, die wahren Interessen der Arbeiterklasse wenigstens auf die elementarste Weise zu verteidigen. Die II. Internationale hat in diesen Jahren bereits den vollen Beweis geliefert, dass sie gegenwärtig nicht mehr der rechte Flügel der Arbeiterbewegung, sondern der linke Flügel der Bourgeoisie ist. Der Sieg der proletarischen Revolution ist ohne einen Sieg der Komintern über die II. Internationale unmöglich.

Moskau, den 29. Mai 1924.

G. Sinowjew.

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