G. Sinowjew 19150201 Weiteres zur Wendung Martows

G. Sinowjew: Weiteres zur Wendung Martows

[„Sozialdemokrat", Nr. 37. Nach Lenin/Sinowjew, Gegen den Strom, 1921, S. 49 f.]

Von Martows Wendung um 90 Grad zeugt auch sein Artikel: „Über meine angebliche Vereinsamung" in Nr. 87 des „Golos". Martow hat recht. Er ist wirklich unter den Liquidatoren nicht mehr einsam. Denn – er hat sich dem Chorus der Maslow, Smirnow, Lewitzki und Potressow angeschlossen. Wenn der Berg nicht zu Mohamed kommt, so kommt Mohamed zum Berge…

Unsere Kritik des schändlichen Manifestes der Liquidatoren nennt Martow ein „Musterbild kleinlicher Nörgelei", und die Richtung dieses Manifestes - „scharf antizaristisch". (Kursiv von Martow). Um die Liquidatoren herauszustreichen, will Martow schwarz zu weiß machen. Die Richtung des Liquidatoren-Manifestes ist nicht antizaristisch, sondern durch und durch zaristisch. Die Männer, die erklären, dass „wir in unserer Wirksamkeit in Russland gegen den Krieg nicht ankämpfen" (vergl. das „Dokument") – solche Männer haben aufgehört, Sozialdemokraten zu sein und sind Lakaien des Zarismus geworden. Das hat, wie es scheint, selbst die liebe Redaktion des „Golos" kapiert.

Was heißt: der Zarenbande „nicht entgegenarbeiten" und den Krieg gegen den „äußeren Feind" führen? Ist es denn nicht klar, dass es zugleich auch so viel bedeutet, dass gegen die Bekämpfung auch des „inneren Feindes" nicht entgegengearbeitet werden soll. Das eine schließt ja das andere ein. Kann nicht die Zarenbande, sich selbst überlassen, die Arbeiterdelegierten ins Gefängnis stecken und Moskauer Arbeiter allein wegen der Zugehörigkeit zu unserer Partei zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilen? Die Liquidatoren waschen wie Pontius Pilatus ihre Hände in Unschuld („wir arbeiten nicht entgegen") und nehmen angeblich eine „neutrale" Stellung ein, in Wirklichkeit aber verraten sie die Arbeiter und schlagen sich zu den zaristischen Nationalisten.

Und das nennt Martow eine „scharf antizaristische" Haltung. … Was Wunder, dass Martow auch die Reden Axelrods, die den „patriotischen" Reden Plechanows verdammt ähnlich schauen (aber nur feiger sind) als Einwände „gegen den Chauvinismus" erklärt.

Ja, verzeihe uns L. Martow unsere Vermutung, dass er in der Tat fähig, sei, allein gegen den Chauvinismus im Lager der Liquidatoren aufzutreten. Nein, Sie sind nicht mehr einsam! Ihr „Verstand und Gewissen" haben Ihnen gesagt, dass Sie unbedingt ins Gefolge derjenigen gehören, die heutzutage der Bande Nikolai Romanows „nicht entgegenarbeiten"…

Und die weise Redaktion des „Golos" – wird sie darauf kommen, wer in Wirklichkeit die schlimmere Fraktionspolitik treibt: diejenigen, die den Sozialchauvinismus brandmarken, wo er auch in Erscheinung treten mag, oder diejenigen, die zum Schutz von Personen ihres Zirkels etwas Zaristisches für Antizaristisches ausgeben…

Martow begeht eine weitere formale Unterstellung. Das Manifest rühre bloß von einigen Literaten her und hätte keinerlei „offizielle Sanktion" erhalten. Wir wiederholen: Jenes Manifest ist der Ausdruck für die Auffassungen der Liquidatoren, die eine Richtung in Russland geschaffen haben und die die ganzen Jahre hindurch die liquidatorische Massenarbeit in Russland geleitet haben. Die Geschichte wiederholt sich. 1910 hat die Gruppe „Nascha Sarja", die ebenfalls keinerlei „offizielle Sanktion" besaß, faktisch ihre Politik gegen die Partei durchgeführt. Am Anfang war Martow ebenfalls nicht ganz damit einverstanden. Gute Leute „hegten die Hoffnung" usw … Und welches Ende das genommen hat – daran braucht man wohl nicht erinnert zu werden.

1. Februar 1915.

G. Sinowjew,

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