G. Sinowjew 19161000 Wie die Liquidatoren zu Sozialchauvinisten wurden

G. Sinowjew: Wie die Liquidatoren zu Sozialchauvinisten wurden

[Sammelbuch des „Sozialdemokrat Nr. 1. Nach Lenin/Sinowjew, Gegen den Strom, 1921, S. 442-453]

Vergleicht man vollkommen objektiv die Reden der Liquidatoren in der Versammlung vom 21. November mit den Kriegsschreibereien der „Nascha Sarja", „Nasche Djelo", „Nasch Golos" von Samara, den wichtigsten Deklarationen der Petersburger „Initiativgruppe", den Erklärungen der Moskauer Menschewiki und den Reden Tschcheidses über die „Rettung des Landes", so muss jedermann zur Überzeugung gelangen, dass im Großen und Ganzen hier eine und dieselbe Sache vertreten wird. Die Hauptredner in der Versammlung vom 21. November sind Früchte vom Baume Lewitzkis, Potressows und Majewskis. Aber zugleich sind sie wohlberechtigte Wortführer des ganzen liquidatorischen Lagers. Ihre Reden in der Versammlung, die Entwürfe der von ihnen eingebrachten Resolutionen und Erklärungen sind unzweifelhaft in gemeinsamer Beratung mit den verantwortlichen Führern der ganzen liquidatorischen Richtung ausgearbeitet worden.

Wenn wir an das unzertrennliche Band zwischen dem Sozialchauvinismus und Opportunismus (bei uns in Russland mit dem Liquidatorentum) hinweisen, hören wir oft, dass man uns „Fraktionsgeist" vorwirft. Man sieht darin einfache polemische Übertreibung, eine Ausnützung der Krise zu Fraktionszwecken usw. Und doch gibt es keine feststehendere Wahrheit als die: der Sozialchauvinismus ist Opportunismus, angewandt auf die Verhältnisse der Kriegszeit; der russische Sozialchauvinismus ist Liquidatorentum, angewandt auf die Verhältnisse des Krieges 1914-16.

Wenn man die Reden liest, die in der Versammlung vom 21. November gehalten wurden, wird dieser Zusammenhang sozusagen handgreiflich. Der Prozess der Verwandlung des Liquidatorentums in Sozialchauvinismus vollzieht sich gewissermaßen vor unseren Augen und – wohlgemerkt – er vollzieht sich sang- und klanglos, mit der Leichtigkeit und Behändigkeit eines ausgezeichnet funktionierenden Automaten. Anders könnte es auch nicht sein: im Kriege, unter den Kriegsverhältnissen muss das Liquidatorentum zum Sozialchauvinismus führen.

Die gehaltenen Reden sind sogar weniger chauvinistisch, als gerade liquidatorisch. Das sind sozusagen typische Reden im klassischen alt-liquidatorischen Stil. Aber gehalten in einer neuen Situation, in einem Moment, da der Zarismus wegen Konstantinopel und Galizien Krieg führt, in einem Augenblick, da die ganze liberale Bourgeoisie durch die Bank die reaktionär-räuberische Politik des Zarismus unterstützt, werden diese Reden neo-liquidatorisch, d. h. sozialchauvinistisch. Die liberale Bourgeoisie steht hinter dem imperialistischen Zarismus, die liberalen Arbeiterpolitiker stehen hinter der liberalen Bourgeoisie. Und daraus ergibt es sich, dass in Wirklichkeit auch die Liquidatoren durch ihre heutige Politik objektiv den imperialistischen Zarismus unterstützen.

In den Reden der Liquidatoren sind altliquidatorische Noten à la „Organisationskommission" und „Lutsch" vorwiegend. Die Reden handeln natürlich von der Vaterlandsverteidigung in diesem Kriege, von der „Rettung des Landes" (die Formel, mit deren Hilfe Tschcheidse seinen Block mit den Chauvinisten „rettet"). usw. Das ist das Neue, das der Krieg dem Liquidatorentum verlieh. Aber im Wesentlichen finden wir hier die alten, wohlbekannten, abgeleierten Liquidatorenmotive.

Wollten wir die drei wichtigsten politischen Gedanken nennen, die in der Vorkriegszeit als Grundlage des ganzen Liquidatorentums dienten, müssten wir sagen, diese sind:

1. Unterstützung der liberalen Bourgeoisie zwecks Schaffung einer nationalen Opposition („Organisierung aller lebendigen Kräfte des Landes", „Isolierung der Reaktion", die Suche nach einem „Kontakt" oder „Berührungspunkte" mit den bürgerlich-oppositionellen Elementen – das alles sind nur verschiedene Formulierungen desselben Gedankenganges);

2. Kampf um die Legalität, oder, was dasselbe ist, Kampf um eine öffentliche Arbeiterpartei;

3. „Europäisierung" unserer russischen Arbeiterbewegung.

Man kann ohne jede Übertreibung sagen, dass dies die drei „Säulen" sind, auf denen der ganze liquidatorische Bau während der wichtigsten Periode 1908-14 ruhte, als diese Richtung sich vollkommen gestaltete.

Und nun? Man betrachte die ganze Motivierung der Beteiligung an den kriegsindustriellen Ausschüssen von Seiten der bekanntesten Vertreter des Liquidatorentums. Sie beruht ganz auf derselben Basis. Von dieser Grundlage führt eine gerade Linie zu der Teilnahme an den Gutschkowschen „Selbstschutzorganisationen".

Es unterliegt jetzt nicht mehr dem geringsten Zweifel, dass in Russland die ganze Liquidatorenrichtung, alle Liquidatorenorganisationen und -gruppen ohne Ausnahme sich für die Beteiligung an den kriegsindustriellen Ausschüssen ausgesprochen haben, d. h. vom Standpunkt der elementaren Forderungen des Internationalismus den Weg der sozialchauvinistischen Politik beschritten haben. Für die Beteiligung an den zaristischen Komitees sprachen sich nicht nur jene Gruppen und Organisationen aus, die sich offen dem „Selbstschutz", „Nasche Djelo" und „Djelo" anschlossen (Potressow, Maslow, Lewitzki, Tscherewanin). Für die Beteiligung sprachen sich auch alle jene liquidatorischen Organisationen und Zirkel aus, die in Worten scheinbar Zimmerwald unterstützen und mehr oder weniger mit Martow-Axelrod sympathisieren. Es genügt zu nennen: die Fraktion Tschcheidse, die Petersburger Initiativgruppe, die Mitarbeiter des „Golos" von Samara, das Kaukasische Distriktkomitee, ferner Dan, Zeretelli, Jeschow. In den Liquidatorenreihen wurde keine einzige Stimme gegen die Beteiligung an den Kriegsindustrie-Ausschüssen in Russland laut. Das ist einfach eine Tatsache, die nicht einmal Martow zu leugnen versucht.

Und welches sind die Motive, die von den russischen Liquidatoren zugunsten dieser Beteiligung angeführt werden?

Wir wollen von den offenen „Potressowisten" nicht reden. Diese wird man am Ende noch als Abtrünnige vom „Augustblock" bezeichnen (obwohl es für uns keinem Zweifel unterliegt, dass die „historische Mission" von Axelrod-Martow darin besteht, am Tage nach dem Kriege den „linken" Flügel des Liquidatorentums mit Potressow und Konsorten auszusöhnen). Wir wollen bloß bei den Motiven jener Liquidatoren verweilen, die man in dieser oder jener Form zum Lager der „Martowisten" zählt. Welche Argumente werden von diesen „linken" Liquidatoren zugunsten der Beteiligung an den kriegsindustriellen Ausschüssen angeführt?

Wir behaupten, dass alle ihre Argumente aufs Engste mit den obengenannten „drei Säulen" des Liquidatorentums verknüpft sind. Und das wollen wir gleich beweisen.

Man nehme z. B. den maßgebendsten Führer der „linken" Liquidatoren Dan. Er ist gegen den „Selbstschutz", er empfiehlt sich als Internationalist! Aber er ist für die Beteiligung an den kriegsindustriellen Ausschüssen.

Seine Motive? Bitte:

Diese Ausschüsse sind neben den Organen der Landmannschafts- und Stadtverbände mitunter zu über das ganze Land verstreuten Keimzellen der politischen Tätigkeit geworden und haben noch mehr Chancen, es in Zukunft zu werden … Indem die Arbeiter auf ihre Vertretung in solchen öffentlichen politischen Organisationen verzichten … berauben sie sich eines mächtigen Werkzeuges im Kampfe um die politische Organisation" („Nasch Golos" Nr. 10).

Man versuche diese Betrachtung auf eine kurze „Formel" zurückzuführen, und man bekommt – den Kampf, um Legalität oder den „Kampf um eine öffentliche Partei". Mit anderen Worten, die ganze Betrachtung des einflussreichen Anhängers der Beteiligung an den kriegsindustriellen Ausschüssen stützt sich auf eine der drei genannten „Säulen" des Liquidatorentums.

Oder man nehme die prinzipielle Deklaration der Petersburger „Initiativgruppe" und der Moskauer sozialdemokratischen Gruppe. Diese beiden Gruppen sind mit dem Munde für Zimmerwald. Mit Stolz berichteten Martow und Axelrod, dass diese Gruppen sie beauftragt hatten, „die Menschewiki-Internationalisten" in Kienthal zu vertreten. Und diese beiden Gruppen sind aufs Entschiedenste für die Beteiligung an den kriegsindustriellen Ausschüssen.

Motive? Da sind sie:

Die bürgerliche Opposition betrat endlich den Weg der Sammlung der zersplitterten gesellschaftlichen Kräfte. Es liegt im Interesse des Proletariats, die organisatorisch-politische Arbeit der Opposition zu unterstützen." Das Proletariat „muss das Prinzip der Koordination der politischen Aktionen seiner Taktik zugrunde legen" …

Wir müssen in unserem Kampfe mit dem Hauptfeinde – dem Absolutismus – Berührungspunkte mit der bürgerlichen Opposition suchen … Ihn (den Absolutismus) kann keine Bourgeoisie überwinden ohne das Proletariat, kein Proletariat ohne die Bourgeoisie" („Iswestija" Nr. 5).A

Man versuche diese Betrachtung auf eine kurze politische Formel zurückzuführen, und man bekommt die gelobte „Isolierung der Reaktion" oder die Unterstützung der liberalen Bourgeoisie zur Schaffung einer „nationalen Opposition". Mit anderen Worten, die ganze Konstruktion der Petersburger und Moskauer „linken" Liquidatoren stützt sich wiederum auf eine der drei genannten „Säulen" des Alt-Liquidatorentums.

Wir ziehen daraus noch keine Schlüsse. Vielleicht wird es sich noch herausstellen, dass diese Übereinstimmung auch dem alten Liquidatorentum, sowie der jetzigen Taktik der Beteiligung an den Kriegsausschüssen die größte Ehre antut. Wir konstatieren einstweilen nur die nackte Tatsache: so wie alle Wege nach Rom führen, so führen sämtliche Motivierungen der Beteiligung an den kriegsindustriellen Ausschüssen unvermeidlich zu den drei „Säulen" des Liquidatorentums.

Dies wiederholt sich mit der Regelmäßigkeit einer physikalischen Erscheinung. Man nehme die letzte Kundgebung der Liquidatoren-„Internationalisten", die die Beteiligung an den kriegsindustriellen Ausschüssen verfechten. Wir sprechen vom programmatischen Feuilleton in Nr. 2 des „Golos Truda" von Samara. Diese Zeitung hat sich in der letzten Zeit wiederholt „für Zimmerwald" ausgesprochen. Sie druckte die „internationalistischen" Artikel von Elmar und seinen nächsten Freunden. Sie hatte die Möglichkeit, ausführlich die Anschauungen Martows über die Beteiligung an den kriegsindustriellen Ausschüssen kennen zu lernen. Aber … nach wie vor verficht sie diese Beteiligung hoch und heilig.

Ihre Motive? Folgende:

Man empfiehlt, die kriegsindustriellen Ausschüsse zu verlassen, aber wohin nun – wieder in die unterirdische Arbeit? Von den Massen fortgehen und Vereinspolitik treiben? Es täte einem leid um die russischen Arbeiter, wenn sie auf einen solchen Appell hineinfielen. Man müsste dann zugeben, dass die Erfahrung von soundso viel Jahren des Kampfes um eine öffentliche Organisation spurlos verloren gegangen ist, dass in der Arbeiterklasse noch keine Träger eines selbstaktiven und aktiven organisatorischen Schaffens geboren wurden (Kursiv des Verfassers) … Nur die unermüdliche und intensive Arbeit der Demokratie, gepaart mit den anderen Äußerungen der lebendigen Gesellschaft, ist imstande, die Reaktion zu brechen und günstige Bedingungen für das politische Schaffen und die öffentliche politische Existenz einer Arbeiterpartei zustande zu bringen." („Golos Truda", Nr. 2.)B

Man versuche kurz und knapp diese Betrachtungen zu formulieren und man bekommt sofort: 1. den Kampf um „Legalität" oder, was dasselbe ist, den Kampf gegen die illegale Arbeit; 2. den Zusammenschluss „aller lebendigen Kräfte des Landes", d. h. den Block mit den Liberalen. Wieder einmal sind wir bei den „Säulen" des Liquidatorentums angelangt.

Und wenn wir zu dem höchst wertvollen Material zurückkehren, das die Reden der Gwosdew, Brejdo, Jemeljanow und anderer bekannten Liquidatoren darstellen, so nehmen wir dasselbe Bild wahr. Jede dieser Reden will nichts anderes, als eine der drei Hauptthesen des Liquidatorentums aus der Vorkriegsperiode anwenden, nur in einer Situation, die vom Krieg geschaffen wurde.

Um den Namen Gwosdews und seiner nächsten Mitarbeiter wurde viel Lärm gemacht. Nicht wir werden natürlich Gwosdew verteidigen. Aber die Gerechtigkeit verlangt zu sagen: Gwosdew hat nicht nur die praktischen Folgerungen aus dem gezogen, was „Nascha Sarja", Potressow, Lewitzki usw. predigen, sondern auch aus dem, was gepredigt wird von Dan, Zeretelli, dem „Golos" von Samara, Tschchenkeli, Tschcheidse, der Petersburger Initiativgruppe usw. Noch mehr: die Politik Gwosdews ist eine Fortsetzung der Politik Martows, Dans und aller Führer des Liquidatorentums in der Vorkriegszeit. Die Gwosdew-Politik ist eine Fortsetzung des Liquidatorentums, nur mit anderen Mitteln. In diesem Sinne ist Gwosdew ein Apfel vom Baume nicht allein Gutschkows und Konowalows, sondern auch von dem Martows und Dans. Schlimmstenfalls kann Martow Gwosdew nur den Vorwurf machen, dass er aus den „richtigen" theoretischen Grundsätzen des Liquidatorentums unrichtige praktische Folgerungen ziehe. Aber Dan könnte Gwosdew nicht einmal diesen Vorwurf machen. Im Wesentlichen, in der Anerkennung der Notwendigkeit der Beteiligung an den Gutschkowschen Ausschüssen, ist Dan mit Gwosdew übereingekommenC. Dass man aber dabei mit recht widerwärtigen Mitteln den Willen der Majorität der Petersburger Arbeiter sabotieren musste, war ja nur eine „traurige Notwendigkeit", vor der nicht einmal gewisse Führer des Liquidatorentums schon 1907 zurückscheuten, z. B. während der Wahlen zu der zweiten Duma …

Es liegt kein Grund vor, die Aufrichtigkeit der Arbeiterliquidatoren zu verdächtigen. Man lese doch die glühenden Reden der Brejdo, Jemeljanow und anderer. Wir zweifeln keinen Augenblick, dass sie vollkommen aufrichtig über den Vorwurf empört sind, dass sie durch ihre Taktik die Bourgeoisie selbstsüchtig die Arbeiter ausnützen lassen. Alle diese Redner sind unzweifelhaft davon überzeugt, dass nicht Gutschkow politisch die Arbeiter-Liquidatoren ausnütze, sondern im Gegenteil, diese letzteren Gutschkow ausnützen. Aber je aufrichtiger diese Reden sind, umso mehr Wert erhalten diese kostbaren „menschlichen Dokumente" zur Entlarvung des liquidatorischen Kerns des jetzigen Sozialchauvinismus.

Sowohl Gwosdew wie Jemeljanow und Brejdo, halten sehr „linke" Reden. Sie sind für „Frieden ohne Annexionen", sie sind gegen einen zerschmetternden Sieg über Deutschland, sie erkennen an, dass der jetzige Krieg einen imperialistischen Charakter trägt (wie es auch die Londoner Konferenz der Sozialchauvinisten auf den Antrag des Herrn Vandervelde „anerkannte"), sie sind für Zimmerwald, sie sind gegen die Zarenregierung. Sie sind nur für die „Verteidigung", aber keineswegs für den „Überfall"; sie reden nach wie vor von der „internationalen Solidarität der Arbeiter".

Aber … aber sie haben sich gut eingeprägt, dass es gelte, erstens, „für Legalität und eine öffentliche Partei zu kämpfen", zweitens, unsere Arbeiterbewegung zu „europäisieren" und drittens, Schulter an Schulter mit der „oppositionellen" Bourgeoisie zu marschieren. Das letztere ist besonders wichtig.

Und zwischen diesen drei Bäumen verirrten sich sogar jene Arbeiter-Liquidatoren, die nicht zum vulgären Chauvinismus der Potressow, Plechanow, Tschchenkeli hinab gerutscht waren.

Die Frage nach der Stellungnahme der Arbeiterklasse zur „oppositionellen" Bourgeoisie hat in dieser Hinsicht eine besonders fatale Rolle gespielt. Die politische Verantwortung dafür fällt nicht nur vollkommen auf die Potressow-Leute zurück, sondern auch auf die „linken" Martow-Anhänger. In der Tat, wir wollen für einen Augenblick annehmen, dass die Liquidatoren in ihrer Beurteilung der russischen liberalen Bourgeoisie vor dem Kriege genau so Recht hatten, wie sie in Wirklichkeit Unrecht hatten. Wir wollen zugeben, dass der ganze Gang der russischen Revolution und Konterrevolution die Auffassung der Liquidatoren bestätigt habe, dass die russische Bourgeoisie die „treibende Kraft" der Revolution sei (in Wirklichkeit hat das Jahrzehnt 1905/14 das Gegenteil bewiesen). Wir wollen all das zugeben. Aber würde nicht allein das Verhalten der russischen Bourgeoisie im Kriege 1914/16 selbst genügen, damit die liquidatorische Richtung radikal ihre Beurteilung der „oppositionellen" Bourgeoisie revidiere? Und dennoch nehmen wir in Wirklichkeit nicht die Spur einer solchen Revision wahr. Bestenfalls schweigt sich der „linke" Martow über diesen wunden Punkt aus.

Die ganze liberale Bourgeoisie unterstützt seit jeher wie ein Mann die reaktionäre auswärtige Politik des Zarismus auf Gedeih und Verderb.

Im edlen Wetteifer mit den Oktobristen und den Schwarzen Hundert predigen die Kadetten eine Mehrung der „militärischen Macht" des Zarismus, bewilligen Kriegskredite und bearbeiten die öffentliche Meinung im Geiste des „großen Russlands". Die liberale Bourgeoisie weiß ausgezeichnet, dass der Zarismus sich für den nahenden Krieg vorbereitet. Den „Hauptverdienst" des ehemaligen Außenministers Sasonow erblickt Miljukow darin, dass er „mit allen Mitteln (!) einige Jahre des Friedens … zu gewinnen suchte", sonst „hätten wir den europäischen Krieg nicht 1914, sondern ein Jahr früher, d. h. als die Alliierten noch weniger vorbereitet waren"D. Ein Jahr früher oder ein Jahr später, so stand die Frage für beide Koalitionen. Der Zarismus suchte nur ein Jahr oder zwei zu gewinnen, um sich besser vorzubereiten. Bloß zur Irreführung „ihres" Volkes behaupten jetzt die Miljukow, Menschikow und Plechanow, dass „wir" den Krieg nicht wollten, dass „wir" daher einen „gerechten" Krieg führen …

Die liberale Bourgeoisie hilft mit allem, was sie kann, dem Zarismus, Vorbereitungen zu diesem Kriege zu treffen. Endlich bricht der Krieg selbst aus, ein räuberischer, reaktionärer, volksfeindlicher Krieg, wie er noch nie dagewesen ist. Die russische liberale Bourgeoisie liegt dem Zarismus zu Füßen. Sie ist schon vor vielen Jahren imperialistisch geworden. Der Liberalismus verwandelte sich vor aller Augen in einen niederträchtigen, selbstsüchtigen, zynischen Nationalliberalismus. Nicht die geringsten politischen Zugeständnisse an den Liberalismus hat der Zarismus gemacht. Ein Favorit Rasputin oder eine Favoritin hat zehnmal mehr Einfluss auf die Zusammensetzung des Ministeriums, auf die Politik der Regierung, als alle Miljukows und Konowalows zusammengenommen. Die Duma vom 3. Juni wird behandelt, wie eine zufällige Ansammlung von Lakaien. Zu Ministern werden eingesetzt Chwostow und Stürmer. Und dennoch – und dennoch möchte die liberale Bourgeoisie kein Härchen auf dem Haupte des Zarismus krümmen. Weshalb? Aus dem einfachen Grunde, weil die russische Bourgeoisie blutig interessiert ist an dem jetzigen räuberisch-imperialistischen Kriege. Der Führer der liberal-imperialistischen Bourgeoisie, Herr Miljukow, erklärte in der Staatsduma ganz offen, wenn der Weg zum Siege über die Deutschen über die Revolution führen würde, würde er, Miljukow, auf den Sieg verzichten.

All das ist sonnenklar. Wenn unsere Bourgeoisie nicht zu einem konterrevolutionären Faktor vor dem Kriege geworden wäre, so müsste sie es jetzt geworden sein. Diejenige Gesellschaftsgruppe, die „Russland", d. h. den russischen Imperialismus in diesem Kriege unterstützt, kann nicht anders als konterrevolutionär werden. Die Losung „Revolution für den Sieg", die eine Zeitlang von Kerenski, Tschenkeli und einigen Liquidatoren verfochten wurde, war von Anfang an eine abenteuerliche Losung. In Wirklichkeit ist die sozialpatriotische Intelligenz selbst zum Werkzeug der Gegenrevolution geworden, hat selbst die Linie: „Gegenrevolution für den Sieg" eingeschlagen.

Das Liquidatorentum hat selbst in Gestalt seiner „besten" Vertreter die Losung „Revolution für den Sieg" nicht zurückgewiesen. In einem Artikel, der in dem Sammelbuch „Die Internationale und der Krieg" veröffentlicht ist, liebäugelt Martow mit dieser nationalistischen und abenteuerlichen Losung. Im Lager der Liquidatoren erfolgte keine Revision der Stellungnahme zur liberalen Bourgeoisie und zum Gedanken der „Vereinigung aller lebendigen Kräfte des Landes". Was Wunder, dass danach gerade „über diesen Punkt" viele Arbeiter-Menschewiki, die Gwosdews Garde bildeten, gestolpert sind?

Im gegenwärtigen Moment steht die soziale Revolution nicht auf der Tagesordnung … Einstweilen muss die Gewalt aus den Händen der Regierung in die Hände der Bourgeoisie übergehen." Folglich soll man in die kriegsindustriellen Ausschüsse eintreten, sprach Gwosdew. Die Revolution ist eine bürgerliche Revolution, folglich muss die Arbeiterklasse nach der Pfeife der Bourgeoisie tanzen, folglich dürfen die Arbeiter nicht weitergehen, als es den gemäßigten Schichten der Bourgeoisie gefällt … Dieser „Gedanke" wird von den Liquidatoren bereits seit 1905E gepredigt, diese Schlussfolgerung zieht sich als roter Faden durch alle „Forschungen" der Liquidatoren über die russische Revolution, angefangen mit den bekannten fünf Bänden „Die gesellschaftliche Bewegung in Russland".

Unsere Kraft liegt in den (mit der Bourgeoisie) gemeinsamen Aktionen … . Wenn wir allein sind, sind wir machtlos … . Und nun, indem wir von diesen Grundvoraussetzungen ausgehen, stellen wir die Frage nach den kriegsindustriellen Ausschüssen … . Im Kampfe um die politische Freiheit müssen wir im Kontakt mit der Bourgeoisie vorgehen" sprach Jemeljanow. Was tut's, wenn die Gutschkowschen kriegsindustriellen Ausschüsse gar keinen Kampf um die politische Freiheit führen! Der Ärmste hat nicht kapiert, dass diese Ausschüsse zu einem ganz anderen Ziel geschaffen werden. Das wäre noch nicht das Ärgste. Aber wirklich schlimm ist es, dass unter dem Einfluss der langjährigen liquidatorischen Propaganda beträchtliche Arbeitergruppen sich eingefunden haben, die im Ernst dem russischen Proletariat predigen, dass es im Kampfe um die politische Freiheit im Kontakt mit … Gutschkow bleiben müsse. Wenn wir allein sind, sind wir machtlos; wenn wir mit Gutschkow sind, sind wir stark. Das ist der Grundsatz dieser liquidatorischen Führer. Und sie merken gar nicht, dass sie einfach Arbeiteroktobristen geworden sind, dass sie die Arbeiterbewegung den Mitstreitern Stolypins des Henkers ausliefern.

Die Arbeiterklasse muss den Kampf zwischen der Regierung und der Arbeiterklasse entfalten, aber in diesem Kampfe hat sie einen mächtigen Verbündeten in der Bourgeoisie", sprach ein dritter Liquidator (ein Delegierter vom Aiwas-Werk) …. „Wir müssen gemeinsam mit der Bourgeoisie den schwarzen Block stürzen", sprach ein vierter Liquidator (Brejdo). Das ist immer derselbe Gedanke der „nationalen Opposition", der seither zu den drei Grundpfeilern der liquidatorischen Taktik gehört. Das ist die Summe der Gedankengänge, die erst neulich Plechanow in einem Artikel über die „aufsteigende" Linie der Revolution entwickelte, einem Artikel, der Herrn Isgojew und allen konterrevolutionären Imperialisten überhaupt so sehr gefallen hat. – „Sie sagen, die Revolution müsse sich in „aufsteigender" Linie entwickeln, d. h. die Arbeiter müssten zuerst den Oktobristen helfen, sich auf Kosten der Nationalisten zu konsolidieren, dann den rechten Kadetten auf Kosten der Oktobristen, dann den linken Kadetten auf Kosten der rechten, dann den Trudowiki usw. Was die Trudowiki usw. betrifft, so sind wir mit Ihnen nicht einverstanden. Aber das schadet nicht. Das ist im Moment nicht aktuell. Ihren Appell an die Arbeiter, dass sie sich um die Oktobristen und die Kadetten zu scharen haben, begrüßen wir. Das lässt sich hören. Wenn es Ihnen beliebt, dies als „Revolution" in „aufsteigender" Linie zu bezeichnen, so wollen wir mit Ihnen nicht streiten und diskutieren. Wenn Sie all das „im Namen Marx'" predigen, umso besser: die Arbeiter werden ihnen eher glauben." So sprach die Bourgeoisie anlässlich des Plechanowschen Artikels. So dachte sie anlässlich der Reden des Generalstabes der Arbeiterliquidatoren.

Dort, wo die Bourgeoisie an der Macht ist, stellt sie die Forderung der Freiheit für die Entwicklung der Industrie auf, und in diesem Sinne stellt sie eine fortschrittliche Kraft dar … . Wir dürfen der Reaktion in ihrem Triumph über die Bourgeoisie nicht beistehen. Wir müssen jetzt sagen, auf wessen Seite wir stehen. Ob auf Seiten der Bourgeoisie oder des sterbenden Regimes, ob wir bereit sind, ihre positiven, fortschrittlichen Forderungen zu unterstützen oder ob wir es ablehnen. … Durch die Wahlen in die kriegsindustriellen Ausschüsse werden die Arbeiter zeigen, auf welche Seite sie das Gewicht ihrer Kraft in die Waagschale legen werden." So sprach Gwosdew. Man weiß nicht, ob man bei diesen Worten weinen oder lachen soll. Die ärgsten Reaktionäre und imperialistischen Räuber locken durch ihren direkten Agenten Gutschkow die Arbeiter in die zaristischen Ausschüsse, wo im Grunde genommen die Ketten geschmiedet werden für die Sache der Freiheit. Ein Teil der Arbeiter geht in das Garn und rennt direkt in den Rachen der Reaktion. Und zu gleicher Zeit erklären diese Arbeiter mit wichtiger Miene: Wir unterstützen die oppositionelle Bourgeoisie gegen die Reaktion, wir werden unser Gewicht in die Waagschale legen, wir führen eine selbständige proletarische Politik, wir wenden die Taktik des Marxismus an, wir usw. Wahrhaftig: wäre es nicht so bitterernst, man könnte darüber lachen.

Die alte Tradition des Liquidatorentums befolgend, konstruierten Gwosdew und Konsorten einen „Kampf um die Macht" zwischen der Bourgeoisie und der Reaktion dort, wo in Wirklichkeit nur kleine Streitigkeiten verwandter Seelen untereinander bestanden. Sie bemerkten die Kleinigkeit nicht: dass Gutschkow nicht ein Feind des Zarismus ist, sondern sein bester Freund. Die „oppositionelle" Pose braucht Gutschkow u. a. dazu, um einen Teil der Arbeiter um so erfolgreicher betören zu können. In einem kritischen Augenblick, wie es 1915 der Fall war, für ein so bedeutendes Ziel, wie die Gewinnung der Arbeiter für die Sache der Landesverteidigung, wären die Gutschkows bereit, noch ganz anders sich „links" zu wenden.

In der Versammlung vom 21. November sahen wir sozusagen in natura den bürgerlichen Einfluss auf das Proletariat. Der leibhaftige Gutschkow betrog angesichts einiger Dutzend Wähler von den Arbeitern den leibhaftigen Gwosdew und die seinigen. Wir sahen den bürgerlichen Einfluss auf das Proletariat – in Personen. Das dumme Liquidatorenfischlein schwimmt dem imperialistischen Hecht ins Maul und tut dabei noch patzig: wir „treiben" die Bourgeoisie nach links, wir nützen den „Kampf um die Macht" aus, der sich da vollzieht zwischen dem Lager des bürgerlichen Fortschritts und dem Lager der feudalen Reaktion …

Ein Teil der liquidatorischen Arbeiter wurde von Gutschkow und Konsorten betrogen, aber ein Teil wollte betrogen sein. Wir sprechen von jener in Russland dünnen Schicht der Arbeiteraristokratie, die in dieser oder jener Form von der Bourgeoisie bestochen ist – durch hohe Löhne, Befreiung vom Militärdienst, kleine Gaben, Vorrechte usw. Aber das gehört zu einem anderen Thema …

Die alte Liquidatorentheorie, die alte Beurteilung der Bourgeoisie, die durch Jahre hindurch von den Liquidatoren propagiert wurde, hat nun ihre Früchte gezeitigt. Sie half Gutschkow, einen TeilF der russischen Arbeiter in die zaristischen Kriegsindustriellen-Ausschüsse zu locken. Sie bildete den Hauptbestandteil des alten Liquidatorentums, sie wurde jetzt zum Hauptbestandteil des „neuen" Sozialchauvinismus. Und dies aus dem einfachen Grunde, weil der Sozialchauvinismus nichts anderes ist, als das Liquidatorentum im Milieu des imperialistischen Krieges.

Eine ebenso wichtige Rolle spielten in der Ideologie der Arbeiterredner in der Versammlung vom 21. November zwei andere Hauptmomente des alten Liquidatorentums: der „Kampf um die Legalität" und die „Europäisierung".

Wir machen den Versuch, hinauszukommen aus der unterirdischen Existenz, die uns alle erstickt", sagt Gwosdew. Das ist der beständige Refrain aller „Teilnehmenden", angefangen mit Gwosdew bis zu Dan. Gegen das unterirdische Wirken – das ist der einzige objektive Sinn all dieser Reden. Und das ist natürlich auch kein neues Motiv in der Propaganda des Liquidatorentums, das sich in Sozialchauvinismus verwandelt hat.

Die westeuropäischen Arbeiter haben die Aufgaben des Momentes erfasst und eine bestimmte Position eingenommen, aber wir werden daran gehindert sowohl von links, wie von rechts", erklärt der Delegierte vom Aiwas-Werk. Das ist nur eine Wiederholung der Potressowschen Erklärung im „Selbstschutz": „Ich glaube nicht an den östlichen Internationalismus, der angeblich zur Blüte gelangt sei und die Ehre des Sozialismus retten soll, während der Westen verdorrt und im Sündenpfuhl versunken ist" (Seite 18). „Europa" – das ist Scheidemann und Renaudel. Liebknecht ist ein Asiat, Höglund ist Asiat, aber Südekum ist Europäer, Albert Thomas ist Europäer, Branting ist Europäer. Die alte Geschichte! Seit Jahr und Tag predigen die Liquidatoren den russischen Arbeitern den sogenannten „Europäismus". P. B. Axelrod liegt uns seit langem mit dem „Europäismus" in den Ohren. Aber unter diesem Europäismus verstanden die Liquidatoren stets und beständig: den europäischen Opportunismus. Das ist die ganze Sache. Und dasselbe wird auch jetzt im Kriege wiederholt.

Doch es wäre unrichtig, wenn man sagen wollte, dass die Redner in der Versammlung vom 21. November ihre Grundsätze nur Potressow entlehnen. Nein, sie wiederholen ebenso sorgfältig auch Tschcheidse. Dreimal kommt in den Reden das Losungswort von der „Rettung des Landes" vor. Diese „Rettung" hatte es den Gwosdew-Leuten so angetan, dass sie sie sogar in ihre Resolution übernommen haben. Sie wiederholen ferner ebenso eifrig das, was sie jahrelang Martow und Dan lehrten. Alle Schlagworte gegen „Boykottismus", gegen „revolutionäres Geschrei" usw. – all das werden Sie in den Reden dieser Redner in Hülle und Fülle finden. Das Ergebnis war eine Art Amalgam aus den jetzigen Gedanken Potressows, Tschcheidses, Maslows, Martows, Gwosdews, Dans …

Die drei Grundpfeiler des Liquidatorentums waren: der Block mit der liberalen Bourgeoisie, der Kampf um die öffentliche Partei, der Europäismus. Die drei wichtigsten Gedanken des Sozialchauvinismus waren dieselben Momente. Ist a+b+c=x, und ist zugleich a+b+c=y, so folgt daraus zweifellos, dass x=y ist. Die drei Grundpfeiler des Liquidatorentums sind zu gleicher Zeit die drei Grundpfeiler des Sozialchauvinismus. Daraus wird evident, dass der russische Sozialchauvinismus = Liquidatorentum, nur in Kriegsauflage, ist. Im engsten Zusammenhang mit den alten drei Grundforderungen des Liquidatorentums konstruierte man die „Vaterlandsverteidigung" im jetzigen Kriege unter den russischen Verhältnissen. Daraus folgerte man unmittelbar die Beteiligung an den kriegsindustriellen Ausschüssen, d. h. den direkten Verrat an der Sache des Internationalismus. Die Reden, die am 21. November gehalten wurden, zeigten den lebendigen Zusammenhang zwischen dem Liquidatorentum und dem Sozialchauvinismus.

Schreibe: Isolierung der Reaktion. Lies: Unterstützung Gutschkows und folglich auch Unterstützung der Reaktion, Bedienung des Zarismus.

Schreibe: Kampf um Legalität. Lies: Beteiligung an den kriegsindustriellen Ausschüssen, die Geschosse anfertigen, durch die Kapitalisten und Schieber sich bereichern, die dem Zarismus helfen, den frevelhaften Krieg fortzuführen. Schreibe: Kampf um eine öffentliche Partei. Lies: Preisgabe der revolutionären Illegalität, Aufhebung der Illegalität.

Schreibe: Europäismus. Lies: Opportunismus. Schreibe: für die europäische Sozialdemokratie. Lies: für Albert Thomas und Albert Südekum: gegen Karl Liebknecht und Z. Höglund …

Liquidatorentum, Opportunismus, Sozialchauvinismus – Jacke wie Hose …

Oktober 1916.

G. Sinowjew.

A Martow und seine Freunde, die zwecks „Information der ausländischen Sozialdemokraten" die Deklarationen der russischen Liquidatoren abdruckten, wandten folgende sonderbare Methode an: Sie verheimlichten („kürzten") vor den deutschen Lesern gerade jenen Teil des Dokumentes, wo die Verfasser sich für eine Beteiligung an den kriegsindustriellen Ausschüssen aussprechen!!

B „Selbstaktives und aktives organisatorisches Schaffen!" Hier, kann man sagen, ist sogar die ganze alte Orthographie des Liquidatorentums beibehalten. Der Unterschied besteht nur darin, dass jetzt dieses selbstaktive Selbst-Schaffen sich entfalten soll auf dem Boden der Beteiligung an den zaristischen Ausschüssen, die Munition anfertigen …

Selbstaktives und aktives organisatorisches Schaffen " – aber hier steckt ja das ganze Programm des Augustblockes seligen Angedenkens! Die Sprache dieser Liquidatorenprosa – es sei unumwunden gesagt – führte seinerzeit auch Trotzki im Munde. Im Namen des „Kampfes um die Legalitat" unterstützte er die Zeitung „Lutsch", im Namen des gelobten „Kampfes" um die Koalitionsfreiheit ging er zu „Nascha Sarja". Man erinnere sich, mit welcher Heftigkeit Trotzki die „Koalitionskampagne" der Liquidatoren gegen uns, gegen die überwiegende Majorität der sozialdemokratischen Arbeiterschaft, verfocht!

Erst vor kurzem zitierte Genosse Trotzki im „Nasche Slowo" triumphierend gegen Potressow und Konsorten einen Arbeiter-Menschewik (Sinjebluskin), der sich gegen die Beteiligung an den kriegsindustriellen Ausschüssen aussprach und in seinem Briefe meinte: Jetzt wächst in den Massen der revolutionäre Protest, jetzt denkt man dort nicht an „Koalition", sondern an grundsätzliche Reformen (d. h. Revolution). – Es ist sehr schön, dass Gen. Trotzki in einer solchen Gegenüberstellung weder „Anarchismus", noch „Syndikalismus", noch „bolschewistische Sektiererei" sieht. Aber dann sollte er ehrlich seinen früheren Irrtum eingestehen. Oder glaubt Gen. Trotzki auch jetzt, dass 1911-14 die Potressow, Lewitzki und Majewski recht hatten und erst nach dem 4. August 1914 vom marxistischen Wege abgeirrt sind? Dann sollte er auch dieses offen sagen.

C Der Liquidator-Internationalist A. Jermanski drückt in einer Schrift, die gegen Potressow gerichtet ist, ebenfalls seine Solidarität mit der Gwosdewschen Arbeitergruppe aus. „Es genügt, den Charakter (zumindest den ursprünglichen) der Beteiligung der Moskauer Arbeiter an den Ausschüssen einerseits mit dem der Petersburger andererseits zu vergleichen. Trotz aller einseitigen tatsächlichen Informiertheit des Publikums durch unsere Presse in Bezug auf die Petersburger Arbeitergruppe kann man dennoch kein X für ein U vormachen. Und der Unterschied in der politischen Reife zwischen dem Typus des Petersburger Fabrikarbeiters und der Masse der Moskauer Textilarbeiter, die noch in der Landbevölkerung wurzeln, ist genügend bekannt." So schreibt der „linke" Liquidator A. Jermanski („Die Marxisten am Scheidewege", Petersburg 1916, S. 30, russisch).

D „Rjetsch" Nr. 189, Miljukows Artikel: „Die russische Politik unter S. D. Sasonow".

E Man erinnere sich an die Resolutionen der menschewistischen Konferenz im Frühjahr 1905 und insbesondere an die kaukasischen Kommentare dazu.

F Laut Berechnung der Liquidatorenzeitschrift „Djelo" (August 1916) „fanden von der Gesamtzahl der 239 Distrikt- und Lokalkomitees die Wahlen nur in 70 Ausschüssen statt, wobei Arbeitervertreter nur in 36 Ausschüsse gewählt wurden" („Djelo" Nr. 1, S. 67). Aus diesen Ziffern geht hervor, wie übertrieben die Erzählungen der Sozialchauvinisten sind, die versichern, dass alle russischen Arbeiter sich danach reißen, in di« kriegsindustriellen Ausschüsse einzutreten.

Kommentare