G. Sinowjew 19210000 Vor dem III. Kongress der Kommunistischen Internationale

G. Sinowjew: Vor dem III. Kongress der Kommunistischen Internationale

[Die Kommunistische Internationale, Heft 16, S. 1-12]

In der letzten Zeit ist in der Entwicklung einiger Parteien, die zur Kommunistischen Internationale gehören, ein gewisser Wendepunkt zu beobachten. Dieser besteht darin, dass unter den Spitzen einiger Parteien, die sich der Kommunistischen Internationale anschließen, die Tendenz der Schaffung eines rechten Flügels innerhalb der Dritten Internationale zutage tritt. Diese Tendenz wird besonders jetzt, da das Tempo der Entwicklung der internationalen proletarischen Revolution in Anbetracht einer ganzen Reihe von Umständen etwas verlangsamt wird, besonders gefährlich. Die Kommunistische Internationale muss diese Gefahr sehen und sie von Anfang an zu bekämpfen wissen.

Im Zentrum aller Streitigkeiten, die gegenwärtig in einigen der größten Sektionen der Kommunistischen Internationale vor sich gehen, steht zweifellos die italienische Frage.

Was ist eigentlich in Italien vor sich gegangen? Jeder bewusste Anhänger der Kommunistischen Internationale muss sich hierüber klare Rechenschaft abgeben. Die italienische Sozialistische Partei hat sich als eine der ersten der Kommunistischen Internationale angeschlossen und galt im Laufe langer Zeit als eine der besten revolutionären Parteien. Sowohl die Kommunisten als auch die Zentristen und sogar fast alle Reformisten Italiens erklärten, dass sie auf Seiten der Kommunistischen Internationale stehen. So verhielt es sich bis zum Zweiten Kongress der Kommunistischen Internationale.

Die Zugehörigkeit zur Kommunistischen Internationale hat bis zum II. Kongress keine Partei, die sich damals uns anschloss, zu irgendetwas verpflichtet. Die Zugehörigkeit war mehr eine nur symbolische. Eine Partei, die sich mit der Kommunistischen Internationale solidarisch erklärte, übernahm von der Kommunistischen Internationale deren ganze ungeheure moralische Autorität, auferlegte sich aber hierbei fast keinerlei ernste Pflichten. So verhielt es sich auch mit der Italienischen Sozialistischen Partei.

Anders wurde es nach dem II. Kongress der Kommunistischen Internationale. Der II. Kongress arbeitete die bekannten 21 Bedingungen aus. Der II. Kongress gab jeder Partei zu verstehen, dass die Zugehörigkeit zur Kommunistischen Internationale nicht nur Rechte und Popularität verleiht, sondern auch Pflichten auferlegt. Die erste Bedingung des II. Kongresses war die Vertreibung der reformistischen und halbreformistischen Elemente aus allen der Kommunistischen Internationale sich anschließenden Parteien. Und gerade hier, als die Frage akut wurde, stellte sich heraus, dass nicht alles Gold ist, was glänzt. In der Italienischen Sozialistischen Partei befand sich eine Mehrheit, die durchaus nicht mit “ihren” Reformisten brechen wollte.

Auf Schritt und Tritt wiederholte sich dieselbe Erscheinung. In jedem Lande, in dem sich schwankende “Kommunisten” des Typus Serrati befanden, wendeten sie sich mit folgender Erklärung an das Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale: “Unsere” Reformisten sind ganz besondere Reformisten, sie gleichen den Kommunisten durchaus und ganz, sie sind fast Kommunisten. In anderen Ländern muss man die Reformisten unbedingt ausschließen, aber in unserem Lande sind die Reformisten ganz gute revolutionäre Kameraden und in unserem Lande muss man sie unbedingt in der Partei belassen.

Schon auf dem II. Kongress der Kommunistischen Internationale gab Genosse Serrati, der als Vertreter der Mehrheit der Italienischen Sozialistischen Partei auftrat, eine ganze Reihe zweideutiger Erklärungen ab, die uns alle zu den traurigsten Betrachtungen Veranlassung gaben. Nach dem Kongress aber benahm sich Genosse Serrati so, dass er alle schlimmsten Vermutungen, die über ihn geäußert worden waren, bestätigte. Er stellte sich als der feurigste Verteidiger “seiner” Reformisten heraus, er machte nicht vor dem Bruch mit der Kommunistischen Internationale Halt, um nur ja in den Reihen seiner Partei die rühmlich bekannten Reformisten zu schützen.

Bei einer solchen Lage der Dinge war das Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale unvermeidlich in einen schroffen Konflikt mit dem Genossen Serrati und seinen Anhängern geraten. Im Verlaufe dieses Konfliktes mussten wir dem Genossen Serrati viele bittere Wahrheiten ins Gesicht sagen. Indem wir jetzt auf den verflossenen Kampf zurückblicken, können wir leider keines der gegen den Genossen Serrati ausgesprochenen Worte zurücknehmen. In der Tat, was war es, was der Genosse Serrati getan hat? Im Namen der “Einheit” hatte er es vorgezogen, sich von 60.000 der besten italienischen Proletarierkommunisten abzuspalten und wollte 11.000 rühmlich bekannte Opportunisten nicht opfern. Wie viel tönende Worte über den Nutzen der Einheit der Genosse Serrati auch vorbringen und wie sehr er auch seine Unschuld beweisen möge, so steht doch jedem bewussten Arbeiter, der Anhänger Kommunistischen Internationale ist, die klare und unwiderlegliche Tatsache vor Augen: auf dem Kongress in Livorno hatte Serrati 97.000 Stimmen, die Kommunisten 60.000 Stimmen und die Opportunisten 11.000 Stimmen, und Serrati hatte sich mit den Opportunisten gegen die Kommunisten vereinigt. Dass man solche Tatsachen weder durch Zufall noch durch Hitzigkeit oder einzelne Fehler erklären kann, darüber wird bei keinem vernünftigen Revolutionär ein Zweifel bestehen. Wenn Serrati sich mit den Reformisten gegen die Kommunisten vereinigt hat, so tat er es nur aus dem einfachen Grunde, weil er zu den ersteren eine Neigung, eine Art krankhafte Neigung empfindet und weil er sich den Reformisten verwandter fühlt und mehr Sympathie für sie empfindet, als für die Kommunisten. Vor dieser sehr ernsten Tatsache treten alle kläglichen Redensarten über vermeintliche Fehler, die die italienischen Kommunisten oder das Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale gemacht haben sollen, zurück, von welch‘ letzterem es heißt, dass es den armen Serrati zu den Opportunisten “verstoßen” habe. In der Tat ist Serrati deshalb zu den Reformisten verstoßen worden, weil er zu ihnen verstoßen sein wollte. Er verband sich mit Turati gegen die italienischen Kommunisten nur aus dem einen Grunde, weil er dieses Bündnis wollte und es anstrebte. Wer dies nicht einsieht, ist ein politisches Kind.

In dem Augenblick, als der II. Kongress der Kommunistischen Internationale seine Sitzungen abhielt, wurde die objektive Lage Italiens immer revolutionärer. Die Krisis spitzte sich zu, der Kampf der italienischen Arbeiter entbrannte immer stärker. Auf einer ganzen Reihe von Beratungen mit den italienischen Delegierten wiesen wir Serrati und seine Gesinnungsgenossen darauf hin, dass die Partei sich zu entscheidenden Kämpfen vorbereiten müsse, dass sie sich den Augenblick nicht entgehen lassen und der italienischen Bourgeoisie nicht die Möglichkeit geben dürfe, sich zu kräftigen. Bald nach dem II. Kongress der Kommunistischen Internationale entbrannte der Kampf der italienischen Arbeiter noch heftiger. Es begann die bekannte Bewegung der italienischen Arbeiter, die sich auf revolutionärem Wege der Fabriken und Werke bemächtigten und an die Bildung bewaffneter rotgardistischer Arbeiterabteilungen herantraten. Diese herrliche Bewegung hätte sich weiter entwickeln können, wenn dem die Passivität der Partei und die Verräterei der italienischen Reformisten nicht im Wege gestanden hätten. Der Führer der italienischen Bourgeoisie, Giolitti, eng verbündet mit dem italienischen Opportunistenführer D‘Aragona (einem Freunde des Genossen Serrati!) haben dieser prächtigen Arbeiterbewegung das Genick gebrochen. Die italienischen Reformisten haben an den italienischen Proletariern den schändlichsten Verrat verübt. Und Serrati selbst wusste nichts Besseres zu tun, als D‘Aragona zu rechtfertigen und die Sache so darzustellen, als wäre die genannte Bewegung der italienischen revolutionären Proletarier nichts weiter als eine eng-gewerkschaftliche Zunftbewegung, die mit dem Anfang eines unmittelbaren revolutionären Kampfes nichts gemein habe.

Stufe für Stufe! Wer A gesagt hat, muss auch B sagen. Wer sich nicht von den Reformisten trennen will, der muss sie auch dann verteidigen, wenn sie gemeinsten Verrat an der Arbeiterklasse verüben. Wer es zu keinem Bruch mit Turati und D‘Aragona kommen lassen will, der muss stillschweigend die reformistischen Pillen schlucken, die ihm von diesen Herrschaften gereicht werden. In einer solchen Situation befand sich der Genosse Serrati.

Dass das Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale in der Beurteilung der allgemeinen Lage in Italien Recht hatte, ist jetzt mehr als klar. Für jeden Revolutionär, der die Entwicklung der Ereignisse in Italien aufmerksam beobachtet, ist es jetzt klar, dass dank den Schwankungen der Partei in Italien der rechte Augenblick verpasst worden ist. Die italienische Bourgeoisie hat mit außerordentlicher Geschicklichkeit das Schwanken der Serratiner ausgenutzt, um ihre Position zu festigen. Die italienische Bourgeoisie hat sich vom Kopf bis zu den Füßen bewaffnet. Die italienische Bourgeoisie hat die weißgardistische Bewegung der Faschisten aufgezogen und aufgepäppelt, die jetzt die Initiative in die Hand genommen hat. Die bourgeoise Reaktion wächst in Italien von Tag zu Tag und von Stunde zu Stunde. Die italienischen Reformisten haben der bourgeoisen Reaktion Tür und Tor geöffnet. Dank dem Schwanken des charakterlosen “Zentrums” in Italien wird der Kampf der italienischen Arbeiter viel schwerer werden, als er hätte sein können, er wird mehr Opfer erfordern, sein Weg wird ein härterer und längerer sein. Die Schuld fällt jenen zu, die, wie Serrati, Augen haben, um nicht zu sehen, und Ohren, um zu hören.

Italien ist das Land, das der Revolution am nächsten steht. Bei einer solchen Sachlage erscheinen alle Parteien Italiens unvermeidlich als weiter links stehend, als sie es in der Tat sind. So war es seinerzeit auch in Russland. Der herannahende rote Feuerschein der revolutionären Feuersbrunst wirft seinen Widerschein auf alle italienischen Parteien. Die gelbe Farbe erscheint blassrosa, die blassrosa Farbe als rot: die italienischen Reformisten erscheinen nach dem, was sie sagen, als Revolutionäre, die italienischen Zentristen fast als Kommunisten. Auf diese optische Täuschung fielen wir alle eine Zeitlang herein. Vielen schien es und manchen erscheint es noch jetzt, dass die italienischen Serratiner tatsächlich Kommunisten sind. Jedoch ist es nicht so. Unter den Arbeitern, die Serrati nachfolgen, befindet sich natürlich eine große Zahl solcher, die morgen auf unserer Seite stehen werden. In der Tat aber bringen die Führer, mit Serrati an der Spitze, die zentristische Richtung zum Ausdruck, nur dass diese eine stark italienische Färbung hat. Es sind dies Zentristen mit einem stärkeren Temperament, mit größerer Sorglosigkeit in theoretischer Hinsicht, weniger folgerichtig, mehr befähigt in unserer Richtung zu schwanken, aber es sind dennoch Zentristen. Wir werden selbst sehr froh sein, wenn wir uns in dieser unserer Diagnose geirrt haben, wir werden sehr froh sein, wenn die nächsten Ereignisse diese unsere Ansicht widerlegen und uns beweisen werden, dass Serrati und seine nächsten Gesinnungsgenossen lediglich durch ein Missverständnis das Bündnis mit den Reformisten geschlossen haben. Wir werden glücklich sein, wenn Serrati und seine nächsten Gesinnungsgenossen sich auf dem III. Kongress der Kommunistischen Internationale im Lager der Kommunisten befinden werden. Aber der Gang der Ereignisse hat uns bis jetzt leider sehr wenig Hoffnung hierfür gegeben. Und so war das Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale verpflichtet‚ zu erklären, dass die Gruppe Serrati einen Platz außerhalb der Kommunistischen Internationale eingenommen hat, und dass es als einzige Sektion der Kommunistischen Internationale die junge Italienische Kommunistische Partei anerkennt.

In der Person Serratis und seiner nächsten Gesinnungsgenossen bekämpfen wir im Grunde genommen die “letzten Mohikaner” eines modernisierten und “revolutionisierten”, nach italienischer Art geschminkten und frisierten Kautskyanertums. In der Person Serratis und seiner nächsten Gesinnungsgenossen bekämpfen wir im Grunde genommen die italienische “revolutionäre” Varietät der 2½ Internationale. Den jetzigen Ansichten Serratis nachgeben hieße der 2½ Internationale nachgeben und dadurch der Zweiten Internationale einen Finger reichen. Das war es ja, Was einige unserer Anhänger, wie z. B. die in Deutschland, nicht begriffen haben.

In der Vereinigten Kommunistischen Partei Deutschlands ist, wie bekannt, eine gewisse Krisis eintreten. Ob diese Krisis nur die Parteispitzen oder auch die breiten Massen der Parteimitglieder betroffen hat, ist vorläufig schwer zu sagen.1 Wir wollen hoffen, dass nur die Spitzen von der Krankheit betroffen sind. Den äußeren Anlass zum Auftreten der Unzufriedenheit mit der Politik des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale gaben in Deutschland die italienischen Angelegenheiten. Ein Teil unserer Anhänger in Deutschland war dadurch entmutigt, dass auf dem Kongress in Livorno die Anhänger der Kommunistischen Internationale sich in der Minderheit befanden. Das Abrücken des Genossen Serrati von der Kommunistischen Internationale erklärten diese deutschen Genossen mit der hartnäckigen Unversöhnlichkeit des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale, ohne zu verstehen, dass ein Verzicht auf die Forderung, die Reformisten aus der italienischen Partei auszuschließen, einer vollen ideellen Kapitulation der Dritten Internationale gleichkäme. P. Levi begann von “mechanischen” Spaltungen zu reden, die angeblich das Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale vollzieht. Levi begann die menschewistischen Beschuldigungen gegen die Kommunistische Internationale zu wiederholen.

Es gibt auch unter den Kommunisten Leute, die stets gern der Mehrheit angehören und die nicht begreifen, dass die Interessen der proletarischen Revolution manchmal gebieterisch verlangen, dass die Minderheit der Mehrheit direkt und unerschütterlich erklärt: “Hier stehe ich, ich kann nicht anders.” Eine solche Situation hatte sich für unsere Freunde, die italienischen Kommunisten, ergeben.

In Deutschland hat als Verteidiger Serratis ein Mitglied des Zentralkomitees der Vereinigten Kommunistischen Partei Deutschlands, der Genosse Levi, auf. Auf Grund aller Dokumente und Berichte, über die wir verfügen, kommen wir, die Mitglieder des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale, alle einstimmig zu dem Schlusse, dass der Genosse Levi sowohl bis zu dem Kongress in Livorno, als auch auf dem Kongress in Livorno selbst und auch nach demselben den Genossen Serrati systematisch gegen die italienischen Kommunisten und also auch gegen das Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale unterstützt hat. Nach unserer Überzeugung sind die italienischen Angelegenheiten für den Genossen Levi nur ein Vorwand. In der Tat aber ist jene Opposition, die er dem Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale gegenüber an den Tag legt, durch seine Unzufriedenheit mit unserer allgemeinen Politik und unserer Bewertung der deutschen Angelegenheiten hervorgerufen. Genosse Levi ist bemüht, einen rechten Flügel innerhalb der Vereinigten Kommunistischen Partei Deutschlands zu bilden. Es ist darum ganz natürlich, dass er den Versuch macht, dasselbe auf der internationalen Arena und im Besonderen in Italien zu tun. Schwache Versuche, einen rechten Flügel in der Kommunistischen Internationale zu organisieren, machte Genosse Levi bereits am Vorabend des Zweiten Kongresses der Kommunistischen Internationale und auf diesem Kongresse selbst. Diese Versuche waren damals nicht von Erfolg gekrönt und werden, wie wir hoffen, auch jetzt nicht von Erfolg gekrönt sein.2

Aller Anfang ist schwer. Es war schwer, den ersten großen politischen Fehler zu begehen. Und jetzt, nachdem es P. Levi gelungen ist, auf dieser falschen Plattform eine ganze Gruppe zu bilden, wird diese Gruppe unvermeidlich bemüht sein, sich in jeder Frage dem Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale gegenüberzustellen.

Eine ähnliche Erscheinung lässt sich in der Tschechoslowakei beobachten. Hier macht Genosse Smeral anscheinend einen Rückfall in opportunistische Stimmungen durch und ist ebenso bemüht, eine Art rechten Flügels der Kommunisten zu bilden. Wie die Resultate der Bemühungen des Genossen Smeral ausfallen werden, wissen wir noch nicht. Wir schreiben diese Zeilen am Vorabend des tschechoslowakischen Kongresses. Aber womit auch der Kongress enden möge, das eine steht außerhalb allen Zweifels, dass sich innerhalb der Reihen der tschechoslowakischen Bewegung ein rechter Flügel organisieren wird.

Dies alles zusammengenommen, veranlasst uns, nach Möglichkeit den III. Kongress der Kommunistischen Internationale zu beschleunigen. Die Kommunistische Internationale ist eine Organisation, die sich am allerwenigsten mit Unklarheit und Verschwommenheit versöhnen kann. Die Kommunistische Internationale muss vollständige Klarheit über jede Partei schaffen, die schon der Kommunistischen Internationale angehört oder ihr anzugehören wünscht.

Wir wollen eine Internationale der Aktion, eine internationale Organisation haben, die aus einem Stücke gegossen ist, eine einige weltumfassende Kommunistische Partei mit einzelnen Verzweigungen in den verschiedenen Ländern. Wir dürfen unter keinen Umständen eine hohe Quantität zum Schaden der Qualität anstreben. Das Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale muss unter solchen Umständen arbeiten, dass eine feste internationale proletarische Disziplin garantiert sei. Wenn diese oder jene große Partei mit diesem oder jenem wichtigen Entschluss der Kommunistischen Internationale unzufrieden ist, so ist es ihr verbürgtes Recht, an den Weltkongress der Kommunistischen Internationale zu appellieren. Und das Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale beschleunigt absichtlich den Weltkongress, um allen, die mit dieser oder jener unserer Verfügungen unzufrieden sind, die Möglichkeit zu geben, an diesen Kongress zu appellieren. Nur auf diese Weise wird die Organisation der Kommunistischen Internationale immer fester und einheitlicher werden, nur so werden alle Parteien, die der Kommunistischen Internationale angehören, ihre Rechte verteidigen und ihre Pflichten erfüllen lernen.

Wir ziehen jetzt die Bilanz einer ganzen Entwicklungsphase der Kommunistischen Internationale. Im Laufe der sieben Monate, die seit dem II. Kongress der Kommunistischen Internationale vergangen sind, hat eine ganze Reihe von Parteien eine sehr umfangreiche Diskussion anlässlich der Thesen des II. Kongresses durchgemacht. Wir haben

in dieser Zeit eine Reihe glänzender Siege über die reformistischen und halbreformistischen Elemente davongetragen. Wir haben in einem Lande wie Frankreich einen ungeheuren Erfolg gehabt. Wir wissen, dass auch dort bestimmte Rückfälle und Schwankungen unvermeidlich sind, aber im Grundlegenden, im Groben ist die Arbeit der säuberlichen Scheidung in Frankreich vollendet. Wir sehen besonders aus den trefflichen Artikeln des Genossen Varine und der anderen Mitarbeiter des “Bulletin Communiste”, dass es in Frankreich eine führende kommunistische Gruppe gibt, mit der wir uns in vollständiger Einmütigkeit und absoluter Solidarität in allen wichtigsten Fragen der französischen und internationalen Arbeiterbewegung befinden. Wir sehen auch, dass solche Männer, wie Genosse Cachin, jene Fahne, unter die sie sich gestellt haben, ehrlich und tapfer zu verteidigen wissen. Wir zweifeln auch keinen Augenblick daran, dass die französische Partei bald eine kommunistische Partei im eigentlichen Sinne Wortes werden wird, und dass ihr eine große Zukunft bevorsteht.

Die Kommunistische Internationale hat im Laufe dieser sieben Monate auch sehr ernsthafte Erfolge im Kampfe gegen die Gelbe Amsterdamer Internationale der Gewerkschaften gehabt. Sowohl in Deutschland als auch in Frankreich brodelt innerhalb der Gewerkschaften der Kampf zwischen “Moskau” und “Amsterdam”, Die vom II. Kongress der Kommunistischen Internationale in der Gewerkschaftsfrage eingeschlagene Taktik hat zweifellos ihre Rechtfertigung gefunden. Die nach dem III. Kongress bevorstehende internationale Konferenz der Roten Gewerkschaften in Moskau wird das Fazit dieses unseres Kampfes ziehen. Die internationale Konferenz der Roten Gewerkschaften und der III. Weltkongress der Kommunistischen Internationale werden in einem kurzen Zeitabstand aufeinander folgen. Die Arbeit dieser zwei Kongresse muss durch innere Einheitlichkeit verknüpft sein. Sie werden sich gegenseitig ergänzen.

Aber neben unseren Erfolgen müssen wir auch die Gefahren sehen, die uns bedrohen.

Wir werden genügend ideelle Unversöhnlichkeit in Bezug auf die “linken” Wirrköpfe anarchistischen Schlages an den Tag legen, die bestrebt sind, die internationale Arbeiterbewegung vom rechten Wege abzubringen. Der III. Weltkongress wird die Frage dieser “Linken” auf die Spitze treiben. Aber wir werden wenigstens ebenso unversöhnlich in Bezug auf jene sein, die innerhalb der Kommunistischen Internationale einen rechten Flügel zu schaffen bemüht sind. In der gegenwärtigen Übergangsperiode muss das Steuer der Kommunistischen Parteien besonders in allen jenen Ländern fest in der Hand gehalten werden, in denen sich Tendenzen im Geiste Serratis und Levis zeigen. Der bevorstehende III. Weltkongress wird nach unserer Überzeugung die Schwankenden stützen, die Irrenden auf den rechten Weg bringen, die Zurückbleibenden antreiben und, indem er alles, was es an Revolutionärem und Kommunistischem in der ganzen internationalen Arbeiterbewegung gibt, vereinigt, eine noch festere internationale Kampforganisation des Proletariats der ganzen Welt schaffen.

G. Sinowjew.

1 Nach den letzten Nachrichten ist das erstere richtig.

2 Gemeinsam mit dem Genossen Levi schied aus dem Bestande des Zentralkomitees der Vereinigten Kommunistischen Partei auch die Genossin Clara Zetkin aus. Wir sind fest überzeugt, dass ihr Austritt sich in der Tat durch ein Missverständnis erklären lässt. Bei jeder neuen politischen Umgruppierung sind anfangs zufällige Austritte und Anschlüsse nach dieser oder jener Richtung unvermeidlich. Wir hoffen, dass auch der Austritt der Genossin eine solche Episode ist. Aus zahlreichen Gesprächen mit ihr während ihres Aufenthaltes in Russland, aus der Art, wie vorzüglich sie die Kommunistische Internationale auf dem französischen Kongress in Tours vertrat, aus ihrer ganzen voraufgegangenen Arbeit kommen wir zu dem Schlusse, dass sie auf jeden Fall keine Organisatorin eines rechten Flügels des Kommunismus sein kann. Sobald die Lage sich klären wird davon sind wir fest überzeugt, wird Genossin Zetkin aufhören, mit ihrer Autorität eine Gruppe zu decken, die vom Genossen Levi geleitet wird. Wir wollen hoffen, dass sich dies ebenso mit dem Genossen Däumig und anderen Genossen verhält, die gemeinsam mit Levi aus den Reihen des Zentralkomitees der Vereinigten Kommunistischen Partei Deutschlands ausgetreten sind.

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