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Leo Trotzki 19171206 Aufruf des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten

Leo Trotzki: Aufruf des Volkskommissars für

Auswärtige Angelegenheiten

[„Iswestija“ Nr. 234, 24. November 1917. Eigene Übersetzung nach Л. Троцкий. Сочинения. Том 3, часть 2. Москва-Ленинград, 1925, verglichen mit der englischen Übersetzung]

Zur Information der Herren Botschafter von Großbritannien, Frankreich, Amerika, Italien, China, Japan und der Herren Botschafter von Rumänien, Belgien und Serbien.

Die Verhandlungen zwischen den Delegierten Deutschlands, Österreich-Ungarns, der Türkei und Bulgariens einerseits und den Delegierten Russlands andererseits wurden auf Initiative unserer Delegation für eine Woche unterbrochen, um die Völkern und Regierungen der alliierten Länder über die Tatsache der Verhandlungen, über ihre Richtung zu informieren.

Von der Seite Russlands wird angeboten:

1) zu erklären, dass der voraussichtliche Waffenstillstand das Ziel eines Friedens auf demokratischer Grundlage hat, wie sie im Manifest des Allrussischen Kongress der Sowjets der Arbeiter- und Soldatendeputierten formuliert ist; 2) zur Waffenstillstandsbedingung die Verpflichtung zu machen, Truppen nicht von einer Front auf eine andere zu verlegen und 3) die Moonsund-Inseln zu räumen.

Bei der Frage der Kriegsziele sind die Delegierten der gegnerischen Seite einer eindeutigen Antwort ausgewichen, indem sie darauf verwiesen, dass sie ausschließlich damit beauftragt wurden, die militärische Seite des Waffenstillstands zu regeln. In gleicher Weise und in der Frage des allgemeinen Waffenstillstands verwiesen die Delegierten der gegnerischen Seite auf ihre fehlende Vollmacht, die Frage eines Waffenstillstands mit Ländern anzusprechen, deren Delegierte nicht an den Verhandlungen teilnahmen.

Die Delegierten der gegnerischen Seite schlugen ihrerseits Waffenstillstandsbedingungen von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer vor, und die Frist für diesen Waffenstillstand endet in 28 Tagen. Gleichzeitig verpflichteten sich die Delegierten der gegnerische Seite, ihren Regierungen den Vorschlag der russischen Delegation einen sofortigen Appell allen kriegführenden Ländern, d. h. allen alliierten Ländern mit Ausnahme Russlands, zu übermitteln mit dem Vorschlag, an den Verhandlungen teilzunehmen.

Angesichts der Ablehnung unserer Delegation, in diesem Stadium der Verhandlungen einen formellen Waffenstillstand zu unterzeichnen, wird die Aussetzung der Kampfhandlungen für eine Woche fortgesetzt und die Waffenstillstandsverhandlungen werden für denselben Zeitraum unterbrochen.

Also liegt zwischen dem ersten Dekret der Sowjetregierung über den Frieden (26. Oktober alten Stils) und dem Zeitpunkt der bevorstehenden Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen (29. November alten Stils) eine Frist von mehr als einem Monat. Diese Frist scheint auch bei den gegenwärtig zerrütteten Mitteln der internationalen Kommunikation ausreichend zu sein, um es den Regierungen der alliierten Länder zu ermöglichen, ihre Haltung zu den Friedensverhandlungen zu bestimmen, d. h. ihre Bereitschaft oder Weigerung, an den Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen teilzunehmen, und – im Falle der Weigerung – offen im Angesicht der ganzen Menschheit, klar, genau und bestimmt anzugeben, zu welchen Zwecken die Völker Europas im vierten Kriegsjahr bluten müssen.

Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten

L. Trotzki.

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