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Leo Trotzki 19170617 Der Pazifismus im Dienste des Imperialismus

Leo Trotzki: Der Pazifismus im Dienste des Imperialismus.

[Nach Arbeiterpolitik. Wochenschrift für wissenschaftlichen Sozialismus, 2. Jahrgang, Nr. 33 und 34 (18. und 25. August 1917), S. 253 f. und 259-261]

Nie gab es aus der Welt so viele Pazifisten wie jetzt, wo die Menschen auf allen großen Straßen unseres Planeten einander töten. Jede historische Epoche hat nicht nur ihre eigene Technik und eigene politische Formen, sondern auch eine nur ihr eigene Heuchelei. Einst rotteten sich die Völker gegenseitig aus im Namen der christlichen Lehre von der Liebe zum Nächsten. Jetzt rufen nur zurückgebliebene Regierungen Christum an. Die fortschrittlichen Nationen schneiden sich die Hälse ab im Namen des Pazifismus. Wilson zerrt Amerika im Namen des Bundes der Völker und des ewigen Friedens in den Krieg hinein. Kerenski und Zeretelli rufen zur Offensive – im Namen des „schnellsten Friedensschlusses".

Unsere Epoche entbehrt einen Juvenal, des entrüsteten Satirikers. Allerdings auch die mächtigsten satirischen Mittel laufen Gefahr sich als ohnmächtig und schattenhaft im Kampfe mit der triumphierenden Niederträchtigkeit und kriechenden Dummheit, zwei Elementen, gegenüber die der Krieg entfesselt, zu erweisen.

Der Pazifismus ist von derselben historischen Herkunft wie die Demokratie. Die Bourgeoisie machte einen großen historischen Versuch alle menschlichen Verhältnisse verstandesgemäß zu ordnen, die blinde und stumpfe Tradition durch Anordnungen des kritischen Denkens zu verdrängen. Die Zünfte mit ihrer Beengung der Produktion, die Stände mit ihren Privilegien, der monarchische Absolutismus — alles waren traditionelle Überbleibsel des Mittelalters. Die bürgerliche .Demokratie verlangte Rechtsgleichheit für die freie Konkurrenz und den Parlamentarismus als Mittel der Verwaltung der öffentlichen Angelegenheiten. Sie versuchte auch die nationalen Verhältnisse auf dieselbe Weise zu ordnen. Hier aber stieß sie auf den Krieg, d.h. auf eine solche Methode der Lösung aller Fragen, die nach ihr eine vollkommene Verneinung der „Vernunft" ist. so fing sie an, den Völkern zu beweisen, — in den Sprachen der Poesie, der Philosophie, der Ethik und der Buchhaltung — dass es viel nützlicher für sie ist, den „Ewigen Frieden" einzuführen. Das sind die logischen Voraussetzungen des Pazifismus.

Seine Erbsünde war aber der grundsätzliche Fehler, der die bürgerliche Demokratie charakterisiert, die Schneide ihrer Kritik gleitet nur auf der Oberfläche der sozialen Erscheinungen, hat nicht den Mut in die ökonomischen Unterlagen hineinzufahren. Die kapitalistische Wirklichkeit aber behandelte die Idee des „Ewigen Frieden" auf Grund der „vernünftigen" Übereinstimmung vielleicht noch unbarmherziger als die Idee der Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Eben der Kapitalismus, der die Technik vernunftmäßig ausgestaltete, hat die ökonomischen Verhältnisse nicht vernünftig geregelt, er schaffte solche Waffen der gegenseitigen Ausrottung, wie es das „barbarische" Mittelalter nicht einmal im Traume geahnt hat.

Die zunehmende Zuspitzung aller internationaler Verhältnisse und das unaufhaltsame Wachstum des Militarismus entzog dem Pazifismus vollkommen den Boden unter den Füßen. Aber gleichzeitig riefen ihn dieselben Kräfte, unter unseren Augen zum neuen Leben, das von dem alten so verschieden war, wie verschieden der blutig-rote Sonnenuntergang von dem rosigen Sonnenaufgang ist.

Die Jahrzehnte, die diesem Kriege vorausgingen, waren die Epoche des sogenannten „bewaffneten Friedens". Die ganze Zeit war in Wirklichkeit ein einziger ununterbrochener Krieg, aber in den Kolonien.

Diese Kriege spielten sich aus dem Territorium zurückgebliebener und schwacher Völker ab, führten zur Verteilung von Afrika, Polynesien und Asien und bereiteten den jetzigen Krieg vor. Da es aber in Europa nach 1871 keinen Krieg gab, obwohl es eine ganze Reihe scharfer Konflikte gegeben hatte, — so gewöhnte sich systematisch die öffentliche Meinung des Kleinbürgertums daran, in der wachsenden Armee eine Garantie des Friedens zu sehen, die allmählich durch völkerrechtliche internationale Einrichtungen gekrönt wird. Die kapitalistischen Regierungen und die schwere Industrie hatten selbstverständlich an einer solchen „pazifistischen" Deutung des Militarismus nichts auszusetzen. Dazwischen häuften sich die Weltkonflikte an und die Weltkatastrophe war da.

Theoretisch und politisch steht der Pazifismus auf demselben Baden, wie die Lehre von der Harmonie der sozialen Klasseninteressen.

Der Gegensatz zwischen den kapitalistischen Staaten hat dieselbe ökonomische Unterlage, wie der Klassengegensatz. Wenn wir die Möglichkeit der allmählichen Abstumpfung der Klassengegensätze annehmen, so müssen wir als Folgerung die allmähliche Abstumpfung und Regulierung der völkerrechtlichen Beziehungen annehmen.

Der Hort der demokratischen Ideologie mit all ihren Traditionen und Illusionen war das Kleinbürgertum. In der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts wurde es innerlich vollkommen umgearbeitet, aber von der Szene ist es nicht verschwunden. In derselben Zeit, wo die Entwicklung der kapitalistischen Technik seine ökonomische Rolle für ewig untergrub, haben ihm das allgemeine Wahlrecht und die allgemeine Wehrpflicht, dank seiner Anzahl, den Schein eines politischen Faktors gegeben. Das Großkapital hat das Kleinbürgertum, insoweit es ihm noch den Atem ließ, durch das Kreditsystem vollkommen unterjocht. Den politischen Vertretern des Großkapitals blieb nur übrig, es sich noch in der politischen Arena zu unterjochen, indem sie den kleinbürgerlichen Theorien und Vorurteilen einen fiktiven Kredit eröffneten. Das war die Ursache der Erscheinung, die wir in den letzten zehn Jahren vor dem Kriege beobachteten, dass gleichzeitig mit der ungeheuren Anspannung der reaktionär-imperialistischen Politik auch die trügerische Blüte der bürgerlichen Demokratie mit ihrem Reformismus und Pazifismus kam. Das Kapital unterwarf das Kleinbürgertum seinen imperialistischen Zielen mit Hilfe ihrer eigenen Vorurteile.

Frankreich war vielleicht das klassische Beispiel dieses zweiseitigen Prozesses. Frankreich ist ein Land des Finanzkapitals, das sich auf ein am meisten konservatives und sehr zahlreiches Kleinbürgertum in Stadt und Land stützt. Dank den ausländischen Anleihen, Kolonien, und dem Bündnis mit Russland und England wurden die Oberschichten der dritten Republik in alle Interessen, in alle Konflikte des Weltkapitals hinein gezerrt Unterdessen bleibt der französische Kleinbürger ein Provinzmensch bis in das Knochenmark. Er verabscheut instinktiv die Geographie und sein Leben lang fürchtet er am meisten den Krieg – schon aus dem Grunde, dass er meistens nur einen einzigen Sohn hat, der sein Geschäft samt seiner Möbel erben soll. Dieser Kleinbürger schickt einen bürgerlichen Radikalen in das Parlament, der ihm den Frieden zu schützen verspricht mit Hilfe der „Liga der Nationen" einerseits und mit Hilfe der russischen Kosaken, die den deutschen Kaiser am Schöpfe halten sollen, andererseits. Der radikale Abgeordnete aus dem Kreise der Provinzadvokaten kommt nach Paris nicht nur voll des besten pazifistischen Willens, sondern auch ohne klare Ahnung, wo eigentlich die persische Bucht liegt und wem und wozu die Bagdadbahn nötig ist. Die radikal-„pazifistischen" Abgeordneten schoben aus ihrer Mitte ein radikales Ministerium aus, das auf der Stelle im Fangnetz aller früheren abgeschlossenen diplomatischen und militärischen Verpflichtungen aller Finanzinteressen der französischen Börse in Russland, Afrika und Ästen, bis über die Ohren steckte. Das Ministerium und Parlament hörten nicht auf, alle pazifistischen Phrasen weiter abzuleiern und gleichzeitig, ganz automatisch, trieb es die Weltpolitik, die Frankreich endlich in den Krieg hineingetrieben hat.

Der englische und amerikanische Pazifismus verrichtet, bei aller Verschiedenheit der sozialen Bedingungen und der Ideologie (oder bei Ausbleiben jeder Ideologie, wie in Amerika) wesentlich dieselbe Arbeit: er schafft einen Ausgang für die Angst des Kleinbürgertums vor den Welterschütterungen. in denen es nur den Rest seiner Selbständigkeit verlieren kann; er lullt seine Wachsamkeit ein durch die fruchtlosen Ideen der Abrüstung, des Völkerrechts und der .Schiedsgerichte, um sie dann im entscheidenden Moment samt Haut und Haar dem imperialistischen Kapital auszuliefern, das alle Mittel für seine Zwecke mobil gemacht hat: die Technik, die Kunst, die Kirche, den bürgerlichen Pazifismus, wie den patriotischen „Sozialismus".

Wir waren immer gegen den Krieg, unsere Abgeordneten, unsere Minister waren gegen den Krieg, – ruft der französische Kleinbürger, – folglich hat man uns den Krieg aufgedrungen, – und im Namen der Verwirklichung unserer pazifistischen Ideale - müssen wir den Krieg bis zum siegreichen Ende führen." … Und der Vorsitzende der französischen Pazifisten, Baron d'Estournel de Constant heiligt diese pazifistische Philosophie durch ein feierliches „jusqu' au dout!" Krieg bis Zum Ende!

Die englische Börse brauchte für die Kriegsführung in erster Linie Pazifisten, wie den Liberalen Asquith und den radikalen Demagogen Lloyd-George. „Wenn diese Männer den Krieg führen, – sagte sich die englische Volksmasse, – dann ist das Recht auf unserer Seite." Auf diese Weise wurde dem Pazifismus eine ihm entsprechende Rolle in dem Mechanismus des Krieges, zusammen mit den Giftgasen und den sich türmenden Staatsanleihen, zugeteilt.

Noch krasser zeigte sich der kleinbürgerliche Pazifismus in seiner Rolle des Dieners des Imperialismus in den Vereinigten Staaten. Die wirkliche Politik machen da, noch mehr als irgendwo anders die Banken und die Trusts. Noch vor dem Kriege bewegten sich die Vereinigten Staaten, dank der ungeheuren Entwicklung der Industrie und des Exports, systematisch in der Richung der Weltinteressen und des Imperialismus. Der europäische Krieg gab dieser imperialistischen Entwicklung ein fieberhaftes Tempo. In einem Augenblick, wo viele gottselige Menschen (sogar Kautsky!) hofften, dass die „Schrecken" der europäischen Schlächterei, die amerikanische Bourgeoisie mit Abscheu gegen den Militarismus erfüllen würden, ging der wirkliche Einfluss der europäischen Geschehnisse nicht auf psychologischen, sondern auf materiellen Wegen und führte zu vollkommen entgegengesetzten Resultaten. Der Export der Vereinigten Staaten, der 1913 die Summe von 2466 Millionen Dollar erreichte, stieg 1916 aus eine wahnwitzige Höhe von 5481 Milliarden Der Löwenanteil dieses Exportes fiel selbstverständlich der Kriegsindustrie zu. Ein plötzliches Aufhören des Exports nach den Ententeländern, mit dem der unbeschränkte Unterseebootkrieg drohte*, das bezeichnete nicht nur ein Versiegen der riesigen Profite, sondern bedrohte die gesamte amerikanische Industrie die aus Kriegslieferung eingestellt wurde, mit einer schweren Krise.

So wandte sich des Kapital an den Staat: „Du hast unter dem Banner des Pazifismus die Entwickelung der Kriegsindustrie begünstigt; du bist verpflichtet uns jetzt die Absatzmöglichkeiten zu verschaffen." Wenn der Staat nicht im Stande ist gleich die „Freiheit der Meere" (d. h. die Freiheit aus dem europäischen Blute Kapital herauszuschlagen) zu versprechen, so kann er einen neuen Absatzmarkt für die bedrängte Kriegsindustrie eröffnen: in Amerika selbst. Auf diese Weise führte die Bedienung der europäischen Schlächterei zu einer plötzlichen, zu einer katastrophalen Militarisierung der Vereinigten Staaten.

Diese Arbeit musste auf die Opposition der breiten Volksmassen stoßen. Diese formlose Unzufriedenheit zu überwinden, sie in ein patriotisches Mitwirken zu verwandeln, war die allerwichtigste innerpolitische Aufgabe der Politik der Vereinigten Staaten. Das war eben die Ironie des Schicksals, dass der offizielle Pazifismus Wilsons, wie der oppositionelle Pazifismus Bryans die mächtigsten Mittel zur Lösung dieser Aufgabe der militärischen Zähmung der Masse, waren.

Bryan beeilte sich einen lärmenden Ausdruck dem natürlichen Abscheu der Farmer und aller „kleinen Leute" gegen Imperialismus, Militarismus und Steuererhebung zu geben. Aber gleichzeitig mit der Absendung ganzer Absendung von Petitionen und Deputationen an seinen pazifistischen Kollegen, der an der Spitze des Staates stand, bemühte sich Bryan nach allen Kräften die revolutionäre Spitze dieser Bewegung abzubrechen. „Wenn aber die Sache bis zum Kriege kommt – telegraphierte Bryan, dem Meeting gegen den Krieg, das im Februar in Chicago stattfand – so werden wir selbstverständlich die Regierung unterstützen; aber bis zu diesem Moment ist es unsere heiligste Pflicht alles zu tun was in unseren Kräften liegt, um das Volk von dem Schrecken des Krieges zu schützen."

In diesen paar Worten steckt das ganze Programm des kleinbürgerlichen Pazifismus: „alles, was in unseren Kräften liegt gegen den Krieg zu tun", heißt ein Ventil der Volksentrüstung in Form von harmlosen Manifestationen zu öffnen, indem man vorher der Regierung die Garantie bietet, dass, falls es zum Kriege kommt, der Krieg auf keinen Widerstand der pazifistischen Opposition stoßen wird

Das ist auch alles, was der offizielle Pazifismus verlangt, der in der Person Wilsons dem kriegführenden Kapital schon genügend Beweise seiner „Kampffähigkeit" geliefert hat. Aus Grund der Erklärung des Herrn Bryan selbst, genügte es, um eine lärmende Opposition gegen den Krieg brach zulegen, nur eins zu tun: den Krieg zu erklären. Was Herr Wilson auch tat, und Herr Bryan beeilte sich, auf die Seite der Regierung überzugehen. Und das Kleinbürgertum und nicht nur dieses allein, auch die breitesten Arbeitermassen sagen sich: Wenn unsere Regierung mit einem so weltbekannten Pazifisten wie Wilson den Krieg erklärt und wenn Bryan selbst die Regierung in der Kriegsfrage unterstützt, dann ist das sicher ein ehrlicher und notwendiger Krieg. Das erklärt uns, weswegen dieser frömmlerisch-quäkerische Pazifismus der Regierungsdemagogen auf der Börse der Finanz- und der Kriegsindustrie so hoch notiert wird.

Unser menschewistisch-sozialrevolutionäre Pazifismus bei aller äußeren Verschiedenheit der Bedingungen, spielt seinem Wesen noch genau dieselbe Rolle. Die Resolution über den Krieg, die von der Mehrheit des Allrussischen Kongresses aller Arbeiter- und Soldaten-Delegiertenräte angenommen wurde geht nicht nur von der allgemeinen pazifistischen Verurteilung des Krieges, sondern auch von seiner Charakteristik als eines imperialistischen Krieges aus. Den Kampf für die schnelle Beendigung des Krieges erklärt der Kongress als die erste und wichtigste Ausgabe der revolutionären Demokratie. Aber alle diese Voraussetzungen sind nur zu einem einzigen Zwecke mobilisiert: „solange aber die internationalen Anstrengungen der Demokratie dem Kriege noch kein Ende bereitet haben, solange muss die russische revolutionäre Demokratie nach allen Kräften die Kampffähigkeit der russischen Armee zur Defensive und zur Offensive fördern … "

Die Revision der alten internationalen Verträge macht der Kongress abhängig vom, freiwilligen Einverständnis der Ententeediplomatie, die doch ihrem Wesen nach den imperialistischen Charakter des Krieges nicht liquidieren kann und nicht liquidieren will. Die internationalen Anstrengungen der Demokratie macht der Kongress, wie seine Führer, von dem Willen der Sozialpatrioten abhängig, die doch mit ihren imperialistischen Regierungen verbunden und verkettet sind. Indem sie also in der Frage der schnellsten Beendigung des Krieges sich freiwillig in eine Sackgasse ohne Ausgang hineintreibt, kommt dieselbe Mehrheit des Kongresses in der Frage der praktischen Politik zu einem ganz bestimmten Schlüsse: zur Offensive. So ein Pazifismus, der das Kleinbürgertum sammelt und es zur Unterstützung der Offensive bringt, wird selbstverständlich heiß begrüßt nicht nur von dem russischen, aber auch von dem Ententeimperialismus.

Miljukow sagt: Im Namen der Treue zu den Alliierten und den alten (imperialistischen) Verträgen ist die Offensive unentbehrlich.

Kerenski und Zeretelli sagen: Obwohl die alten Verträge noch nicht revidiert sind, ist die Offensive unentbehrlich.

Die Argumente sind verschieden, aber die Politik ist dieselbe. Und es kann auch nicht anders sein, denn Kerenski und Zeretelli sind unzerreißbar in der Regierung mit der Partei Miljukows verbunden Faktisch also steht der sozialpatriotische Pazifismus der Dan, wie der quäkerische Pazifismus Bryans im Dienste des Imperialismus.

Aus diesem Grunde besteht die wichtigste Ausgabe der russischen .Diplomatie nicht darin, die Ententeediplomatie zu nötigen, irgend etwas zu revidieren, von irgend etwas sich loszusprechen, sondern sich zu überzeugen, dass die russische Revolution vollständig zuverlässig und – kreditwürdig ist. Der russische Gesandte Bachmetiew hat auch in seiner Rede im Kongress der Vereinigten Staaten am 10. Juni, eben unter diesem Gesichtspunkte die Tätigkeit der provisorischen Regierung charakterisiert. Alle diese Begebnisse, sagte der Gesandte, zeigen uns, dass die Macht und Bedeutung der Provisorischen Regierung mit jedem Tage wachsen und je weiter, desto mehr die Regierung fähig wird, allen den Elementen der Zerrüttung, die von der Reaktion ober von der extrem-linken Agitation kommen, den Garaus zu machen. Die Provisorische Regierung beschloss jetzt, alle Mittel in dieser Richtung zu ergreifen und wenn nötig, zur Gewalt zu greifen, obwohl sie immer die friedliche Lösung der Fragen anstrebt.

Man soll keinen Augenblick zweifeln, dass die „nationale Ehre" unserer Sozialpatrioten vollkommen ruhig blieb, als der Gesandte der revolutionären Demokratie der amerikanischen Plutokratie eifrig bewies, dass die russische Regierung bereit ist, das Blut der russischen Proletarier zu vergießen im Namen der „Ordnung", deren wichtigster Bestandteil die Treue au die Ententeekapitalisten ist.

Und in den Stunden, wo Herr Bachmetiew mit dem Hut in der Hand und der demütigen Rede auf den Lippen vor den Hyänen der amerikanischen Börse stand, setzten die Herren Zeretelli und Kerenski der revolutionären Demokratie auseinander, dass es unmöglich sei, ohne Gewalt gegen die „Anarchie von links" anzukämpfen, und drohte mit der Entwaffnung der Petrograder Arbeiter und der mit ihnen verbundenen Regimenter. Wir sehen, dass diese Drohungen im richtigen Moment kamen: sie waren die besten Fürsprecher für die russische Anleihe auf der amerikanischen Börse.

Sie hören es doch, kann Heer Bachmetiew dem Herrn Wilson sagen – unser revolutionärer Pazifismus ist nicht um einen Deut anders als euer Börsenpazifismus und wenn Sie Herrn Bryan glauben, weswegen sollen sie denn dem Herrn Zeretelli nicht trauen."

Jetzt noch die letzte Frage: Wie viel russisches Kanonenfutter und russisches Blut auf der äußeren und auf der inneren Front ist nötig, um die russische Anleihe zu sichern, die ihrerseits unsere weitere Treue an die Entente sichern wird?

* Die Entente hat 1915 für 3,5 Milliarden Dollars amerikanische .Wann importiert. Nach Deutschland und Österreich-Ungarn wurde für kaum 1.5 Millionen exportiert. In diesen Ziffern liegt der Schlüssel zur Verteilung der „Sympathie" in Amerika.

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