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Leo Trotzki 19171212 Kampf für den Frieden

Leo Trotzki: Kampf für den Frieden

Zu den Friedensverhandlungen

[„Iswestija" Nr. 240, 30. November/13. Dezember 1917. Eigene Übersetzung nach Л. Троцкий. Сочинения. Том 3, часть 2. Москва-Ленинград, 1925]

Nach einer einwöchigen Pause ging die russische Delegation erneut nach Brest-Litowsk, um die Verhandlungen über einen Waffenstillstand fortzusetzen. Wenn der Waffenstillstand unterzeichnet wird, ist die russische Delegation befugt, Friedensverhandlungen zu beginnen.

Der Waffenstillstand erhält derzeit einen separaten Charakter, da er auf unserer Seite nur für die Armeen Russlands und Rumäniens besteht. Die Verantwortung für den separaten Charakter des Waffenstillstandes fällt ausschließlich auf die Regierungen, die sich geweigert haben, ihre Waffenstillstands- und Friedensbedingungen zu präsentieren, die weiterhin vor den eigenen und fremden Völkern die Ziele verbergen, in deren Namen der Krieg weitergehen muss.

Keine gewaltsamen Annexionen! Das Schicksal der Völker, ihrer Wirtschaften, ihrer Staaten, ihrer Kulturen soll nicht durch die Kraft der Bajonette gelöst werden. Nur der freie Wille des Volkes selbst darf ihre Zugehörigkeit zu diesem oder jenem Staatsganzen oder ihre staatliche Unabhängigkeit bestimmen. Alle Völker, die sich unterdrückt fühlen oder betrachten, müssen sich durch Referenden frei über ihr zukünftiges Schicksal äußern können. Flüchtlinge müssen für ein Referendum zurückkehren, ausländische Truppen entfernt werden. Dieses Prinzip erstreckt sich auf die Gebiete aller kriegführenden Länder, auf die Metropole ebenso wie auf die Kolonien.

Gebiete, die von den Kriegsschrecken besonders betroffen sind, müssen aus einem internationalen Fonds bedacht werden, der durch die Besteuerung der Kapitalistenklassen aller kriegführenden Länder gebildet wird, denn die Kapitalistenklassen sind für diesen Krieg gänzlich verantwortlich.

Das sind die Prinzipien, die der Rat der Volkskommissare den Friedensverhandlungen zugrunde legt. Diese Prinzipien einer ehrlichen demokratischen Völkerfriedens können nur dann mit der nötigen Vollständigkeit durchgeführt werden, wenn die arbeitenden Massen aller Länder entschlossen und mutig gegen ihre Imperialisten und Annexionisten kämpfen.

Ein separater Waffenstillstand ist noch kein Separatfrieden. Er bedeutet aber die Gefahr eines Separatfriedens. Dieser Gefahr vorbeugen können nur die Völker selbst.

Die Arbeiterklasse der mit Russland alliierten Länder ist nun aufgefordert, ihre ganze Kraft in die Waagschale zu werfen, um die Teilnahme der Vertreter Frankreichs, Italiens, Großbritanniens und aller anderen alliierten Länder an den Friedensverhandlungen zu gewährleisten.

Eine ebenso hohe Aufgabe des Proletariats Deutschlands, Österreich-Ungarns, Bulgariens und der Türkei ist die Schaffung solcher Bedingungen, die die Anerkennung der Anfänge von demokratischen Friedensverhandlungen durch die Vertreter dieser Länder wirklich und nicht nur in Worten gewährleisten.

Bei diesen beginnenden Verhandlungen hält sich der Rat der Volkskommissare für nicht an die alten Verträge gebunden, in denen die räuberischen Bestrebungen der kapitalistischen Klassen festgelegt sind. Jetzt ist die Stunde gekommen, wo die Völker selbst einen Vertrag unterschreiben müssen, der auf allgemeiner Zusammenarbeit und wechselseitigem Respekt beruht. Für die sozialistischen Parteien ist die Stunde gekommen, um den großen Ruf mit Leben zu füllen, der vor 70 Jahren verkündet wurde:

Proletarier aller Länder, vereinigt euch!

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