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Leo Trotzki 19171126 Zwei Dokumente

Leo Trotzki: Zwei Dokumente

[„Iswestija" Nr. 225, 14. November 1917 (Ohne Unterschrift gedruckt). Eigene Übersetzung nach Л. Троцкий. Сочинения. Том 3, часть 2. Москва-Ленинград, 1925]

I

General Schtscherbatschew telegrafierte an General Duchonin:

Der Chef der französischen Militärmission, General Berthelot, übergab mir folgende schriftliche Erklärung:

,Herr General! Ich habe die Ehre, Sie auf das Telegramm aufmerksam zu machen, das ich vom Vorsitzenden des Ministerrates und vom Kriegsminister erhalten habe: »Die Meldung des russischen Hauptquartiers vom 21. November neuen Stils sagt nichts über die Lage an der Front und leitet stattdessen den Befehl des Rat der Volkskommissare weiter, der dem Höchsten Oberbefehlshaber empfiehlt, Verhandlungen mit den Militärbehörden des Feindes über die sofortige Aussetzung feindlicher Aktionen und über Friedensgespräche zu beginnen.

Ich bitte Sie, dem Höchsten Russischen Kommando, bei welchem Sie sind, kundzutun, dass Frankreich die Macht des Rates der Volkskommissare nicht anerkennt und, überzeugt vom Patriotismus des Höchsten Russischen Kommandos, sich darauf verlässt, dass letzteres entschlossen alle kriminellen Verhandlungen ablehnen wird und die russische Armee an der Front im Angesicht des gemeinsamen Feindes halten wird.

Überdies hat Frankreich, das sich mit Russland durch frühere militärische Vereinbarungen verbunden sieht, bereits erklärt und erklärt erneut ausdrücklich, dass es in Russland keine Macht anerkennt, die in der Lage wäre, eine Vereinbarung mit dem Feinde abzuschließen.«

Empfangen Sie, Herr General, die Versicherung meiner Hochachtung und Hingabe.

Berthelot.'

Iasi, 12. November 1917, Nr. 01445.

Schtscherbatschew“.

II.

12./25. November 1917. An Herrn Generalstabschef. Petrograd.

Eure Exzellenz.

Ich wurde auf den folgenden Pressebericht aus den Vereinigten Staaten von Nordamerika hingewiesen:

,Die amerikanische Regierung hat erklärt, dass keine Versendung von Militärgütern oder Nahrungsmitteln an Russland erfolgen wird, bis die Lage in diesem Land geklärt ist.

Die Regierung will vor der Erlaubnis, amerikanische Güter zu schicken, wissen, in wessen Händen sie in Russland kommen werden. Der Export nach Russland wird erst nach der Bildung einer festen Macht, die von den Vereinigten Staaten anerkannt werden kann, wieder aufgenommen. Aber wenn die Bolschewiki weiterhin im Besitz der Macht sind und ihr Programm des Friedensschlusses mit Deutschland durchführen, wird das gegenwärtige Ausfuhrverbot nach Russland in Kraft bleiben. Kredite an die Provisorische Regierung Russlands belaufen sich zur jetzigen Zeit auf 325 Millionen Dollar, von denen bereits 191 Millionen zugewiesen wurden, wobei der Großteil dieses Betrags für den Kauf von Lieferungen ausgegeben wurde, die bereits versandbereit sind. Die Schiffe, die von Amerika für die Beförderung dieser Fracht bestimmt sind, sind bereits abfahrtbereit, aber sie erhalten nicht die Erlaubnis, die Häfen zu verlassen, und ihnen wird die Kohle verweigert.'

Es scheint mir recht und billig zu sein, Eure Exzellenz zu informieren, dass weder ich noch der amerikanische Botschafter aus den Vereinigten Staaten von Nordamerika Anweisungen oder Informationen ähnlich der obigen Nachricht erhalten haben. Trotzdem verlangt die Billigkeit, Ihrer Exzellenz die Meinung zu übermitteln, dass dieser Pressebeitrag den Standpunkt der Regierung der nordamerikanischen Vereinigten Staaten korrekt zum Ausdruck bringt. Wir erwarten täglich Informationen, ähnlich der obigen Nachricht.

Bevor ich Ihnen diese Nachricht übermittelte, habe ich sie dem amerikanischen Botschafter vorgelegt, der mit ihrem Inhalt völlig einverstanden ist.

Ich nehme diese Gelegenheit wahr, Eurer Exzellenz meinen tiefen Respekt für Sie zu vermitteln.

Brigadegeneral der Armee Vereinigten Staaten von Nordamerika, amerikanischer Militärattaché, Leiter der amerikanischen Militärmission in Russland.“

Diese beiden Dokumente sind sehr beredt. Laut General Berthelot erkennt der französische Ministerpräsident Clemenceauin Russland keine Macht an […], die in der Lage wäre, eine Vereinbarung mit dem Feinde abzuschließen". Müssen wir das in dem Sinne verstehen, dass die französische Regierung die Idee eines Abkommens mit den Deutschen überhaupt nicht akzeptiert, also einen Krieg „bis zum Ende" im Blick hat, d.h. bis Deutschland sich vollständig dem Willen der Alliierten unterwirft? Das ist wirklich das „Programm" von Herrn Clemenceau – zumindest war es so, als Herr Clemenceau in der Opposition war. Bildet sich Herr Clemenceau ein, dass er dieses Programm dem russischen Volk aufzwingen kann?

Es stimmt, das französische Regierungsorgan – Temps – versucht, eine Grenzlinie zwischen dem russischen Volk, dem das Börsenorgan seine verdächtigen Sympathien versichert, und der Sowjetmacht zu ziehen, an deren Adresse der Offiziosus seine üppigen Vorrat an Lügen und Verleumdung verwendet. Wir fürchten jedoch, dass die Geschichte die subtile Strategie des Organs des Herrn Clemenceau nicht schätzen wird und dass russische Soldaten, Arbeiter und Bauern nicht genug Lust haben werden, den Krieg fortzusetzen, bis Deutschland vollständig besiegt ist – schon deshalb, weil auf dem Weg zu diesem Ziel die völlige Zerstörung Russlands liegt.

Die zweideutige Nachricht des amerikanischen Generals, der die Zeitungsnachricht dementiert und bestätigt, dass die Vereinigten Staaten uns eine Art Boykott erklärt haben, folgt demselben Wege wie das Telegramm von General Berthelot. Die nordamerikanische Plutokratie ist gewillt, wie sie es bisher war, Lokomotiven nur im Austausch gegen die Köpfe russischer Soldaten zu schicken. Wir halten dieses Äquivalent für zu hoch, meine Herren Diplomaten. Dies ist die Bedeutung der Revolution vom 25. Oktober. Das russische Volk ist an der Aufrechterhaltung freundschaftlicher wirtschaftlicher und politischer Beziehungen mit seinen jetzigen Verbündeten interessiert. Aber es ist nicht bereit, für diese Beziehungen zu bezahlen mit der Verpflichtung, sein Blut zu vergießen, solange es Herrn Clemenceau oder New Yorker Königen der Militärindustrie gefällt.

In der Politik muss man mit Fakten rechnen – seien sie angenehm oder unangenehm. Von dieser Regel sind die alliierten Regierungen nicht befreit. In Russland gibt es eine Volksmacht, die vom Allrussischen Kongress der Sowjets der Arbeiter- und Soldatendeputierten errichtet wurde. Diese Macht muss Herr Clemenceau überhaupt nicht anerkennen, damit sie das bevollmächtigte Organ der russischen Soldaten, Arbeiter und Bauern ist. Der Rat der Volkskommissare führt das Land zum Frieden. Wollen Regierungen heute diesen Frieden allgemein machen? Wollen sie einen sofortigen Meinungsaustausch zu diesem Thema beginnen? Ja oder Nein? Dies ist die einzige Frage, die die Völker aller kriegführenden Länder jetzt interessiert. Die Drohung durch die alliierte Diplomatie kann die Richtung unserer Politik nicht ändern. Wir zweifeln nicht für einen Moment, dass diese unwürdigen Drohungen von den alliierten Völkern selbst abgelehnt werden.

Wir gehen zum Frieden, und wir werden zu ihm kommen – durch alle Hindernisse hindurch.

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