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Leo Trotzki 19180328 Arbeit, Disziplin und Ordnung werden die sozialistische Sowjet-Republik retten

Leo Trotzki: Arbeit, Disziplin und Ordnung werden die sozialistische Sowjet-Republik retten.

Rede Leo Trotzkis auf der Städte-Konferenz der Russ. Komm. Partei in Moskau, 28. März 1918.

[Nach New Yorker Volkszeitung, 7., 13. und 22. November 1919, jeweils S. 5]

I.

Genossen! Die Konferenz versammelt sich in einem Augenblick eines tiefen inneren Bruches in unserer an Umbrüchen so reichen Epoche und nicht in solch einem Augenblick, wo die Stimmung eine gehobene und eine Kampfesstimmung wäre. Zweifellos erleben wir eine Periode einer inneren Stockung, großer Schwierigkeiten und einer inneren Kritik, die – wollen wir hoffen – zur inneren Reinigung und neuen Hebung der revolutionären Bewegung führen wird.

Wir leiten unseren Stammbaum, als Macht, von der Oktober-Revolution ab, von der mancher von denen, die sich in den uns nahe stehenden Reihen aufhielten, oder parallel mit uns gingen, jetzt an scheinend geneigt ist, sich loszusagen. Und jetzt wird die Oktober- Revolution von vielen Weisen etwa als ein Abenteuer oder ein Irrtum betrachtet.

Wir Kommunisten können die Frage über die Oktober-Revolution unter diesem subjektiven Gesichtspunkte nicht betrachten. Im Laufe einer Reihe von Jahren, die der Revolution von 1917 vorangingen, haben wir nicht nur die Unvermeidlichkeit der neuen Revolution vorausgesagt, sondern wir haben behauptet, haben theoretisch vorausgesagt, dass wenn diese Revolution zur siegreichen Vollendung kommen wird, sie unvermeidlich die Arbeiterklasse, gestützt auf alle ärmsten Klassen der Bevölkerung, an die Macht stellen wird. Dies nannte man eine Utopie. Jetzt nennt man unsere sozialistische Perspektive, unser kommunistisches Programm eine Utopie. Aber es ist eine Tatsache, dass die Diktatur der Arbeiterklasse, die wir vorausgesagt haben, sich verwirklicht hat, und dass alle jene „Nüchternen", die in dieser Voraussagung eine Utopie sahen, sowie unsere subjektiven Wunsche durch die Entwicklung des Klassenkampfes in unserer Revolution weggefegt wurden.

Die Februar-Revolution offenbarte das Grundverhältnis der Kräfte: erstens die Gemeinschaft aller besitzenden und begüterten Klassen, eine Gemeinschaft, an deren Spitze die Kadettenpartei stand, in deren Schoße sich alle Widersprüche und alle Gegensätze unter den besitzenden Klassen aufgelöst hatten, – nämlich darum, weil die Revolution die Kernfrage über den Besitz als solchen auf die Spitze getrieben und dadurch die Gegensätze innerhalb der besitzenden Klassen beseitigt hatte.

Die Verständigungsgruppen stellten das zweite große Lager der Revolution dar. – politisch ein bedeutend größeres. als es ihren wirklichen sozialen Kräften entsprach (aus Ursachen, über die ich sofortig einige Worte sagen will), und das dritte Lager war das Lager der Arbeiterklasse. an deren Spitze unsere Partei stand, und der arbeitenden Massen, die mit der Arbeiterklasse verbunden sind.

Ich sagte, dass das Verständigungslager, das auf die erste Epoche der Revolution sein schicksalsschweres Siegel aufgedrückt hat, anderen und sich selbst unvergleichlich mächtiger erschien, als es der sozialen Natur jener Schicht, aus der es sich rekrutierte, tatsächlich entsprach. Ich spreche von jenen bürgerlichen und kleinbürgerlichen geistigen Kreisen, aus denen diese Parteien nicht nur ihre Führer, sondern auch ihre Kampfkader. rekrutierten.

Wodurch aber erklärt sich die Tatsache, dass in der ersten Epoche der Revolution die Parteien der Sozial-Revolutionäre und der „Menschewiki" eine führende Rolle spielten, dadurch den Zerfall verstärkten und damit dem ganzen weiteren Entwicklungsprozess einen äußerst scharfen und krankhaften Charakter verliehen? Dies erklärt sich dadurch, dass unsere Revolution aus dem Kriege erwachsen ist. der Krieg aber mobilisierte und organisierte die am meisten rückständigen verlumpten Volksmassen aus der Bauernschaft, verlieh ihnen eine militärische Organisation und zwang auf diese Weise, in der ersten Epoche der Revolution eine direkte unmittelbare Einwirkung auf den Gang der politischen Ereignisse auszuüben, ehe diese Massen unter Leitung des Proletariats wenigstens eine elementare politische Schule durchgemacht haben

Regimenter. Divisionen. Korps wählten ihre Deputierten in die Sowjets der Arbeiter- und Soldatendeputierten auf gleiche Weise, wie die Arbeiterklasse. Aber die Arbeiterklasse wählte ihre Deputierten, indem sie von ihren natürlichen Arbeitsstätten den Fabriken und den Werken ausgingen. Die Bauern jedoch wählten keine Bauerndeputierten, sondern sie wählten Regiments-, Kompanie- und andere Deputierte, weil sie durch die Staatsmaschine in Zwangsorganisationen der Armee eingeschlossen waren.

In dieser Weise waren sie zu dem unmittelbaren meist aktives Einflusse auf den Gang der politischen Ereignisse herangezogen, ehe – ich wiederhole die politische Schule unter Anleitung der Arbeiterklasse ihnen die dazu notwendigen inneren Anregungen und das notwendige Minimum an politischen Ideen gegeben hatte. Es war natürlich, wenn diese Bauernmasse Vertreter und Führer nicht unter sich, sondern außerhalb suchte, sie in der Mitte der kleinbürgerlichen Intellektuellen, in Freiwilligen, in jungen mehr oder weniger revolutionären Offizieren, mit einem Worte, in den Söhnen der Bourgeoisie fand, die vor der Soldaten- , Bauernmasse gewisse formale Vorzüge durch die Fähigkeit voraus hatten, ihre Gedanken mehr oder weniger artikuliert auszudrücken, und dadurch, dass sie des Lesens und Schreibens kundig waren, und dergleichen. Aus diesem Grunde vermehrten sich in der ersten Epoche die Kader der Verständigungsparteien der Sozial-Revolutionäre und der „Menschewiki". Sie stützten sich auf die viele Millionen zählende Bauernarmee. Und insofern die Arbeiterklasse instinktiv bestrebt war, sich von den schweren Bauernreserven nicht loszureißen, zeigte sich selbst eine gewisse Neigung zur Verständigung, weil die Verständigung für sie die Brücke war, die sie mit den Bauern- und Soldatenmassen verband. Da ist die Ursache, kraft deren die Sozial-Revolutionäre und die „Menschewiki" in der ersten Epoche der Revolution das Siegel eines allbestimmten Einflusses auf die Entwicklung der Revolution drückten! Ihren Einfluss jedoch äußerten sie lediglich darin, dass sie zur Lösung keiner einzigen Anforderung schritten, alle Fragen verschleppten und bremsten, alle Schwierigkeiten vermehrten und jener Erbschaft den Charakter einer schrecklichen historischen Last verliehen, die uns im Oktober zufiel.

Als durch die innere Logik des Klassenkampfes unsere Partei, die an der Spitze des Proletariats steht, zur Macht gelangte, wurde das dritte Lager, das Lager der Arbeiterklasse, die ihrer ganzen Natur nach als einzig fähig erscheint, die Grundaufgaben der Revolution zu lösen, zur Prüfung berufen.

Im politischen Sinne und im unmittelbaren Kampfessinne ist die Oktober Revolution mit unerwarteter und mit nichts zu vergleichender Sieghaftigkeit verlaufen. In der Geschichte gab es noch keine Beispiele solch einer mächtigen Offensive einer unterdrückten Klasse, die mit solcher Planmäßigkeit und Schnelligkeit die Herrschaft der besitzenden und regierenden Klassen, in allen Teilen des Landes abgeschüttelt hätte, indem sie von Petrograd und Moskau aus die Herrschaft der Arbeiterklasse in alle Ecken und Enden von Russland verbreitet hat.

Diese Sieghaftigkeit des Oktober-Aufstandes zeigte die politische Schwache der bürgerlichen Klassen, die in den Besonderheiten der Entwicklung des russischen Kapitalismus wurzelt.

Indem sich der russische Kapitalismus unter den Verhältnissen einer völligen Auflösung der kleinen und mittleren Industrie und der alten kapitalistischen Ideologie in Westeuropa bildete, trat in der konzentriertesten Form auf und entwickelte zweifellos eine große wirtschaftliche Macht und damit auch die innere Fähigkeit eines Überganges zu vollendeteren Wirtschaftsformen, das heißt, er schuf den Boden für die Nationalisierung der Unternehmungen. Aber gleichzeitig damit verwandelten diese Verhältnisse die Vertreter des russischen handelsindustriellen und Finanzkapitals in eine kleine privilegierte Klasse, klein an Zahl und losgerissen von den beiden Volksmassen. ohne ideologische Wurzeln im Volke, in seinen Tiefen, ohne eine politische Armee.

Daher die Geringfügigkeit des politischen Widerstandes, den unsere Bourgeoisie uns im Oktober, November und in den folgenden Monaten entgegenzustellen fähig war, als an einzelnen Orten des Landes die Aufstände von allerhand Kaledins, Kornilows, Dutows oder der Aufstand der ukrainischen Rada entstanden. Wenn die ukrainische Rada gesiegt hat oder gegenwärtig über die Sowjet-Macht in der Ukraine siegt, so geschieht es ausschließlich mit Hilfe der mächtigen Maschine des deutschen Militarismus. Wie in den fortgeschrittenen, so auch in den zurückgebliebenen am wenigsten industriellen Teilen des Landes, überall, weit und breit erwiesen sich unsere besitzenden Klassen machtlos, mit eigenen Mitteln die militärisch-revolutionäre Offensive des Proletariats, das für die Eroberung der Staatsgewalt kämpfte, aufzuhalten. Dies weist vor allem darauf hin, Genossen, dass, wenn durch Macht und Willen des historischen Schicksals – was ich nicht denke und was ihr auch nicht denkt – wir durch den Willen des Schicksals von der Macht weg geschleudert werden würden, dies nur eine Episode wäre, nur für eine sehr kurze Spanne Zeit, denn die Entwicklung würde auf derselben Grundlinie, auf der sie bis jetzt verlaufen ist, weiter schreiten. Der tiefe soziale Abgrund zwischen den bürgerlichen Oberschichten und den arbeitenden Klassen und die innige Zusammenschweißung alter enterbten Massen mit dem Proletariat sprechen dafür und bürgen dafür.

Sollte das Proletariat auch zeitweilig von der Macht weg geschleudert werden, würde es dennoch der Führer der ungeheuren Mehrheit der arbeitenden Massen des Landes verbleiben, und die nächste neue Welle würde es unvermeidlich zur Macht bringen. Daraus müssen wir die tiefste innere Überzeugung bei unserer ganzen politischen Arbeit schöpfen. Nach der ganzen sozialen Struktur Russlands und nach der internationalen Umgebung, in der wir leben, sind wir im vollen Sinne des Wortes unbesiegbar, trotz aller Schwierigkeiten und sogar trotz unserer eigenen Mängel, Fehler und Irrtümer, über die ich noch sprechen werde.

Der militärische Widerstand der Bourgeoisie wurde in kürzester Frist gebrochen. Sie wählte dann einen anderen Mechanismus des Widerstandes in Form von Sabotage des Beamten- und des technischen Personals, aller qualifizierten und halb qualifizierten intellektuellen Kräfte, die in der bürgerlichen Gesellschaft als natürlicher Mechanismus der technischen Leitung und gleichzeitig der Klassenherrschaft und Klassenregierung dienen.

Alle diese Elemente bäumten sich auf nach der Eroberung der Macht durch die Arbeiterklasse. Theoretisch musste und konnte dies für uns alle nicht unerwartet kommen. Aus Anlass der Pariser Kommune schrieb Marx, dass die Arbeiterklasse, indem sie zur Macht kommt, sich des alten Staats-Apparates mechanisch nicht bemächtigen kann, sie muss ihn gänzlich umbauen. Und diese Tatsache der Unmöglichkeit für die Arbeiterklasse, sich einfach der alten Maschine bedienen, äußerte sich in zweierlei Formen: in dem Misstrauen der Arbeitermassen und der Sowjets zu den alten Beamten und in dem Hasse der alten Beamtenschaft gegen den neuen Herrn, die Arbeiterklasse. Daher die Sabotage, das Deserteurtum. die Desorganisierung aller Regierung und vieler öffentlicher und Privat-Institutionen durch das sie leitende technische und administrative Personal.

Diese Sabotage, soweit sie kein einfaches Produkt der Panik der intellektuellen Elemente vor der schweren Hand der Arbeiterklasse war. die die politische Gewalt in ihre Hände genommen hatte, und soweit sie ein politisches Ziel verfolgte, lief auf die künftige konstituierende Versammlung hinaus, als auf ihr natürliches Ziel, als auf eine neue Brücke zu den die Gewalt Besitzenden.

Wenn der russischen Bourgeoisie den russischen besitzenden Klassen, überhaupt, ihrer Natur und ihren politischen Interessen nach, als politisches Ideal eine beschränkte auf Zensus-Elementen beruhende Monarchie entsprach, so entspricht den intellektuellen Elementen, an deren Spitze die Verständigungsparteien stehen, ihren Interessen und ihren Begriffen am meisten die konstituierende Versammlung, die den kleinbürgerlichen Intellektuellen eine unproportional große Rolle zuteilt, weil sie dank ihrer keck baumelnden Zunge in einem Parlament im Namen all der dumpfesten und rückständigsten Massen, die noch der Sprache ermangeln, auftritt, und weil sie, in der Mitte zwischen den besitzenden Klassen und den arbeitenden Massen stehend, ihre Rolle des einigenden Elements, des Maklers und des Vermittlers spielen würde. Und die konstituierende Versammlung wäre, ihrem Gedanken nach, eine große Einigungskammer, eine große Verständigungsinstitution der russischen Revolution.

Die Sowjets, d.h. die in Sowjets organisierte Arbeiterklasse, haben die konstituierende Versammlung verworfen, indem sie erklärten, dass in einer Epoche des direkten und unmittelbaren Zusammenstoßes der Klassenkräfte offen und fest nur diese oder jene Klasse regieren kann, dass in diesem Momente entweder die Diktatur des Kapitals und des Landbesitzes oder die Diktatur der Arbeiterklasse sein kann.

Indem sie die konstituierende Versammlung aufhoben, brachen die Sowjets der Sabotage der Intellektuellen das Rückgrat. Der Wider stand all dieser technischen, administrativen und Beamtenelemente war überwunden. Der direkte offene Bürgerkrieg, wie auch der Kampf gegen die Sabotage, dies alles lenkte bis zu einem gewissen Grade unsere Aufmerksamkeit ab von den organischen, wirtschaftlichen und administrativen Grundaufgaben. Andererseits war es natürlich, dass in uns sich die Überzeugung bildete, dass nun, nachdem wir die Kaledins und Kornilows überwunden, die Macht endgültig in unsere Hände genommen und die Sabotage gebrochen haben, wir endlich zur wirklichen echten schöpferischen Arbeit schreiten werden.

II.

Nachdem der militärische Widerstand der Bourgeoisie, der Kornilows und Kaledins im offenen Kampfe niedergeschlagen war (nicht dank unserer militärischen Technik, die auf tiefstem Niveau stand, sondern weil die Bourgeoisie keine verlässlichen Kader hatte), und nachdem die Sabotage des administrativ-technischen Personals überwunden, wenigstens im Prinzip überwunden war und es möglich wurde, diese geistigen Kräfte in die Arbeit einzuspannen – nach alledem standen wir zum ersten Male Angesicht zu Angesicht allen den ungeheuren Aufgaben, Schwierigkeiten und Hindernissen gegenüber, die wir als Erbe von der Vergangenheit erhalten haben.

Es war natürlich, dass der Bürgerkrieg und die Methoden, mit deren Hilfe wir die Beamtensabotage in allen Institutionen überwanden, selbst an sich unmittelbar die Zerrüttung, die wir von dem Kriege und der ersten Revolutionsepoche geerbt haben, verstärkten. Wir sahen dies selbst und gaben uns darüber klare Rechenschaft. Aber das hielt uns nicht zurück, denn wir wussten, wir waren davon tief überzeugt – diese Überzeugung haben wir aus unserer ganzen Analyse der historischen Ereignisse in Russland geschöpft – wir wussten, dass wir nur einen einzigen Ausweg auf die große Straße der historischen Entwicklung haben, und dieser Ausweg führt nur durch die Diktatur der Arbeiterklasse. Wir wussten. dass. wenn auf dem Wege dieser Diktatur Hindernisse sind, sie weggefegt werden müssen. Wenn diese Wegfegung der Hindernisse zeitweilig die Zerrüttung verstärkt, so muss dies alles durch die Politik der, wirtschaftlichen Schaffens, die die Arbeiterklasse, nachdem sie die Macht ergriff, entfalten muss, hundertfach belohnt werden.

Jetzt, Genossen, nachdem wir die politischen Hindernisse überwunden haben, stehen wir dicht vor allen diesen Organisationsschwierigkeiten. Die Geschichte stellt vor euch, vor die Arbeiterklasse, vor ihren Vertretern an die Spitze die Frage: Könnt ihr mit allen Schwierigkeiten, die die vergangenen Jahrzehnte und Jahrhunderte für euch angesammelt haben, indem sie dieselben hie und da zu gordischen Knoten gebunden, hie und da aber sie als völlig formlose allrussische Zerrüttung euch vorgelegt haben, fertig werden? Werdet ihr, werden wir mit diesen Aufgaben fertig? Mit anderen Worten, wird die Arbeiterklasse, geleitet von der kommunistischen Partei, in Stunden der größten Prüfung, die je in der ganzen Geschichte der Arbeiter klasse auferlegt wurde, auf der historischen Höhe sein?

Die Schwierigkeiten, die vor uns stehen, können in zwei große Kategorien geteilt werden: in Schwierigkeiten objektiven Charakters und in Schwierigkeiten subjektiven Charakters ruhen in äußeren Verhältnissen. Sie bestehen in der Tatsache selbst der allgemeinen Zerrüttung, darin, dass die Verkehrswege zerrüttet sind, darin, dass unsere Wagen verbraucht sind und aus dem Leim gehen, darin, dass wir einen ungeheuren Prozentsatz erkrankter Lokomotiven haben, darin, dass die gesunden Lokomotiven sich auf den Schienen nicht so bewegen, wie es sich gehört (der Krieg hat alles aus dem Gleise gebracht), darin, dass unsere Fabriken und Betriebe desorganisiert sind, zuerst infolge der Mobilmachung, dann infolge der teilweisen und äußerst unvollkommenen Remobilisierung. darin, dass wir die größten Verpflegungsschwierigkeiten haben, teilweise, weil wir überhaupt verarmt sind, teilweise, weil bei uns eine Zerrüttung aller Mittel und Wege der Buchung und der Kontrolle, aller Transportmittel und Wege herrscht.

Das sind die in ihrer Bedeutung kolossalen Schwierigkeiten, die vor uns stehen, die wir zu überwinden haben und die wir überwinden müssen. Wenn wir mit ihnen nicht fertig werden, ist der Untergang des Landes in der nächsten Epoche zweifellos, denn uns kann niemand ersetzen.

Wenn wir (nach den Worten von Marx) als Arbeiterklasse uns einfach mechanisch des alten Apparates der Staatsgewalt nicht bemächtigen können, so bedeutet das keineswegs dass wir ohne alle Elemente, die den Bestand des alten Apparates der Staatsgewalt ausmachten, auskommen können. Das Unglück der Arbeiterklasse liegt darin, dass sie stets in der einer unterdrückten Klasse war. Das spiegelte sich in allem wieder: so wohl in dem Niveau ihrer Bildung, wie darin, dass sie die Übung und Gewohnheit in der Verwaltung nicht hat, die die herrschende Klasse besitzt und durch ihre Schulen, Universitäten und dergleichen weiter vererbt. Nichts von dem hat die Arbeiterklasse, dies alles muss sie sich erwerben.

Nachdem sie zur Macht gekommen ist, muss sie den alten Staats-Apparat der Klassenunterdrückung betrachten. Aber sie muss gleichzeitig aus diesem Apparate alle wertvollen qualifizierten Elemente, für sie technisch notwendig sind, herausholen, sie an die richtige Stelle setzen und durch diese Elemente ihre proletarische Klassenmacht erhöhen. Dies, Genossen, ist die Aufgabe, die jetzt vor uns in ihrer ganzen Größe steht.

Die erste Epoche des Kampfes gegen die Sabotage bestand darin, dass wir die Organisationen der Saboteure erbarmungslos zerstörten. Das war notwendig und darum richtig.

Jetzt, in der Periode, wo die Macht der Sowjets gesichert ist, muss der Kampf gegen die Sabotage sich darin äußern, die gestrigen Saboteure in Diener, überall dort in Vollstrecker und technische Leiter zu verwandeln, wo es das neue Regime erfordert. Wenn wir damit nicht fertig werden, wenn wir alle die Kräfte, die wir benötigen, nicht heranziehen und sie nicht in den Sowjet-Dienst stellen würden, so würde dadurch unser gestriger Kampf gegen die Sabotage, der militärisch-revolutionäre Kampf, als ein völlig unnützer und fruchtloser gerichtet sein.

Wie in die toten Maschinen, so ist auch in diese Techniker, Ingenieure, Ärzte, Lehrer, gestrigen gewesenen Offiziere, in sie alle ein gewisses Kapital von unserem nationalen Volks vermögen hineingesteckt, das wir zu exploitieren, auszunutzen verpflichtet sind, wenn wir die Grundfragen, die vor uns stehen, überhaupt lösen wollen.

Die Demokratisierung besteht gar nicht darin (dies ist das Abc für jeden Marxisten), die Bedeutung der qualifizierten Kräfte, die Bedeutung von Personen, die Fachkenntnisse besitzen, abzuschaffen, sondern darin. sie überall und stets durch gewählte Kollegien zu ersetzen.

Die gewählten Kollegien, die aus den besten Vertretern der Arbeiter klasse bestehen, aber die nötigen technischen Kenntnisse nicht besitzen, können nicht einen einzigen Techniker, der eine Fachschule durchgemacht hat, und der weiß, wie man die gegebene Spezialsache machen muss, ersetzen. Die Überschwemmung an Kameradschaftlichkeit, die bei uns auf allen Gebieten zu beobachten ist, erscheint als die völlig natürliche Reaktion einer jungen revolutionären, gestern noch unterdrückten Klasse, die die einzelpersönliche Initiative der gestrigen Gebieter, Herren und Kommandeure beseitigt und überall ihre gewählten Vertreter hinstellt. Dies ist, sage ich, eine völlig natürliche und in ihren Quellen eine völlig gesunde revolutionäre Reaktion. Aber dies ist nicht das letzte Wort des wirtschaftlichen staatlichen Aufbaues der proletarischen Klasse.

Der weitere Schritt muss in der Selbstbeschränkung der kameradschaftlichen Initiative, in der gesunden und rettenden Selbstbeschränkung bestehen, die weiß, wo der gewählte Vertreter der Arbeiter ein entscheidendes Wort sagen kann, und wo es notwendig ist, dem Techniker, dem Spezialisten, der mit bestimmten Kenntnissen ausgerüstet ist, dem man eine größere Verantwortung auferlegen und der unter wachsame politische Kontrolle genommen werden muss, den Platz einzuräumen. Aber es ist notwendig, dem Fachmann die Möglichkeit einer freien Tätigkeit, eines freien Schaffens zu überlassen, weil kein einziger irgendwie fähiger, begabter Fachmann auf seinem Gebiete arbeiten kann, wenn er bei seiner Spezialarbeit einem Kollegium von Menschen, die dieses Gebiet nicht kennen, untergeordnet ist. Eine politische kollegiale Sowjet-Kontrolle soll überall und stets sein, aber für ausübende Funktionen ist es notwendig, Spezialisten und Techniker zu ernennen, sie auf verantwortliche Posten zu stellen und ihnen die Verantwortung aufzuerlegen.

Diejenigen, die davor Angst haben, zeigen unbewusst ein tiefes inneres Misstrauen zur Sowjet-Herrschaft. Diejenigen, die da denken, dass die Heranziehung der gestrigen Saboteure zur Leitung von technischen Spezialposten die eigenen Grundlagen des Sowjet-Regimes bedroht, geben sich einerseits keine Rechenschaft darüber, dass das Sowjet-Regime nicht über irgend einen Ingenieur, nicht über irgend einen gestrigen General stolpern kann, – im politischen, im revolutionären, im militärischen Sinne ist das Sowjet-Regiment unbesiegbar, aber es kann über seine eigene Unfähigkeit, mit den schöpferischen Organisationsaufgaben fertig zu werden, stolpern.

Das Herausholen alles dessen, was in den alten Institutionen lebensfähig und wertvoll war und dies in die neue Arbeit einzuspannen, ist für ihn notwendig.

Genossen, wenn wir dies nicht tun werden, so werden wir mit unseren Grundaufgaben nicht fertig, denn in kürzester Frist alle die nötigen Spezialisten aus unserem Innern herauszuholen, aus unserer Mitte zu stellen, nachdem wir alles, was in der Vergangenheit aufgespeichert war, weggeworfen haben, dies wäre unmöglich. Im Grunde genommen wäre es dasselbe, wie wenn wir sagen würden, dass wir nun alle die Maschinen, die bis jetzt der Ausbeutung der Arbeiter gedient haben, wegwerfen. Das wäre Wahnsinn. Die Heranziehung von gelehrten Fachleuten ist für uns ebenso notwendig wie auch die Übernahme aller Reichtümer des Landes zur Buchung. Wir müssen, und dies unverzüglich, die Techniker-Spezialisten, die wir haben, zur Buchung nehmen und für sie in der Tat eine Arbeitspflicht einführen, wobei ihnen gleichzeitig ein weites Betätigungsfeld eingeräumt wird. Wir müssen sie deshalb aber auch zu gleich unter wirksame politische Kontrolle nehmen.

Auf diesem Wege, Genossen, gibt es Schwierigkeiten, die in der Arbeiterklasse selbst liegen. Auch hier machen sich die vergangenen Jahrhunderte der russischen Geschichte bemerkbar, zeigen sich die Zeiten, als die Volksmassen zu Boden gedrückt, materiell und geistig beraubt und der notwendigsten Erfahrungen in der Verwaltung bar.

Wir wussten es auch früher, dass uns die nötige Organisation, die nötige Disziplin und die nötige historische Schule fehlen: wir wussten dies alles, und dies hinderte uns in keiner Weise, mit offenen Augen zu der Eroberung der Macht zu schreiten. Wir waren überzeugt, dass wir alles erlernen und alles einrichten werden.

Jetzt, nachdem wir die Macht in unsere Hände genommen haben, müssen wir, die Vertreter der Arbeiterklasse, uns vollkommen klar und ehrlich darüber Rechenschaft geben, welcher Art die inneren Versündigungen und Mängel sind, die die größten Gefahren für die Sache des sozialistischen Aufbaues vor stellen.

Sie haben, wie gesagt, ihre historische Erklärung, die auf der alten, rein bäuerlichen Lebensform beruht, als es noch keine erwachte freie selbständige menschliche Persönlichkeit gab, sondern eine kompakte Masse vorhanden war, die dahinlebte, zugrunde ging, starb, wie eine kompakte Heuschreckenmasse lebt und zugrunde geht. Die Revolution, die in dem Bedrücktesten die menschliche Persönlichkeit erweckte, hat ihm natürlicherweise in den ersten Zeiten dieses Erwachens einen äußeren, wenn Sie wollen, anarchistischen Charakter verliehen. Dieses Erwachen der elementarsten Instinkte der Persönlichkeit hat nicht selten einen grob-egoistischen oder, um einen philosophischen Ausdruck zu gebrauchen, einen „egozentrischen" Charakter. Gestern noch war er Nichts, ein Sklave des Zaren, des Adels, der Bürokratie, das Zubehör einer Maschine des Fabrikanten. In dem Bauernleben war er ein Fronarbeiter, ein Steuerzahler. Heute, von alledem befreit, fühlt er sich zum ersten Male als Persönlichkeit und beginnt zu glauben, dass er – alles, dass er – das Zentrum des Kosmos sei. Er ist bestrebt, alles, was er kann, für sich zu nehmen, er denkt nur an sich und ist nicht geneigt, mit dem allgemeinen Klassenstandpunkt zu rechnen. Daher die Überflutung solcher Art desorganisatorischer Stimmungen und individualistischer, anarchistischer und räuberischer Tendenzen, die wir besonders in den breiten Kreisen der deklassierten Elemente des Landes, in der Mitte der früheren Armee und dann unter gewissen Elementen der Arbeiterklasse beobachten.

Dies ist nichts anderes als eine Krankheit des Wachstums. Wir wären, Genossen, Blinde und Feiglinge, wenn wir darin irgendeine verhängnisvolle Gefahr, ein verderbliches Symptom erblicken würden. Nein, das ist es nicht, sondern es ist wie die Masern bei einem Kinde oder wie der Schmerz, wenn die Zähne durchbrechen, es ist die organische Krankheit des Wachstums der Klasse, die Qualen des Erwachens ihrer Klassenkräfte, ihres schöpferischen Dranges. Aber es ist dennoch eine Krankheit, und wir müssen uns bemühen, sie in der kürzesten Frist zu überwinden. Diese negativen Erscheinungen beobachtet man überall: in den großen Werken, in Fabriken. Werkstätten, in den gewerkschaftlichen Verbinden, bei den Eisenbahnen, in den Ministerien unter der neuen Beamtenschaft, überall und allerorts …

Wir haben die alte Sabotage zertrümmert und die Mehrheit der alten Beamten mit einem Besen hinaus gefegt. In allen Zweigen der Verwaltung erwiesen sich die Stellvertreter dieser alten Beamten bei weitem nicht immer als erstklassiges Material. Einerseits gingen auf die freigewordenen Posten unsere Parteigenossen, die die unterirdische Arbeit gemacht hatten, die die Revolutionsschule hinter sich hatten, die besten Elemente, die Kämpfer, die Ehrlichsten, Uneigennützigsten. Andererseits kamen Karrieremacher, Intriganten, gestrige verfehlte Existenzen, die unter dem alten, dem gestrigen Regime ohne Beschäftigung waren. Als sich die Heranziehung von Zehntausenden neuer qualifizierter Arbeiter mit einem Male als notwendig erwies, da war es kein Wunder, wenn es vielen Marodeuren in die Poren des neuen Regimes einzudringen gelang.

Man muss dazu noch sagen, dass viele von den Genossen, die in verschiedene Ämtern und Institutionen arbeiten, sich bei weitem noch immer nicht einer organischen, schöpferischen nachdrücklichen Arbeit fähig zeigten. Wir bemerken auf Schritt und Tritt solche Genossen, besonders aus den Reihen der Oktober-Bolschewiki, in den Ministerien, die dort 4–5 Stunden arbeiten und auch nicht sehr intensiv in einer Zeit, wo unsere ganze Lage jetzt von uns die angestrengteste Arbeit nicht aus Furcht, sondern aus Gewissenspflicht verlangt.

Viele, wenn auch ehrliche Menschen mit schwachem Willen geben sich leicht der Suggestion hin, dass jetzt, in dem Schwächezustand des Landes, wo alles gelockert und aus den Fugen ist, es sich nicht lohnt, eine Energie zu entfalten, denn dies wird in der allgemeinen Ökonomie des Staatslebens sowieso nicht verrechnet werden, wozu – so sagt man sich – soll ich mich allein in diesem Chaos abschuften? Und hier, Genossen, entsteht vor den Vertretern unserer Partei, die in diesem Saale ihre städtische Konferenz versammelt hat, vor Ihnen, diesen Vertretern, eine völlig neue Aufgabe. Wenn wir in den Revolutionskämpfen die Ersten waren, wie wir schon vorher die Ersten im unterirdischen Wirken waren und nachher im Kampfe die Position der uns feindlichen Klasse erstürmten, so müssen wir jetzt auf allen Posten, die wir einnehmen – vergessen Sie nicht, wir sind jetzt die herrschende Klasse – ein Maximum an Gewissenhaftigkeit. Pflichterfüllung, Schaffensfreude, mit einem Worte jener Eigenschaften, die die Klasse echter Baumeister eines neuen Lebens charakterisieren, entfalten. Und es ist für uns notwendig, innerhalb unserer Partei eine neue Moral oder richtiger gesagt, eine solche Moral zu bilden, die als die Entwicklung unserer gestrigen erscheinen soll. Wenn gestern der am meisten geschätzt wurde, der in illegalen Wohnungen mit der größten Hingebung zu leben fähig war, indem er sich von jedem persönlichen Interesse und Gefühl lossagte, der im beliebigen Augenblick sein Leben zu opfern fähig war, so müssen heute dieselben Grundeigenschaften des russischen Revolutionärs, auf die wir stolz waren, eine neue Verwendung auf allen Posten finden, wie prosaisch sie auch nach ihrem Äußern uns erscheinen mögen.

Überall sollen führende Vollstrecker aller Funktionen, aller Aufgaben und aller Bedürfnisse der sozialistischen Sowjet-Republik sich erheben und in die Ausübung der selben ihre ganze Selbstaufopferung, ihren ganzen Enthusiasmus hinein tragen.

Wir müssen durch Vermittlung unserer kommunistischen Partei in jeder Fabrik sozusagen eine Musterzelle bilden, die das Arbeitsgewissen der betreffenden Fabrik wäre. Es ist notwendig, dass sie, diese Zelle, unter dem Gesichtspunkte der allgemeinen Interessen des Volkes das Leben der betreffenden Fabrik verfolge und beobachte und die Arbeiter von der Notwendigkeit überzeuge, überall und allerorts die elementarsten Pflichten in Bezug zu unserem Sowjet-Lande zu erfüllen. Die Verantwortung für sein Schicksal liegt mit seiner ganzen Wucht doch auf uns und dafür müssen wir einstehen, und nur wir, als regierende Klasse, regierende Partei, besonders jetzt, wo die Gruppe der linken Sozial-Revolutionäre von uns gegangen ist und wo auf der kommunistischen Partei die direkte und allumfassende Verantwortung für all das liegt, was im Staatsleben und durch das Staatsleben auch im Wirtschaftsleben des Landes geschieht.

III.

Es ist notwendig, durch die Partei und durch unsere gewerkschaftlichen Verbände diese neue Stimmung in den großen Werken und Fabriken zu züchten, dieses neue Bewusstsein von Arbeitspflicht und Arbeitsehre einzubürgern und gestützt auf dieses Bewusstsein Arbeitsberichte einzuführen, damit der Arbeiter, der sich teilnahmslos seinen Verpflichtungen gegenüber verhält oder das Material entwendet und unachtsam damit umgeht, oder derjenige Arbeiter, der nicht seine ganze Arbeitszeit mit Arbeit ausfüllt, damit solch ein Arbeiter vors Gericht gestellt würde, damit die Namen solcher Übertreter der sozialistischen Solidarität in allen Sowjet-Publikationen als die Namen von Abtrünnigen gedruckt würden.

Diese kommunistische Moral, Genossen. sind wir verpflichtet sofort zu predigen, zu unterstützen, zu entwickeln und zu befestigen. Das ist die vornehmste Aufgabe unserer Partei auf allen Gebieten ihrer Tätigkeit.

Nehmen wir die Eisenbahnen. Bis jetzt haben wir im Eisenbahnwesen einander angeklagt, haben auf die frühere Regierung, die alten Verwaltungen, auf das Zentralkomitee des Eisenbahnverbandes Angriffe gerichtet, Und wir waren im Recht. Und wir wurden die Sieger, die Macht und die Leitung gingen zu uns über. Die Eisenbahnen befinden sich in unseren Händen, aber dies, Genossen, ist noch nicht die ganze Sache und nicht mal die Hälfte der Sache, es ist vielleicht nur der zehnte Teil der Sache. Jetzt ist es nötig, den Apparat der Eisenbahnen in den Mechanismus einer Uhr zu verwandeln, und dies ist gegenwärtig eine der wichtigsten politischen Aufgaben unserer Partei. Sehen Sie, darin steckt das ganze Wesen der Sache und das muss man begreifen. Wenn früher die politische Aufgabe in der Agitation, der Propaganda, in dem offenen Straßenkampf auf den Barrikaden, in der Eroberung der Macht, in Wahlen bestand, so stellt jetzt die Organisation der Eisenbahnen, die Schaffung einer Arbeitsdisziplin dort, der vollen Verantwortlichkeit jedes einzelnen für seinen Posten, dies alles stellt die politische Aufgabe unserer Partei vor. Warum? Weil, wenn wir damit nicht fertig werden, so würde das bedeuten, dass wir zusammengebrochen sein würden, und diese Tatsache würde in der Weltgeschichte des Proletariats als ein großes Minus gebucht werden. Selbstverständlich begreifen wir, dass das Proletariat am Ende siegen wird, aber es wird nicht spurlos vergehen, sondern schwer gebucht werden, dass im gegebenen Moment unsere Partei und unsere Klasse die Prüfung nicht bestanden haben. Sehen Sie, darum verwandeln sich all diese schöpferischen staatlichen Organisationsaufgaben direkt unmittelbar in politische Verpflichtungen für unsere Partei.

Dies alles bezieht sich im Ganzen auch auf das Gebiet, zu dem ich jetzt im engsten Verhältnis stehe, auf das militärische Gebiet. Ich will jetzt nicht über die internationale Lage des Landes, über die internationalen Perspektiven und Gefahren sprechen. Für meinen Bericht wird es genügen, wenn ich sage, dass insofern das Schicksal der russischen Revolution von der Weltlage abhängt, dieses Schicksal mit dem Schicksal der europäischen Revolution verbunden ist. Wenn in Europa die Revolution nicht kommen sollte, wenn die europäische Arbeiterklasse sich unfähig erweisen sollte, sich gegen das Kapital beim Endresultate dieses Kriege, erbeben, wenn diese ungeheuerliche Voraussetzung sich verwirklichen sollte, so würde das bedeuten, dass die europäische Kultur verurteilt sei. Das würde bedeuten, dass beim Ausgange der mächtigen Entwicklung des Kapitalismus, beim Abschlusse der Weltabschlachtung, in die der Weltkapitalismus die Völker gestürzt hat. die europäische Arbeiterklasse sich unfähig erwiesen habe. sich der Macht zu bemächtigen und Europa von dem Druck des Kapitalismus und der imperialistischen Hölle zu erlösen. Das würde, bedeuten, dass Europa zur Auflösung, zur Entartung, zum Rückfall verurteilt sei. Ja, selbstverständlich, wenn Europa in die Barbarei zurückfiele und wenn die Kultur sich dann irgendwo im Osten, in Asien, in Amerika entwickeln würde, wenn Europa sich in eine rückständige Halbinsel von Asien verwandeln würde, wie die Balkanhalbinsel, die einst eine Stätte der kulturellen Entwicklung war, dann zurückblieb, erstarb und sich in den rückständigsten südöstlichen Winkel Europas verwandelte, wenn dies alles geschehen würde, dann können selbstverständlich auch wir nicht widerstehen. Aber insofern haben wir entschieden keine Gründe zur Annahme solch einer ungeheuerlichen Hypothese, insofern wir überzeugt sind, dass das europäische Proletariat beim Ausgang des dieses Krieges und wahrscheinlich schon während seines Prozesses sich erheben wird, und auf diesem Wege stößt es die neue Offensive an der Westfront, die von Neuem den Arbeitermassen die ganze Aussichtslosigkeit ihrer Lage offenbart, insofern können wir sagen. dass das Schicksal unserer Revolution im internationalen Maßstabe mit dem Schicksal der europäischen Revolution und folglich auch mit dem Schicksal von Europa unverbrüchlich verbunden ist. Und darum müssen wir, als ein Faktor dieser europäischen Revolution, als ihr Bestandteil, dafür sorgen, dass wir stark sind, d. h. einzeln genommen, dass wir mit solch einer Armee, die dem Charakter und Geiste unseres Sowjet-Regimes entsprechen würde, ausgerüstet sind.

Sie haben die Grundbestimmungen gelesen, mit denen wir aus dem Kommissariat für Militärwesen uns an Sie gewandt haben. Wir nehmen an, dass wir, weil die weitere Entwicklung der internationalen Verhältnisse uns bereits in der nächsten Periode von neuem vor grausame Prüfungen stellen kann, für die nächste Zeit schon gediegene und unerlässliche Armeekaders schaffen müssen, die gerade aus diesem Grunde nicht auf dem Prinzip der allgemeinen obligatorischen Rekrutierung gebildet werden können, weil es klar ist. dass in den nächsten zwei Monaten wir solch eine Rekrutierung nicht vollbringen werden. Sehen Sie, darum müssen wir uns zeitweilig auf das Prinzip der Freiwilligkeit, das selbstverständlich auf dem Wege einer strengen, persönlichen und politischen Prüfung für alle diese Freiwilligen gereinigt werden soll, stützen.

Die Pflicht der Parteiorganisationen, der Parteizellen besteht darin, um überall und allerorts dafür zu sorgen, dass die in die Armee eintretenden Elemente in politischem und moralischem Sinne von guter Qualität sind, und dass sie, nachdem sie in den Bestand der Armee eingetreten sind, ihre Verbindung mit den Arbeitermassen nicht verlieren, dass sie einer systematischen Einwirkung seitens derselben unterzogen werden. Indem ich etwas vorauseile, will ich sagen, manche aus unserer eigenen Parteimitte befürchten, dass die Armee zu einem Werkzeug oder einem Herde von gegenrevolutionären Anschlägen werden könnte. Diese Befürchtung, soweit sie eine gewisse Berechtigung hat, muss uns zwingen, unsere Aufmerksamkeit ganz und gar auf die unteren Schichten, auf die Soldatenreihen der roten Armee zu richten. Hier können und müssen wir solch ein Fundament schaffen, das jegliche Versuche, die rote Armee in ein Werkzeug für gegenrevolutionäre Anschläge zu verwandeln, fruchtlos machen würde. Als vornehmste Aufgabe auf diesem Wege erscheint die Vervollständigung der Kader durch allgemeine Ausbildung in den Werken, Fabriken und der ländlichen Armen. Bis jetzt sind Genossen, viele Dekrete, viele Verordnungen, die von uns erlassen wurden, auf dem Papier verblieben. Als die Aufgabe ersten Grades seltenster Partei erscheint, dass das Dekret, das wir über die allgemeine obligatorische militärische Ausbildung in den Werken. Fabriken, Werkstätten, Schulen usw. in diesen Tagen veröffentlichen werden, tatsächlich ins Leben durchgeführt würde. Auf dies zu achten, dieses Dekret tatsächlich In der Praxis zu verwirklichen, ist die Aufgabe der Parteiorganisation und -zellen. Nur die breite militärische Ausbildung der Arbeiter- und Bauernmassen überall, wo dies sich sofort in der Praxis verwirklichen lässt, bedingt die Möglichkeit der Verwandlung der freiwilligen Kader in jenes Skelett, welches im Augenblick der Gefahr mit Fleisch und Blut. d.h. mit wirklich breiten bewaffneten Massen umkleidet wird.

Hier gehe ich zu einem kitzligen Punkt über, der jetzt bis zu einem gewissen Grade die kranke Stelle in unserem Parteileben ausmacht. Es ist die Frage der Organisierung der Armee, die Frage über die Heranziehung von militärischen Spezialisten, d. h. mit einfachen Worten, der früheren Offiziere und Generäle zur Schaffung der Armee und zur Verwaltung der Armee. Bei uns bauen sich jetzt alle grundlegenden, leitenden Einrichtungen der Armee auf solch ein Prinzip auf, dass sie aus einem militärischen Spezialisten und zwei politischen Kommissaren bestehen. Das ist der heutige Grundtypus eines leitenden Organs der Armee.

Ich musste bereits mehr als einmal in öffentlichen Versammlungen darüber sprechen, dass wir auf dem Kommandogebiete, auf dem Operations- und dem Kampfgebiete die ganze volle Verantwortung den militärischen Spezialisten auferlegen und folglich ihnen auch die notwendigen Rechte verleihen werden. Davor haben viele von uns Angst, und diese Befürchtungen finden in den Resolutionen einiger Parteiorganisationen ihren Ausdruck. Ich habe eine solche Resolution in der Tasche, habe sie gestern aus dem nordwestlichen Gebiet erhalten. Dort ist eine prächtige Charakteristik der Schwierigkeiten. vor denen wir stehen. Wie viel Willkür jeglicher Art (stellt diese Resolution fest) seitens einiger Sowjet- Vertreter zu beobachten sei, wie viel Unordentlichkeit, sogar Ehrlosigkeit und Diebstahl – ja auch Diebstahl! – seitens der Vertreter der Sowjet-Macht, der Gewählten der Arbeiterorganisationen zu beobachten sei. Ja, viel von dem, sehr viel von dem gibt es jetzt! Und hier, liegt wiederum die Aufgabe der Partei, sich mit aller Erbarmungslosigkeit zu solcher Art Erscheinungen in unserer eigenen Mitte zu verhalten, denn sie richten das Land, sie richten unsere Partei zugrunde. Man muss nicht bloß diejenigen verfolgen, die direkt oder indirekt der Entwendung von Volksgeldern schuldig sind, sondern auch diejenigen, die gegenüber jeglicher Art Erscheinungen von Zuchtlosigkeit und Laster nachsichtig sein werden. Wir müssen, Genossen, eine Auslese mit eiserner Erbarmungslosigkeit durchführen, weil es hier viele gefährliche und beunruhigende Symptome gibt. Dieses gerade verlangen die Genossen aus dem nordwestlichen Gebiete. In der obenerwähnten Resolution, die diese Lage prächtig schildert, verlangen sie von der Partei drakonische Maßnahmen. Maßnahmen zur Ausbrennung dieser moralischen Wunden mit glühendem Eisen.

Und diese Resolution weist mit gleicher Beunruhigung auf eine andere Gefahr hin, nämlich auf die Heranziehung von Generälen, die (wie sie sagt) das Land einem neuen Kornilow-Abenteuer entgegenführen würden. Freilich, die Gefahr eines Kornilow-Abenteuers ist nicht ausgeschlossen. Jedoch, diese Gefahr wird nicht durch die Heranziehung eines oder zwei Dutzend früherer Generäle genährt, sondern durch tiefere Wurzeln.

Woher entwickeln sich die Willkür. Unordentlichkeit und gar Ehrlosigkeit? Durchweg daraus, dass Menschen Posten einnehmen, die sie nicht bewältigen können. Besehen Sie sich näher, was jetzt in der Ukraine vorgeht. Diejenigen, die prachtvoll und heldenmütig gegen die Kaledins, Dutows und Kornilows gekämpft, die diese Feinde, die technisch auf demselben Niveau standen, besiegt haben, haben versagt, als sie sich vor der deutschen militärischen Maschine befanden und ihre Hilflosigkeit fühlten. Daher ihre Unzufriedenheit mit sich selbst. Sie, diese Befehlshaber von Partisanenabteilungen, kämpfen gegeneinander, klagen einander an, und nicht selten kämpfen sie weniger gegen die Deutschen, als gegen die örtliche Bevölkerung. Das Beispiel dessen, was in der Ukraine vorgeht, zeigt uns, dass, wenn wir über die Verteidigung der Sowjet-Revolution durch bewaffnete Abwehr, durch Krieg ernstlich sprechen, wir jegliche Phrasen der linken Sozialrevolutionäre über Partisanenaufstand und Maßnahmen von kleinen Kreisen verwerfen, jedoch die Aufgabe der Schaffung einer regulären Armee uns vornehmen müssen. Nur bei Vorhandensein dieser regulären Armee können auf ihren Flanken die Partisanenabteilungen eine positive Rolle spielen. Für die Schaffung solch einer Armee brauchen wir jedoch qualifizierte Fachleute, darunter auch die gestrigen Generäle. Wie ich früher sagte, besteht die Schwierigkeit des Sowjet-Regimes gegenwärtig nicht im Kampfe gegen die Sabotage, deren Rückgrat gebrochen ist. sondern in der Heranziehung der früheren Saboteure zur Betätigung.

Die zweite Frage ist die über das sogenannte Wahlprinzip der Armee. Der ganze Sinn dieses Prinzipes liegt darin, gegen den alten Bestand des Offiziersapparates zu kämpfen, den Kommandobestand zu kontrollieren.

Solange die Macht in den Händen der uns feindlichen Klasse lag und der Kommando-Bestand als Werkzeug in den Händen dieser Macht erschien, waren wir verpflichtet, bestrebt zu sein, durch das Wahlprinzip den Klassenwiderstand des Kommando-Personals zu brechen. Aber jetzt befindet sich die politische Macht in den Händen der selben Arbeiterklasse, aus deren Reihen die Armee sich rekrutiert.

Unter dem jetzigen Regime in der Armee – ich sage es Ihnen vollkommen offen – erscheint das Wahlprinzip politisch zwecklos, technisch aber unzweckmäßig, und in dem Dekrete ist es bereits faktisch aufgehoben.

Ich frage Sie: Ist bei Ihnen in den Gewerkschaftsverbänden und Kooperativen überall und allerorts das Wahlprinzip durchgeführt? Nein. Wählen Sie die Beamten, Buchhalter. Büroangestellten. Kassierer, wählen Sie die Angestellten von streng bestimmter Profession? Nein. Sie wählen unter den verdienstvollsten und vertrauenswürdigsten Arbeitern des Gewerkschaftsverbandes Ihren Aufsichtsrat und die Ernennung aller notwendigen Angestellten und Fachtechniker überlassen Sie demselben. Dasselbe muss auch bei der Armee sein. Da wir einmal das Sowjet-Regime, d. h. solch ein Gefüge, bei dem an der Spitze der Macht Personen stehen, die unmittelbar durch die Sowjets der Arbeiter-, Bauern- und Soldaten-Deputierten gewählt sind, festgesetzt haben, kann es keine Gegensätzlichkeit zwischen der Macht und den Arbeitermassen geben, wie es keinen Antagonismus zwischen dem Aufsichtsrat eines Verbandes und der Generalversammlung seiner Mitglieder gibt. Und folglich kann es auch keine Gründe geben, die Ernennung von Personen des Kommando-Bestandes durch die Organe der Sowjet-Macht zu fürchten. Die wahre Lösung der Frage über den Kommando-Bestand besteht dann, für die fortgeschrittenen Soldaten und Arbeiter Instruktionskurse zu errichten und in dieser Weise einen neuen Kommando-Bestand, der dem Geiste des Sowjet-Regimes entspricht, allmählich zu erziehen. Diese Aufgabe haben wir uns gestellt.

Die Frage der Schaffung einer Armee ist für uns jetzt eine Frage auf Tod und Leben. Sie verstehen dies selbst ebenso, wie ich. Aber wir können keine Armee schaffen, nicht vermittels des administrativen Mechanismus, der bei uns vorläufig überaus schlecht ist. Wenn wir einen mächtigen Mechanismus haben, so ist es ein ideeller Mechanismus, dieser Mechanismus ist unsere Partei. Die Armee werden Sie, Genossen, schaffen. Und Sie werden alles tun, um die Vorurteile, über die ich sprach, auszurotten. Sie werden uns helfen, die Kader der revolutionären Armee durch kampfesfrohe und ergebene Arbeiter und Bauern aufzufüllen. Sie werden Hand anlegen, um in den Werken, Fabriken und auf dem Lande die obligatorische militärische Ausbildung, durchzuführen und Sie werden auf diese Weise einen Kampfapparat zur Verteidigung der Sowjet-Republik schaffen.

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