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Leo Trotzki 19181104 Befehl Nr. 55

Leo Trotzki: Befehl Nr. 55

des Vorsitzenden des Revolutionären Militärrates der Republik und Volkskommissars für Militär- und Marineangelegenheiten vom 4. November 1918, Zarizyn.

[Eigene Übersetzung nach dem russischen Text in L. Trotzki: Wie sich die Revolution rüstete (über die Militärarbeit). Band 1: Das Jahr 1918. Moskau 1923, S. 350 f., verglichen mit der englischen Übersetzung]

In der Zeit einer Rundreise an der Front der zehnten Armee hatte ich die Gelegenheit, die hier befindlichen Abteilungen kennenzulernen. Die meisten von ihnen haben bereits in der Vergangenheit große militärische Erfolge erzielt. Es gibt Einheiten, die, nachdem sie aus dem feindlichen Ring entkommen sind, Hunderte von Werst unter enormen Schwierigkeiten und Nöten zurückgelegt haben. Zum größten Teil verfügen sie über inneren Zusammenhalt und Kommunikation mit den Kommandostab – eine notwendige Garantie für den Erfolg des Kampfes. Unter den Soldaten und Kommandeuren gibt es viele wahre Helden, deren Namen im ganzen Land bekannt sein sollten. Der Stahl-, der Kommunistischen und der Morozow-Division und der Brigade Don-Stawropol überreichte ich im Namen des Allunionszentralexekutivkomitees der Sowjets ein Ehrenbanner.

Aber es ist allen ernsthaften Arbeitern klar, dass bei den erzielten Erfolgen Halt zu machen unmöglich ist. Erforderlich sind weitere Schritte auf dem Weg der Organisierung und Vereinigung der X. Armee zu einem einheitlichen Ganzen.

An der Front der X. Armee befinden sich mehrere Kampfeinheiten, die als Divisionen bezeichnet werden, aber dem Wesen nach keine sind. Es ist notwendig, in der kürzesten Frist alle Truppenverbände und Gruppen in mehrere Stabsabteilungen zu überführen und diese Abteilungen mit den notwendigen Kommandoapparaten und Wirtschaftsverwaltungen auszustatten.

Die politische Arbeit in den Abteilungen ist noch fast nicht festgelegt. Es ist notwendig, jeder Division, jedem Regiment und jeder unabhängig handelnden Brigade Kommissare zur Verfügung zu stellen, in deren Händen die Ideenleitung1 des Lebens ihrer Einheit konzentriert sein sollte.

Die Verwendung von militärischen Vorräten findet bei weitem nicht immer mit der notwendigen Sorgfalt statt. Dagegen müssen entschlossene und systematische Maßnahmen ergriffen werden. Es ist notwendig, dass die Kommandostäbe selbst mit dem Gedanken durchtränkt sind und ihre Abteilungen mit diesem Gedanken durchtränken, dass Waffen und militärische Vorräte ein nationaler Schatz sind, der mit aller Sorgfalt geschützt und mit aller Umsicht verwendet werden muss. Die Kommandeure derjenigen Einheiten, in denen eine übermäßige Nutzung von Artillerieausrüstung auftritt, müssen eine Strafe erleiden. Umgekehrt müssen diejenigen Abteilungen, in denen diesbezüglich Ordnung herrscht, besondere Belohnungen erhalten.

Manche Abteilungen, die aus der Partisanenkampf hervorgegangen sind, haben sich bei weitem noch nicht mit dem Gedanken vertraut gemacht, dass sie jetzt keine unabhängigen Einheiten mehr sind, sondern Teil einer zentralisierten Armee. Daraus rührt manchmal eine Unabgestimmtheit des Handelns. Es gibt Kommandeure, die nicht verstehen, dass ein Befehl ein Befehl ist, der vorbehaltlos auszuführen ist. Es gab Fälle, in denen ein Kommandeur, der einen operativen Befehl nicht ausführen wollte, ihn an eine Versammlung zur Erörterung weiterreichte, und sich hinter dem Rücken der Versammlung versteckte. Dieses Übel muss mit einem heißen Eisen ausgebrannt werden. Als Bürger können Soldaten in der Freizeit Versammlungen zu allen Themen organisieren. Als Soldaten im Einsatz und an der Front führen sie vorbehaltlos die Kampfbefehle der Macht aus, die von der Arbeiter- und Bauernregierung errichtet wurde. Weigert sich eine Einheit, einen Befehl auszuführen, dann ist der Kommando- und Kommissarsstab schuld. In den Fällen, in denen Kommandeure und Kommissare auf der Höhe sind, verweigern Einheiten nie die Erfüllung ihrer revolutionäre Pflicht. Deshalb befehle ich im Falle von grundlosen Rückzügen, Panik, Nichtausführung von Kampfbefehlen, die jeweiligen Kommandeure und Kommissare unverzüglich von der entsprechenden Angelegenheit zu entfernen und sie nach Kriegsrecht vor Gericht zu bringen.

Die Grundlage des militärischen Zusammenschlusses unserer Armee ist die Division. Auf den Leitern2 und Kommissaren der Divisionen ruht eine große Aufgabe und eine große Verantwortung. Indem er Hand in Hand mit dem Kommissar strenge Disziplin in seiner Abteilung sicherstellt muss der Leiter3 gleichzeitig ein Beispiel für die strikte und bedingungslose Ausführung der operativen Befehle des Armeekommandeurs geben, wie der Armeekommandeur seinerseits seine Arbeit nach genauen Anweisungen des Kommandeurs der Südfront ausführt. Nur unter solchen Bedingungen wird die Arbeit der X. Armee die größten Ergebnisse bringen, und werden der Heroismus ihrer roten Regimenter, ihre Bemühungen und Opfer uns in kürzester Zeit zu einem entscheidenden Sieg über die Krasnow-Kadetten-Banden führen.

Indem ich aus dem Tätigkeitsgebiet der X. Armee abreise, sende ich allen ihren rechtschaffenen Soldaten brüderliche Grüße.

1In der englischen Übersetzung: „ideologische“

2In der englischen Übersetzung: „Kommandeuren“

3In der englischen Übersetzung: „Divisionskommandeur“

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