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Leo Trotzki 19180322 Die neue Armee

Leo Trotzki: Die neue Armee

Rede, gehalten im Alexewschen Volkshause am 22. März 1918 (am Tage der Roten Armee).

[nach Leo Trotzki: Die Geburt der Roten Armee. Wien 1924, S. 27 f.]

Die Februar- und darauf die Oktoberrevolution verliefen hauptsächlich im Zeichen des Kampfes um den Frieden auf ehrlichen demokratischen Grundlagen. Die Bourgeoisie, die in der ersten Periode der Revolution zur Macht gelangt war, war durch ihre imperialistische Politik ein Hemmschuh für den Frieden.

Erst nach der Oktoberumwälzung, seit die Staatsmacht unmittelbar in die Hände der Sowjets übergegangen ist, trat Russland in eine Periode des direkten aktiven Kampfes um den Frieden ein.

Wir haben keine Anstrengungen gescheut, haben in dieser Richtung alle Opfer gebracht, bis zur völligen Demobilisierung der alten Armee und der Beendigung des Krieges gegen die Zentralmächte, aber der deutsche Imperialismus, der keinen ernsthaften revolutionären Druck im Innern empfand, stürzte sich mit seiner ganzen Wucht auf das schier wehrlose Russland, fügte ihm eine Reihe von verräterischen Schlägen zu und zwang es, einen unerhört schweren Friedensvertrag zu unterzeichnen.

Ein solcher Friede, der die Existenz Sowjetrusslands seitens Deutschlands, Japans und der anderen imperialistischen Mächte beständig bedroht, kann nicht von langer Dauer sein. Und so ist die im Augenblick dringendste und wichtigste Aufgabe die, die Verteidigung des Landes zu organisieren, alle seine Kräfte zur bewaffneten Abwehr der inneren und äußeren Feinde zu mobilisieren.

Welche konkreten Maßnahmen müssen schon jetzt voll durchgeführt werden?

Die allgemeine Pflichtausbildung der gesamten Bevölkerung Russlands im Kriegshandwerk. Jeder Arbeiter und Bauer muss sich täglich eine bestimmte Anzahl von Stunden der militärischen Ausbildung widmen. Als Instruktoren müssen die erfahrenen, alten Soldaten, die Unteroffiziere und die Vertreter des alten Kommandopersonals engagiert werden.

Alle Offiziere, alle Ärzte und Ingenieure, alle Kopfarbeiter, die bisher an der Sabotage eifrig teilnahmen, sie müssen alle an die Arbeit gehen! Man sagt, die alten Offiziere seien konterrevolutionär gesinnt, man dürfe ihnen das Militärwesen der sozialistischen Armee nicht anvertrauen. Aber erstens wird ihnen bloß der technische. und operativ-strategische Teil der Arbeit übertragen werden, während der ganze Apparat der Armee, ihre Organisation und der innere Aufbau ganz die Sache der Sowjets der Arbeiter- und Soldatendeputierten sein wird; zweitens waren uns die Offiziere und Generale nur damals gefährlich, als sie den ganzen Mechanismus der Staatsmacht beherrschten. Jetzt liegt es nicht in ihrer Macht, die Grundlagen der Sowjetmacht ins Wanken zu bringen. Aber möge jeder von ihnen wissen und dessen eingedenk sein, dass bei dem leisesten Versuch, ihre Stellung zu konterrevolutionären Zielen auszunutzen, sie harte Strafen erfahren werden, man wird mit ihnen mit der ganzen Strenge des revolutionären Regimes verfahren; sie haben keine Gnade zu erwarten!

Was die Disziplin in der Armee betrifft, so muss sie die Disziplin von Männern sein, die von einem einheitlichen, festen, revolutionären Bewusstsein – dem Bewusstsein ihrer sozialistischen Pflicht – zusammengeschweißt sind. Das hat nichts mit Kadavergehorsam und Disziplin von oben zu tun, sondern ist die brüderliche, bewusste, revolutionäre Disziplin,

In Anbetracht des nahenden Frühlings und der mit ihm verbundenen Feldarbeiten kann jetzt eine allgemeine Mobilmachung nicht vorgenommen werden. Wir werden uns einstweilen mit der Einführung der allgemeinen Pflichtausbildung im Kriegshandwerk und der Formierung von kampffähigen „Freiwilligen-Trupps" begnügen müssen, die das Skelett der neuen Massenarmee abgeben werden.

Das Land ist zerrüttet, die Wirtschaft ist desorganisiert, es fehlt jede strenge Rechnungslegung, und ohne diese lässt sich die Landesverteidigung schwer organisieren. Neben dem schonungslosen Kampfe gegen die Spekulanten und Kapitalisten, die sich auch jetzt noch am Elend des Volkes bereichern und den ohnehin chaotischen Zustand des Landes steigern, wird ein ebenso harter und entschlossener Kampf gegen die lumpigen Elemente aus dem Kreise der Werktätigen geführt werden, die die Volksgüter um Tausende und Hunderttausende von Rubel bestehlen und vernichten. Das revolutionäre Volk wird den Kampf gegen diese Elemente führen im Namen des Schutzes und der Erhaltung des Volksbesitzes.

Wir haben überall Feinde, aber wir haben auch Freunde in Europa; das ist die Arbeiterklasse. Sie hat es unermesslich schwieriger als wir, gegen die eigene, ausgezeichnet organisierte und immer noch starke Bourgeoisie zu kämpfen, aber der vierjährige Krieg bereitet den objektiven Boden für die alleuropäische Revolution ununterbrochen vor. Früher oder später wird in Europa der Brand des revolutionären Bürgerkrieges auflodern; in diesem Kampfe dürfen wir nicht die letzten sein; wir müssen in voller Bewaffnung, kampfbereit sein, wir müssen siegen, und wir werden siegen, denn die revolutionäre Arbeiterklasse aller Länder muss siegen im letzten entscheidenden Treffen gegen ihre urewigen Feinde, die das räuberische, unerhört blutige Gemetzel angezettelt haben und fortführen!

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