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Leo Trotzki 19180214 Rede des Volkskommissars für auswärtige Angelegenheiten

Leo Trotzki: Rede des Volkskommissars für auswärtige Angelegenheiten.

[Nach dem Buch Von der Oktoberrevolution bis zum Brester Friedensvertrag, Promachos-Verlag, Herausgeber Fritz Platten, Belp-Bern 1918, S. 103-113]

Genossen! Die Sowjet-Regierung Russlands muss jetzt nicht allein neu aufbauen, sondern auch die alten Rechnungen abschließen und bis zu einem gewissen – und dabei sehr hohen – Grade die alten Schulden bezahlen: zunächst die Rechnungen des Krieges, der dreieinhalb Jahre lang gedauert hat. Der Krieg bildete den Prüfstein der ökonomischen Kraft der kriegführenden Länder. Das Los Russlands als des ärmeren und rückständigeren Landes war bei einem langwierigen Kriege von vorneherein bestimmt. Bei dem mächtigen Zusammenprall der Kriegsapparate entschied letzten Endes die Fähigkeit eines jeden Landes, seine Industrie den Kriegsbedürfnissen anzupassen, sie in kürzester Zeit umzuwandeln und in stets wachsendem Maße die Vernichtungswerkzeuge zu ersetzen, die im Laufe dieser Völkermetzelei mit solcher Schnelligkeit verbraucht wurden. Jedes, oder beinahe jedes Land, und darunter auch das zurückgebliebenste, konnte am Anfang des Krieges die mächtigsten Vernichtungswerkzeuge besitzen, d. h. es konnte sie aus dem Auslande beziehen. Das war bei allen zurückgebliebenen Ländern der Fall; auch bei Russland. Der Krieg verbraucht aber schnell sein totes Kapital und erfordert eine stetige Neubeschaffung. Die Kriegsfähigkeit jedes einzelnen, in den Wirbel des Weltgemetzels hineingerissenen Landes ließ sich in Wirklichkeit durch seine Fähigkeit ermessen, selbständig während des Krieges Kanonen, Geschosse und andere Vernichtungswerkzeuge neu zu schaffen.

Wenn der Krieg das Problem der Wechselbeziehung der Kräfte in aller kürzester Zeit gelöst hätte, so wäre für Russland theoretisch die Möglichkeit da gewesen, denjenigen Platz hinter den Schützengräben zu behaupten, der den Sieg für sich hatte. Aber der Krieg hat sich zu lange hingezogen. Und dies geschah nicht zufällig. Allein der Umstand, dass die ganze internationale Politik der letzten 50 Jahre auf die Schaffung eines sogenannten europäischen „Gleichgewichts" hinauslief, das heißt darauf, dass die feindlichen Kräfte sich ungefähr die Waagschale halten, dieser Umstand allein musste – wenn man die Macht und den Reichtum der modernen bürgerlichen Nationen in Betracht zieht – dem Krieg einen langwährenden Charakter verleihen. Und dies bedeutete seinerseits die Erschöpfung derjenigen Länder, die schwächer und in ökonomischer Hinsicht weniger entwickelt waren.

Am stärksten in militärischer Hinsicht erwies sich Deutschland, dank der Macht seiner Industrie und dank der modernen, neuen, rationellen Beschaffenheit dieser Industrie bei einer längst veralteten Staatsverfassung. Es stellte sich heraus, dass Frankreich mit seiner zum großen Teil kleinbürgerlichen Wirtschaft hinter Deutschland weit zurück geblieben war; und selbst ein so mächtiges Kolonialreich wie England erwies sich infolge des konservativeren, von der Routine beherrschten Charakters seiner Industrie im Vergleich zu Deutschland als der Schwächere. Als die russische Revolution von der Geschichte vor die Frage der Friedensverhandlungen gestellt wurde, da zweifeln wir nicht, dass wir bei diesen Verhandlungen die Rechnung des dreieinhalb Jahre langen Krieges würden begleichen müssen – falls nicht die Kraft des internationalen revolutionären Proletariats einen entscheidenden Strich durch die Rechnung machen würde. Wir zweifelten nicht, dass wir im deutschen Imperialismus einen Gegner hatten, der durch und durch von dem Bewusstsein seiner kolossalen Kraft durchdrungen sei, jener Kraft, die so deutlich im Verlauf des jetzigen Krieges zu Tage getreten ist.

Alle jene Erwägungen der bourgeoisen Cliquen, wir wären unvergleichlich stärker gewesen, wenn wir diese Verhandlungen gemeinsam mit unseren Verbündeten geführt hätten, sind im Grunde genommen unzulänglich. Damit wir in unbestimmter Ferne gemeinsam mit unseren Verbündeten Verhandlungen führen könnten, hätten wir vor allem gemeinsam mit den Verbündeten den Krieg weiterführen müssen; da aber das Land erschöpft und geschwächt war, so musste gerade die Fortsetzung des Krieges und nicht das Kriegsende das Land noch mehr schwächen und erschöpfen. So hätten wir einmal den Krieg quittieren müssen unter Bedingungen, die für uns noch viel ungünstiger gewesen wären. Wenn es sich sogar herausgestellt hätte, dass dasjenige Lager, in das Russland infolge internationaler Kombinationen des Zarismus und der Bourgeoisie hineingetrieben worden war; dasjenige Lager, an dessen Spitze Großbritannien steht – wenn es sich herausgestellt hätte, dass dieses Lager aus dem Kriege als Sieger hervorgegangen wäre – nehmen wir für einen Augenblick diesen wenig wahrscheinlichen Ausgang an – so hätte das noch keineswegs bedeutet, Genossen, dass auch unser Land siegreich hervorgegangen wäre. Denn bei einem weiteren Fortgang des Krieges musste Russland auch innerhalb des siegreichen Lagers der Entente noch erschöpfter, noch verwüsteter dastehen als es jetzt schon ist. Die Herren dieses Lagers, d. h. England und Amerika, hätten in Bezug auf unser Land genau dieselben Methoden angewandt, wie sie während der Friedensverhandlungen Deutschland entwickelte. Bei der Wertung der Politik imperialistischer Länder wäre es eine sinnlose und läppische Kinderei, wenn man sich von anderen Erwägungen leiten ließe, als den Erwägungen der nackten Interessen und der groben Macht. Wenn wir also als Land jetzt vor dem Angesicht des Weltimperialismus geschwächt dastehen, so sind wir nicht dadurch geschwächt, dass wir uns aus dem feurigen Kreis des Krieges losgerissen haben und zudem noch uns aus der Umklammerung der internationalen Kriegsverpflichtungen befreit haben – nein, wir sind durch die Politik des Zarismus und der bürgerlichen Klassen geschwächt, jene Politik, gegen die wir als revolutionäre Partei gekämpft haben – sowohl vor dem Kriege wie während des jetzigen Krieges.

Erinnern Sie sich, Genossen, unter welchen Umständen unsere Delegation sich zuletzt direkt aus einer der Sitzungen des Dritten Allrussischen Sowjet-Kongresses nach Brest-Litowsk begeben hatte. Damals statteten wir Euch einen Bericht über den Stand der Verhandlungen und die Forderungen unserer Gegner ab. Diese Forderungen liefen, wie Sie sich erinnern werden, auf maskierte oder richtiger halb maskierte Annexionsgelüste hinaus, eine Annexion von Litauen, Kurland, einen Teil von Livland, die Moonsund-Inseln und eine halb verschleierte Kontribution, die wir damals auf sechs bis acht, ja sogar auf zehn Milliarden Rubel taxierten. Während der Pause in den Verhandlungen, die gegen zehn Tage dauerte, entwickelte sich in Österreich-Ungarn ein ungeheures Gären, und es brachen die Arbeiterstreiks aus. Diese Streiks bedeuteten die erste Anerkennung unserer Methode, die Kriegsverhandlungen zu führen, die erste Anerkennung, der wir von Seiten des Proletariats der Zentralmächte vor dem Angesicht der annexionistischen Forderungen des deutschen Militarismus begegneten. Wie jämmerlich erscheinen dagegen die Behauptungen der bürgerlichen Presse, wir hätten einer zwei Monate langen Unterhaltung mit Kühlmann bedurft, um zu erfahren, dass der deutsche Imperialismus räuberische Bedingungen aufstelle. Nein, das haben wir von vornherein gewusst. Aber aus der „Unterhaltung" mit den Vertretern des deutschen Imperialismus versuchten wir ein Mittel zur Stärkung derjenigen Kräfte zu machen, die gegen den deutschen Imperialismus kämpfen. Wir versprachen dabei nicht Wunder zu verrichten, aber wir behaupteten, dass der Weg, den wir gehen, der einzige Weg sei, der der revolutionären Demokratie übrig bleibe, um sich die Möglichkeit einer weiteren Entwicklung zu sichern.

Man könnte darüber klagen, dass das Proletariat anderer Länder und insbesondere der Zentralmächte allzu langsam den Weg des offenen revolutionären Kampfes beschreite – gewiss. Das Tempo seiner Entwicklung muss als allzu langsam angesehen werden – aber immerhin, in Österreich-Ungarn fand eine Bewegung statt, die sich über das ganze Land ausdehnte und die ein unmittelbarer und direkter Widerhall der Verhandlungen von Brest-Litowsk ist.

Als ich von hier abreiste, sprachen wir davon, dass wir keinen Grund zur Annahme hätten, diese Streikwelle würde in Österreich und Deutschland den Militarismus wegschwemmen. Wenn wir davon überzeugt gewesen wären, so hätten wir natürlich sehr gerne das Versprechen abgegeben, das gewisse Personen aus unserem Munde erwarteten – nämlich, dass wir unter keinen Umständen einen Separatfrieden mit Deutschland schließen würden. Ich sagte damals schon, dass wir ein solches Versprechen nicht abgeben könnten – denn das hätte geheißen, die Verpflichtung übernehmen, den deutschen Militarismus zu besiegen. Das Geheimnis eines solchen Sieges besitzen wir aber nicht. Und da wir uns nun nicht verpflichten konnten, die Wechselbeziehungen der internationalen Kräfte in kürzester Zeit zu verändern, gaben wir offen und ehrlich die Erklärung ab, dass eine revolutionäre Regierung unter gewissen Umständen sich gezwungen sehen könne, einen annexionistischen Frieden anzunehmen. Der Niedergang dieser Regierung müsste dort beginnen, wo sie versucht hätte, vor ihrem eigenen Volke den räuberischen Charakter dieses Friedens zu verbergen – nicht aber dort, wo sie nach dem Verlauf des Kampfes gezwungen sei, einen solchen Frieden anzunehmen.

Zugleich aber wiesen wir darauf hin, dass wir uns zur Fortsetzung der Friedensverhandlungen nach Brest begäben, unter Bedingungen, die sich offenbar für uns besserten, aber für unsere Feinde verschlimmerten. Wir verfolgten die Bewegung in Österreich-Ungarn, und vieles sprach dafür – darauf bezogen sich auch die sozialdemokratischen Abgeordneten im deutschen Reichstag – dass auch Deutschland sich am Vorabend solcher Ereignisse befände. Von dieser Hoffnung erfüllt reisten wir ab. Und schon in den ersten Tagen unseres sechsmaligen Aufenthalts in Brest brachte uns der Radiotelegraph über Wilna die ersten Nachrichten darüber, dass in Berlin eine ungeheure Streikbewegung ausgebrochen sei, die, ebenso wie in Österreich-Ungarn, direkt und unmittelbar mit dem Gang der Verhandlungen in Brest verbunden war. Wie es jedoch oft kraft der Dialektik des Klassenkampfes der Fall ist, musste gerade die ungeheure Dimension dieser proletarischen Bewegung – die Deutschland noch nie gesehen hatte – die besitzenden Klassen zu einem engeren Zusammenschluss und zu noch größerer Unversöhnlichkeit drängen. Die deutschen regierenden Klassen sind von hinreichend festem Selbsterhaltungstrieb durchtränkt, um sich darüber klar zu werden, dass alle Zugeständnisse in der Lage, in der sie, von ihren eigenen Volksmassen bedrängt, sich befanden – alle auch nur partiellen Zugeständnisse – eine Kapitulation vor der Idee der Revolution bedeuten würden.

Und aus diesem Grunde nahm Kühlmann nach der ersten Periode der Kopflosigkeit, als er absichtlich die Verhandlungen hinzog, keine Sitzungen festsetzte oder sie in nebensächlichen, formalen Fragen vergeudete, sobald der Streik liquidiert war, und er sich überzeugen konnte, dass im gegebenen Moment seinen Herrn keine Lebensgefahr mehr drohte – da nahm er seinen Ton völliger Selbstsicherheit und verdoppelter Aggressivität wieder auf.

Unsere Verhandlungen komplizierten sich durch die Teilnahme der Kiewer Rada an den Verhandlungen. Wir meldeten es bereits das letzte Mal. Die Delegation der Kiewer Rada tauchte in dem Augenblick auf, als die Rada in der Ukraine eine ziemlich starke Organisation bildete, und der Ausgang des Kampfes noch nicht vorauszusehen war. Gerade in diesem Augenblicke machten wir der Rada den offiziellen Vorschlag, mit uns einen bestimmten Vertrag zu schließen, wobei wir als Bedingungen eines solchen Vertrags die eine Forderung vorausschickten: dass die Rada Kaledin und Kornilow als Konterrevolutionäre bezeichne und uns nicht hindere, diese beiden zu bekämpfen. Die Delegation der Kiewer Rada traf in Brest gerade in dem Moment ein, als wir mit ihr sowohl hier wie dort eine Einigung zu erzielen hofften. Auch dort erklärten wir, dass so lange sie vom Volke der Ukraine anerkannt werde, wir es für möglich hielten, sie als selbständigen Teilnehmer an den Verhandlungen zuzulassen. Aber je weiter sich die Ereignisse auf dem Boden Russlands und der Ukraine entwickelten, je tiefer der Antagonismus zwischen den unteren Schichten der Ukraine und der Rada wurde, umso größer wurde die Bereitwilligkeit der Rada, mit den Regierungen der Zentralmächte den ersten besten Friedensvertrag abzuschließen und im Notall den deutschen Militarismus zur Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Russischen Republik heranzuziehen, um die Rada gegen die russische Revolution zu stützen.

Am 9. Februar neuer Zeitrechnung erfuhren wir, dass die hinter unserem Rücken geführten Friedensverhandlungen zwischen der Rada und den Zentralmächten unterschrieben wurden. Am 9. Februar ist der Geburtstag des Königs Leopold von Bayern, und wie es in monarchischen Ländern üblich ist, war der feierliche historische Akt – ich weiß nicht, ob mit Einwilligung der Kiewer Rada – für diesen feierlichen Tag vorgesehen. Der General Hoffmann salutierte zu Ehren Leopolds von Bayern, nachdem er um die Genehmigung dieser Salutschüsse bei der Kiewer Delegation angefragt hatte – da nach dem Friedensvertrag Brest-Litowsk zu der Ukraine überging. Die Ereignisse nahmen jedoch einen solchen Verlauf, dass in dem Moment, als der General Hoffmann die Kiewer Rada um die Erlaubnis bat, jene Kanonenschüsse abzugeben, die Rada nach Abzug von Brest-Litowsk nicht mehr sehr viel Territorium übrig behielt. Auf Grund der Depeschen, die wir aus Petrograd erhielten, setzten wir die Delegationen der Zentralmächte offiziell in Kenntnis, dass die Kiewer Rada nicht mehr existiere – ein Umstand, der für den Gang der Friedensverhandlungen keineswegs gleichgültig sein durfte. Wir schlugen dem Grafen Czernin vor, seine Vertreter in Begleitung unserer Offiziere nach der Ukraine zu schicken, um sich überzeugen zu können, ob sein Konteragent, die Kiewer Rada, überhaupt existiere oder nicht existiere. Es hatte den Anschein, als ob Czernin bereitwilligst darauf einginge; als wir ihm aber die Frage vorlegten: bedeutet das auch, dass der Vertrag mit der Kiewer Delegation nicht unterschrieben werden würde, bevor seine Abgesandten zurückkehrten – da überkamen ihn Zweifel und er erbot sich, bei Kühlmann danach anzufragen. Nach der Anfrage aber ließ er uns eine negative Antwort zukommen. Das war am 8. Februar – am 9. mussten sie einen unterschriebenen Vertrag haben; das duldete keine Verschiebung. Nicht nur wegen des Geburtstages des Königs Leopold von Bayern, sondern auch aus einem wichtigeren Grunde, den Kühlmann unzweifelhaft Czernin klar gemacht hatte: „Wenn wir jetzt unsere Vertreter nach der Ukraine schicken sollten, so könnten sie sich am Ende in der Tat überzeugen, dass die Rada nicht mehr existiert. Und dann würden wir einzig und allein eine Allrussische Delegation vor uns haben, und das würde unsere Chancen bei den Verhandlungen verschlimmern." . . Von Seiten der österreichisch-ungarischen Delegation sprach man zu uns: „Verlasst den Boden der Prinzipien, stellt die Frage auf eine praktischere Basis, und dann wird die deutsche Delegation mit sich reden lassen Es ist den Deutschen nicht möglich, nur wegen der Moonsund-Inseln den Krieg fortzusetzen, falls Ihr diese Forderung auch konkret aufstellt" .. Wir antworteten: „Nun wohl, wir sind gerne bereit, die Nachgiebigkeit Eurer Kollegen aus der deutschen Delegation zu überprüfen. Bis jetzt verhandelten wir über das Selbstbestimmungsrecht der Litauer, Polen, Livländer, Letten, Estländer und anderer, und stellten bei all diesen Fragen fest, dass von Selbstbestimmung nicht die Rede sein konnte. Nun wollen wir sehen, wie Ihr Euch zur Selbstbestimmung noch eines Volkes, nämlich des russischen, stellt, welches Eure Absichten und Pläne militärisch-strategischer Art sind, die sich hinter Eurer Besetzung der Moonsund-Inseln verbergen. Denn die Moonsund-Inseln haben als Bestandteil der unabhängigen estnischen Republik oder als Eigentum der Föderativen Russischen Republik eine Defensiv-Bedeutung; in den Händen Deutschlands aber gewinnen sie einen Offensiv-Wert und bedrohen das eigentliche Lebenszentrum unseres Landes und ganz besonders Petrograd." Aber Hoffmann ließ sich natürlich nicht auf die geringsten Zugeständnisse ein. Da kam die Stunde der Entscheidung. Den Krieg erklären konnten wir nicht. Wir waren zu schwach. Die Armee hatte ihren inneren Zusammenhang verloren. Zur Rettung unseres Landes, zur Überwindung des Zerfallsprozesses mussten wir die innere Verbindung der arbeitenden Massen wieder herstellen. Dieses psychologische Band kann nur auf dem Wege des produktiven Arbeitens auf dem Acker, in der Fabrik und in der Werkstatt erzeugt werden. Wir müssen den arbeitenden Massen, die den ungeheuren Leiden und katastrophalen Prüfungen des Krieges unterworfen wurden, auf ihre Äcker und in ihre Fabriken zurückbringen, wo sie sich wiederfinden und in ihrer Arbeit festigen könnten, und nur so würden wir eine innere Disziplin schaffen können. Das ist der einzige Ausweg für das Land, das jetzt die Sünden des Zarismus und der Bourgeoisie abbüßt. Wir sind genötigt, diesen Krieg aufzugeben, und wir führen die Armee aus dem Gemetzel heraus. Zugleich aber erklären wir vor dem Angesicht des deutschen Militarismus: Der Friede, den Ihr uns aufdrängt, ist ein Gewalt- und Raubfriede. Wir wollen nicht zulassen, dass Ihr, Herren Diplomaten, den deutschen Arbeitern sagen könnt: „Ihr nanntet unsere Forderungen Eroberungen und Annexionen, aber schaut, wir bringen Euch unter diesen Forderungen die Unterschrift der russischen Revolution!" – Ja, wir sind schwach, wir können jetzt keinen Krieg führen, wir besitzen aber revolutionäre Kraft genug, um zu zeigen, dass wir aus freien Stücken unsere Unterschrift nicht unter einen Vertrag setzen, den Ihr mit Eurem Schwert auf den Leib lebendiger Völker schreibt. Wir verweigerten unsere Unterschriften! – Ich glaube, dass wir richtig gehandelt haben, Genossen.

Genossen! Ich will nicht behaupten, dass ein Angriff Deutschlands gegen uns ausgeschlossen sei – eine solche Behauptung wäre allzu gewagt, wenn man sich die Stärke der imperialistischen Partei in Deutschland vor Augen hält. Ich glaube aber, dass der Standpunkt, den wir in dieser Frage eingenommen haben, dem deutschen Militarismus in hohem Maße den Angriff erschwert hat. Wie aber, wenn Deutschland trotzdem angreifen sollte? Darauf können wir nur das Eine sagen: Wenn in unserem Lande, das erschöpft und in einen verzweifelten Zustand versetzt ist, wenn man in unserem Lande den Mut der revolutionären und lebensfähigen Elemente anstacheln kann, wenn bei uns der Kampf zum Schutz unserer Revolution und des Schauplatzes dieser Revolution möglich ist – dann ist das nur infolge der Situation, die jetzt geschaffen wurde, möglich, als ein Resultat unseres Austrittes aus dem Kriege und unserer Weigerung, den Friedensvertrag zu unterschreiben.

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