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Leo Trotzki 19180101 Resolution zum Verlauf der Friedensverhandlungen

Leo Trotzki: Resolution auf der gemeinsamen Sitzung des ZEK,

des Petrograder Sowjets und des allgemeinen Armeekongresses

zur Demobilisierung der Armee zum Verlauf der Friedensverhandlungen

(19. Dezember)

[„Protokoll der Sitzungen der ZEK der 2. Einberufung", S. 169-170. Eigene Übersetzung nach Л. Троцкий. Сочинения. Том 3, часть 2. Москва-Ленинград, 1925]

Die gemeinsame Sitzung des ZEK, des Petrograder Sowjets und des Allarmee-Kongresses zur Demobilisierung beschließt, nachdem sie den Bericht der Friedensdelegation gehört und ihre Handlungen vollständig gebilligt hat:

Die erste politische Erklärung, die von den Vertretern der vier Verbündeten in Brest angekündigt wurde, hat im Prinzip den Friedensschluss ohne Annexionen und Kontributionen anerkannt. Diese Anerkennung hat den Weg für weitere Verhandlungen über einen allgemeinen demokratischen Frieden geebnet.

Bereits in dieser Erklärung weigerten sich die Vertreter der deutschen Regierung, das Selbstbestimmungsrecht für jene unterdrückten Nationalitäten und für jene Kolonien anzuerkennen, die vor dem Krieg 1914 erobert worden waren.

Schon diese von der russischen Delegation hervorgehobene Beschränkung enthüllte, dass die herrschenden Klassen Deutschlands, die unter dem Druck der Volksbewegung gezwungen waren, Zugeständnisse an die Idee eines demokratischen Friedens zu machen, gleichzeitig versuchen, diese Idee in Richtung der alten Annexionspolitik zu verfälschen. Die Erklärung der österreichisch-deutschen Delegation, in der die praktischen Bedingungen des Friedens im Osten dargelegt sind, verzerrt die Idee eines gerechten und demokratischen Friedens weiter.

Die Bedeutung dieser Aussage läuft darauf hinaus, dass die österreichisch-deutsche Regierung sich weigert, sich vorbehaltlos zu verpflichten, die Truppen aus den besetzten Gebieten von Polen, Litauen, Kurland, Teilen Livlands und Estlands zurückzuziehen.

Die tatsächliche, freie Willensbestimmung der Bevölkerung Polens, Litauens, Kurlands und aller anderen besetzten Gebiete ist unmöglich beim Verbleib der ausländischen Truppen in diesen Gebieten und vor der Rückkehr des evakuierten Teils der alteingesessenen Bevölkerung. Der Hinweis der Delegation darauf, dass der Wille der Völker in diesen Gebieten angeblich bereits zum Ausdruck gebracht worden sei, ist offensichtlich unbegründet. Unter dem Belagerungszustand konnten die besetzten Gebiete bei der Unterdrückung durch die Militärzensur noch nicht ihren Willen zum Ausdruck bringen. Dokumente, auf die sich die deutsche Regierung beziehen könnte, können bestenfalls nur den Willen individueller privilegierter Gruppen bezeugen und nicht den der Volksmassen dieser Gebiete.

Wir erklären:

Die russische Revolution bleibt ihrer internationalen Politik treu. Wir stehen für die wahre Selbstbestimmung von Polen, Litauen und Kurland. Wir werden niemals als gerecht anerkennen, irgendeinem Volk einen anderen Willen aufzuzwingen.

Die Oktober-Arbeiterrevolution erfüllte ihre Pflicht gegenüber den Völkern der ganzen Welt. Die Arbeiter- und Bauernregierung hat die Geheimverträge veröffentlicht. Die Arbeiter- und Bauernregierung ist bereit, sofort alle während dieses Krieges von den russischen Truppen besetzten Gebiete zu räumen. Sie gibt, ohne irgendeinen militärischen Druck auszuüben, allen Völkern, die Russland bewohnen, ohne Ausnahme das Recht, die Selbstbestimmung bis hin zur Lostrennung zu verwirklichen. Aber sie fordert dasselbe auch von der entgegengesetzten Seite.

Wir appellieren als Brüder an die französischen, englischen und serbischen Arbeiter und sagen ihnen: Die Regierungen eurer Länder haben nicht einmal den Schritt zum Frieden gemacht, den die Regierungen von Mitteleuropa machen mussten. Die Regierungen eurer Länder haben ihre Kriegsziele noch nicht verkündet. Eure Regierungen ziehen den Krieg um jeden Preis hinaus. Eure Regierungen machen keinen Schritt zum Friedensprogramm der russischen Revolution. Eure Regierungen wollen nicht jene Verträge aufgeben, die sie mit dem ehemaligen Zaren Nikolaus II. heimlich hinter dem Rücken des Volkes geschlossen haben. Erkämpft den sofortigen Beitritt eurer Länder zu Friedensverhandlungen auf der Grundlage der Erklärungen der russischen Delegation in Brest!

Wir appellieren an die Völker Deutschlands, Österreich-Ungarns, Bulgariens und der Türkei.

Unter eurem Druck waren eure Regierungen gezwungen, unsere Parole „ohne Annexionen und Kontributionen“ in Worten zu übernehmen, aber in Taten versuchen sie, die alte Eroberungspolitik durchzuführen. Denkt daran: die Sache des Abschlusses eines schnellen und wahrhaft demokratischen Friedens liegt vor allem in euren Händen. Auf euch schauen die erschöpften und von einem beispiellosen Krieg ausgebluteten Völker ganz Europas. Ihr werdet den deutschen und österreichischen Imperialisten nicht erlauben, im Namen der Versklavung Polens, Litauens, Kurlands und Armeniens einen Krieg gegen das revolutionäre Russland zu führen.

Die Arbeiterrevolution erfordert den Aufstand der werktätigen Klassen aller Länder.

Die vereinigte Sitzung besteht darauf, dass die Friedensverhandlungen künftig in einem neutralen Land geführt werden, und beauftragt den Rat der Volkskommissare, alle Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass dies geschieht.

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